Geheime Fracht für Russland
Michael Schulze von Glaßer – Als ich Mittwochabend (31. Januar 2007) um 19 Uhr nach Hause kam und meinen Laptop anschaltete, staunte ich nicht schlecht. „Uran-Alarm!“ las ich in der Betreffzeile meines E-Mail-Postfachs. Nach Informationen der Atomkraftgegner sollte der Uranzug um 19 Uhr an der Urananreicherungsanlage in Gronau abfahren und um 20.40 Uhr Münster erreichen. Abgereichertes Uran, das jedoch immer noch radioaktiv strahlt, sollte auf 19 Waggons über Münster nach Rotterdam transportiert werden. Hastig packte ich meine Sachen, rief einen Freund an und eilte zum Bahnhof, um mit dem nächsten Zug nach Münster (NRW) zu fahren.
Von Rotterdam aus gelangt das gefährliche Material, aus dem Panzer brechende Munition hergestellt werden kann, per Schiff nach Sankt Petersburg (Russland). Von der Ostseestadt geht es mit dem Zug weiter gen Osten bis nach Ekaterinburg am Ural, wo sich die Spuren des Transports verlieren. Der Transport soll auch schon im russischen Tomsk und in Irkutsk gesichtet worden sein. Dass der Uranzug den 120 Kilometer weiten Umweg über Münster nehmen muss anstatt direkt von Gronau über Enschede bis an die Niederländische Nordseeküste zu fahren, liegt wohl an der für den Uranzug nicht befahrbaren Bahnstrecke in Enschede.
Verantwortlich für die Transporte ist angeblich die Niederländische Firma „Urenco“. Diese betreibt in der 48.806 Einwohner zählenden Stadt Gronau die einzige Urananreicherungsanlage (UAA) Deutschlands [1]. Nur angereichertes Uran kann in Atomkraftwerken gespaltet werden. Das am vergangenen Mittwoch transportierte Uran, das nach Schätzungen der Atomkraftgegner noch bis zum 13. Februar unterwegs sein wird, war jedoch abgereichertes Uran [2]. Dieses Abfallprodukt ist das Gegenstück zur angereicherten Uranfraktion, welche in der Urananreicherungsanlage in Zentrifugen getrennt werden. Die abgereicherte Chemikalie wird wegen seiner hohen Dichte als Panzerung in amerikanischen Panzern und als Gewicht im Heck der Boeing 747-Jumbos benutzt. Die hohe Dichte ist auch der Grund, weshalb heutzutage kein Krieg ohne Uranmunition ausgetragen wird. Beim Aufprall der Uranprojektile verbrennt der Stoff und gelangt so in die Luft – wer sich in der Nähe befindet und den Beschuss überlebt hat, ist kontaminiert und trägt schwerste Langzeit-Gesundheitsschäden davon.
Nach einer kurzen Zugfahrt ging ich in die Bahnhofshalle des schäbig wirkenden Münsteraner Hauptbahnhofs. Dort wartete schon mein zuvor angerufener Freund auf mich. Es war 20 Uhr, als die ersten Bundespolizisten betont unauffällig durch den Bahnhof schlichen, ständig nach Atomkraftgegnern Ausschau haltend.
Neben der Urananreicherungsanlage findet sich im Münsterland auch noch das Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente. In Ahaus (Kreis Borken) werden schon seit langem Brennelemente „zwischengelagert“. Die hochgefährlichen Brennstäbe sollen dort einige Jahre verbringen, bis die Strahlung soweit abgeklungen ist, dass eine Endlagerung möglich ist. Jedoch gibt es in Deutschland noch kein solches Lager und der zur Endlagerung geplante „Schacht Konrad“ steht allerfrühestens im Jahr 2012 zur Verfügung. Ahaus verkommt neben Gorleben immer mehr zum Endlager für den atomaren Müll der Republik. Dabei ist die Ahauser Leichtbauhalle in der die Brennelemente lagern, höchst unsicher und zur Einlagerung stark radioaktiver Chemikalien nicht geeignet. Im Oktober bzw. Dezember 2006 beantragte die Betreiberfirma, die Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, bei der Bezirksregierung in Münster und beim Bundesamt für Strahlenschutz die Einlagerungsgenehmigung für stark verstrahlte radioaktive Abfälle aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague. Der Grund für diese Forderung ist die „schlechte“ Auslastung des Ahauser Lagers. die nur bei etwa 10 Prozent liegt. Eine weitere Forderung des nur beschränkt zur Haftung herangezogenen Atomunternehmens ist die Erlaubnis, kontaminierte Bauteile alter Atomkraftwerke einlagern zu dürfen. Der verstrahlte Müll soll in Folien gewickelt werden, weil die zum Teil sehr großen Bauteile nicht in Fässer oder andere Behälter passen. Um „auszustrahlen“ sind Fässer auch hinderlich, da sie die Strahlung zum Teil aufhalten und gerade dies wäre nicht im Sinne des Zwischenlagers. Ist die Strahlung der Bauteile etwas abgeklungen und in die Umwelt abgegeben, sollen die Metallteile eingeschmolzen und weiterverarbeitet werden. So könnten aus alten kontaminierten Atomkraftwerksrohren wieder neue werden – aber auch Töpfe oder Gabeln. Ob das Getreide der auf den um das Zwischenlager liegenden Getreidefelder nach weiteren Einlagerungen noch die Chance haben als Bio-Produkte durchzugehen ist fraglich. Das bäuerliche Münsterland ist zugleich ein Zentrum der Atomindustrie.
Im Bahnhof Münster: Gruppenfoto mit Transparent
Um 20.40 Uhr gingen wir zügig die Treppe zum Gleis 4 hoch. Ein paar Bundespolizisten folgten uns. Der Uranzug verspätete sich. Nun blieb Zeit für ein Gruppenfoto mit Transparent „Urantransporte verbieten – UAA in Gronau stilllegen!“. Und endlich rollte die schwere Diesellokomotive mit den 19 Güterwaggons laut dröhnend durch den Münsteraner Hauptbahnhof. Ein fast normaler Güterzug.:
Standbilder aus meinem Video vom 31. Januar 2007. Der Uranzug rollt durch den Hauptbahnhof von Münster.
Wären die kleinen Warntafeln nicht an den Waggons gewesen, fiele der gefährliche Transport kaum auf. Und so wundert es kaum, dass der normale Bahnbetrieb im Hauptbahnhof uneingeschränkt fortgeführt wurde. Einige Passanten guckten nur verdutzt als sie die Horde Bundespolizisten auf dem Gleis erblickten. Nachdem der Zug durch den Bahnhof rauschte, gingen wir wieder zurück in die warme Bahnhofshalle. Auf dem Weg dort hin kam uns ein hektischer Mann mit Baumfällerhemd entgegen. Er sprach in sein Funksprechgerät: „Der Transport war nicht ganz störungsfrei“
Sicherlich er ein zivil gekleideter Polizist. Was genau die Störung war, konnten wir nur erraten. Ein Atomkraftgegner, der im Bahnhof von Burgsteinfurt Fotos vom Uranzug gemacht hatte, war von der Polizei gezwungen worden, diese wieder zu löschen. Ein anderer Beobachter des Zuges wurde bei der Autofahrt vom Ort Burgsteinfurt, durch den der Uranzug zuvor fuhr, bis nach Münster von einem Motorradpolizisten verfolgt.
Dass der Uranzug von der Polizei begleitet und bewacht wurde, ist ein kleiner Fortschritt, obwohl es immer noch große Mängel an der Sicherheit des Zuges gibt. Zwar stand die Polizei im Münsteraner Hauptbahnhof mit etwa acht Leuten „griffbereit“, doch schienen diese nur darauf zu achten, dass wir nicht über den weißen Sicherheitsstreifen auf dem Bahnsteig treten. Jemand mit bösen Absichten hätte es aber leicht gehabt, eine Explosion wäre verheerend für ganz Münster gewesen. Denn das abgereicherte Uran wird als Uranhexafluorid (UF 6) in Fässern auf den Güterwaggons transportiert. Die Waggons waren nur mit Planen überdeckt. Man muss keine großen Chemie-Kenntnisse haben, um zu verstehen zu welch einer Katastrophe ein Unfall des Uranzuges führen könnte. Das feste Uranhexafluorid ist luftdicht in den Fässern auf den Waggons gelagert. Kommt der Stoff mit Feuchtigkeit in Berührung, reagiert er extrem stark. Dafür reicht schon die Feuchtigkeit der Luft aus. Das Uranhexafluorid reagiert dann zu hochgefährlicher Fluss-Säure. Einen solchen Unfall gab es bisher zum Glück noch nicht. Experten haben errechnet, dass 200.000 – 300.000 Menschen evakuiert werden müssten, wenn es mit der gefährlichen Fracht einen Unfall gebe.
Die Broschüre „Höchste Vorsicht beim Umgang mit Fluss-Säure!“ der Bayerischen Landesunfallkasse zeigt die tödliche Wirkung von Fluss-Säure an zwei Beispielen:
„Der erste Unfall geschah in einem Labor, als Fluss-Säure in einer Mikrowelle abdestilliert wurde. Dabei kam es zu einem Siedeverzug, wodurch die Türe der Mikrowelle aufgerissen wurde und etwa 60°C heiße Fluss-Säure im Raum verspritzte. Der zufällig im Raum vorbeikommende Betriebsleiter erlitt durch diese Spritzer eine etwa handflächengroße Verätzung am linken Oberarm sowie geringfügige Verätzungen am Rücken und im Gesicht. Dem Verletzten wurde sofort Erste Hilfe geleistet. Nach einer ersten Therapie durch den Betriebsarzt wurde er mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen, wo er 50 Minuten nach dem Unfall eintraf. Während der sofort eingeleiteten unfallchirurgischen Behandlung kam es zum Herzkammerflimmern und der Patient musste mehrfach reanimiert werden. Weitere Komplikationen wie eine schlechte respiratorische Situation, die Entgleisung des Säure-Base-Haushaltes, eine Gerinnungsstörung und ein akutes Nierenversagen führten schließlich etwa fünfeinhalb Stunden nach dem Unfall zum Tod.
Beim zweiten Unfall wurde ein Arbeiter beim Umfüllen von 72%iger Fluss-Säure von mehreren Spritzern an den Oberschenkeln getroffen. In einer Panikreaktion rannte der Arbeiter weg, anstatt sich sofort mit einer in nächster Nähe befindlichen Schwalldusche abzuduschen. Anschließende Erste-Hilfe-Maßnahmen und der sofortige Transport in ein mit der Behandlung von Fluss-Säure-Verätzungen vertrautes Krankenhaus konnten nicht verhindern, dass der Patient fünf Wochen nach dem Unfall an dessen Folgen verstarb.“
Schon 5%ige Fluss-Säure verursacht starke Verätzungen und Schmerzen. Nicht auszudenken, welch katastrophale Folgen ein Unfall des Uranzuges im Hauptbahnhof von Münster oder einer anderen Stadt hätte!
Nachdem wir uns kurz in einem Café in der Haupthalle des Bahnhofes aufgewärmt hatten, gingen wir wieder zurück die Treppe hinauf zum Gleis 4. Der Uranzug hatte seinen unerwünschten Besuch in Münster noch nicht beendet. Der Zug, auf denen nach Schätzungen der Atomkraftgegner bis zu 1.000 Tonnen abgereichertes Uran lagerte, wurde im Güterbahnhof umgekoppelt um wieder gen Norden zu fahren. Hinter einem großen Kino, wurde die gefährliche Fracht rangiert. Um 21.16 Uhr fuhr der Uranzug dann wieder durch den Hauptbahnhof von Münster, um weiter über Rheine, Bad Bentheim und Hengelo bis nach Rotterdam zu fahren. Von Rotterdam geht es, wie eingangs schon erwähnt, mit dem Schiff bis nach Russland, wo schon 20.000 Tonnen abgereichertes Uran aus Gronau auf die grüne Wiese geschüttet wurden, wie es russische Atomkraftgegner berichten.
Endlich war der Spuk vorbei, zumindest in Münster, jedes Jahr fahren etwa drei dieser Transporte durch die Stadt. Diese Zahl soll aber bald enorm ansteigen, wenn der Ausbau der Gronauer UAA erfolgt ist, und so rechnen die Anti-Atomkraft- Aktivisten mit bis zu 10 Transporten jährlich.
Doch dürfen gefährliche Uranabfälle aus Deutschland überhaupt in ein anderes Land gebracht werden? Tschechische Behörden sprachen von „Müll-Tourismus“ als deutscher Müll eines Unternehmens aus Halle in einem Tschechischen Dorf gefunden wurde. Einige tschechische Bauern „vermieteten“ ihren Hof an deutsche Firmen, die dort Müll deponierten. Welche Russen für die deutschen Uranabfälle bestochen werden ist unklar. Die russischen Atomkraftgegner, die sich in der Organisation „Ecodefense“ organisiert haben, besuchten im November letzten Jahres die Münsteraner Bezirksregierung, um gegen die Urenco Deutschland GmbH und gegen „unbekannt“ Anzeige wegen „Verdachts auf illegalen Atommülltransport“ zu stellen. Kürzlich verkündete der zuständige Münsteraner Oberstaatsanwalt im WDR 3 er wolle das Verfahren in Kürze einzustellen.
Die Staatsanwaltschaft hat sage und schreibe einen Brief an das Wirtschaftsministerium NRW geschrieben. Das Ministerium stellte Erstaunliches fest:
„Der Uranmüll ist in der Tat eine „wertvolle Ressource“; es ist ‚international üblich‘, dass der Müll beim Anreicherer bleibt“
Dass sich die Staatsanwaltschaft hierin keine Mühe gibt, wundert kaum. Schon immer war das Land NRW an der Urananreicherungsanlage beteiligt und hat die Anlage und somit auch die Transporte genehmigt. Käme es zu einem Prozess, könnte die Bundes- oder zumindest die Landesregierung verantwortlich gemacht werden. Dies will sie natürlich verhindern und so wird die ganze Sache mit einem Brief aus einem Ministerium in Düsseldorf abgehackt. Skandalös!
Skandalös wird es wohl auch weiter gehen. Auch wenn es noch einige Zeit dauern wird, bis im Ahauser Zwischenlager auch hochradioaktive Materialien gelagert werden dürfen, wächst das Münsterland weiter zum deutschen Atomzentrum. Die unauffälligen, vor der Öffentlichkeit geheim gehaltenen Urantransporte werden so lange weiter gehen bis die Bevölkerung ihre Stimme erhebt. Am Samstag, dem 3. Februar 2007, wurde mit der Sensibilisierung für das Thema in Münster begonnen. Etwa 400 Menschen nahmen an der Protestveranstaltung vor dem historischen Rathaus teil. Atomkraftgegner aus der ganzen Bundesrepublik und sogar aus Frankreich kamen zur Demonstration nach Münster. Passanten blieben stehen und hörten den Rednern der verschiedenen Organisationen zu. In vielen Regionen werden neue Atomkraftwerke gebaut. „20 neue Atomkraftwerke sollen in Osteuropa gebaut werden“ berichtete Heffa Schücking von der Nichtregierungsorganisation „urgewald“. Um auch diese mit angereichertem Uran versorgen zu können, wird die UAA in Gronau ausgebaut. Der Ausbau der Urananreicherungsanlage in Gronau gibt zu denken auf, wo doch der Atomausstieg in der Bundesrepublik schon beschlossen wurde. Mit den gefährlichen Urantransporten durch deutsche, niederländische und russische Städte aber muss Schluss sein. Die Gefahr eines katastrophalen Unfalls ist zu groß. Außerdem wird die russische Umwelt mit dem waffenfähigen Material für Jahrtausende zerstört. Es ist zu hoffen, dass die Münsterländer gegen die Atomindustrie aufstehen und sich für ein atomfreies Münsterland aussprechen!
[1] Bombige Urananreicherungsanlage in Gronau
[2] Urantransporte – mit Sicherheit unsicher
Quellen:
sofa-ms.de
bi-ahaus.de
Aktionsbündnis Münsterland
Urantransporte.de”
Video:
Uran-Transport durch Münster
Von Rotterdam aus gelangt das gefährliche Material, aus dem Panzer brechende Munition hergestellt werden kann, per Schiff nach Sankt Petersburg (Russland). Von der Ostseestadt geht es mit dem Zug weiter gen Osten bis nach Ekaterinburg am Ural, wo sich die Spuren des Transports verlieren. Der Transport soll auch schon im russischen Tomsk und in Irkutsk gesichtet worden sein. Dass der Uranzug den 120 Kilometer weiten Umweg über Münster nehmen muss anstatt direkt von Gronau über Enschede bis an die Niederländische Nordseeküste zu fahren, liegt wohl an der für den Uranzug nicht befahrbaren Bahnstrecke in Enschede.
Verantwortlich für die Transporte ist angeblich die Niederländische Firma „Urenco“. Diese betreibt in der 48.806 Einwohner zählenden Stadt Gronau die einzige Urananreicherungsanlage (UAA) Deutschlands [1]. Nur angereichertes Uran kann in Atomkraftwerken gespaltet werden. Das am vergangenen Mittwoch transportierte Uran, das nach Schätzungen der Atomkraftgegner noch bis zum 13. Februar unterwegs sein wird, war jedoch abgereichertes Uran [2]. Dieses Abfallprodukt ist das Gegenstück zur angereicherten Uranfraktion, welche in der Urananreicherungsanlage in Zentrifugen getrennt werden. Die abgereicherte Chemikalie wird wegen seiner hohen Dichte als Panzerung in amerikanischen Panzern und als Gewicht im Heck der Boeing 747-Jumbos benutzt. Die hohe Dichte ist auch der Grund, weshalb heutzutage kein Krieg ohne Uranmunition ausgetragen wird. Beim Aufprall der Uranprojektile verbrennt der Stoff und gelangt so in die Luft – wer sich in der Nähe befindet und den Beschuss überlebt hat, ist kontaminiert und trägt schwerste Langzeit-Gesundheitsschäden davon.
Nach einer kurzen Zugfahrt ging ich in die Bahnhofshalle des schäbig wirkenden Münsteraner Hauptbahnhofs. Dort wartete schon mein zuvor angerufener Freund auf mich. Es war 20 Uhr, als die ersten Bundespolizisten betont unauffällig durch den Bahnhof schlichen, ständig nach Atomkraftgegnern Ausschau haltend.
Neben der Urananreicherungsanlage findet sich im Münsterland auch noch das Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente. In Ahaus (Kreis Borken) werden schon seit langem Brennelemente „zwischengelagert“. Die hochgefährlichen Brennstäbe sollen dort einige Jahre verbringen, bis die Strahlung soweit abgeklungen ist, dass eine Endlagerung möglich ist. Jedoch gibt es in Deutschland noch kein solches Lager und der zur Endlagerung geplante „Schacht Konrad“ steht allerfrühestens im Jahr 2012 zur Verfügung. Ahaus verkommt neben Gorleben immer mehr zum Endlager für den atomaren Müll der Republik. Dabei ist die Ahauser Leichtbauhalle in der die Brennelemente lagern, höchst unsicher und zur Einlagerung stark radioaktiver Chemikalien nicht geeignet. Im Oktober bzw. Dezember 2006 beantragte die Betreiberfirma, die Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, bei der Bezirksregierung in Münster und beim Bundesamt für Strahlenschutz die Einlagerungsgenehmigung für stark verstrahlte radioaktive Abfälle aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague. Der Grund für diese Forderung ist die „schlechte“ Auslastung des Ahauser Lagers. die nur bei etwa 10 Prozent liegt. Eine weitere Forderung des nur beschränkt zur Haftung herangezogenen Atomunternehmens ist die Erlaubnis, kontaminierte Bauteile alter Atomkraftwerke einlagern zu dürfen. Der verstrahlte Müll soll in Folien gewickelt werden, weil die zum Teil sehr großen Bauteile nicht in Fässer oder andere Behälter passen. Um „auszustrahlen“ sind Fässer auch hinderlich, da sie die Strahlung zum Teil aufhalten und gerade dies wäre nicht im Sinne des Zwischenlagers. Ist die Strahlung der Bauteile etwas abgeklungen und in die Umwelt abgegeben, sollen die Metallteile eingeschmolzen und weiterverarbeitet werden. So könnten aus alten kontaminierten Atomkraftwerksrohren wieder neue werden – aber auch Töpfe oder Gabeln. Ob das Getreide der auf den um das Zwischenlager liegenden Getreidefelder nach weiteren Einlagerungen noch die Chance haben als Bio-Produkte durchzugehen ist fraglich. Das bäuerliche Münsterland ist zugleich ein Zentrum der Atomindustrie.
Im Bahnhof Münster: Gruppenfoto mit Transparent
Um 20.40 Uhr gingen wir zügig die Treppe zum Gleis 4 hoch. Ein paar Bundespolizisten folgten uns. Der Uranzug verspätete sich. Nun blieb Zeit für ein Gruppenfoto mit Transparent „Urantransporte verbieten – UAA in Gronau stilllegen!“. Und endlich rollte die schwere Diesellokomotive mit den 19 Güterwaggons laut dröhnend durch den Münsteraner Hauptbahnhof. Ein fast normaler Güterzug.:
Standbilder aus meinem Video vom 31. Januar 2007. Der Uranzug rollt durch den Hauptbahnhof von Münster.
Wären die kleinen Warntafeln nicht an den Waggons gewesen, fiele der gefährliche Transport kaum auf. Und so wundert es kaum, dass der normale Bahnbetrieb im Hauptbahnhof uneingeschränkt fortgeführt wurde. Einige Passanten guckten nur verdutzt als sie die Horde Bundespolizisten auf dem Gleis erblickten. Nachdem der Zug durch den Bahnhof rauschte, gingen wir wieder zurück in die warme Bahnhofshalle. Auf dem Weg dort hin kam uns ein hektischer Mann mit Baumfällerhemd entgegen. Er sprach in sein Funksprechgerät: „Der Transport war nicht ganz störungsfrei“
Sicherlich er ein zivil gekleideter Polizist. Was genau die Störung war, konnten wir nur erraten. Ein Atomkraftgegner, der im Bahnhof von Burgsteinfurt Fotos vom Uranzug gemacht hatte, war von der Polizei gezwungen worden, diese wieder zu löschen. Ein anderer Beobachter des Zuges wurde bei der Autofahrt vom Ort Burgsteinfurt, durch den der Uranzug zuvor fuhr, bis nach Münster von einem Motorradpolizisten verfolgt.
Dass der Uranzug von der Polizei begleitet und bewacht wurde, ist ein kleiner Fortschritt, obwohl es immer noch große Mängel an der Sicherheit des Zuges gibt. Zwar stand die Polizei im Münsteraner Hauptbahnhof mit etwa acht Leuten „griffbereit“, doch schienen diese nur darauf zu achten, dass wir nicht über den weißen Sicherheitsstreifen auf dem Bahnsteig treten. Jemand mit bösen Absichten hätte es aber leicht gehabt, eine Explosion wäre verheerend für ganz Münster gewesen. Denn das abgereicherte Uran wird als Uranhexafluorid (UF 6) in Fässern auf den Güterwaggons transportiert. Die Waggons waren nur mit Planen überdeckt. Man muss keine großen Chemie-Kenntnisse haben, um zu verstehen zu welch einer Katastrophe ein Unfall des Uranzuges führen könnte. Das feste Uranhexafluorid ist luftdicht in den Fässern auf den Waggons gelagert. Kommt der Stoff mit Feuchtigkeit in Berührung, reagiert er extrem stark. Dafür reicht schon die Feuchtigkeit der Luft aus. Das Uranhexafluorid reagiert dann zu hochgefährlicher Fluss-Säure. Einen solchen Unfall gab es bisher zum Glück noch nicht. Experten haben errechnet, dass 200.000 – 300.000 Menschen evakuiert werden müssten, wenn es mit der gefährlichen Fracht einen Unfall gebe.
Die Broschüre „Höchste Vorsicht beim Umgang mit Fluss-Säure!“ der Bayerischen Landesunfallkasse zeigt die tödliche Wirkung von Fluss-Säure an zwei Beispielen:
„Der erste Unfall geschah in einem Labor, als Fluss-Säure in einer Mikrowelle abdestilliert wurde. Dabei kam es zu einem Siedeverzug, wodurch die Türe der Mikrowelle aufgerissen wurde und etwa 60°C heiße Fluss-Säure im Raum verspritzte. Der zufällig im Raum vorbeikommende Betriebsleiter erlitt durch diese Spritzer eine etwa handflächengroße Verätzung am linken Oberarm sowie geringfügige Verätzungen am Rücken und im Gesicht. Dem Verletzten wurde sofort Erste Hilfe geleistet. Nach einer ersten Therapie durch den Betriebsarzt wurde er mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen, wo er 50 Minuten nach dem Unfall eintraf. Während der sofort eingeleiteten unfallchirurgischen Behandlung kam es zum Herzkammerflimmern und der Patient musste mehrfach reanimiert werden. Weitere Komplikationen wie eine schlechte respiratorische Situation, die Entgleisung des Säure-Base-Haushaltes, eine Gerinnungsstörung und ein akutes Nierenversagen führten schließlich etwa fünfeinhalb Stunden nach dem Unfall zum Tod.
Beim zweiten Unfall wurde ein Arbeiter beim Umfüllen von 72%iger Fluss-Säure von mehreren Spritzern an den Oberschenkeln getroffen. In einer Panikreaktion rannte der Arbeiter weg, anstatt sich sofort mit einer in nächster Nähe befindlichen Schwalldusche abzuduschen. Anschließende Erste-Hilfe-Maßnahmen und der sofortige Transport in ein mit der Behandlung von Fluss-Säure-Verätzungen vertrautes Krankenhaus konnten nicht verhindern, dass der Patient fünf Wochen nach dem Unfall an dessen Folgen verstarb.“
Schon 5%ige Fluss-Säure verursacht starke Verätzungen und Schmerzen. Nicht auszudenken, welch katastrophale Folgen ein Unfall des Uranzuges im Hauptbahnhof von Münster oder einer anderen Stadt hätte!
Nachdem wir uns kurz in einem Café in der Haupthalle des Bahnhofes aufgewärmt hatten, gingen wir wieder zurück die Treppe hinauf zum Gleis 4. Der Uranzug hatte seinen unerwünschten Besuch in Münster noch nicht beendet. Der Zug, auf denen nach Schätzungen der Atomkraftgegner bis zu 1.000 Tonnen abgereichertes Uran lagerte, wurde im Güterbahnhof umgekoppelt um wieder gen Norden zu fahren. Hinter einem großen Kino, wurde die gefährliche Fracht rangiert. Um 21.16 Uhr fuhr der Uranzug dann wieder durch den Hauptbahnhof von Münster, um weiter über Rheine, Bad Bentheim und Hengelo bis nach Rotterdam zu fahren. Von Rotterdam geht es, wie eingangs schon erwähnt, mit dem Schiff bis nach Russland, wo schon 20.000 Tonnen abgereichertes Uran aus Gronau auf die grüne Wiese geschüttet wurden, wie es russische Atomkraftgegner berichten.
Endlich war der Spuk vorbei, zumindest in Münster, jedes Jahr fahren etwa drei dieser Transporte durch die Stadt. Diese Zahl soll aber bald enorm ansteigen, wenn der Ausbau der Gronauer UAA erfolgt ist, und so rechnen die Anti-Atomkraft- Aktivisten mit bis zu 10 Transporten jährlich.
Doch dürfen gefährliche Uranabfälle aus Deutschland überhaupt in ein anderes Land gebracht werden? Tschechische Behörden sprachen von „Müll-Tourismus“ als deutscher Müll eines Unternehmens aus Halle in einem Tschechischen Dorf gefunden wurde. Einige tschechische Bauern „vermieteten“ ihren Hof an deutsche Firmen, die dort Müll deponierten. Welche Russen für die deutschen Uranabfälle bestochen werden ist unklar. Die russischen Atomkraftgegner, die sich in der Organisation „Ecodefense“ organisiert haben, besuchten im November letzten Jahres die Münsteraner Bezirksregierung, um gegen die Urenco Deutschland GmbH und gegen „unbekannt“ Anzeige wegen „Verdachts auf illegalen Atommülltransport“ zu stellen. Kürzlich verkündete der zuständige Münsteraner Oberstaatsanwalt im WDR 3 er wolle das Verfahren in Kürze einzustellen.
Die Staatsanwaltschaft hat sage und schreibe einen Brief an das Wirtschaftsministerium NRW geschrieben. Das Ministerium stellte Erstaunliches fest:
„Der Uranmüll ist in der Tat eine „wertvolle Ressource“; es ist ‚international üblich‘, dass der Müll beim Anreicherer bleibt“
Dass sich die Staatsanwaltschaft hierin keine Mühe gibt, wundert kaum. Schon immer war das Land NRW an der Urananreicherungsanlage beteiligt und hat die Anlage und somit auch die Transporte genehmigt. Käme es zu einem Prozess, könnte die Bundes- oder zumindest die Landesregierung verantwortlich gemacht werden. Dies will sie natürlich verhindern und so wird die ganze Sache mit einem Brief aus einem Ministerium in Düsseldorf abgehackt. Skandalös!
Skandalös wird es wohl auch weiter gehen. Auch wenn es noch einige Zeit dauern wird, bis im Ahauser Zwischenlager auch hochradioaktive Materialien gelagert werden dürfen, wächst das Münsterland weiter zum deutschen Atomzentrum. Die unauffälligen, vor der Öffentlichkeit geheim gehaltenen Urantransporte werden so lange weiter gehen bis die Bevölkerung ihre Stimme erhebt. Am Samstag, dem 3. Februar 2007, wurde mit der Sensibilisierung für das Thema in Münster begonnen. Etwa 400 Menschen nahmen an der Protestveranstaltung vor dem historischen Rathaus teil. Atomkraftgegner aus der ganzen Bundesrepublik und sogar aus Frankreich kamen zur Demonstration nach Münster. Passanten blieben stehen und hörten den Rednern der verschiedenen Organisationen zu. In vielen Regionen werden neue Atomkraftwerke gebaut. „20 neue Atomkraftwerke sollen in Osteuropa gebaut werden“ berichtete Heffa Schücking von der Nichtregierungsorganisation „urgewald“. Um auch diese mit angereichertem Uran versorgen zu können, wird die UAA in Gronau ausgebaut. Der Ausbau der Urananreicherungsanlage in Gronau gibt zu denken auf, wo doch der Atomausstieg in der Bundesrepublik schon beschlossen wurde. Mit den gefährlichen Urantransporten durch deutsche, niederländische und russische Städte aber muss Schluss sein. Die Gefahr eines katastrophalen Unfalls ist zu groß. Außerdem wird die russische Umwelt mit dem waffenfähigen Material für Jahrtausende zerstört. Es ist zu hoffen, dass die Münsterländer gegen die Atomindustrie aufstehen und sich für ein atomfreies Münsterland aussprechen!
[1] Bombige Urananreicherungsanlage in Gronau
[2] Urantransporte – mit Sicherheit unsicher
Quellen:
sofa-ms.de
bi-ahaus.de
Aktionsbündnis Münsterland
Urantransporte.de”
Video:
Uran-Transport durch Münster
onlineredaktion - 9. Feb, 15:24 Article 4657x read