Menschliche Waffensysteme
Stephan Fuchs - Figuren, die man bisher nur aus Science-fiction Filmen wie „Universal Soldier“, „Terminator“ oder „Starship Troopers“ kennt, sollen das Schlachtfeld der Zukunft dominieren. Für die DARPA, der amerikanischen Forschungsstätte für Kriegstechnik, hat die Zukunft bereits begonnen und wird die Soldaten über kurz oder lang dazu zwingen das restliche Stück Mensch sein abzugeben.
Kampfmaschinen
Grafik: Faceworks.de
Soldaten waren schon immer das schwächste, unzuverlässigste und labilste Glied in der Kette der militärischen Maschinerie. Ein ausführlich dokumentiertes Beispiel ist ein Ereignis des ersten Weltkrieges 1914 bei Flandern. Deutsche Soldaten harren in einem Stellungskrieg nur wenige hundert Meter vor ihren britischen, französischen und belgischen Gegnern in den Schützengräben aus. Hunderttausende von jungen Männern sind bis zum Dezember 1914 bereits gefallen und die Front scheint aussichtslos festgefahrenen zu sein. Neu aufgetauchte Bilder dokumentieren einen bis dahin noch nie dagewesenen Greuel. Die in der Kälte erstarrten Leichen und Kadaver wagt niemand mehr zu bergen, zu groß ist die Gefahr dabei selbst erschossen zu werden. Am Weihnachtsmorgen jedoch spielen sich groteske Szenen ab. Soldaten beider Seiten halten bemalte Schilder hoch, auf denen sie sich gegenseitig „Merry X-mas“ und „frohe Weihnachten“ wünschen. Die ersten verlassen daraufhin ihre Stellungen. Kein Schuss fällt. Gemeinsam beginnen die verfeindeten Soldaten die Toten zu bergen und zu beerdigen. Doch dabei bleibt es nicht, die Soldaten singen gemeinschaftlich bekannte Weihnachtslieder. Am nächsten morgen werden sogar Geschenke ausgetauscht und Familienfotos herumgezeigt. Man trinkt zusammen und spielt im Niemandsland des Schlachtfeldes Fußball. Der kleine Frieden im großen Krieg ist filigran. Zwei Tage später, auf massiven Druck durch die Heeresleitung mit Exekutionskommandos, wird wieder geschossen. Das Morden geht weiter, als wäre nichts geschehen. Millionen Menschen werden bis zum Kriegsende 1918 noch ihr Leben verlieren. Im Wahnsinn des Krieges jedoch, zeigt diese Anekdote einen Wesenszug des Menschen, der ihn als Mensch prädestiniert: Menschlichkeit.
Gedrillter Soldatentypus
Menschlichkeit zu minimieren und den Soldaten zu einem Mordinstrument zu konditionieren, unterlag schon immer größter Anstrengung und Perfektionierung. Ein kurzer historischer Abriss zeigt die Epochen des gedrillten Soldatentypus: Bis zu den Revolutionskriegen des 18. Jahrhunderts, galt die Linienformation als typische Kampfformation. Die Linienformation, das sind die Infanterieeinheiten, bestanden in der Regel aus gepressten und Söldnern, die überhaupt nicht motiviert waren im Kampfe zu fallen. Der unablässige Drill von Rhythmus und Bewegung durch die Instruktoren hatte zum Ziel den einzelnen zu eben jenem Soldaten zu formen der auf akustische und visuelle Reize automatisch reagiert, der sich willenlos und zum gehorsam in Fleisch und Blut gewordenen, in den dicht geschlossenen Kampfkörper eingliederte und so in die mechanisch tödliche Vorwärtsbewegung überging. Dazu taugten Trommeln, Schlachtgesänge, Dudelsäcke, Trompeten und Fahnen, mitunter aber auch physische Peinigung. Dennoch war im Angesicht der Schlacht die auftretende Panik vor dem plötzlichen Tod oder der Verwundung groß geblieben. Das löste vielfach Verweigerung und Flucht aus, im Gefecht selber aber auch zu Gnade und Verschonung. Um dies zu verhindern, standen hinter den Infanterieeinheiten die Kavallerieeinheiten, bestehend aus überwiegend adligen und sozial gut gestellten Eliten, die von hinten die Soldaten malträtierten und sogar in die eigenen Reihen schossen um die Soldaten vorwärts zu drängen. Kein Entkommen also. In der französischen Revolution fand sich die Lösung durch eine Emotionalisierung der Soldaten für Vaterland und Nation, für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, oder eben den Tod durch das Regime des Feindes. Im Zeitalter des Nationalsozialismus wurde die Konditionierung der Soldaten durch fanatische Propaganda, Massenrituale und Massenpsychologie subtiler, laut Dave Grossmann wurde sie aber auch perverser.
Leider tief sitzende Hemmung zu töten
Dave Grossmann, unterrichtete als Militärhistoriker und Psychologieprofessor an der US-Militärakademie in West Point ein Forschungsgebiet, dessen Name er selbst schuf: Killologie. Die Wissenschaft vom Töten . Im Auftrag der Armee untersuchte er wie man die Tötungsrate kriegsführender Soldaten erhöhen kann. Dabei stellte er fest, dass der Soldat eine tief sitzende Hemmung hat einen anderen Menschen zu töten. Bei Feindberührung werde vielfach gezielt danebengeschossen, als Ersatzhandlung unnötig nachgeladen, etc. Wörtlich: "Die Soldaten sind bereit zu sterben, sie sind bereit, sich für ihre Nation zu opfern, aber sie sind offenkundig nicht ohne Weiteres bereit zu töten." Eigentlich, aus ziviler Sicht, ist diese Aussage ein Funken der Hoffnung. Aus militärischer Sicht ist sein Untersuchungsergebnis aber eine große Katastrophe. Man hat bislang alles versucht: Physischer Druck, psychischer Druck, emotioneller Druck, Drogen aller art , der Faktor Mensch bleibt, wohl Gottgegeben, bestehen.
Kampfmaschinen
Dies wird sich nun ändern. In amerikanischen, sehr wahrscheinlich aber auch in russischen, chinesischen, japanischen und europäischen Labors , wird intensiv und mit großem finanziellem Aufwand am Kämpfer von morgen gewerkelt: Der menschlichen Kampfmaschine. Die menschliche Kampfmaschine wird über kurz oder lang das Schlachtfeld betreten und Soldaten, so heißt es in einer Vision des Pentagon für das Jahr 2020, müßten «schneller, tödlicher und präziser» werden.
Der Soldat der Zukunft soll sieben Tage, vierundzwanzig Stunden wach bleiben ohne dabei mental durchzudrehen. Er soll größeres und schwereres Waffengerät über weite Distanzen tragen können. Mittels eines hierfür konzipierten Exoskeletons, ein stählernes Gerüst an den Füßen und Beinen befestigt und durch Elektro-Motoren bewegt, wird der Soldat zum Packesel. Mit Gedankenkraft soll er unbemannte Kampfjets und fern von ihm liegende Waffensysteme bedienen, ähnlich wie die Jedi Ritter der George Lucas Filme Star Wars. Er soll keinen Schmerz mehr spüren, seine Wunden sollen sich automatisch wieder schließen und Blutungen sollen gestoppt werden. Er soll verwundet, auch mit abgerissenem Arm und Kugel im Bauch, weiterstürmen und weiter kämpfen können. Der Soldat der Zukunft muß nicht essen, er kann mit allen nötigen Elementen und Vitaminen über Verpflegungspflaster versorgt werden. Mittels Acetylcholinesterase (AChE), einem Enzym welches bei der Entwicklung des posttraumatischen Streß Syndroms eine große Rolle spielt und dessen Kontrolle die Soldaten nicht nur im Gefecht stabiler machen würde, könnte auch die anschließende psychologische Betreuung minimieren. Als Fernziel soll es möglich sein menschliche Erinnerungen in implantierbaren Mikrochips abzuspeichern, um anderen Soldaten dadurch die Kampferfahrungen und das waffentechnische Know-how durch einen Upload zu ermöglichen. Der Mensch reduziert auf simples Material, einer Schnittstelle zwischen Todbringer und Maschine. So soll der Soldat zukünftiger Kriege funktionieren. Dafür werden Millionen und Milliarden an Steuergeldern, Millionen an Brain Power Stunden unzähliger Forscher und die Qual tausender Affen, Ratten und anderer Tiere aufgewendet. Vom Leiden der Menschen, jene die als Kampfmaschinen durch die Schlachtfelder ziehen und jene die ihnen ausgeliefert sein werden, mal ganz abgesehen.
Defense Advanced Research Projects Agency, kurz DARPA, heißt die militärische Forschungseinrichtung, dessen Vorgängerorganisation 1954 als Antwort auf die Russische Sputnik Raumkapsel gegründet wurde. DARPA setzt das um, was Science-fiction Autoren für die Zukunft in Filmen wie Schwarzeneggers „Terminator“, „Matrix“ oder „Universal Soldier“ implizieren. Das Forschungskonzept der DARPA ist clever aufgebaut und verkauft sich durch den „dual use“ Aspekt, der aus solchen Forschungsanstrengungen hervorgeht, gut als Humane Investition für die zivile Welt. Was militärische Priorität hat, kann immer auch zivil angewendet werden. Für viele zivile Universitäten, zum Beispiel dem „Harrington Department of Bioengineering“ der Arizona State University, welches in Partnerschaft mit der DARPA arbeitet, kann die Forschung ein bereicherndes Unternehmen sein. Diese Schnittstelle ist ein gefährliches Schwert, denn wer ist nicht erleichtert zu wissen, daß die medizinische Wissenschaft für uns ein reparables Morgen konstruiert. Die Verlockungen, daß Blinde wieder sehen könnten, gelähmte gehen könnten und gehörlose hören könnten, sind enorm. Millionen von Menschen kann durch diese Forschungsrichtungen geholfen werden. Millionen von Menschen werden durch diese neue Kämpfergeneration zu Krüppeln. Ein Stück weitergedacht, eine Philosophische Knacknuß. Die Erfolgsmeldungen der Neurochirurgie und des Bioengineering im medizinischen Bereich, sind von dem her lediglich nur „Abfall“ Produkte der Kriegsforschung.
Gelder für Hirnimpule
Die meisten der im folgenden besprochenen DARPA Programme sind dem „Defense Science Office“ zugeteilt. Im Rahmen des $ 19 Millionen teuren Brain Machine Interface Programm werden erfolgreich Experimente mit Affen angestellt, deren Gehirnimpulse über ein Kopfsensorennetz aufgenommen und von einem Computer in Steuerbefehle übersetzt werden. Mit denen lassen sich Roboterarme oder Cursor auf einem Monitor bewegen. Ziel hiervon ist es, das Gehirn des Soldaten mit einer Maschine zu verbinden, damit ein technischer Sensor seinen Informationsstrom direkt in die zuständige Gehirnregion übermitteln kann. Dann soll der Soldat durch technische „Gedankenübertragung“ seine Waffe direkt auslösen können, ohne dabei seinen Finger zu krümmen.
Kampfhandlungen werden so in dem Moment geschehen, in dem der Soldat sie denkt. Dazu DARPA Forscher Eric Eisenstadt: "Stellen Sie sich eine Zeit vor, in der Soldaten allein mittels Gedanken kommunizieren, stellen sie sich eine Zeit vor, in der menschliche Gehirne ihre eigenen drahtlosen Modems besitzen - statt auf der Basis von Gedanken zu handeln, haben Kampfflugzeuge dann Gedanken, die handeln."
Drug 'n' Kill
Das $40 Million schwere Exoskeletons for Human Performance Augmentation Programm konzentriert sich dagegen auf die physische Aufrüstung der Soldaten. Eine Exoskelettpanzerung, die mit einem Interface aus Sensoren bestückt ist, ähnlich wie man es bereits aus der Virtual Reality (VR) Technik kennt, verstärkt jede Muskelbewegung des Soldaten und ermöglicht eine Traglast, die weit über die Ausrüstung hinausgeht, die Fußsoldaten zu tragen imstande sind. Die Technik befähigt den Soldaten weite Strecken durch extrem hohe Sprünge oder gar "kurze Flüge" zurückzulegen. Aber auch ein derart aufgerüsteter Soldat wird irgendwann müde und benötigt die 5 bis 10 Milligramm des Amphetamins Dexedrin, die ihm von der Truppenführung bereits heute, vorwiegend den Kampfpiloten, verstohlen gewährt wird. Die Droge wirkt wie Speed und um sich wieder zu beruhigen und zu schlafen, werden den Piloten Sedativa verabreicht. Neben körperlichen Symptomen wie erhöhter oder zu niedrigerer Blutdruck, Übelkeit, Schwitzen und Krampfanfälle, beeinflussen Amphetamine auch die Stimmung. Es kommt zu Euphorie, Depressionen oder Aggressionen.
Suchtgefährdung groß. Bereits im Vietnam Krieg hatten ganze Hundertschaften die sich mit Heroin, Kokain und Opiaten gedopt hatten mit Suchtproblemen zu kämpfen. Zu viele Soldaten trugen ihre Sucht nach Hause und blieben ihr Leben lang Junkies.
Müdigkeit wird auch in Zukunft ein Problem darstellen. Doch das Preventing Sleep Deprivation Program soll das verhindern helfen. Mit Hilfe von Programmen, die dem Soldaten einen quasi elektronisch gesteuerten oder simulierten Schlaf bescheren, kann der Soldat in Sekundenbruchteilen wieder geweckt werden und mit voller Aufmerksamkeit eine Woche lang kontinuierlich kampffähig bleiben. Zu den anderen Möglichkeiten zählen Implantate und die Manipulationen des Stoffwechsels. In den projektbeschrieben und Dokumenten der DARPA Forschungsabteilung findet man jedoch keine Anhaltspunkte darüber, inwiefern die psychische Verarbeitung während einer Schlafphase und die Traumlandschaft im allgemeinen darauf reagiert oder leidet. Auch in größter Streßsituation, die durchaus einige Tage andauern kann und der Körper und der Verstand durch natürliche Hormonausschüttung aktiv bleibt, brechen das Hirn und seine Funktionen in wenigen Tagen zusammen. Wird dieser Schutzmechanismus künstlich manipuliert, wird der Geist sehrwahrscheinlich unwiderruflich zerbrochen.
BIO INFO MICRO
Der Forschungsbereich "Persistance in Combat" kümmert sich um die schnelle Wiederherstellung verletzter Soldaten. Wer sich selbst behandeln, Blutungen stoppen, und überdurchschnittliche Schmerzen ertragen kann, ist postwendend wieder einsatzbereit und kann weiterkämpfen. Kämpfen mit Verletzungen, kämpfen wie ein Terminator…
„BIO: INFO: MICRO“ , eines der Programme unter der Leitung von Dr. Eric Eisenstadt, in welches die DARPA in den kommenden zwei Jahren noch einmal 24 Millionen Dollar investieren darf, will Mensch und Maschine zu militärischen Zwecken verbinden. Nach den ermutigenden Versuchen mit navigierbaren Ratten soll durch Mikrochips oder andere Implantate, Kriegsgerät vom Kopf aus gesteuert werden - und der einfache Soldat ebenfalls. Noch interessanter ist freilich der umgekehrte Weg, denn wenn etwas ins Gehirn hineingegeben werden kann, müsste es schließlich auch möglich sein, etwas aus dem Gehirn herauszuholen. Noch einmal Dr. Eisenstadt: „Wer weiß, wenn wir dem Gehirn heimlich zuhören können, dann können wir vielleicht auch Betrug von Ehrlichkeit und Wahrheit von Erfindung unterscheiden. Was wäre das für ein Lügendetektor!“
Bereits 1999 gelang es Forschern an der Berkeley University of California, Bildsignale aus den tiefen des Gehirns einer Katze zu holen und die von ihr gesehene Welt am Bildschirm zu übertragen . Somit kann, früher oder später, das erlebte und gesehene eines Menschen in eine digitalisierte Form gebracht werden. Damit ließe sich bewerkstelligen, daß Erlebnisse aus dem einen Hirn, oder Schulungsprogramme, vielleicht gar ganze Missionen, auf ein neues Hirn eingespiesen werden könnte. Matrix.
In bewaffneten Konflikten kämpften bisher Menschen gegen Menschen, auch wenn sie erbarmungslos, barbarisch und unvorstellbar grausam waren. Krieger waren seit jeher dazu erzogen worden möglichst willenlos zu dienen. Jetzt aber werden Soldaten keine Soldaten mehr sein. Sie sind, wie die Militärs sagen, „Waffensysteme“. In den Kriegen der Zukunft werden mittelfristig Kampfmaschinen gegen Menschen kämpfen. Das erinnert wieder an einen Film: „Star Wars“ von George Lucas.
Dieser Artikel erschien erstmalig im Factum Magazin
PDF Download unter "Menschliche Kampfsysteme"
Kampfmaschinen
Grafik: Faceworks.de
Soldaten waren schon immer das schwächste, unzuverlässigste und labilste Glied in der Kette der militärischen Maschinerie. Ein ausführlich dokumentiertes Beispiel ist ein Ereignis des ersten Weltkrieges 1914 bei Flandern. Deutsche Soldaten harren in einem Stellungskrieg nur wenige hundert Meter vor ihren britischen, französischen und belgischen Gegnern in den Schützengräben aus. Hunderttausende von jungen Männern sind bis zum Dezember 1914 bereits gefallen und die Front scheint aussichtslos festgefahrenen zu sein. Neu aufgetauchte Bilder dokumentieren einen bis dahin noch nie dagewesenen Greuel. Die in der Kälte erstarrten Leichen und Kadaver wagt niemand mehr zu bergen, zu groß ist die Gefahr dabei selbst erschossen zu werden. Am Weihnachtsmorgen jedoch spielen sich groteske Szenen ab. Soldaten beider Seiten halten bemalte Schilder hoch, auf denen sie sich gegenseitig „Merry X-mas“ und „frohe Weihnachten“ wünschen. Die ersten verlassen daraufhin ihre Stellungen. Kein Schuss fällt. Gemeinsam beginnen die verfeindeten Soldaten die Toten zu bergen und zu beerdigen. Doch dabei bleibt es nicht, die Soldaten singen gemeinschaftlich bekannte Weihnachtslieder. Am nächsten morgen werden sogar Geschenke ausgetauscht und Familienfotos herumgezeigt. Man trinkt zusammen und spielt im Niemandsland des Schlachtfeldes Fußball. Der kleine Frieden im großen Krieg ist filigran. Zwei Tage später, auf massiven Druck durch die Heeresleitung mit Exekutionskommandos, wird wieder geschossen. Das Morden geht weiter, als wäre nichts geschehen. Millionen Menschen werden bis zum Kriegsende 1918 noch ihr Leben verlieren. Im Wahnsinn des Krieges jedoch, zeigt diese Anekdote einen Wesenszug des Menschen, der ihn als Mensch prädestiniert: Menschlichkeit.
Gedrillter Soldatentypus
Menschlichkeit zu minimieren und den Soldaten zu einem Mordinstrument zu konditionieren, unterlag schon immer größter Anstrengung und Perfektionierung. Ein kurzer historischer Abriss zeigt die Epochen des gedrillten Soldatentypus: Bis zu den Revolutionskriegen des 18. Jahrhunderts, galt die Linienformation als typische Kampfformation. Die Linienformation, das sind die Infanterieeinheiten, bestanden in der Regel aus gepressten und Söldnern, die überhaupt nicht motiviert waren im Kampfe zu fallen. Der unablässige Drill von Rhythmus und Bewegung durch die Instruktoren hatte zum Ziel den einzelnen zu eben jenem Soldaten zu formen der auf akustische und visuelle Reize automatisch reagiert, der sich willenlos und zum gehorsam in Fleisch und Blut gewordenen, in den dicht geschlossenen Kampfkörper eingliederte und so in die mechanisch tödliche Vorwärtsbewegung überging. Dazu taugten Trommeln, Schlachtgesänge, Dudelsäcke, Trompeten und Fahnen, mitunter aber auch physische Peinigung. Dennoch war im Angesicht der Schlacht die auftretende Panik vor dem plötzlichen Tod oder der Verwundung groß geblieben. Das löste vielfach Verweigerung und Flucht aus, im Gefecht selber aber auch zu Gnade und Verschonung. Um dies zu verhindern, standen hinter den Infanterieeinheiten die Kavallerieeinheiten, bestehend aus überwiegend adligen und sozial gut gestellten Eliten, die von hinten die Soldaten malträtierten und sogar in die eigenen Reihen schossen um die Soldaten vorwärts zu drängen. Kein Entkommen also. In der französischen Revolution fand sich die Lösung durch eine Emotionalisierung der Soldaten für Vaterland und Nation, für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, oder eben den Tod durch das Regime des Feindes. Im Zeitalter des Nationalsozialismus wurde die Konditionierung der Soldaten durch fanatische Propaganda, Massenrituale und Massenpsychologie subtiler, laut Dave Grossmann wurde sie aber auch perverser.
Leider tief sitzende Hemmung zu töten
Dave Grossmann, unterrichtete als Militärhistoriker und Psychologieprofessor an der US-Militärakademie in West Point ein Forschungsgebiet, dessen Name er selbst schuf: Killologie. Die Wissenschaft vom Töten . Im Auftrag der Armee untersuchte er wie man die Tötungsrate kriegsführender Soldaten erhöhen kann. Dabei stellte er fest, dass der Soldat eine tief sitzende Hemmung hat einen anderen Menschen zu töten. Bei Feindberührung werde vielfach gezielt danebengeschossen, als Ersatzhandlung unnötig nachgeladen, etc. Wörtlich: "Die Soldaten sind bereit zu sterben, sie sind bereit, sich für ihre Nation zu opfern, aber sie sind offenkundig nicht ohne Weiteres bereit zu töten." Eigentlich, aus ziviler Sicht, ist diese Aussage ein Funken der Hoffnung. Aus militärischer Sicht ist sein Untersuchungsergebnis aber eine große Katastrophe. Man hat bislang alles versucht: Physischer Druck, psychischer Druck, emotioneller Druck, Drogen aller art , der Faktor Mensch bleibt, wohl Gottgegeben, bestehen.
Kampfmaschinen
Dies wird sich nun ändern. In amerikanischen, sehr wahrscheinlich aber auch in russischen, chinesischen, japanischen und europäischen Labors , wird intensiv und mit großem finanziellem Aufwand am Kämpfer von morgen gewerkelt: Der menschlichen Kampfmaschine. Die menschliche Kampfmaschine wird über kurz oder lang das Schlachtfeld betreten und Soldaten, so heißt es in einer Vision des Pentagon für das Jahr 2020, müßten «schneller, tödlicher und präziser» werden.
Der Soldat der Zukunft soll sieben Tage, vierundzwanzig Stunden wach bleiben ohne dabei mental durchzudrehen. Er soll größeres und schwereres Waffengerät über weite Distanzen tragen können. Mittels eines hierfür konzipierten Exoskeletons, ein stählernes Gerüst an den Füßen und Beinen befestigt und durch Elektro-Motoren bewegt, wird der Soldat zum Packesel. Mit Gedankenkraft soll er unbemannte Kampfjets und fern von ihm liegende Waffensysteme bedienen, ähnlich wie die Jedi Ritter der George Lucas Filme Star Wars. Er soll keinen Schmerz mehr spüren, seine Wunden sollen sich automatisch wieder schließen und Blutungen sollen gestoppt werden. Er soll verwundet, auch mit abgerissenem Arm und Kugel im Bauch, weiterstürmen und weiter kämpfen können. Der Soldat der Zukunft muß nicht essen, er kann mit allen nötigen Elementen und Vitaminen über Verpflegungspflaster versorgt werden. Mittels Acetylcholinesterase (AChE), einem Enzym welches bei der Entwicklung des posttraumatischen Streß Syndroms eine große Rolle spielt und dessen Kontrolle die Soldaten nicht nur im Gefecht stabiler machen würde, könnte auch die anschließende psychologische Betreuung minimieren. Als Fernziel soll es möglich sein menschliche Erinnerungen in implantierbaren Mikrochips abzuspeichern, um anderen Soldaten dadurch die Kampferfahrungen und das waffentechnische Know-how durch einen Upload zu ermöglichen. Der Mensch reduziert auf simples Material, einer Schnittstelle zwischen Todbringer und Maschine. So soll der Soldat zukünftiger Kriege funktionieren. Dafür werden Millionen und Milliarden an Steuergeldern, Millionen an Brain Power Stunden unzähliger Forscher und die Qual tausender Affen, Ratten und anderer Tiere aufgewendet. Vom Leiden der Menschen, jene die als Kampfmaschinen durch die Schlachtfelder ziehen und jene die ihnen ausgeliefert sein werden, mal ganz abgesehen.
Defense Advanced Research Projects Agency, kurz DARPA, heißt die militärische Forschungseinrichtung, dessen Vorgängerorganisation 1954 als Antwort auf die Russische Sputnik Raumkapsel gegründet wurde. DARPA setzt das um, was Science-fiction Autoren für die Zukunft in Filmen wie Schwarzeneggers „Terminator“, „Matrix“ oder „Universal Soldier“ implizieren. Das Forschungskonzept der DARPA ist clever aufgebaut und verkauft sich durch den „dual use“ Aspekt, der aus solchen Forschungsanstrengungen hervorgeht, gut als Humane Investition für die zivile Welt. Was militärische Priorität hat, kann immer auch zivil angewendet werden. Für viele zivile Universitäten, zum Beispiel dem „Harrington Department of Bioengineering“ der Arizona State University, welches in Partnerschaft mit der DARPA arbeitet, kann die Forschung ein bereicherndes Unternehmen sein. Diese Schnittstelle ist ein gefährliches Schwert, denn wer ist nicht erleichtert zu wissen, daß die medizinische Wissenschaft für uns ein reparables Morgen konstruiert. Die Verlockungen, daß Blinde wieder sehen könnten, gelähmte gehen könnten und gehörlose hören könnten, sind enorm. Millionen von Menschen kann durch diese Forschungsrichtungen geholfen werden. Millionen von Menschen werden durch diese neue Kämpfergeneration zu Krüppeln. Ein Stück weitergedacht, eine Philosophische Knacknuß. Die Erfolgsmeldungen der Neurochirurgie und des Bioengineering im medizinischen Bereich, sind von dem her lediglich nur „Abfall“ Produkte der Kriegsforschung.
Gelder für Hirnimpule
Die meisten der im folgenden besprochenen DARPA Programme sind dem „Defense Science Office“ zugeteilt. Im Rahmen des $ 19 Millionen teuren Brain Machine Interface Programm werden erfolgreich Experimente mit Affen angestellt, deren Gehirnimpulse über ein Kopfsensorennetz aufgenommen und von einem Computer in Steuerbefehle übersetzt werden. Mit denen lassen sich Roboterarme oder Cursor auf einem Monitor bewegen. Ziel hiervon ist es, das Gehirn des Soldaten mit einer Maschine zu verbinden, damit ein technischer Sensor seinen Informationsstrom direkt in die zuständige Gehirnregion übermitteln kann. Dann soll der Soldat durch technische „Gedankenübertragung“ seine Waffe direkt auslösen können, ohne dabei seinen Finger zu krümmen.
Kampfhandlungen werden so in dem Moment geschehen, in dem der Soldat sie denkt. Dazu DARPA Forscher Eric Eisenstadt: "Stellen Sie sich eine Zeit vor, in der Soldaten allein mittels Gedanken kommunizieren, stellen sie sich eine Zeit vor, in der menschliche Gehirne ihre eigenen drahtlosen Modems besitzen - statt auf der Basis von Gedanken zu handeln, haben Kampfflugzeuge dann Gedanken, die handeln."
Drug 'n' Kill
Das $40 Million schwere Exoskeletons for Human Performance Augmentation Programm konzentriert sich dagegen auf die physische Aufrüstung der Soldaten. Eine Exoskelettpanzerung, die mit einem Interface aus Sensoren bestückt ist, ähnlich wie man es bereits aus der Virtual Reality (VR) Technik kennt, verstärkt jede Muskelbewegung des Soldaten und ermöglicht eine Traglast, die weit über die Ausrüstung hinausgeht, die Fußsoldaten zu tragen imstande sind. Die Technik befähigt den Soldaten weite Strecken durch extrem hohe Sprünge oder gar "kurze Flüge" zurückzulegen. Aber auch ein derart aufgerüsteter Soldat wird irgendwann müde und benötigt die 5 bis 10 Milligramm des Amphetamins Dexedrin, die ihm von der Truppenführung bereits heute, vorwiegend den Kampfpiloten, verstohlen gewährt wird. Die Droge wirkt wie Speed und um sich wieder zu beruhigen und zu schlafen, werden den Piloten Sedativa verabreicht. Neben körperlichen Symptomen wie erhöhter oder zu niedrigerer Blutdruck, Übelkeit, Schwitzen und Krampfanfälle, beeinflussen Amphetamine auch die Stimmung. Es kommt zu Euphorie, Depressionen oder Aggressionen.
Suchtgefährdung groß. Bereits im Vietnam Krieg hatten ganze Hundertschaften die sich mit Heroin, Kokain und Opiaten gedopt hatten mit Suchtproblemen zu kämpfen. Zu viele Soldaten trugen ihre Sucht nach Hause und blieben ihr Leben lang Junkies.
Müdigkeit wird auch in Zukunft ein Problem darstellen. Doch das Preventing Sleep Deprivation Program soll das verhindern helfen. Mit Hilfe von Programmen, die dem Soldaten einen quasi elektronisch gesteuerten oder simulierten Schlaf bescheren, kann der Soldat in Sekundenbruchteilen wieder geweckt werden und mit voller Aufmerksamkeit eine Woche lang kontinuierlich kampffähig bleiben. Zu den anderen Möglichkeiten zählen Implantate und die Manipulationen des Stoffwechsels. In den projektbeschrieben und Dokumenten der DARPA Forschungsabteilung findet man jedoch keine Anhaltspunkte darüber, inwiefern die psychische Verarbeitung während einer Schlafphase und die Traumlandschaft im allgemeinen darauf reagiert oder leidet. Auch in größter Streßsituation, die durchaus einige Tage andauern kann und der Körper und der Verstand durch natürliche Hormonausschüttung aktiv bleibt, brechen das Hirn und seine Funktionen in wenigen Tagen zusammen. Wird dieser Schutzmechanismus künstlich manipuliert, wird der Geist sehrwahrscheinlich unwiderruflich zerbrochen.
BIO INFO MICRO
Der Forschungsbereich "Persistance in Combat" kümmert sich um die schnelle Wiederherstellung verletzter Soldaten. Wer sich selbst behandeln, Blutungen stoppen, und überdurchschnittliche Schmerzen ertragen kann, ist postwendend wieder einsatzbereit und kann weiterkämpfen. Kämpfen mit Verletzungen, kämpfen wie ein Terminator…
„BIO: INFO: MICRO“ , eines der Programme unter der Leitung von Dr. Eric Eisenstadt, in welches die DARPA in den kommenden zwei Jahren noch einmal 24 Millionen Dollar investieren darf, will Mensch und Maschine zu militärischen Zwecken verbinden. Nach den ermutigenden Versuchen mit navigierbaren Ratten soll durch Mikrochips oder andere Implantate, Kriegsgerät vom Kopf aus gesteuert werden - und der einfache Soldat ebenfalls. Noch interessanter ist freilich der umgekehrte Weg, denn wenn etwas ins Gehirn hineingegeben werden kann, müsste es schließlich auch möglich sein, etwas aus dem Gehirn herauszuholen. Noch einmal Dr. Eisenstadt: „Wer weiß, wenn wir dem Gehirn heimlich zuhören können, dann können wir vielleicht auch Betrug von Ehrlichkeit und Wahrheit von Erfindung unterscheiden. Was wäre das für ein Lügendetektor!“
Bereits 1999 gelang es Forschern an der Berkeley University of California, Bildsignale aus den tiefen des Gehirns einer Katze zu holen und die von ihr gesehene Welt am Bildschirm zu übertragen . Somit kann, früher oder später, das erlebte und gesehene eines Menschen in eine digitalisierte Form gebracht werden. Damit ließe sich bewerkstelligen, daß Erlebnisse aus dem einen Hirn, oder Schulungsprogramme, vielleicht gar ganze Missionen, auf ein neues Hirn eingespiesen werden könnte. Matrix.
In bewaffneten Konflikten kämpften bisher Menschen gegen Menschen, auch wenn sie erbarmungslos, barbarisch und unvorstellbar grausam waren. Krieger waren seit jeher dazu erzogen worden möglichst willenlos zu dienen. Jetzt aber werden Soldaten keine Soldaten mehr sein. Sie sind, wie die Militärs sagen, „Waffensysteme“. In den Kriegen der Zukunft werden mittelfristig Kampfmaschinen gegen Menschen kämpfen. Das erinnert wieder an einen Film: „Star Wars“ von George Lucas.
Dieser Artikel erschien erstmalig im Factum Magazin
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sfux - 18. Nov, 13:22 Article 5563x read