G8-Foto-Tagebuch - 4. Juni 2007
Bastian Graupner - Vormittags fuhren die meisten G8-Gegner vom Camp aus mit der S-Bahn zum Rostocker Stadtteil Lichtenhagen.
Diese Plattenbausiedlung erlangte im August 1992 weltweit traurige Berühmtheit als hunderte Asylbewerber tagelang ohne Nahrung und sanitäre Einrichtungen vor der „Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber“ campieren mussten und es zu Übergriffen Rechtradikaler auf die Ausländer kam. Bei den Krawallen 1992 wurden hunderte Menschen verletzt.
Aus Sicht der Rechtsextremisten waren die Krawalle ein voller Erfolg, führten sie doch zur Verschärfung des „Ausländerrechts“. Die Regierung begründete ihre Entscheidung damals mit der fadenscheinigen Begründung, die Ausländer vor Rechtsextremisten schützen zu wollen. Das neue Ausländerrecht verschärfte die Situation für die Flüchtlinge jedoch – es hatte nur zum Ziel, dass weniger Asylanträgen zugestimmt wird – diese Gesetze gelten noch heute.
Weniger als ein Prozent der heute gestellten Asylanträge werden angenommen.
Um an das „Pogrom von Lichtenhagen“ und auch seine Folgen zu erinnern, wurde in dem Viertel eine Gedenkkundgebung von G8-Gegnern veranstaltet – immerhin sind die G8-Staaten für ihre rigorose Abschottungspolitik bekannt. Doch schon bei der Anreise wurden die zahlreichen Demonstranten massiv von Polizeikräften behindert.
1992 bekam die Polizei die ausländerfeindlichen Ausschreitungen nicht in den Griff – am 4. Juni 2007 hat sie mit einem massiven Einsatz wohl überreagiert.
Auf der Kundgebung kam es kurzzeitig zum Gerangel zwischen Demonstranten und der Polizei. Es gab mehrere Festnahmen. Trotzdem blieb die Kundgebung die ganze Zeit friedlich – obwohl die Polizei durch Handgreiflichkeiten immer wieder provozierte.
Der Schwerpunkt dieses Montags lag beim Thema „Migration“. So sollte nachmittags eine große Demonstration vom Abschiebelager am Rande Rostocks in die Innenstadt stattfinden. In Abschiebelager kommen Ausländer, die in ihr so genanntes Heimatland zurückgebracht werden sollen. Die Menschen können das Lager zwar verlassen, die im Grundgesetz verordnete Freizügigkeit gilt für sie aber nicht.
An diesem Montag sammelten sich vor den Toren des Lagers etwa 10.000 Menschen, darunter auch internationale Gäste, um gegen solche Lager zu demonstrieren. Die Polizei war natürlich auch vor Ort. Nach einer langen Kundgebung sollte der Protestzug am späten Nachmittag endlich losziehen. Doch wohin? Wasserwerfer versperrten jede Straße die von dem Lager wegführte.
Der Grund für das Einkesseln der ganzen Demonstration sollen vermummte Personen aus dem „Schwarzen Block“ gewesen sein, so ein Polizeisprecher. Dumm nur, dass es bei der Demonstration gar keinen „Schwarzen Block“ gab. Einige Demonstranten zogen daraufhin aus Protest ihre Kleidung aus, um zu zeigen, dass sie friedlich sind, was von den Medien mit großem Aufruhr aufgenommen wurde. Andere Demonstranten scherzten über die scheinbar punktuelle Wirtschaftshilfe für die Imbissbuden, die sich im Kessel der Demonstranten befanden und regelmäßig leer gekauft wurden.
Nach fast zwei Stunden Stillstand ging es dann endlich weiter – mit drei Polizei-Ringen um den gesamten Zug. Bevor sich der Tross von Leuten jedoch in Bewegung setzen konnte, mussten die dreiachsigen Wasserwerfer erst einmal wenden, was einige Zeit in Anspruch nahm. Wer sich nur etwas geschickt anstellte, gelangte jedoch mit Leichtigkeit aus dem Wanderkessel. Langsam wanderte der Kessel die Satower Straße etwa zwei Kilometer in Richtung Innenstadt hinunter, bis er von der Polizei in Höhe der Tram-Station Parkstraße gestoppt wurde.
Die Polizei wollte die angemeldete Demonstration nicht wie geplant – und zuvor erlaubt –in die Rostocker Innenstadt lassen. Wieder versperrten Wasserwerfer den Weg. Ein Großaufgebot der Polizei stand vor Ort – bereit, um die Teilnehmer der Demonstration mit allen Mitteln daran zu hindern in die Innenstadt durchzubrechen. Glücklicherweise blieb auch bei dieser Veranstaltung alles friedlich. Nur ein Polizeihund stürzte sich auf einen nebenstehenden Polizisten, der daraufhin schnell zurückwich.
Nach mehrstündigem warten waren nicht nur die Protestler genervt. Die Polizei reagierte zunehmest aggressiver. So wurden Mitgliedern der mittlerweile berühmten Clowns-Armee, ihre Wasserpistolen weggenommen. Diese Art von Armee besteht aus Demonstranten, die als Clowns verkleidet sind.
Die Clowns waren wohl das beliebteste Fotomotiv während der Protestwoche.
Da ist die Wasserpistole futsch – ein Polizist nimmt einem Demonstranten der „Clown’s Army“ zu dessen Unverständnis die bunte Wasserpistole weg.
© alle Fotos: Bastian Graupner
Während dieser langen Wartezeit gingen Polizisten mit Fotos herum, um zu gucken ob sich bekannte und gesuchte Kriminelle im Demonstrationszug finden lassen. Eine Methode, die Stunden dauerte und völlig sinnlos war. Wie wollte die Polizei, wenn sie einen gesuchten Kriminellen erblickte, diesen aus der Menschenmasse fischen ohne totales Chaos zu verursachen?
Schließlich wurde die legale Demonstration von den Veranstaltern aufgelöst, da die Polizei den Protest gegen Abschiebelager und Abschottung der G8-Staaten unmöglich machte. Ein Eigentor der Polizei, wie sich später herausstellte, denn nun gingen die Aktivisten einzeln in die Innenstadt. Durch die Schwemme an Menschen wurde die Polizei friedlich überrumpelt und riegelte in der Hektik die gesamte Innenstadt ab. Überall marschierten Hundertschaften der Polizei in Reih und Glied durch die Rostocker Straßen. Die meisten Personen schafften es jedoch durch die Innenstadt weiter zum Stadthafen zu kommen, wo am Abend abermals ein Konzert stattfand.
Während des Konzerts sorgte die für ihre spektakulären Aktionen bekannte Organisation „Robin Wood“ für Unterhaltung, weil sie ein großes Transparent zwischen zwei Hafenkräne spannte. Unbemerkt von den meisten Menschen schwebte hinter den Demonstranten im Stil des „großen Bruders“ ständig ein Hubschrauber der Polizei. Alle paar Stunden kam ein neuer Polizeihubschrauber, wenn dem vorherigen der Treibstoff zur Neige ging und überwachte das Konzert abermals. Nach dem Konzert bewegte sich der Tross von Leuten zurück ins Camp.
Diese Plattenbausiedlung erlangte im August 1992 weltweit traurige Berühmtheit als hunderte Asylbewerber tagelang ohne Nahrung und sanitäre Einrichtungen vor der „Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber“ campieren mussten und es zu Übergriffen Rechtradikaler auf die Ausländer kam. Bei den Krawallen 1992 wurden hunderte Menschen verletzt.
Aus Sicht der Rechtsextremisten waren die Krawalle ein voller Erfolg, führten sie doch zur Verschärfung des „Ausländerrechts“. Die Regierung begründete ihre Entscheidung damals mit der fadenscheinigen Begründung, die Ausländer vor Rechtsextremisten schützen zu wollen. Das neue Ausländerrecht verschärfte die Situation für die Flüchtlinge jedoch – es hatte nur zum Ziel, dass weniger Asylanträgen zugestimmt wird – diese Gesetze gelten noch heute.
Weniger als ein Prozent der heute gestellten Asylanträge werden angenommen.
Um an das „Pogrom von Lichtenhagen“ und auch seine Folgen zu erinnern, wurde in dem Viertel eine Gedenkkundgebung von G8-Gegnern veranstaltet – immerhin sind die G8-Staaten für ihre rigorose Abschottungspolitik bekannt. Doch schon bei der Anreise wurden die zahlreichen Demonstranten massiv von Polizeikräften behindert.
1992 bekam die Polizei die ausländerfeindlichen Ausschreitungen nicht in den Griff – am 4. Juni 2007 hat sie mit einem massiven Einsatz wohl überreagiert.
Auf der Kundgebung kam es kurzzeitig zum Gerangel zwischen Demonstranten und der Polizei. Es gab mehrere Festnahmen. Trotzdem blieb die Kundgebung die ganze Zeit friedlich – obwohl die Polizei durch Handgreiflichkeiten immer wieder provozierte.
Der Schwerpunkt dieses Montags lag beim Thema „Migration“. So sollte nachmittags eine große Demonstration vom Abschiebelager am Rande Rostocks in die Innenstadt stattfinden. In Abschiebelager kommen Ausländer, die in ihr so genanntes Heimatland zurückgebracht werden sollen. Die Menschen können das Lager zwar verlassen, die im Grundgesetz verordnete Freizügigkeit gilt für sie aber nicht.
An diesem Montag sammelten sich vor den Toren des Lagers etwa 10.000 Menschen, darunter auch internationale Gäste, um gegen solche Lager zu demonstrieren. Die Polizei war natürlich auch vor Ort. Nach einer langen Kundgebung sollte der Protestzug am späten Nachmittag endlich losziehen. Doch wohin? Wasserwerfer versperrten jede Straße die von dem Lager wegführte.
Der Grund für das Einkesseln der ganzen Demonstration sollen vermummte Personen aus dem „Schwarzen Block“ gewesen sein, so ein Polizeisprecher. Dumm nur, dass es bei der Demonstration gar keinen „Schwarzen Block“ gab. Einige Demonstranten zogen daraufhin aus Protest ihre Kleidung aus, um zu zeigen, dass sie friedlich sind, was von den Medien mit großem Aufruhr aufgenommen wurde. Andere Demonstranten scherzten über die scheinbar punktuelle Wirtschaftshilfe für die Imbissbuden, die sich im Kessel der Demonstranten befanden und regelmäßig leer gekauft wurden.
Nach fast zwei Stunden Stillstand ging es dann endlich weiter – mit drei Polizei-Ringen um den gesamten Zug. Bevor sich der Tross von Leuten jedoch in Bewegung setzen konnte, mussten die dreiachsigen Wasserwerfer erst einmal wenden, was einige Zeit in Anspruch nahm. Wer sich nur etwas geschickt anstellte, gelangte jedoch mit Leichtigkeit aus dem Wanderkessel. Langsam wanderte der Kessel die Satower Straße etwa zwei Kilometer in Richtung Innenstadt hinunter, bis er von der Polizei in Höhe der Tram-Station Parkstraße gestoppt wurde.
Die Polizei wollte die angemeldete Demonstration nicht wie geplant – und zuvor erlaubt –in die Rostocker Innenstadt lassen. Wieder versperrten Wasserwerfer den Weg. Ein Großaufgebot der Polizei stand vor Ort – bereit, um die Teilnehmer der Demonstration mit allen Mitteln daran zu hindern in die Innenstadt durchzubrechen. Glücklicherweise blieb auch bei dieser Veranstaltung alles friedlich. Nur ein Polizeihund stürzte sich auf einen nebenstehenden Polizisten, der daraufhin schnell zurückwich.
Nach mehrstündigem warten waren nicht nur die Protestler genervt. Die Polizei reagierte zunehmest aggressiver. So wurden Mitgliedern der mittlerweile berühmten Clowns-Armee, ihre Wasserpistolen weggenommen. Diese Art von Armee besteht aus Demonstranten, die als Clowns verkleidet sind.
Die Clowns waren wohl das beliebteste Fotomotiv während der Protestwoche.
Da ist die Wasserpistole futsch – ein Polizist nimmt einem Demonstranten der „Clown’s Army“ zu dessen Unverständnis die bunte Wasserpistole weg.
© alle Fotos: Bastian Graupner
Während dieser langen Wartezeit gingen Polizisten mit Fotos herum, um zu gucken ob sich bekannte und gesuchte Kriminelle im Demonstrationszug finden lassen. Eine Methode, die Stunden dauerte und völlig sinnlos war. Wie wollte die Polizei, wenn sie einen gesuchten Kriminellen erblickte, diesen aus der Menschenmasse fischen ohne totales Chaos zu verursachen?
Schließlich wurde die legale Demonstration von den Veranstaltern aufgelöst, da die Polizei den Protest gegen Abschiebelager und Abschottung der G8-Staaten unmöglich machte. Ein Eigentor der Polizei, wie sich später herausstellte, denn nun gingen die Aktivisten einzeln in die Innenstadt. Durch die Schwemme an Menschen wurde die Polizei friedlich überrumpelt und riegelte in der Hektik die gesamte Innenstadt ab. Überall marschierten Hundertschaften der Polizei in Reih und Glied durch die Rostocker Straßen. Die meisten Personen schafften es jedoch durch die Innenstadt weiter zum Stadthafen zu kommen, wo am Abend abermals ein Konzert stattfand.
Während des Konzerts sorgte die für ihre spektakulären Aktionen bekannte Organisation „Robin Wood“ für Unterhaltung, weil sie ein großes Transparent zwischen zwei Hafenkräne spannte. Unbemerkt von den meisten Menschen schwebte hinter den Demonstranten im Stil des „großen Bruders“ ständig ein Hubschrauber der Polizei. Alle paar Stunden kam ein neuer Polizeihubschrauber, wenn dem vorherigen der Treibstoff zur Neige ging und überwachte das Konzert abermals. Nach dem Konzert bewegte sich der Tross von Leuten zurück ins Camp.
onlineredaktion - 18. Jun, 07:10 Article 2244x read