Seezwischenfall erhöht Kriegsgefahr
Malte Olschewski - Die USA und England haben bisher nicht die Koordinaten des Zwischenfalls im Schatt El Arab bekannt gegeben. Ebenso sind keine Satellitenfotos veröffentlicht worden. Der Iran hat 15 gefangene Marinesoldaten nach Teheran gebracht, wo sie von Offizieren verhört worden sind. London befürchtet, dass seine Soldaten in nächster Zeit als Schutzschilde auf iranische Atomanlagen verteilt werden, um so mögliche Angriffe zu verhindern. Es ist auch möglich, dass sie im Austausch gegen fünf iranische Geheimdienstoffiziere freigelassen werden, die im Jänner von US-Kommandos in Arbil festgenommen worden waren.
15 Mann haben sich mit Schlauchbooten von der HMS Cornwall losgemacht um einen Kutter zu inspizieren.
In der britischen Öffentlichkeit ist ein Sturm der Entrüstung gegen den Iran, aber auch gegen die eigene Führung losgebrochen. Am 24. März um 10 Uhr 30 Lokalzeit hatten an einer nicht genannten Stelle des Schatt El Arabs zwei Schlauchboote mit 15 Mann vom Kriegsschiff „Cornwall“ losgemacht, um einen in sechs Seemeilen liegenden Kutter zu inspizieren. Da über das verzweigte Flussdelta unter anderem auch Waffen aus dem Iran in den Irak geschmuggelt werden, gehören solche durch UNO-Resolutionen gedeckte Inspektionen zu den Aufgaben der im Südirak stationierten britischen Besatzung.
Verschiedene Verdachtsmomente weisen darauf hin, dass der Kutter als ein Köder an der Grenze der irakisch-iranischen Seehoheit ausgelegt worden war. Die Schlauchboote waren gerade bei der verdächtigen Barke angekommen, als sie von iranischen Kriegsschiffen umzingelt wurden. Die 15 Mann ergaben sich, ohne einen Schuss abzufeuern. Auch die in Sichtweite liegende „Cornwall“ hat nicht eingegriffen. Die Gefangenen wurden in einer stundenlangen Fahrt flussaufwärts in eine iranische Marineposition eskortiert, ohne dass es die USA oder England aus der Luft verhindert hätten.
In der folgenden, diplomatischen Krise behauptete London, dass sich die Schlauchboote in irakischen Gewässern befunden hätten, wobei aber die genauen Koordinaten des Zwischenfalles nicht mitgeteilt wurden. In jedem Fall aber wird das britische Verhalten von Militärexperten als unvorsichtig, tölpelhaft und feige beschrieben. Die Schlauchboote hätten nur unter dem Schutz von Hubschraubern ablegen dürfen, heisst es. Die „Cornwall“ hätte auf nähere Distanz gehen müssen. Das Auftauchen iranischer Boote hätte rechtzeitig bemerkt werden können. Bei der Fahrt flussaufwärts hätten sich weitere Eingriffsmöglichkeiten ergeben. Das Aussenministerium in Treheran teilte mit, dass die Schlauchboote in iranische Hoheitsgewässer eingedrungen seien und dass damit ein „Aggressionsakt“ vorliege.
Im Internet vorhandene Satellitenbilder zeigen das Mündungsgebiet des Zusammenflusses von Euphrat und Tigris als ein Labyrinth aus Strömungen, Inseln und Halbinseln, in dem Hoheitsgebiete nur sehr schwer zu markieren und zu beachten sind. Bis 1975 bildete das Ostufer die Grenze zwischen beiden Ländern. Tanker, die mit persischem Öl von Abadan kamen, mussten früher für die Passage zahlen. Schah Reza Pahlevi hatte nach 1970 kurdische Aufstände im Nordirak unterstützt. Es kam zum Vertrag von Algier, in dem der Iran die Unterstützung der Rebellen einstellte und mit dem die Grenze zwischen beiden Staaten in die Flussmitte verlegt wurde. Mit ein Grund für den Angriff Saddams Husseins auf den Iran waren historische Bemühungen des Irak, am oberen Ende des Persischen Golf einen breiteren Landstreifen zu gewinnen.
Die Grenzen des Irak waren nach Ende des Osmanischen Reiches vom britischen Statthalter in Bagdad, Sir Percy Cox, in allen vier Richtungen mit grosser Nonchalance und Willkür festgelegt worden. Es galt die tükischen Verwaltungsbezirke der bisherigen Vilayets neu und im Sinne der britischen Hochfinanz zu ordnen. Sir Percy zog dabei allerlei Linien durch das Land und in den Sand. Als der urhafte Wüstenherrscher Ibn Saud bei einem Treffen in Uquair diese Linien sah, brach er in Tränen aus. Da nahm Sir Percy gerührt den Rotstift und verbesserte einige Grenzen.
Kuwait war plötzlich stark geschrumpft. Sir Percy zeichnete zwischen Saudiarabien und dem Irak „neutrale Zonen“ ein. Das waren menschenleere Wüsteneien, die theoretisch keiner Souveränität unterstanden. Aus den ehemaligen Vilayets Mossul, Bagdad und Basra wurde der Irak kompiliert, den Sir Percy mit surrealen Grenzen ausgestattet hat. Dem uralten Zwischenstromland mit seiner explosiven, aber fähigen Mischung von Schiiten und Sunniten wurde nur in einem schmalen Streifen unterhalb des Schatt El Arabs Zugang zum Meer gewährt, während Kuwait den grössten Anteil der Küste erhielt. Sir Percy hat den Irak benachteiligt, weil in der Zwischenzeit Öl entdeckt worden war.
Die Briten wollten den Irak möglichst lange in unmögliche Grenzen schwach halten, um sich das Erdöl besser aneignen zu können. Erdöl war auch der Grund für die unnatürlichen Nordgrenzen und die Aufteilung des kurdischen Volkes in drei Staaten. Damit hat England dem Irak künftige Konflikte mit seinen Nachbarn Iran, Kuwait und Saudiarabien aufoktroyiert. Im Mandatsgebiet des Irak wurden mit Zustimmung lokaler Würdenträger Haschemiten aus der Familie des Propheten als Könige eingesetzt. Lokale Aufstände gegen dieses Kolonialdiktat wurden von den Briten mehrmals niedergeschlagen.
Irak wurde 1932 formell ein unabhängiger Staat. Erst 1958 wurde das königliche Marionettenregime unter König Faisal gestürzt. Der neue Machthaber, General Kassem, kümmerte sich 1961 um die südliche Grenze zu Kuwait. Er mobilisierte Truppen. London verstärkte seine Positionen im Golf, worauf sich Kassem zurückzog. Erst Saddam Hussein sollte es 1990 wieder versuchen. Mit ein Grund für seinen Einmarsch nach Kuwait war die plötzliche Aggressivität Kuwaits, das dem gemeinsamen Erdölfeld Rumaila unerlaubte Mengen entnahm und nach Ermunterung durch die CIA seine Grenzposten verschob. (Pierre Salinger: „Krieg am Golf: Das Geheimdossier“).
Auch hier hatte Sir Percy Cox bei der Grenzziehung entscheidend mitgewirkt. In einem Brief an den britischen Agenten in Kuwait vom 19.4.1923 verfügte er eine Linie „südlich der Brunnen von Safwan und eine Meile südlich der südlichsten Palme von Safwan...“ Es sind die Völkerbund, die UNO und die Arabischer Liga mit dieser Brunnen-Palmen-Grenze befasst worden. Die deutschen Gelehrten Ulrich Kuhn und Gustav Gehrke haben ein Buch darüber verfasst. („Die Grenzen des Irak“ Kohlhammer, 1963). Daraus geht hervor, dass die von Saddam vorgebrachten Ansprüche des Irak auf Kuwait haltlos sind. Kuwait und Irak sind in getrennten, voneinander verschiedenen Entwicklungen aus der Erbmasse des Osmanischen Reiches hervorgegangen. Kuwait hat laufend Akte in Richtung eigener Souveränität gesetzt, die vom Irak auch anerkannt oder ohne Reaktion hingenommen worden sind.
Das heisst aber nicht, dass die Grenzen des irakischen Korridors zum Meer gerecht wären. Immer wieder ist es hier zu Zwischenfällen, Attentaten, Gefechten und Entführungen gekommen. Schon einmal, im Juni 2004, sind an der Mündung des Schatt el Arabs fünf britische Marinesoldaten von den Iranern festgenommen worden. Die Briten wurden damals nach zwei Wochen wieder freigelassen.
Das Iran Dossier
15 Mann haben sich mit Schlauchbooten von der HMS Cornwall losgemacht um einen Kutter zu inspizieren.
In der britischen Öffentlichkeit ist ein Sturm der Entrüstung gegen den Iran, aber auch gegen die eigene Führung losgebrochen. Am 24. März um 10 Uhr 30 Lokalzeit hatten an einer nicht genannten Stelle des Schatt El Arabs zwei Schlauchboote mit 15 Mann vom Kriegsschiff „Cornwall“ losgemacht, um einen in sechs Seemeilen liegenden Kutter zu inspizieren. Da über das verzweigte Flussdelta unter anderem auch Waffen aus dem Iran in den Irak geschmuggelt werden, gehören solche durch UNO-Resolutionen gedeckte Inspektionen zu den Aufgaben der im Südirak stationierten britischen Besatzung.
Verschiedene Verdachtsmomente weisen darauf hin, dass der Kutter als ein Köder an der Grenze der irakisch-iranischen Seehoheit ausgelegt worden war. Die Schlauchboote waren gerade bei der verdächtigen Barke angekommen, als sie von iranischen Kriegsschiffen umzingelt wurden. Die 15 Mann ergaben sich, ohne einen Schuss abzufeuern. Auch die in Sichtweite liegende „Cornwall“ hat nicht eingegriffen. Die Gefangenen wurden in einer stundenlangen Fahrt flussaufwärts in eine iranische Marineposition eskortiert, ohne dass es die USA oder England aus der Luft verhindert hätten.
In der folgenden, diplomatischen Krise behauptete London, dass sich die Schlauchboote in irakischen Gewässern befunden hätten, wobei aber die genauen Koordinaten des Zwischenfalles nicht mitgeteilt wurden. In jedem Fall aber wird das britische Verhalten von Militärexperten als unvorsichtig, tölpelhaft und feige beschrieben. Die Schlauchboote hätten nur unter dem Schutz von Hubschraubern ablegen dürfen, heisst es. Die „Cornwall“ hätte auf nähere Distanz gehen müssen. Das Auftauchen iranischer Boote hätte rechtzeitig bemerkt werden können. Bei der Fahrt flussaufwärts hätten sich weitere Eingriffsmöglichkeiten ergeben. Das Aussenministerium in Treheran teilte mit, dass die Schlauchboote in iranische Hoheitsgewässer eingedrungen seien und dass damit ein „Aggressionsakt“ vorliege.
Im Internet vorhandene Satellitenbilder zeigen das Mündungsgebiet des Zusammenflusses von Euphrat und Tigris als ein Labyrinth aus Strömungen, Inseln und Halbinseln, in dem Hoheitsgebiete nur sehr schwer zu markieren und zu beachten sind. Bis 1975 bildete das Ostufer die Grenze zwischen beiden Ländern. Tanker, die mit persischem Öl von Abadan kamen, mussten früher für die Passage zahlen. Schah Reza Pahlevi hatte nach 1970 kurdische Aufstände im Nordirak unterstützt. Es kam zum Vertrag von Algier, in dem der Iran die Unterstützung der Rebellen einstellte und mit dem die Grenze zwischen beiden Staaten in die Flussmitte verlegt wurde. Mit ein Grund für den Angriff Saddams Husseins auf den Iran waren historische Bemühungen des Irak, am oberen Ende des Persischen Golf einen breiteren Landstreifen zu gewinnen.
Die Grenzen des Irak waren nach Ende des Osmanischen Reiches vom britischen Statthalter in Bagdad, Sir Percy Cox, in allen vier Richtungen mit grosser Nonchalance und Willkür festgelegt worden. Es galt die tükischen Verwaltungsbezirke der bisherigen Vilayets neu und im Sinne der britischen Hochfinanz zu ordnen. Sir Percy zog dabei allerlei Linien durch das Land und in den Sand. Als der urhafte Wüstenherrscher Ibn Saud bei einem Treffen in Uquair diese Linien sah, brach er in Tränen aus. Da nahm Sir Percy gerührt den Rotstift und verbesserte einige Grenzen.
Kuwait war plötzlich stark geschrumpft. Sir Percy zeichnete zwischen Saudiarabien und dem Irak „neutrale Zonen“ ein. Das waren menschenleere Wüsteneien, die theoretisch keiner Souveränität unterstanden. Aus den ehemaligen Vilayets Mossul, Bagdad und Basra wurde der Irak kompiliert, den Sir Percy mit surrealen Grenzen ausgestattet hat. Dem uralten Zwischenstromland mit seiner explosiven, aber fähigen Mischung von Schiiten und Sunniten wurde nur in einem schmalen Streifen unterhalb des Schatt El Arabs Zugang zum Meer gewährt, während Kuwait den grössten Anteil der Küste erhielt. Sir Percy hat den Irak benachteiligt, weil in der Zwischenzeit Öl entdeckt worden war.
Die Briten wollten den Irak möglichst lange in unmögliche Grenzen schwach halten, um sich das Erdöl besser aneignen zu können. Erdöl war auch der Grund für die unnatürlichen Nordgrenzen und die Aufteilung des kurdischen Volkes in drei Staaten. Damit hat England dem Irak künftige Konflikte mit seinen Nachbarn Iran, Kuwait und Saudiarabien aufoktroyiert. Im Mandatsgebiet des Irak wurden mit Zustimmung lokaler Würdenträger Haschemiten aus der Familie des Propheten als Könige eingesetzt. Lokale Aufstände gegen dieses Kolonialdiktat wurden von den Briten mehrmals niedergeschlagen.
Irak wurde 1932 formell ein unabhängiger Staat. Erst 1958 wurde das königliche Marionettenregime unter König Faisal gestürzt. Der neue Machthaber, General Kassem, kümmerte sich 1961 um die südliche Grenze zu Kuwait. Er mobilisierte Truppen. London verstärkte seine Positionen im Golf, worauf sich Kassem zurückzog. Erst Saddam Hussein sollte es 1990 wieder versuchen. Mit ein Grund für seinen Einmarsch nach Kuwait war die plötzliche Aggressivität Kuwaits, das dem gemeinsamen Erdölfeld Rumaila unerlaubte Mengen entnahm und nach Ermunterung durch die CIA seine Grenzposten verschob. (Pierre Salinger: „Krieg am Golf: Das Geheimdossier“).
Auch hier hatte Sir Percy Cox bei der Grenzziehung entscheidend mitgewirkt. In einem Brief an den britischen Agenten in Kuwait vom 19.4.1923 verfügte er eine Linie „südlich der Brunnen von Safwan und eine Meile südlich der südlichsten Palme von Safwan...“ Es sind die Völkerbund, die UNO und die Arabischer Liga mit dieser Brunnen-Palmen-Grenze befasst worden. Die deutschen Gelehrten Ulrich Kuhn und Gustav Gehrke haben ein Buch darüber verfasst. („Die Grenzen des Irak“ Kohlhammer, 1963). Daraus geht hervor, dass die von Saddam vorgebrachten Ansprüche des Irak auf Kuwait haltlos sind. Kuwait und Irak sind in getrennten, voneinander verschiedenen Entwicklungen aus der Erbmasse des Osmanischen Reiches hervorgegangen. Kuwait hat laufend Akte in Richtung eigener Souveränität gesetzt, die vom Irak auch anerkannt oder ohne Reaktion hingenommen worden sind.
Das heisst aber nicht, dass die Grenzen des irakischen Korridors zum Meer gerecht wären. Immer wieder ist es hier zu Zwischenfällen, Attentaten, Gefechten und Entführungen gekommen. Schon einmal, im Juni 2004, sind an der Mündung des Schatt el Arabs fünf britische Marinesoldaten von den Iranern festgenommen worden. Die Briten wurden damals nach zwei Wochen wieder freigelassen.
Das Iran Dossier
sfux - 26. Mär, 07:00 Article 6244x read