Glosse: The Day After Soli
World Content News - Nicht schlecht, Herr und Frau Specht! Einen so schnellen Schulterschluss unter den Linken hat es in der Geschichte der Bundesrepublik nur selten gegeben: Nur wenige Stunden nach der vollkommen überzogenen Terror-Razzia der Bundesanwaltschaft kam es in fast allen größeren Städten in Deutschland zu spontanen Aufläufen, an denen sich nach vorliegenden Teilnehmer-Berichten und entgegen Meldungen der bürgerlichen Krawallpresse keineswegs nur das autonome Spektrum beteiligte.
Verhaftungen in Hamburg: Entgegen Meldungen der bürgerlichen Krawallpresse keineswegs nur das autonome Spektrum beteiligt.
Die scharfe Verurteilung der Polizeiaktionen von Organisationen aller Couleur, die Demokratie noch als ernst zu nehmende Aufgabe wahrnehmen und nicht als abstraktes Beiwort für sukzessive Marktwirtschaft und als Blubberblase für willkürliches Autoritätshandeln verstanden wissen wollen, war Konsens an diesem Tag. Friedensbewegung, Hartz-iV-Gegner, Umweltverbände und Rechtsanwaltsvereine bekundeten ihre Solidarität mit dem breiten Spektrum der Globalisierungskritiker. Kein Wunder - es geht um unseren Rechtsstaat, der sich offenbar in einer eklatanten Krise befindet.
"Sind wir nicht alle ein bisschen 129a?" - fragte gestern abend ein Transparent auf der Kölner Solikundgebung. Wenn es nach den Terrorphobien eines Herrn Schäuble geht, müssen wir künftig das Gegenteil auch noch selbst beweisen. Polizei und Geheimdienste bedienen sich schon jetzt kräftig aus den Daten unserer Privatsphäre, ohne dass ein richterlicher Hahn danach kräht und bald soll mit dem Bundestrojaner, der Speicherung zentralen Speicherung von Passfotos, Fingerabdrücken und biometrischen Merkmalen der Sack zugeschnürt werden. Für wen oder was eigentlich?
Computer & Datensicherung: Kämpft dieses System bereits um seine Daseinsberechtigung?
Geht es wirklich um die maximale Absicherung des Staates vor Gefahren, die von Al Kaida und Co. ausgehen, oder sitzt der Kuckuck des Terrors längst im eigenen Staatsnest ? Kämpft dieses System bereits um seine Daseinsberechtigung oder folgt es nur brav den interventionistischen Vorgaben konservativer transatlantischer Think-Thanks, die im kommenden Kampf um die Weltherrschaft als Sieger hervorgehen wollen?
Die Bundesregierung kann nicht einmal mehr eine klare Antwort auf die Frage geben, ob nach dem 11. September immer noch
der Bündnis- oder Verteidigungsfall vorliegt, der eine Teilnahme an den Angriffen der sogenannten "Operation Enduring Freedom" im Süden Afghanistans vom Grundgesetz her rechtfertigen würde. Die Zahl der "versehentlich" umgebrachten Zivilisten steigt dort von Tag zu Tag, während der Oberbefehlshaber der NATO in Europa, Craddock, stolz verkündet: "Die Tornados leisten hervorragende Arbeit."
Man paktiert mit Staaten, die Folter anwenden und Menschen in geheimen Gefängnissen verschwinden lassen. Der angekündigte Bericht des Sonderermittlers Dick Marty, bei dem CIA-Agenten auch über die aktive Hilfeleistung der Bundesregierung ausgepackt haben, dürfte uns in Kürze die Ohren klingeln lassen.
Die Bürokratie lässt hilflose Menschen verhungern, nachdem ihnen durch den Staat das Existenzminimum versagt wurde. Auch nach dem Tod des Hartz IV-Empfängers in Speyer sieht sie keinerlei Veranlassung, ihre Gesetze zu dahingehend zu ändern, dass sich solche erschütternden Vorfälle nicht wiederholen.
Und nun, um den Bogen wieder zurückzuverfolgen, werden sich Anfang Juni angesichts des Treffens der führenden Vertreter der kapitalistischen Industrienationen in Heiligendamm wohl mehr als 100.000 Menschen aus aller Welt versammeln, denen in erster Linie daran gelegen ist, der Öffentlichkeit Konzepte für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung vorzustellen,, die die Ausbeutung von Mensch und Natur endlich ad acta legen, die ihre Schwerpunkte auf Dialog und solidarische Hilfe statt auf Kriege setzen, die diskutieren und zivilen Ungehorsam leisten anstatt für Profit und geostrategische Pläne zu marschieren.
Dabei wird es nicht nur um die Bewältigung des jäh hereinbrechenden Klimawandels unter Umweltgesichtspunkten gehen, auch unsere Demokratie droht zu ersticken. Die Uhr für die Weltkriegsgefahr steht wieder auf 2 Minuten vor zwölf, die Ausgrenzung großer Teile der Weltbevölkerung vom wohlhabenden Rest, die Sichselbstüberlassung nicht mehr leistungsfähiger Menschen, welche für die Ausbeuter nicht mehr zum produktiven Humankapital zählen - diese Themen werden alle auf dem gleichzeitig stattfindenden Gegengipfel behandelt (selbstverständlich etwas modifizierter als in dieser Schnellschreibe hier dargestellt).
Es mag sein, dass die Mehrheit der Presseorgane etwaige Gewaltszenen von Menschen, die nicht mehr daran glauben, dass Konflikte auch gewaltfrei lösbar sind, in den Vordergrund ihrer Berichterstattung stellen werden. Wahrscheinlich auch, dass die Polizei so lange provoziert, bis solche Szenen dann auch stattfinden.
Es mag sein dass die skandalösen Razzien der Bundesanwaltschaft auch ein politisches Kalkül gewesen sind, um die Demonstrierwilligen einzuschüchtern. Sicher ist auch, wie die gegenwärtige RAF-Hype nach 30 Jahren Deutscher Herbst beweist, dass konservative Politiker gewaltsam Feindbilder konstruieren müssen, um ihren demokratischen Kahlschlag legitimieren zu können.
Dies alles ändert aber nichts daran, dass die versprengte politische Linke praktisch über Nacht wieder zu sich selbst gefunden hat. Dass jetzt noch mehr Menschen entschlossen sind, ihren Protest nach Heiligendamm zu tragen. Dass auch der eine oder andere ältere Mitstreiter seine verstaubten Demolatschen wieder aus dem Schrank holen wird. Und dass die Angelegenheit nicht nur auf organisierte Globalisierungskritiker beschränkt bleiben wird.
Stell Dir vor es ist der G8-Gipfel der Superreichen und unverschämterweise gehen alle hin !
Hier noch einige wenige Links zur Berichterstattung über die Solidaritäts-Demonstrationen von gestern abend:
Berichterstattung Medien:
Tausende protestieren gegen Razzien (Tagesschau, 10.05.2007)
Tausende protestieren gegen Razzien (Spiegel Online, 10.05.2007)
30 Festnahmen nach Krawallnacht (stern.de, 10.05.2007)
Polizeigewerkschaft: "Linker Terror in neuer Dimension"
(Rheinische Post, 10.05.2007)
Presseschau:
Presseschau Berliner Umschau (berlinerumschau.com, 10.05.2007)
Presseschau inforadio rbb (inforadio.de, 10.05.2007)
Analysen:
Präventivstaat in Aktion (Telepolis, 10.05.2007)
Die repressive Regel (Telepolis, 10.05.2007)
Einige Reaktionen aus dem Bundestag:
Dramatisierung oder Gewaltprävention? (Tagesschau, 10.05.2007)
Diskussionsforum:
Razzien in der linken Szene (Tagesschau, 10.05.2007)
Berichte von Demo-Teilnehmern in:
Berlin, Bochum, Bremen, Duisburg, Gießen, Göttingen, Hamburg, Hannover, Jena, Köln, Leipzig, Marburg, Rostock, Siegen, Wolfsburg und Amsterdam
Dieser Artikel erschien erstmalig bei World Content News
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Die scharfe Verurteilung der Polizeiaktionen von Organisationen aller Couleur, die Demokratie noch als ernst zu nehmende Aufgabe wahrnehmen und nicht als abstraktes Beiwort für sukzessive Marktwirtschaft und als Blubberblase für willkürliches Autoritätshandeln verstanden wissen wollen, war Konsens an diesem Tag. Friedensbewegung, Hartz-iV-Gegner, Umweltverbände und Rechtsanwaltsvereine bekundeten ihre Solidarität mit dem breiten Spektrum der Globalisierungskritiker. Kein Wunder - es geht um unseren Rechtsstaat, der sich offenbar in einer eklatanten Krise befindet.
"Sind wir nicht alle ein bisschen 129a?" - fragte gestern abend ein Transparent auf der Kölner Solikundgebung. Wenn es nach den Terrorphobien eines Herrn Schäuble geht, müssen wir künftig das Gegenteil auch noch selbst beweisen. Polizei und Geheimdienste bedienen sich schon jetzt kräftig aus den Daten unserer Privatsphäre, ohne dass ein richterlicher Hahn danach kräht und bald soll mit dem Bundestrojaner, der Speicherung zentralen Speicherung von Passfotos, Fingerabdrücken und biometrischen Merkmalen der Sack zugeschnürt werden. Für wen oder was eigentlich?
Computer & Datensicherung: Kämpft dieses System bereits um seine Daseinsberechtigung?
Geht es wirklich um die maximale Absicherung des Staates vor Gefahren, die von Al Kaida und Co. ausgehen, oder sitzt der Kuckuck des Terrors längst im eigenen Staatsnest ? Kämpft dieses System bereits um seine Daseinsberechtigung oder folgt es nur brav den interventionistischen Vorgaben konservativer transatlantischer Think-Thanks, die im kommenden Kampf um die Weltherrschaft als Sieger hervorgehen wollen?
Die Bundesregierung kann nicht einmal mehr eine klare Antwort auf die Frage geben, ob nach dem 11. September immer noch
der Bündnis- oder Verteidigungsfall vorliegt, der eine Teilnahme an den Angriffen der sogenannten "Operation Enduring Freedom" im Süden Afghanistans vom Grundgesetz her rechtfertigen würde. Die Zahl der "versehentlich" umgebrachten Zivilisten steigt dort von Tag zu Tag, während der Oberbefehlshaber der NATO in Europa, Craddock, stolz verkündet: "Die Tornados leisten hervorragende Arbeit."
Man paktiert mit Staaten, die Folter anwenden und Menschen in geheimen Gefängnissen verschwinden lassen. Der angekündigte Bericht des Sonderermittlers Dick Marty, bei dem CIA-Agenten auch über die aktive Hilfeleistung der Bundesregierung ausgepackt haben, dürfte uns in Kürze die Ohren klingeln lassen.
Die Bürokratie lässt hilflose Menschen verhungern, nachdem ihnen durch den Staat das Existenzminimum versagt wurde. Auch nach dem Tod des Hartz IV-Empfängers in Speyer sieht sie keinerlei Veranlassung, ihre Gesetze zu dahingehend zu ändern, dass sich solche erschütternden Vorfälle nicht wiederholen.
Und nun, um den Bogen wieder zurückzuverfolgen, werden sich Anfang Juni angesichts des Treffens der führenden Vertreter der kapitalistischen Industrienationen in Heiligendamm wohl mehr als 100.000 Menschen aus aller Welt versammeln, denen in erster Linie daran gelegen ist, der Öffentlichkeit Konzepte für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung vorzustellen,, die die Ausbeutung von Mensch und Natur endlich ad acta legen, die ihre Schwerpunkte auf Dialog und solidarische Hilfe statt auf Kriege setzen, die diskutieren und zivilen Ungehorsam leisten anstatt für Profit und geostrategische Pläne zu marschieren.
Dabei wird es nicht nur um die Bewältigung des jäh hereinbrechenden Klimawandels unter Umweltgesichtspunkten gehen, auch unsere Demokratie droht zu ersticken. Die Uhr für die Weltkriegsgefahr steht wieder auf 2 Minuten vor zwölf, die Ausgrenzung großer Teile der Weltbevölkerung vom wohlhabenden Rest, die Sichselbstüberlassung nicht mehr leistungsfähiger Menschen, welche für die Ausbeuter nicht mehr zum produktiven Humankapital zählen - diese Themen werden alle auf dem gleichzeitig stattfindenden Gegengipfel behandelt (selbstverständlich etwas modifizierter als in dieser Schnellschreibe hier dargestellt).
Es mag sein, dass die Mehrheit der Presseorgane etwaige Gewaltszenen von Menschen, die nicht mehr daran glauben, dass Konflikte auch gewaltfrei lösbar sind, in den Vordergrund ihrer Berichterstattung stellen werden. Wahrscheinlich auch, dass die Polizei so lange provoziert, bis solche Szenen dann auch stattfinden.
Es mag sein dass die skandalösen Razzien der Bundesanwaltschaft auch ein politisches Kalkül gewesen sind, um die Demonstrierwilligen einzuschüchtern. Sicher ist auch, wie die gegenwärtige RAF-Hype nach 30 Jahren Deutscher Herbst beweist, dass konservative Politiker gewaltsam Feindbilder konstruieren müssen, um ihren demokratischen Kahlschlag legitimieren zu können.
Dies alles ändert aber nichts daran, dass die versprengte politische Linke praktisch über Nacht wieder zu sich selbst gefunden hat. Dass jetzt noch mehr Menschen entschlossen sind, ihren Protest nach Heiligendamm zu tragen. Dass auch der eine oder andere ältere Mitstreiter seine verstaubten Demolatschen wieder aus dem Schrank holen wird. Und dass die Angelegenheit nicht nur auf organisierte Globalisierungskritiker beschränkt bleiben wird.
Stell Dir vor es ist der G8-Gipfel der Superreichen und unverschämterweise gehen alle hin !
Hier noch einige wenige Links zur Berichterstattung über die Solidaritäts-Demonstrationen von gestern abend:
Berichterstattung Medien:
Tausende protestieren gegen Razzien (Tagesschau, 10.05.2007)
Tausende protestieren gegen Razzien (Spiegel Online, 10.05.2007)
30 Festnahmen nach Krawallnacht (stern.de, 10.05.2007)
Polizeigewerkschaft: "Linker Terror in neuer Dimension"
(Rheinische Post, 10.05.2007)
Presseschau:
Presseschau Berliner Umschau (berlinerumschau.com, 10.05.2007)
Presseschau inforadio rbb (inforadio.de, 10.05.2007)
Analysen:
Präventivstaat in Aktion (Telepolis, 10.05.2007)
Die repressive Regel (Telepolis, 10.05.2007)
Einige Reaktionen aus dem Bundestag:
Dramatisierung oder Gewaltprävention? (Tagesschau, 10.05.2007)
Diskussionsforum:
Razzien in der linken Szene (Tagesschau, 10.05.2007)
Berichte von Demo-Teilnehmern in:
Berlin, Bochum, Bremen, Duisburg, Gießen, Göttingen, Hamburg, Hannover, Jena, Köln, Leipzig, Marburg, Rostock, Siegen, Wolfsburg und Amsterdam
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sfux - 10. Mai, 20:25 Article 2300x read