Das Geheimnis der Schlacht von Nadjaf
Malte Olschewski - Über tausend Mann einer schiitischen Sekte sollen im Irak bei Nadjaf befestigte Positionen mit Flugabwehrgeschützen errichtet haben. Von dort aus hätten die „Soldaten des Himmels (Jund Al Samaa)“ zum Trauerfest der Aschura einen Angriff auf die in Nadjaf versammelten Geistlichkeit geplant. Die irakische Armee habe den Plan entdeckt und am 28.1. angegriffen. Die 30 Stunden dauernden Schlacht sei von amerikanischer Infanterie, von Panzern und Hubschraubern entschieden worden. Dabei sei ein US-Helikopter abgeschossen worden. Seine beiden Insassen seien ums Leben gekommen. Es habe zwischen 200 und 400 Tote gegeben. Unter den 300 Gefangenen seien auch Kämpfer aus Afghanistan, Algerien, Jemen und Pakistan gewesen.
Während das US-Militär nur den Verlust des Hubschraubers meldete, haben irakische Behörden ein Feuerwerk widersprüchlicher Angaben entfacht. Da auch jede nachsetzende Berichterstattung fehlt, kommt der Verdacht auf, dass hier etwas verheimlicht werden soll. Immerhin sind die Kämpfe vom 28. und 29.1.2007 die erste grosse Schlacht im irakischen Bürgerkrieg gewesen. Ein amerikanischer Offizier, der ausserhalb der Zensur befragt werden konnte, sprach auch von „merkwürdigen Kämpfen“.
Was also geschah unter den Palmen von Sarka, etwa zehn Kilometer nördlich der heiligen Stadt Nadjaf? Regierungsstellen in Bagdad sprechen von einer „schiitischen Erlösersekte.“ Der Vizegouverneur von Nadjaf, Abdel Hussein Attan, hat nach Besichtigung der Kampfplätze erklärt, es könne sich nur um ein grossangelegtes Projekt der Terrororganisation Al Kaida handeln. Sowohl Schiiten als Sunniten hätten gemeinsam gegen die Sicherheitskräfte der Regierung gekämpft. Der mit verschiedenen Namen bezeichnete „Sektenführer“ sei getötet worden, dann wieder soll er geflüchtet sein. Auffallend ist auch, dass bei den schweren Kämpfen auf Seiten der Sicherheitskräfte nur zehn Gefallene gezählt worden sind.
Die Festung von Sarka
Die Agenturen AFP und Reuters suchten den Hintergrund zu erhellen. Tatsache ist, dass in letzter Zeit Sunniten aus dem Ausland und hier vor allem aus Saudiarabien um Nadjaf Land angekauft hatten. Vor zwei Jahren ist unter Palmen bei Sarka eine Siedlung entstanden. Die dort lebenden „Soldaten des Himmels“ gaben vor, auf den schiitischen Erlöser, den Mahdi, zu warten. Nach den Kämpfen stellte sich jetzt heraus, dass man hier eine regelrechte Festung errichtet worden war. Schützengräben und Sperrmauern umgaben etwa 80 Häuser und eine Kommandozentrale. Man hatte eigene Generatoren installiert.
In Vorratskammern lagerten Bestände, die für Monate ausgereicht hätten. Der Fuhrpark bestand aus rund 80 Fahrzeugen. Auch eine eigene Schneiderei und eine Druckerei waren eingerichtet worden. Die „Soldaten des Himmels“ waren in Sektionen gegliedert und besassen schwere Waffen bis hin zu Flugabwehrgeschützen. Etwa tausend Menschen lebten in der Festung von Sarka, darunter auch Frauen und Kinder. Angesichts ihrer Organisation und der Ausstattung fällt es schwer, von einer Sekte zu sprechen. Unter den Opfern und unter den Gefangenen waren auch sunnitische Ausländer, jedoch keine Iraner. Regierungssprecher Ali Al Dabbagh hat in Bagdad den Verdacht geäussert, es könnte sich um eine vom Ausland unterstützte Terrorganisation handeln, die sich als Erlösersekte maskiert hat.
Für die Trauerfeiern der Aschura seien dann Attentatsserien und die Auslöschung des schiitischen Klerus geplant gewesen. Es könnte sich bei Sarka aber auch um ein Projekt des saudiarabischen Geheim-dienstes handeln. Das Regime in Ryadh fühlt sich von den Entwicklungen im Irak ausgeschlossen und vom Vormarsch der Schiiten bedroht.
Vor der Aschura am zehnten Tag des moslemischen Monats Muharram herrscht in Nadjaf und Kerbala immer fromme Erregung. Bis zu zwei Millionen Pilger marschierten in diesem Jahr zu den schiitischen Heiligtümern: Zur Moschee und Grabstätte des Imams Ali in Nadjaf und zur Moschee seines Sohnes Hussein in Kerbala. In diesen Aufmarsch mischen sich immer wieder Fanatiker, wirre Geister, selbsternannte Propheten und auch Terroristen. Schon mehrmals war es in Nadjaf und Kerbala zu Sprengstoffanschlägen gekommen. Es ist daher möglich, dass bewaffnete Terroristen im Pilgerstrom bis zur grossen Moschee von Nadjaf und in die Nähe des führenden Klerus gelangen wollten. Die Sicherheitskräfte könnten versucht haben, die Terroristen zu isolieren. Dann hat man ihren Weg bis zur Festung von Sarka zurückverfolgt.
Endzeitstimmung bei Schiiten
Das Schiitentum ist eine messianische und apokalypische Variante des Islams mit einer äusserst komplizierten Genese. Nach dem Tod des Propheten hatten seine Anhänger in Mekka nicht seinen Schwiegersohn Ali, sondern den Gefolgsmann Abu Bakr zum Nachfolger oder „Kalifen“ gewählt. Ihm folgten mit Omar und Othman zwei weitere Kalifen. Nach der Ermordung Othmans wurde Ali im Jahr 656 zum vierten Kalifen ausgerufen. Fünf Jahre später wurde er bei Nadjaf von abtrünnigen Gläubigen ermordet. Hierauf proklamierte sich der Statthalter von Damaskus, Muawiya, zum fünften Kalifen, während eine andere Partei Alis ersten Sohn, Hassan, nachfolgte. Nach der Ermordung Hassans 669 trat Alis zweiter Sohn Hussein die Nachfolge an. Es standen sich zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Hussein brach 680 mit einem kleinen Heer in Mekka nach Damaskus auf, während ihm den Sohn Muawiyas, Jazid, entgegenkam. Beide Heere trafen sich bei Kerbala am Ufer des Euphrats. Angesichts der feindlichen Übermacht hat Hussein die Gläubigen im Zwischenstromland zu Hilfe gerufen, doch die stellten sich taub. Mit wenigen Getreuen ritt Hussein in den Märtyrertod.
Die sunnitische Mehrheit suchte immer politische Macht mit dem Titel eines Kalifen zu verbinden, während die „Schiat Ali“ (Partei Alis) nur direkte Abkommen als „Imame“ gelten lassen wollte. Es kam zu einer Abfolge von elf Imamen. Der Sohn des elften Imams, Mohammed Al Mahdi, ist im Jahr 873 nach dem Tod seines Vaters plötzlich verschwunden. Bis 941 soll dieser zwölfte Imam über Botschafter mit den Gläubigen in Verbindung gestanden sein. Diese Zeitspanne gilt als die „kleine Abwesenheit“.
Nach dem Tod des vierten Botschafters im Jahr 941 begann die „grosse Abwesenheit“, die bis heute andauert. Es ist ein Glaubesgrundsatz der Schiiten, dass dieser verschwundene Imam einmal wiederkehren und auf der Welt seine Herrschaft errichten wird. Bis dahin gilt es Sühne zu tun für den Verrat an Hussein. Zur Aschura kommt es zu Prozessionen, bei denen sich die Gläubigen selbst geisseln. Der Leidensweg Husseins wird in kultischen Inszenierungen nachempfunden. Politische Macht darf bei den Schiiten nur im Namen des verborgenen Imams ausgeübt werden. Mit Ahmadinejad als Präsident des Iran ist das Fieber um die baldige Wiederkehr des Imams wieder angestiegen. Iranische Atompläne, die Aggression der USA und der Krieg im Irak fördern die Endzeitstimmung und das Auftreten neuer Propheten.
Der Anführer der bei Nadjaf zerschlagenen Gruppe soll Ahmad Al Hassani Al Yamani gewesen sein. In einer anderen Version war es der Libanese Samir Abu Khamar. Auch ein Abdel Zahra Kassem Al Karimawi und ein Ahmad Bin Al Hassan Al Basri werden als Anführer genannt. Die Verwirrung um seinen Namen weist eher auf eine Terrorgruppe. Dass eine schiitische Sekte inmitten der Aschura religiöse Führer wie Ayatollah Al Sistani töten wollte, ist höchst fragwürdig. In der schiitischen Glaubenslehre ist auch nie die Rede davon, dass der Klerus unterzugehen hat, bevor der Erlöser erscheint.
Während das US-Militär nur den Verlust des Hubschraubers meldete, haben irakische Behörden ein Feuerwerk widersprüchlicher Angaben entfacht. Da auch jede nachsetzende Berichterstattung fehlt, kommt der Verdacht auf, dass hier etwas verheimlicht werden soll. Immerhin sind die Kämpfe vom 28. und 29.1.2007 die erste grosse Schlacht im irakischen Bürgerkrieg gewesen. Ein amerikanischer Offizier, der ausserhalb der Zensur befragt werden konnte, sprach auch von „merkwürdigen Kämpfen“.
Was also geschah unter den Palmen von Sarka, etwa zehn Kilometer nördlich der heiligen Stadt Nadjaf? Regierungsstellen in Bagdad sprechen von einer „schiitischen Erlösersekte.“ Der Vizegouverneur von Nadjaf, Abdel Hussein Attan, hat nach Besichtigung der Kampfplätze erklärt, es könne sich nur um ein grossangelegtes Projekt der Terrororganisation Al Kaida handeln. Sowohl Schiiten als Sunniten hätten gemeinsam gegen die Sicherheitskräfte der Regierung gekämpft. Der mit verschiedenen Namen bezeichnete „Sektenführer“ sei getötet worden, dann wieder soll er geflüchtet sein. Auffallend ist auch, dass bei den schweren Kämpfen auf Seiten der Sicherheitskräfte nur zehn Gefallene gezählt worden sind.
Die Festung von Sarka
Die Agenturen AFP und Reuters suchten den Hintergrund zu erhellen. Tatsache ist, dass in letzter Zeit Sunniten aus dem Ausland und hier vor allem aus Saudiarabien um Nadjaf Land angekauft hatten. Vor zwei Jahren ist unter Palmen bei Sarka eine Siedlung entstanden. Die dort lebenden „Soldaten des Himmels“ gaben vor, auf den schiitischen Erlöser, den Mahdi, zu warten. Nach den Kämpfen stellte sich jetzt heraus, dass man hier eine regelrechte Festung errichtet worden war. Schützengräben und Sperrmauern umgaben etwa 80 Häuser und eine Kommandozentrale. Man hatte eigene Generatoren installiert.
In Vorratskammern lagerten Bestände, die für Monate ausgereicht hätten. Der Fuhrpark bestand aus rund 80 Fahrzeugen. Auch eine eigene Schneiderei und eine Druckerei waren eingerichtet worden. Die „Soldaten des Himmels“ waren in Sektionen gegliedert und besassen schwere Waffen bis hin zu Flugabwehrgeschützen. Etwa tausend Menschen lebten in der Festung von Sarka, darunter auch Frauen und Kinder. Angesichts ihrer Organisation und der Ausstattung fällt es schwer, von einer Sekte zu sprechen. Unter den Opfern und unter den Gefangenen waren auch sunnitische Ausländer, jedoch keine Iraner. Regierungssprecher Ali Al Dabbagh hat in Bagdad den Verdacht geäussert, es könnte sich um eine vom Ausland unterstützte Terrorganisation handeln, die sich als Erlösersekte maskiert hat.
Für die Trauerfeiern der Aschura seien dann Attentatsserien und die Auslöschung des schiitischen Klerus geplant gewesen. Es könnte sich bei Sarka aber auch um ein Projekt des saudiarabischen Geheim-dienstes handeln. Das Regime in Ryadh fühlt sich von den Entwicklungen im Irak ausgeschlossen und vom Vormarsch der Schiiten bedroht.
Vor der Aschura am zehnten Tag des moslemischen Monats Muharram herrscht in Nadjaf und Kerbala immer fromme Erregung. Bis zu zwei Millionen Pilger marschierten in diesem Jahr zu den schiitischen Heiligtümern: Zur Moschee und Grabstätte des Imams Ali in Nadjaf und zur Moschee seines Sohnes Hussein in Kerbala. In diesen Aufmarsch mischen sich immer wieder Fanatiker, wirre Geister, selbsternannte Propheten und auch Terroristen. Schon mehrmals war es in Nadjaf und Kerbala zu Sprengstoffanschlägen gekommen. Es ist daher möglich, dass bewaffnete Terroristen im Pilgerstrom bis zur grossen Moschee von Nadjaf und in die Nähe des führenden Klerus gelangen wollten. Die Sicherheitskräfte könnten versucht haben, die Terroristen zu isolieren. Dann hat man ihren Weg bis zur Festung von Sarka zurückverfolgt.
Endzeitstimmung bei Schiiten
Das Schiitentum ist eine messianische und apokalypische Variante des Islams mit einer äusserst komplizierten Genese. Nach dem Tod des Propheten hatten seine Anhänger in Mekka nicht seinen Schwiegersohn Ali, sondern den Gefolgsmann Abu Bakr zum Nachfolger oder „Kalifen“ gewählt. Ihm folgten mit Omar und Othman zwei weitere Kalifen. Nach der Ermordung Othmans wurde Ali im Jahr 656 zum vierten Kalifen ausgerufen. Fünf Jahre später wurde er bei Nadjaf von abtrünnigen Gläubigen ermordet. Hierauf proklamierte sich der Statthalter von Damaskus, Muawiya, zum fünften Kalifen, während eine andere Partei Alis ersten Sohn, Hassan, nachfolgte. Nach der Ermordung Hassans 669 trat Alis zweiter Sohn Hussein die Nachfolge an. Es standen sich zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Hussein brach 680 mit einem kleinen Heer in Mekka nach Damaskus auf, während ihm den Sohn Muawiyas, Jazid, entgegenkam. Beide Heere trafen sich bei Kerbala am Ufer des Euphrats. Angesichts der feindlichen Übermacht hat Hussein die Gläubigen im Zwischenstromland zu Hilfe gerufen, doch die stellten sich taub. Mit wenigen Getreuen ritt Hussein in den Märtyrertod.
Die sunnitische Mehrheit suchte immer politische Macht mit dem Titel eines Kalifen zu verbinden, während die „Schiat Ali“ (Partei Alis) nur direkte Abkommen als „Imame“ gelten lassen wollte. Es kam zu einer Abfolge von elf Imamen. Der Sohn des elften Imams, Mohammed Al Mahdi, ist im Jahr 873 nach dem Tod seines Vaters plötzlich verschwunden. Bis 941 soll dieser zwölfte Imam über Botschafter mit den Gläubigen in Verbindung gestanden sein. Diese Zeitspanne gilt als die „kleine Abwesenheit“.
Nach dem Tod des vierten Botschafters im Jahr 941 begann die „grosse Abwesenheit“, die bis heute andauert. Es ist ein Glaubesgrundsatz der Schiiten, dass dieser verschwundene Imam einmal wiederkehren und auf der Welt seine Herrschaft errichten wird. Bis dahin gilt es Sühne zu tun für den Verrat an Hussein. Zur Aschura kommt es zu Prozessionen, bei denen sich die Gläubigen selbst geisseln. Der Leidensweg Husseins wird in kultischen Inszenierungen nachempfunden. Politische Macht darf bei den Schiiten nur im Namen des verborgenen Imams ausgeübt werden. Mit Ahmadinejad als Präsident des Iran ist das Fieber um die baldige Wiederkehr des Imams wieder angestiegen. Iranische Atompläne, die Aggression der USA und der Krieg im Irak fördern die Endzeitstimmung und das Auftreten neuer Propheten.
Der Anführer der bei Nadjaf zerschlagenen Gruppe soll Ahmad Al Hassani Al Yamani gewesen sein. In einer anderen Version war es der Libanese Samir Abu Khamar. Auch ein Abdel Zahra Kassem Al Karimawi und ein Ahmad Bin Al Hassan Al Basri werden als Anführer genannt. Die Verwirrung um seinen Namen weist eher auf eine Terrorgruppe. Dass eine schiitische Sekte inmitten der Aschura religiöse Führer wie Ayatollah Al Sistani töten wollte, ist höchst fragwürdig. In der schiitischen Glaubenslehre ist auch nie die Rede davon, dass der Klerus unterzugehen hat, bevor der Erlöser erscheint.
sfux - 2. Feb, 12:11 Article 2825x read