Dicke Luft - EU-weites Hafenverbot für „QM-2“?
Harald Haack – Der weltberühmten Reederei "Cunard Cruise Line" steht neuer Ärger bevor. Nachdem im Januar 2006 beim Auslaufmanöver in Port Everglades im US-Staat Florida eine Antriebsgondel der „Queen Mary 2“ (QM2) beschädigte wurde und das Schiff deshalb zur Reparatur zurück nach Hamburg fahren musste und im Januar 2007 hunderte Passagiere des Schwesterschiffes „Queen Elisabeth 2“ (QE2) an einem Magen-Darm-Virus „Noro“ erkrankten, der Erbrechen und Schwindel auslöst, droht der QM2 europaweites Hafenverbot.
Dicke Luft Tag und Nacht: Die "Queen Mary 2" am Kreuzfahrterminal im Hamburger Hafen.
© Fotos: Harald Haack
Doch weder technische Pannen noch der Noro-Virus sind der Grund dafür, sondern der Umweltschutz, der in diesem Fall ausnahmsweise einmal den Schutz von Leib und Leben von Menschen einschließt.
Laut eines Vorabberichtes des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ wurden nämlich gigantische Belastungen der Anwohner und von Beschäftigte benachbarten Firmen am Hamburger Kreuzfahrtterminal durch den Schadstoffausstoß von Schiffen gemessen: Jede Menge Stickoxide, Schwefeldioxid und Feinstaub. Besonders der Liegezeit-Betrieb der Schiffsdiesel der „schwimmenden Stadt“, des Kreuzfahrschiffes „QM2“, sei die stärkste Belastung. Gemessen an den in der EU zulässigen Grenzwerten – einschließlich der neuen Feinstaubverordnung - müsste gegen solchen Schiffe ein Hafenverbot ausgesprochen werden. Eine Feinstaubplakette, wie sie ab März 2007 in Deutschland für PKW vorgeschrieben ist, wird der "große Pott" damit nie kriegen.
Aber die „QM2“ hat sich in Hamburg die Herzen vieler Menschen erobert. Zu Tausenden drängeln sie sich bei jedem Besuch des Schiffes an den Elbufern und Kaianlagen, um das riesige Luxus-Schiff zu sehen, zu fotografieren und zu filmen und zu bejubeln.
Der 1. Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Ole von Beust, scheint damit nun unter Druck zu stehen. Ein Hafenverbot müsste eigentlich für das Schiff ausgesprochen werden, wenn es nicht gelingt dessen Schadstoffwerte zu verringern. Dazu soll das Schiff nun während seiner Liegezeit im Hamburger Hafen mit Strom versorgt werden, damit es seine Schiffsdiesel abschalten kann. Doch damit kämen auf die Reederei enorme Kosten zu: Das Schiff hat angeblich einen Strombedarf, der dem von 200.000 Deutschen entsprechen soll. Wer soll das bezahlen, wenn nicht die Reederei? Die Hamburger Steuerzahler?
Schlimmer noch: Des Bürgermeisters liebstes Kind, die im Bau befindliche Hafencity, dem völlig neuem Schickimicki-Stadtteil Hamburgs mit Wohnungen und Bürogebäuden, wird durch ein Gutachten zur zukünftigen Hafencity gefährdet und Investoren möglicherweise verprellt, denn zum Kreuzfahrtterminal angrenzende Bürogebäude dürften gemäß des Gutachtens nur genehmigt werden, wenn die Fassaden zur Wetterseite hin geschlossen sind. Die Wetterseite, das wären für die Gebäude ausnahmslos Bereiche von Nord bis Süd, der begehrte Blick auf den Hafen. Von einer „kontrollierten Lüftung aus unbelasteten Bereichen“ ist im Gutachten weiter die Rede, doch da bliebe nur die Ostseite mit ihrer Schadstoffbelastung durch Straßenverkehr und einige Industrieansiedlungen. Ob diese Wetterseite eine Lösung wäre, ist also sehr fraglich.
Smog von der östlichen Wetterseite der Hafencity: Unter der Eisenbahnbrücke am Hamburger Hauptbahnhof.
Vor einem Jahr nach Abriss alter Gebäude noch unbebaut: Blick auf die Straße "Am Sandtorkai" in der neuen Hafencity.
Abriss eines alten Speichergebäudes am Brookfleet vor einem Jahr, zugunsten einer schicken, modernen Hafencity.
© Alle Fotos: Harald Haack
Also nur Gebäude, die nicht von außen über Fenster belüftet werden können?
Das wäre ein Aus für die Glaspaläste des Hamburger Architekten Hadi Teherani, einem Sohn iranischer Einwanderer, laut der Illustrierten STERN der „Popstar unter deutschen Architekten“. Kürzlich sorgte er wieder einmal für Schlagzeilen: Er will der Stadt eine Brücke schenken, damit er sein Projekt bauen darf. Ganz in der Nähe des Kreuzfahrtterminals, eine überbaute Brücke. Unten soll der Straßenverkehr fließen, darüber soll es einen Glaspalast aus Wohnungen und Büros geben. Ein zwischen den gegenüberliegenden Kaianlagen unter Wasser gespanntes Stahlseil soll verhindern, dass Kreuzfahrtschiffe wie die „QM2“ bei ihren Wendemanövern in das „Luftschloss“ des Architekten brechen und das Prestigegebäude beschädigen und Menschen gefährden. Nur kleinere Schiffe, die unter die Brücke passen, könnten darüber hinweg fahren können.
Hinzu kommt, dass Klimaanlagen als Stromfresser inzwischen berüchtigt sind. Gebäude mit Glasfassaden heizen sich durch Sonneneinstrahlung auf und kommen folglich nicht ohne Klimaanlagen aus. Zwar baute der Architekt Hadi Teherani in der Humboldtstraße von Hamburg das "Humboldt-Campus" ohne Klimaanlage, doch nach dem Verkauf des fertiggestellten Glasfassaden-Gebäudes klagten Mitarbeiter von Firmen wie der Filmverleiher Warner Bros. und die Apotheker- und Ärztebank über die enorme Hitze in den Büros. Es reichte nicht aus, dass sich die Fenster öffnen lassen. Nachträglich wurden Klimaanlagen eingebaut und sorgten in der Nachbarschaft des Gebäudes wegen der Lärmbelastung zeitweilig für Ärger. Denn wären in dem Gebäude von Anfang an Klimaanlagen vorgesehen gewesen, hätte es sich wegen des damit zu erwartenden hohen Lärmpegel Einsprüche gegen den Bau gehagelt. Beschwerden bei Warner Bros. wegen seiner heulenden Klimaanlage fruchteten aber. Die Firma entschuldigte sich: Die neu installierte Klimaanlage sei defekt gewesen.
Ein Nicht-Ausstieg aus der Kernernergie nur deshalb, damit es für die Hamburger zugunsten der Hafencity nicht zu Stromabschaltungen in anderen Stadtteilen kommt, kann nicht mehr das Thema sein, da die Uran-Reserven angeblich nur noch für die nächsten 14 Jahre reichen. Dann sind die Atommeiler endgültig dem Tod geweiht. Wer aber wollte dann die Gebäude der Hafencity wieder abreißen, weil sie zu viel Energie verbrauchen? Wird dann von den "Bausünden" eines Ole von Beust gesprochen werden, der einmal der Erste Bürgermeister Hamburgs war?
Gebäude, deren Fenster sich nicht öffnen lassen, gibt es bereits einige in Hamburg. Das Vattenfall-Gebäude des dänischen Architekten Arne Jacobsen ist eines. Die Belüftung des preisgekrönten Glaspalastes des Stromerzeugers geschieht ausschließlich über eine Klimaanlage. Mitarbeiter und Besucher wie Raumpflegerinnen klagen aber über die schlechte Luft, die angeblich typisch für dieses Gebäude sei: Eine eigenwillige Mixtur aus verbrauchter Atemluft, Fäkaliengestank aus den Toiletten und Ozon und Feinstaubwolken aus Fotokopierern. Mehrfach auf den Mief angesprochen, leugnet die Hausverwaltung diesen.
Preisgekrönt, aber mit schlechter Innenraumluft: das Vattenfall-Gebäude in der City Nord von Hamburg.
© Foto: Harald Haack
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) will offensichtlich weder auf den Besuch der „QM2“ verzichten, noch den Hamburger Hafen für alle anderen Luft verpestenden Schiffe verbieten und ebenso wenig auf die Hafencity. Nach den „alarmierenden Ergebnissen“ der Untersuchung will er mit der EU und den anderen Küstenländern über eine Eindämmung des Schiffssmogs verhandeln und Sonderkonditionen für die Belastung der Luft durch Schiffsdiesel erreichen. Damit wird deutlich, wie ich meine, wie ernsthaft er es mit dem Umweltschutz nimmt, mit dem er sich neuerdings wohl zu schmücken versucht..
Das „Hamburger Abendblatt“, bekannt für seine nette, werbende Berichterstattung über Ole von Beust („Hamburger beliebtester Bürgermeister“, „Von Beust entdeckt seine grüne Seele“) wird sich trotz seiner Nähe zur „Konservativität“ der CDU bald etwas einfallen lassen müssen, um nicht als vollkommen unglaubwürdig aufzufallen.
© 2007 Copyright by Harald Haack - Alle Rechte vorbehalten. Die Übernahme und Nutzung des Artikels und der Fotos zu anderen Zwecken und auf anderen WebSeiten und in Print-Medien sowie Fernsehen und Hörfunk bedarf der schriftlichen Zustimmung des Autoren.
Hamburg und die "urbane Renaissance"
Dicke Luft Tag und Nacht: Die "Queen Mary 2" am Kreuzfahrterminal im Hamburger Hafen.
© Fotos: Harald Haack
Doch weder technische Pannen noch der Noro-Virus sind der Grund dafür, sondern der Umweltschutz, der in diesem Fall ausnahmsweise einmal den Schutz von Leib und Leben von Menschen einschließt.
Laut eines Vorabberichtes des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ wurden nämlich gigantische Belastungen der Anwohner und von Beschäftigte benachbarten Firmen am Hamburger Kreuzfahrtterminal durch den Schadstoffausstoß von Schiffen gemessen: Jede Menge Stickoxide, Schwefeldioxid und Feinstaub. Besonders der Liegezeit-Betrieb der Schiffsdiesel der „schwimmenden Stadt“, des Kreuzfahrschiffes „QM2“, sei die stärkste Belastung. Gemessen an den in der EU zulässigen Grenzwerten – einschließlich der neuen Feinstaubverordnung - müsste gegen solchen Schiffe ein Hafenverbot ausgesprochen werden. Eine Feinstaubplakette, wie sie ab März 2007 in Deutschland für PKW vorgeschrieben ist, wird der "große Pott" damit nie kriegen.
Aber die „QM2“ hat sich in Hamburg die Herzen vieler Menschen erobert. Zu Tausenden drängeln sie sich bei jedem Besuch des Schiffes an den Elbufern und Kaianlagen, um das riesige Luxus-Schiff zu sehen, zu fotografieren und zu filmen und zu bejubeln.
Der 1. Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Ole von Beust, scheint damit nun unter Druck zu stehen. Ein Hafenverbot müsste eigentlich für das Schiff ausgesprochen werden, wenn es nicht gelingt dessen Schadstoffwerte zu verringern. Dazu soll das Schiff nun während seiner Liegezeit im Hamburger Hafen mit Strom versorgt werden, damit es seine Schiffsdiesel abschalten kann. Doch damit kämen auf die Reederei enorme Kosten zu: Das Schiff hat angeblich einen Strombedarf, der dem von 200.000 Deutschen entsprechen soll. Wer soll das bezahlen, wenn nicht die Reederei? Die Hamburger Steuerzahler?
Schlimmer noch: Des Bürgermeisters liebstes Kind, die im Bau befindliche Hafencity, dem völlig neuem Schickimicki-Stadtteil Hamburgs mit Wohnungen und Bürogebäuden, wird durch ein Gutachten zur zukünftigen Hafencity gefährdet und Investoren möglicherweise verprellt, denn zum Kreuzfahrtterminal angrenzende Bürogebäude dürften gemäß des Gutachtens nur genehmigt werden, wenn die Fassaden zur Wetterseite hin geschlossen sind. Die Wetterseite, das wären für die Gebäude ausnahmslos Bereiche von Nord bis Süd, der begehrte Blick auf den Hafen. Von einer „kontrollierten Lüftung aus unbelasteten Bereichen“ ist im Gutachten weiter die Rede, doch da bliebe nur die Ostseite mit ihrer Schadstoffbelastung durch Straßenverkehr und einige Industrieansiedlungen. Ob diese Wetterseite eine Lösung wäre, ist also sehr fraglich.
Smog von der östlichen Wetterseite der Hafencity: Unter der Eisenbahnbrücke am Hamburger Hauptbahnhof.
Vor einem Jahr nach Abriss alter Gebäude noch unbebaut: Blick auf die Straße "Am Sandtorkai" in der neuen Hafencity.
Abriss eines alten Speichergebäudes am Brookfleet vor einem Jahr, zugunsten einer schicken, modernen Hafencity.
© Alle Fotos: Harald Haack
Also nur Gebäude, die nicht von außen über Fenster belüftet werden können?
Das wäre ein Aus für die Glaspaläste des Hamburger Architekten Hadi Teherani, einem Sohn iranischer Einwanderer, laut der Illustrierten STERN der „Popstar unter deutschen Architekten“. Kürzlich sorgte er wieder einmal für Schlagzeilen: Er will der Stadt eine Brücke schenken, damit er sein Projekt bauen darf. Ganz in der Nähe des Kreuzfahrtterminals, eine überbaute Brücke. Unten soll der Straßenverkehr fließen, darüber soll es einen Glaspalast aus Wohnungen und Büros geben. Ein zwischen den gegenüberliegenden Kaianlagen unter Wasser gespanntes Stahlseil soll verhindern, dass Kreuzfahrtschiffe wie die „QM2“ bei ihren Wendemanövern in das „Luftschloss“ des Architekten brechen und das Prestigegebäude beschädigen und Menschen gefährden. Nur kleinere Schiffe, die unter die Brücke passen, könnten darüber hinweg fahren können.
Hinzu kommt, dass Klimaanlagen als Stromfresser inzwischen berüchtigt sind. Gebäude mit Glasfassaden heizen sich durch Sonneneinstrahlung auf und kommen folglich nicht ohne Klimaanlagen aus. Zwar baute der Architekt Hadi Teherani in der Humboldtstraße von Hamburg das "Humboldt-Campus" ohne Klimaanlage, doch nach dem Verkauf des fertiggestellten Glasfassaden-Gebäudes klagten Mitarbeiter von Firmen wie der Filmverleiher Warner Bros. und die Apotheker- und Ärztebank über die enorme Hitze in den Büros. Es reichte nicht aus, dass sich die Fenster öffnen lassen. Nachträglich wurden Klimaanlagen eingebaut und sorgten in der Nachbarschaft des Gebäudes wegen der Lärmbelastung zeitweilig für Ärger. Denn wären in dem Gebäude von Anfang an Klimaanlagen vorgesehen gewesen, hätte es sich wegen des damit zu erwartenden hohen Lärmpegel Einsprüche gegen den Bau gehagelt. Beschwerden bei Warner Bros. wegen seiner heulenden Klimaanlage fruchteten aber. Die Firma entschuldigte sich: Die neu installierte Klimaanlage sei defekt gewesen.
Ein Nicht-Ausstieg aus der Kernernergie nur deshalb, damit es für die Hamburger zugunsten der Hafencity nicht zu Stromabschaltungen in anderen Stadtteilen kommt, kann nicht mehr das Thema sein, da die Uran-Reserven angeblich nur noch für die nächsten 14 Jahre reichen. Dann sind die Atommeiler endgültig dem Tod geweiht. Wer aber wollte dann die Gebäude der Hafencity wieder abreißen, weil sie zu viel Energie verbrauchen? Wird dann von den "Bausünden" eines Ole von Beust gesprochen werden, der einmal der Erste Bürgermeister Hamburgs war?
Gebäude, deren Fenster sich nicht öffnen lassen, gibt es bereits einige in Hamburg. Das Vattenfall-Gebäude des dänischen Architekten Arne Jacobsen ist eines. Die Belüftung des preisgekrönten Glaspalastes des Stromerzeugers geschieht ausschließlich über eine Klimaanlage. Mitarbeiter und Besucher wie Raumpflegerinnen klagen aber über die schlechte Luft, die angeblich typisch für dieses Gebäude sei: Eine eigenwillige Mixtur aus verbrauchter Atemluft, Fäkaliengestank aus den Toiletten und Ozon und Feinstaubwolken aus Fotokopierern. Mehrfach auf den Mief angesprochen, leugnet die Hausverwaltung diesen.
Preisgekrönt, aber mit schlechter Innenraumluft: das Vattenfall-Gebäude in der City Nord von Hamburg.
© Foto: Harald Haack
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) will offensichtlich weder auf den Besuch der „QM2“ verzichten, noch den Hamburger Hafen für alle anderen Luft verpestenden Schiffe verbieten und ebenso wenig auf die Hafencity. Nach den „alarmierenden Ergebnissen“ der Untersuchung will er mit der EU und den anderen Küstenländern über eine Eindämmung des Schiffssmogs verhandeln und Sonderkonditionen für die Belastung der Luft durch Schiffsdiesel erreichen. Damit wird deutlich, wie ich meine, wie ernsthaft er es mit dem Umweltschutz nimmt, mit dem er sich neuerdings wohl zu schmücken versucht..
Das „Hamburger Abendblatt“, bekannt für seine nette, werbende Berichterstattung über Ole von Beust („Hamburger beliebtester Bürgermeister“, „Von Beust entdeckt seine grüne Seele“) wird sich trotz seiner Nähe zur „Konservativität“ der CDU bald etwas einfallen lassen müssen, um nicht als vollkommen unglaubwürdig aufzufallen.
© 2007 Copyright by Harald Haack - Alle Rechte vorbehalten. Die Übernahme und Nutzung des Artikels und der Fotos zu anderen Zwecken und auf anderen WebSeiten und in Print-Medien sowie Fernsehen und Hörfunk bedarf der schriftlichen Zustimmung des Autoren.
Hamburg und die "urbane Renaissance"
onlineredaktion - 11. Feb, 07:12 Article 5695x read