Die Macht der reichen G8 (2) - Der Gipfel als Katastrophe
Michael Schulze von Glaßer – Nichts fürchten die Regierungschefs der sieben größten Industrienationen (G7) und Russland, die so genannten G-8 Staaten mehr, als dass der Inhalt der dreitägigen Konferenz bekannt wird. So wurde das Kempenski-Hotel im Ostseebad Heiligendamm vorsichtshalber schon ein halbes Jahr bevor der erste Regierungschef den Ort betritt von der Bundesregierung gemietet. Schon jetzt stehen rund um die Uhr Wachmänner bereit, um jeden „Eindringling“, sei es Maus oder Mensch, unschädlich zu machen. Keine Chance für Spionage – doch auch nicht für Demokratie. Die Öffentlichkeit muss draußen bleiben!
Der Tagungsort, Heiligendamm, gehörte früher zur DDR - einem Land, das von einem breiten Todesstreifen zum Westen hin abgeschottet wurde. Rund um den westlichen Teil von Berlin gab es eine Mauer, die „Berliner Mauer“, errichtet im Auftrag der damals Verantwortlichen der DDR, von Ulbricht und seinen SED-Genossen. Diese Mauer wurde noch während ihres Baus zum Sinnbild für Intoleranz, Diktatur, Unterdrückung und Menschenfeindlichkeit. Nach dem Fall der Mauer Ende 1989 sollte es nie wieder eine solche Mauer in der wiedervereinten Bundesrepublik geben. Doch das war ein Trugschluss.
Am 15. Januar 2007 rückten Arbeiter an, um auf zwölf Kilometer Länge über Straßen, Wiesen und Wälder, einen zweieinhalb Meter hohen Zaun um Heiligendamm zu errichten. Damit aber nicht genug: 50 Zentimeter soll der mit Beton verankerte Zaun in den Boden reichen, um auch ja keinen „Maulwurf“ durchzulassen. Mit NATO-Stacheldraht, Kameras und Bewegungsmeldern bespickt ist dieser Mauerzaun und es ist schon jetzt unmöglich nur in die Nähe des Zauns zu kommen – bereits nach kurzer Zeit kreisen Hubschrauber der Bundespolizei über Besucher der Mauer. Allein der Zaun kostet 12,5 Millionen Euro - Bundesland Mecklenburg-Vorpommern muss zahlen; nur ein kleines Bruchstück der Kosten für den dreitägigen Gipfel, die sich auf rund 100 Millionen Euro belaufen.
Es gibt zwei Durchgänge durch den Zaun, die von der Polizei kontrolliert werden. Die 280 Einwohner von Heiligendamm wurden im Frühjahr von der örtlichen Polizei registriert. Jeder, der während des Gipfels, vom 6. – 8. Juni in das abgeriegelte Terrain muss – vor allem die Bediensteten des Hotels Kempinski – wird vorher genau gefilzt.
Die Polizei gründete anlässlich des G8-Gipfels in Deutschland schon im Jahr 2005 den Arbeitskreis „Kavalar“, der sich um die „Sicherheit“ des Gipfels kümmern sollte. Der Arbeitskreis erarbeitete die Strategie der Polizei während des Gipfels.
Ob die Polizisten damit die Demokratie schützen, mag dahingestellt sein. Der Leitende Polizeidirektor Knut Abramowski sprach in einem Interview von weit mehr als 12.500 Polizisten die während des Gipfels und natürlich auch schon im Vorfeld für „Ruhe“ sorgen sollen. Globalisierungskritiker rechnen mit etwa 16.000 Polizisten vor Ort. In einer Reportage der ARD sprach eine Einwohnerin von Heiligendamm davon, laut Polizeiangaben stünden jedem Haushalt drei Polizisten beiseite – davon zu sehen soll bisher allerdings wenig sein.
Neben der Polizei ist auch die Bundeswehr im Einsatz. Mal wieder ist die Armee im Inland unterwegs, jedoch nicht wegen Katastrophenschutz, sondern mit der Begründung „Amtshilfe“ leisten zu müssen.
Bisher lehnte die Bundeswehr keine Anfrage der örtlichen Landkreise ab. Dies kann als Indiz dafür genommen werden, dass es der Bundeswehr vor allem um Akzeptanz von Inlandseinsätzen geht. Verteidigungsminister Jung wird 1.100 Soldaten und zivile Mitarbeiter der Bundeswehr in die Region um Heiligendamm schicken. Die Luftwaffe soll, wie zurzeit in Afghanistan, auch über Heiligendamm Aufklärungsarbeit leisten. Außerdem stellt die Bundeswehr in Heiligendamm für 6.500 Polizisten Unterkünfte zur Verfügung. Besonders auf der Ostsee soll die Bundesmarine dafür sorgen, dass der G8-Gipfel ohne Zwischenfälle verläuft. So sind neben einigen Verkehrsbooten, die während des Gipfels für die Infrastruktur sorgen sollen, auch zwei Minenjagdboote und sogar eine Fregatte im Einsatz.
Von der Ostsee droht den G8 vor allem Gefahr von Greenpeace. Die Umweltorganisation besitzt zahlreiche Schiffe. Aktionen vor der Küste Heiligendamms sollen sich in der Planungsphase befinden. Auf dem Festland rechnen die Sicherheitskräfte vor allem mit Blockaden der Zufahrtswege. So hat sich in den letzten Monaten unter dem Namen „Block G8“ ein breites Bündnis von Organisationen gesammelt, die sich zum Ziel gesetzt haben den G8-Gipfel mit Menschenansammlungen und andere Aktionen zu verhindern.
Diese Strategie zielt vor allem auf die Infrastruktur des Gipfeltreffens ab. So werden die Staatsoberhäupter wohl stillecht mit dem Hubschrauber anreisen, das Personal und die Zulieferer werden jedoch, wohl oder übel, den Landweg benutzen müssen. Natürlich wissen die G8-treuen Kräfte dies und werden aller Voraussicht nach versuchen, viel Personal und Verpflegung auf dem Seeweg zum Hotel, dass eine eigene Landungsbrücke besitzt, zu bringen. Während des Gipfels mit dem Flugzeug zum Flughafen Rostock-Laage zu fliegen empfiehlt sich nicht, weil auch der Flughafen blockiert werden soll.
Das Bundes und Mecklenburg-vorpommerische Innenministerium und besonders der von vielen Deutschen mittlerweile als „Hass-Prediger“ empfundene Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warten nun wenige Wochen vor dem G8-Gipfel mit einer ganz neuen, noch nie da gewesenen Taktik auf. Um jede Opposition und Störung auf dem Gipfel zu vermeiden, werden potenzielle G8-Gegner schon vor dem Gipfel eingebuchtet und kriminalisiert. Welcher interessierte Bürger wird dann noch zu den Gegendemonstrationen gehen, wenn die reale Gefahr besteht in ein Massengefängnis zu kommen? Das Grundgesetz, das Meinungsfreiheit zusichert, steht offenbar nur noch auf dem Papier, auf dem es gedruckt wurde. Und wie es aussieht, nutzen rechte Politiker den G8-Gipfel gerne zur Kriminalisierung der linken und globalisierungskritischen Szene. Aber was insgesamt gegenwärtig geschieht, scheint psychologische Kriegsführung gegen das eigene Volk zu sein.
In der Schweiz erinnern sich noch einige ehemalige Wehrpflichtige an einen ähnlichen Fall von psychologischer Kriegsführung. Man hatte sie zu militärischen Wiederholungskursen eingezogen. In der Schweiz geschieht dies für alle Wehrpflichtigen drei Wochen im Jahr. Man erzählte ihnen 1997, die Nazis kämen aus ganz Europa zum Zionistenkongress in Basel, um die Teilnehmer auszubomben. Die Wehrpflichtigen erwarteten deshalb massive Schlägereien. Es wurden Überwachungshelikopter, Schützen- und Überwachungspanzer eingesetzt, und im Vorfeld gab es ähnliche Schlagzeilen wie jetzt in den deutschen Medien. Alles wirkte extrem gefährlich und gewaltig, doch letztendlich kam keiner und bombte. Lediglich die Nachrichtenoffiziere sollen sich über den Erfolg ihrer Propaganda gefreut haben. Sie hatten ihren Vorgesetzten bewiesen, wie gut sie die Psychologische Kriegsführung beherrschen.
Für Heiligendamm erwartet selbst die Polizei 100.000 Demonstranten. Wie viele es am Ende werden und mit welchen Mitteln sie aufgehalten werden sollen, wird sich Anfang Juni dort zeigen.
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Links und Quellen:
Konzentrationslager für G8-Kritiker
Ulla Jelpke - PE_070427_BundeswehrG8.pdf
Ulla Jelpke - 1604983_Bundeswehr_G8.pdf"
Ulla Jelpke - vorab_BWHeiligendamm.pdf
polizei.mvnet.de - G8-kavalareport.pdf
uni-kassel - Globalisierung/g8-2007
attac.de - Heiligendamm
move-against-g8
block-g8
smash-g8
Der Tagungsort, Heiligendamm, gehörte früher zur DDR - einem Land, das von einem breiten Todesstreifen zum Westen hin abgeschottet wurde. Rund um den westlichen Teil von Berlin gab es eine Mauer, die „Berliner Mauer“, errichtet im Auftrag der damals Verantwortlichen der DDR, von Ulbricht und seinen SED-Genossen. Diese Mauer wurde noch während ihres Baus zum Sinnbild für Intoleranz, Diktatur, Unterdrückung und Menschenfeindlichkeit. Nach dem Fall der Mauer Ende 1989 sollte es nie wieder eine solche Mauer in der wiedervereinten Bundesrepublik geben. Doch das war ein Trugschluss.
Am 15. Januar 2007 rückten Arbeiter an, um auf zwölf Kilometer Länge über Straßen, Wiesen und Wälder, einen zweieinhalb Meter hohen Zaun um Heiligendamm zu errichten. Damit aber nicht genug: 50 Zentimeter soll der mit Beton verankerte Zaun in den Boden reichen, um auch ja keinen „Maulwurf“ durchzulassen. Mit NATO-Stacheldraht, Kameras und Bewegungsmeldern bespickt ist dieser Mauerzaun und es ist schon jetzt unmöglich nur in die Nähe des Zauns zu kommen – bereits nach kurzer Zeit kreisen Hubschrauber der Bundespolizei über Besucher der Mauer. Allein der Zaun kostet 12,5 Millionen Euro - Bundesland Mecklenburg-Vorpommern muss zahlen; nur ein kleines Bruchstück der Kosten für den dreitägigen Gipfel, die sich auf rund 100 Millionen Euro belaufen.
Es gibt zwei Durchgänge durch den Zaun, die von der Polizei kontrolliert werden. Die 280 Einwohner von Heiligendamm wurden im Frühjahr von der örtlichen Polizei registriert. Jeder, der während des Gipfels, vom 6. – 8. Juni in das abgeriegelte Terrain muss – vor allem die Bediensteten des Hotels Kempinski – wird vorher genau gefilzt.
Die Polizei gründete anlässlich des G8-Gipfels in Deutschland schon im Jahr 2005 den Arbeitskreis „Kavalar“, der sich um die „Sicherheit“ des Gipfels kümmern sollte. Der Arbeitskreis erarbeitete die Strategie der Polizei während des Gipfels.
Ob die Polizisten damit die Demokratie schützen, mag dahingestellt sein. Der Leitende Polizeidirektor Knut Abramowski sprach in einem Interview von weit mehr als 12.500 Polizisten die während des Gipfels und natürlich auch schon im Vorfeld für „Ruhe“ sorgen sollen. Globalisierungskritiker rechnen mit etwa 16.000 Polizisten vor Ort. In einer Reportage der ARD sprach eine Einwohnerin von Heiligendamm davon, laut Polizeiangaben stünden jedem Haushalt drei Polizisten beiseite – davon zu sehen soll bisher allerdings wenig sein.
Neben der Polizei ist auch die Bundeswehr im Einsatz. Mal wieder ist die Armee im Inland unterwegs, jedoch nicht wegen Katastrophenschutz, sondern mit der Begründung „Amtshilfe“ leisten zu müssen.
Bisher lehnte die Bundeswehr keine Anfrage der örtlichen Landkreise ab. Dies kann als Indiz dafür genommen werden, dass es der Bundeswehr vor allem um Akzeptanz von Inlandseinsätzen geht. Verteidigungsminister Jung wird 1.100 Soldaten und zivile Mitarbeiter der Bundeswehr in die Region um Heiligendamm schicken. Die Luftwaffe soll, wie zurzeit in Afghanistan, auch über Heiligendamm Aufklärungsarbeit leisten. Außerdem stellt die Bundeswehr in Heiligendamm für 6.500 Polizisten Unterkünfte zur Verfügung. Besonders auf der Ostsee soll die Bundesmarine dafür sorgen, dass der G8-Gipfel ohne Zwischenfälle verläuft. So sind neben einigen Verkehrsbooten, die während des Gipfels für die Infrastruktur sorgen sollen, auch zwei Minenjagdboote und sogar eine Fregatte im Einsatz.
Von der Ostsee droht den G8 vor allem Gefahr von Greenpeace. Die Umweltorganisation besitzt zahlreiche Schiffe. Aktionen vor der Küste Heiligendamms sollen sich in der Planungsphase befinden. Auf dem Festland rechnen die Sicherheitskräfte vor allem mit Blockaden der Zufahrtswege. So hat sich in den letzten Monaten unter dem Namen „Block G8“ ein breites Bündnis von Organisationen gesammelt, die sich zum Ziel gesetzt haben den G8-Gipfel mit Menschenansammlungen und andere Aktionen zu verhindern.
Diese Strategie zielt vor allem auf die Infrastruktur des Gipfeltreffens ab. So werden die Staatsoberhäupter wohl stillecht mit dem Hubschrauber anreisen, das Personal und die Zulieferer werden jedoch, wohl oder übel, den Landweg benutzen müssen. Natürlich wissen die G8-treuen Kräfte dies und werden aller Voraussicht nach versuchen, viel Personal und Verpflegung auf dem Seeweg zum Hotel, dass eine eigene Landungsbrücke besitzt, zu bringen. Während des Gipfels mit dem Flugzeug zum Flughafen Rostock-Laage zu fliegen empfiehlt sich nicht, weil auch der Flughafen blockiert werden soll.
Das Bundes und Mecklenburg-vorpommerische Innenministerium und besonders der von vielen Deutschen mittlerweile als „Hass-Prediger“ empfundene Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warten nun wenige Wochen vor dem G8-Gipfel mit einer ganz neuen, noch nie da gewesenen Taktik auf. Um jede Opposition und Störung auf dem Gipfel zu vermeiden, werden potenzielle G8-Gegner schon vor dem Gipfel eingebuchtet und kriminalisiert. Welcher interessierte Bürger wird dann noch zu den Gegendemonstrationen gehen, wenn die reale Gefahr besteht in ein Massengefängnis zu kommen? Das Grundgesetz, das Meinungsfreiheit zusichert, steht offenbar nur noch auf dem Papier, auf dem es gedruckt wurde. Und wie es aussieht, nutzen rechte Politiker den G8-Gipfel gerne zur Kriminalisierung der linken und globalisierungskritischen Szene. Aber was insgesamt gegenwärtig geschieht, scheint psychologische Kriegsführung gegen das eigene Volk zu sein.
In der Schweiz erinnern sich noch einige ehemalige Wehrpflichtige an einen ähnlichen Fall von psychologischer Kriegsführung. Man hatte sie zu militärischen Wiederholungskursen eingezogen. In der Schweiz geschieht dies für alle Wehrpflichtigen drei Wochen im Jahr. Man erzählte ihnen 1997, die Nazis kämen aus ganz Europa zum Zionistenkongress in Basel, um die Teilnehmer auszubomben. Die Wehrpflichtigen erwarteten deshalb massive Schlägereien. Es wurden Überwachungshelikopter, Schützen- und Überwachungspanzer eingesetzt, und im Vorfeld gab es ähnliche Schlagzeilen wie jetzt in den deutschen Medien. Alles wirkte extrem gefährlich und gewaltig, doch letztendlich kam keiner und bombte. Lediglich die Nachrichtenoffiziere sollen sich über den Erfolg ihrer Propaganda gefreut haben. Sie hatten ihren Vorgesetzten bewiesen, wie gut sie die Psychologische Kriegsführung beherrschen.
Für Heiligendamm erwartet selbst die Polizei 100.000 Demonstranten. Wie viele es am Ende werden und mit welchen Mitteln sie aufgehalten werden sollen, wird sich Anfang Juni dort zeigen.
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Links und Quellen:
Konzentrationslager für G8-Kritiker
Ulla Jelpke - PE_070427_BundeswehrG8.pdf
Ulla Jelpke - 1604983_Bundeswehr_G8.pdf"
Ulla Jelpke - vorab_BWHeiligendamm.pdf
polizei.mvnet.de - G8-kavalareport.pdf
uni-kassel - Globalisierung/g8-2007
attac.de - Heiligendamm
move-against-g8
block-g8
smash-g8
onlineredaktion - 12. Mai, 11:33 Article 4526x read