Ein krimineller Fall von Beweisunterschiebung
Harald Haack - Das BKA wollte Löcher bohren – in Firewalls von am Internet angeschlossener Computer, darunter auch private „Rechenknechte“. Alles zur Überwachung und angeblich zur Verbrechensbekämpfung. Denn Bundesbürger sind für Fahnder immer verdächtig und offenbar von Grund auf schlecht. „Alles Käse“, werden sich nun Richter am Bundesgerichtshof gedacht haben und haben nun nicht-offizielle Durchsuchungen von im Online-Zustand befindlicher Computer verboten: Die Strafprozessordnung decke nicht die heimliche Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten.
SPIEGEL-Online schreibt am 7. Dezember 2006, der „ganz normale Netznutzer“ müsse sich vermutlich „keine übertriebenen Sorgen“ machen, dass die Polizei heimlich seine E-Mails mitliest. Dafür sei der technische und personelle Aufwand „zu gewaltig“.
Das werden sich Beamte der Lübecker Mordkommission mutmaßlich auch gedacht haben und beschlagnahmten meine Computer zwecks „Untersuchung“.
Mir wurde 2003 vorgeworfen, an eine Lübecker Tageszeitung drei gleich lautende Faxe gesandt zu haben, deren Inhalt meinen Nachbarn, Dieter W., einen CDU-Mitarbeiter und offenkundig guten Freund des 1. Hamburger Bürgermeisters beschuldigen, in seiner Niendorfer Wohnung zu jener Zeit einen aus Timmendorf (Ostsee) entführten Jugendlichen gefangen zu halten (Fall "Alexander"). Die Polizei stürmte daraufhin die Wohnung und fand, außer einem pikanten Kartenspiel und zerwühltem Bettzeug nichts und Niemanden vor. Obwohl sich der Junge theoretisch in Händen des - bislang von Unbekannt - Beschuldigten hätte befinden können, rief der leitende Fahnder, Kriminalhauptkommissar S., diesen an und setzte ihn von dem polizeilichen Wohnungseinbruch in Kenntnis.
Aus der Ermittlungsakte geht hervor, dass Kriminalhauptkommissar S. den Herrn W. fragte, ob dieser wüsste, von wem er beschuldigt wurde. W. nannte meinen Namen. Damit war der Weg frei, von einem Richter einen Durchsuchungsbefehl zur Durchsuchung unserer Wohnung und zur Beschlagnahme von in Frage kommender Beweismittel zu erhalten. Gesucht wurde vor allem ein Faxgerät. Doch wir besitzen keines. Lediglich in einem der dann beschlagnahmten Computer war die Faxoption enthalten. Interessant vielleicht noch: Als ich eine neue Telefonanlage kaufte, habe ich von der Firma, bei der ich diese Anlage gekauft hatte, verlangt, die Kennungen der Rufnummern und der Faxnummer sichtbar zu schalten. Ich hätte also wissen müssen, dass ich mit einem verleumderischen Fax sofort hätte auffliegen müssen. Bei meiner Vernehmung äußerte ich den Verdacht, mein Computer hätte übers Internet möglicherweise einen Trojaner erhalten und sei über diesen mittels Remote ferngesteuert worden. Da meine Mail-Box gut gesichert sei und selbst mittels Remote wohl nicht hätte missbraucht werden können, so erklärte ich es mir und den Fahndern, seien wahrscheinlich ein oder mehrere Unbekannte auf die ungeschützte Faxoption der ISDN-Karte ausgewichen.
Auf unserer damaligen Telefonrechnung entdeckten wir drei Faxverbindungen zu jener Lübecker Tageszeitung.
Ich weiß jetzt nicht mehr genau, wie Kriminalhauptkommissar S. auf die Möglichkeit kam, man könne auf Dateien zugreifen, die von der Festplatte gelöscht wurden. Jetzt aber im Nachhinein argwöhne ich, dass er die Möglichkeit, mir Beweise unterzuschieben, damals schon als Option im Sinn hatte: Was gelöscht wurde, kann wieder zurückgeholt werden. Und was aber nicht vorhanden ist, wird einfach hinzugefügt.
Es dauert also nicht lange, da wurde meinem Rechtsanwalt mitgeteilt, man habe Beweise auf jenem Computer gefunden, die belegen, dass die Faxe von diesen abgesandt wurden.
Laut Ermittlungsakte soll von meinem Computer aus unmittelbar vor dem Absenden der betreffenden Faxe die WebSeite der Zahnärztlichen Mitteilungen besucht worden sein. Dank dieser Feststellung erinnere ich mich daran, dass ich jene WebSeite tatsächlich besucht hatte. Aber dann wurde ich von meiner Frau zum Essen gerufen. Der Computer blieb eingeschaltet und online. Es gab bei uns Pasta mit Tomatensauce. Beim Essen erzählte ich ihr von der WebSeite, von den dort abgebildeten, schrecklich zugerichteten Leichen und erntete Schelte.
Als wir beim Essen saßen, ahnten wir nicht, dass unserer Faxanschluß von Unbekannt mißbraucht wurde. Aber durch den Hinweis der Lübecker Kripo, die mich damit zusätzlich zu belasten versuchte, weiß ich was ich zum angegebenen Tatzeitpunkt tat, nämlich essen.
Der Lübecker Staatsanwalt W. erhob Anklage gegen mich. Über meinen Anwalt stellte ich beim Amtsgericht Lübeck den Antrag zur Untersuchung meines Computers durch einen unabhängigen forensischen Sachverständigen. Prof. Klaus Brunnstein von der Hamburger Universität wurde damit vom Amtsgericht beauftragt.
Nach einer fast ein Jahr dauernden Untersuchung fand er zweifelsfrei heraus, dass sämtliche mir (und zuvor auch meiner Frau) zur Last gelegten Beweise erst nach der Beschlagnahme des Computers erzeugt wurden, also zu einer Zeit, als sich das Gerät als Asservate längst in Händen der Lübecker Polizei befand. Aber damit nicht genug: Prof. Brunnstein fand auch heraus, dass Beweise, die mich hätten entlasten können, ebenfalls nach der Beschlagnahme des Computers von der Festplatte gelöscht wurden. Dazu zählt das Scan-Log der damals von mir verwendeten Anti-Viren-Software. Schließlich hatte ich wiederholt meine Vermutung geäußert, mein Computer und das darin befindliche ISDN-Fax sei mit Hilfe eines Trojaners ferngesteuert worden. Vor der Beschlagnahme des Computers hatte die Anti-Viren-Software nämlich tatsächlich wiederholt Trojaner auf der Festplatte gefunden und eliminiert. Dies wurde im Scan-Log festgehalten.
Im Oktober 2006 wurde vom Amtsgericht Lübeck das Strafverfahren gegen mich eingestellt.
Da aber Herr Dieter W. seine falsche Beschuldigung gegen mich Ende Dezember über eine Hamburger Rechtsanwältin wiederholte und von mir überdies fast 4.000 Euro Schadenersatz verlangte – für die von der Polizei eingetretene Tür seiner Ferienwohnung sowie für die entgangenen „Nutzungsfreuden“ – zeigte ich die Sache der Hamburger Polizei an und stellte Strafantrag, u.a. wegen falsche Beschuldigung.
Das Gutachten von Prof. Brunnstein ist sehr umfangreich und steht interessierten Journalisten auf Anfrage zur Verfügung.
© 2007 Copyright by Harald Haack - Alle Rechte vorbehalten. Die Übernahme und Nutzung des Artikels und der Fotos zu anderen Zwecken und auf anderen WebSeiten und in Print-Medien sowie Fernsehen und Hörfunk bedarf der schriftlichen Zustimmung des Autoren.
Aktenzeichen des Lübecker Amtsgerichts:
63 Ds 706 Js 101113/03 (579/03)
telepolis: Wie verlässlich sind digitale Beweise?
Chaos Computer Club e.V. - BGH-Entscheidung zur Online-Durchsuchung: Schnüffeln auf privaten Rechnern
Karl Weiss: Der Bundestrojaner und die unterschobene Straftat
Indymedia (03/2003): Überfall von zivilen Mitarbeitern der Mordkommission
SPIEGEL-Online schreibt am 7. Dezember 2006, der „ganz normale Netznutzer“ müsse sich vermutlich „keine übertriebenen Sorgen“ machen, dass die Polizei heimlich seine E-Mails mitliest. Dafür sei der technische und personelle Aufwand „zu gewaltig“.
Das werden sich Beamte der Lübecker Mordkommission mutmaßlich auch gedacht haben und beschlagnahmten meine Computer zwecks „Untersuchung“.
Mir wurde 2003 vorgeworfen, an eine Lübecker Tageszeitung drei gleich lautende Faxe gesandt zu haben, deren Inhalt meinen Nachbarn, Dieter W., einen CDU-Mitarbeiter und offenkundig guten Freund des 1. Hamburger Bürgermeisters beschuldigen, in seiner Niendorfer Wohnung zu jener Zeit einen aus Timmendorf (Ostsee) entführten Jugendlichen gefangen zu halten (Fall "Alexander"). Die Polizei stürmte daraufhin die Wohnung und fand, außer einem pikanten Kartenspiel und zerwühltem Bettzeug nichts und Niemanden vor. Obwohl sich der Junge theoretisch in Händen des - bislang von Unbekannt - Beschuldigten hätte befinden können, rief der leitende Fahnder, Kriminalhauptkommissar S., diesen an und setzte ihn von dem polizeilichen Wohnungseinbruch in Kenntnis.
Aus der Ermittlungsakte geht hervor, dass Kriminalhauptkommissar S. den Herrn W. fragte, ob dieser wüsste, von wem er beschuldigt wurde. W. nannte meinen Namen. Damit war der Weg frei, von einem Richter einen Durchsuchungsbefehl zur Durchsuchung unserer Wohnung und zur Beschlagnahme von in Frage kommender Beweismittel zu erhalten. Gesucht wurde vor allem ein Faxgerät. Doch wir besitzen keines. Lediglich in einem der dann beschlagnahmten Computer war die Faxoption enthalten. Interessant vielleicht noch: Als ich eine neue Telefonanlage kaufte, habe ich von der Firma, bei der ich diese Anlage gekauft hatte, verlangt, die Kennungen der Rufnummern und der Faxnummer sichtbar zu schalten. Ich hätte also wissen müssen, dass ich mit einem verleumderischen Fax sofort hätte auffliegen müssen. Bei meiner Vernehmung äußerte ich den Verdacht, mein Computer hätte übers Internet möglicherweise einen Trojaner erhalten und sei über diesen mittels Remote ferngesteuert worden. Da meine Mail-Box gut gesichert sei und selbst mittels Remote wohl nicht hätte missbraucht werden können, so erklärte ich es mir und den Fahndern, seien wahrscheinlich ein oder mehrere Unbekannte auf die ungeschützte Faxoption der ISDN-Karte ausgewichen.
Auf unserer damaligen Telefonrechnung entdeckten wir drei Faxverbindungen zu jener Lübecker Tageszeitung.
Ich weiß jetzt nicht mehr genau, wie Kriminalhauptkommissar S. auf die Möglichkeit kam, man könne auf Dateien zugreifen, die von der Festplatte gelöscht wurden. Jetzt aber im Nachhinein argwöhne ich, dass er die Möglichkeit, mir Beweise unterzuschieben, damals schon als Option im Sinn hatte: Was gelöscht wurde, kann wieder zurückgeholt werden. Und was aber nicht vorhanden ist, wird einfach hinzugefügt.
Es dauert also nicht lange, da wurde meinem Rechtsanwalt mitgeteilt, man habe Beweise auf jenem Computer gefunden, die belegen, dass die Faxe von diesen abgesandt wurden.
Laut Ermittlungsakte soll von meinem Computer aus unmittelbar vor dem Absenden der betreffenden Faxe die WebSeite der Zahnärztlichen Mitteilungen besucht worden sein. Dank dieser Feststellung erinnere ich mich daran, dass ich jene WebSeite tatsächlich besucht hatte. Aber dann wurde ich von meiner Frau zum Essen gerufen. Der Computer blieb eingeschaltet und online. Es gab bei uns Pasta mit Tomatensauce. Beim Essen erzählte ich ihr von der WebSeite, von den dort abgebildeten, schrecklich zugerichteten Leichen und erntete Schelte.
Als wir beim Essen saßen, ahnten wir nicht, dass unserer Faxanschluß von Unbekannt mißbraucht wurde. Aber durch den Hinweis der Lübecker Kripo, die mich damit zusätzlich zu belasten versuchte, weiß ich was ich zum angegebenen Tatzeitpunkt tat, nämlich essen.
Der Lübecker Staatsanwalt W. erhob Anklage gegen mich. Über meinen Anwalt stellte ich beim Amtsgericht Lübeck den Antrag zur Untersuchung meines Computers durch einen unabhängigen forensischen Sachverständigen. Prof. Klaus Brunnstein von der Hamburger Universität wurde damit vom Amtsgericht beauftragt.
Nach einer fast ein Jahr dauernden Untersuchung fand er zweifelsfrei heraus, dass sämtliche mir (und zuvor auch meiner Frau) zur Last gelegten Beweise erst nach der Beschlagnahme des Computers erzeugt wurden, also zu einer Zeit, als sich das Gerät als Asservate längst in Händen der Lübecker Polizei befand. Aber damit nicht genug: Prof. Brunnstein fand auch heraus, dass Beweise, die mich hätten entlasten können, ebenfalls nach der Beschlagnahme des Computers von der Festplatte gelöscht wurden. Dazu zählt das Scan-Log der damals von mir verwendeten Anti-Viren-Software. Schließlich hatte ich wiederholt meine Vermutung geäußert, mein Computer und das darin befindliche ISDN-Fax sei mit Hilfe eines Trojaners ferngesteuert worden. Vor der Beschlagnahme des Computers hatte die Anti-Viren-Software nämlich tatsächlich wiederholt Trojaner auf der Festplatte gefunden und eliminiert. Dies wurde im Scan-Log festgehalten.
Im Oktober 2006 wurde vom Amtsgericht Lübeck das Strafverfahren gegen mich eingestellt.
Da aber Herr Dieter W. seine falsche Beschuldigung gegen mich Ende Dezember über eine Hamburger Rechtsanwältin wiederholte und von mir überdies fast 4.000 Euro Schadenersatz verlangte – für die von der Polizei eingetretene Tür seiner Ferienwohnung sowie für die entgangenen „Nutzungsfreuden“ – zeigte ich die Sache der Hamburger Polizei an und stellte Strafantrag, u.a. wegen falsche Beschuldigung.
Das Gutachten von Prof. Brunnstein ist sehr umfangreich und steht interessierten Journalisten auf Anfrage zur Verfügung.
© 2007 Copyright by Harald Haack - Alle Rechte vorbehalten. Die Übernahme und Nutzung des Artikels und der Fotos zu anderen Zwecken und auf anderen WebSeiten und in Print-Medien sowie Fernsehen und Hörfunk bedarf der schriftlichen Zustimmung des Autoren.
Aktenzeichen des Lübecker Amtsgerichts:
63 Ds 706 Js 101113/03 (579/03)
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onlineredaktion - 5. Feb, 11:26 Article 8164x read