Bukowski. Der Schriftsteller am Ende der Docks.
Das war's! Marina Luise Bukowski wollte nicht, Michael Montfort konnte nicht. So sah es einige Tage vor Redaktionsschluss aus und ich war nicht glücklich. Zu gerne hätte ich Stimmen gehört, die Henry Charles Bukowski näher gestanden sind und ein subtileres Verhältnis mit dem Autor gepflegt haben. Menschen, die Dinge erzählen konnten, die man von Bukowski eben nicht erwartet. Der amerikanische Poet und Schriftsteller, Sohn deutscher Einwanderer, schrieb eine eindrückliche Menge an Gedichten, Kurzgeschichten und Romane. Seine Arbeit war, seit seinem ersten Gedichtband "Flower, Fist and Bestial Wail" aus dem Jahre 1960, ein Gräuel für die Wächter des literarischen Elfenbeinturms und der Aufwärtsstrebenden Konsumgesellschaft: Bukowski das Scheusal, der "dirty old man", der Alkoholiker, Autor und Antiheld amerikanischer moderner Literatur... das prügelnde, Frauenverachtende und auf das Leben fluchende Monster schlechthin. Schlagende Worte die, wenn man Bukowski gelesen hat, auch schnell so assoziiert werden können. In einem kurzen Moment des Augenschließens... sind wir ehrlich, da werden alle zu einem kleinen, wenn vielleicht auch nur träumenden Bukowski. Irgendwie, irgendwann. Und das ist sehrwahrscheinlich auch schon das ganze Geheimnis um den Erfolg des "dirty old man". Er schrieb, was Menschen lieber verdrängen.
Am Ende der Docks
Die einzige Tochter von Bukowski, Marina Luise Bukowski, lebt heute als Computer Programmiererin, Ehefrau und Mutter in San Rafael, Kalifornien. Auf die Frage, ob sie Lust hätte über ihren Vater ein paar Zeilen für Ensuite zu schreiben, hat sie dankend und schmunzelnd abgelehnt. "I am to busy running around" meinte sie. Über ihren Vater sagt sie: "Nein, ich habe ihn nie betrunken gesehen, er ist nicht anders als andere Väter. Wenn wir gestritten haben, dann über Jazz. Ich liebte Jazz, er hasste ihn. Mein Vater war, auch wenn man ihn anhand seiner Arbeit anders interpretiert, ein großartiger, liebenswerter Mann und ein guter Vater." Offensichtlich liebte Marina ihren Vater. Großgezogen wurde Marina allerdings von ihrer Mutter, der Poetin Frances Dean Smith. 25jährig, ehelichte Marina ihren langjährigen Freund Jeffrey Stone. An derer Hochzeit blies ein greiser Musiker Debussy, Papa Hank kam in nagelneuen Schuhen, feinem Zwirn und blütenweißem Hemd und stand strahlend da. Nüchtern.
7 Stunden Abgrund?
Bukowskis Lieblingsfotograf Michael Montfort, mit dem sich eine 20jährige Freundschaft verband liegt, nachdem ich ihn endlich lokalisiert hatte, wegen eines schweren Schlaganfalls in einer Prager Klinik. Er kann nicht, sehr wahrscheinlich nie mehr, erzählen wie Hank wirklich war. Er war mit Bukowski unterwegs, hat ihn in seinen Höhen und Tiefen erlebt, flog mit ihm nach Deutschland und stand mit ihm an den Pferderennbahnen. Tausende von Fotos sind das Resultat. Am Tag vor Charles Bukowskis letztem Geburtstag führte Montfort's Kollege, der Journalist Gundolf S. Freyermuth, mit Bukowski ein siebenstündiges Gespräch.
Über dessen ungewöhnliche Karriere die ihn aus dem Pennerleben unter die Hollywoodstars führte, über das Handwerk des Schreibens, über Schriftstellerkollegen wie William S. Burroughs und Norman Mailer, über Ruhm und Geld und natürlich über den Tod... Es sollte das letzte Interview des "dirty old man" werden. Michael Montfort nahm während dieses siebenstündigen Marathon Gespräches die letzten Bilder des Schriftstellers auf. Montfort zeigt einfühlsame Fotos. Bilder eines Mannes, der die Abgründe seines Selbst und die Abgründe verschiedener Milieus lebt und gelebt hat. Beide waren Boxkampf Fans. War ein Kampf, beide sind sie hin gerannt. War ein Pferderennen, beide waren sie da und haben gewettet, manchmal horrende Beträge. Beide haben getrunken... Jungs eben.
Leben zuvorderst an der Front!
Unbedingt: Bukowskis literarische Werke sind aggressiv, grausam und obszön, aber gleichzeitig auch außerordentlich witzig, ehrlich und zärtlich. Geschichten vom Suff und von der Lust. Protokolle der alltäglichen Hölle, Hinterhofballaden, Liebesversuche in einer grausamen Welt, in Absteigen, Bars, Hurenhäusern und Schlachthöfen. Und das ist es; Leben zuvorderst, Leben an der Front. Da, wo die Kanten noch rau sind, ungeschliffen vom ranzigen Fett der Gesellschaft. Bukowskis Erzählungen sind nicht die Seifenopern in diffusen rosa Nuancen unter dem peinlichen Abgang jeglicher Realität. Bukowski erzählt aus der Welt des wirklichen Lebens vieler Leute die am ende der Docks, am filigranen Abgrund zwischen Wahn und Witz stehen. Ohnmacht, Wut, Depression, Verlorenheit, Gier und Leidenschaft in all ihrer Wucht.
Bukowski ein Scheusal? Nein. Vielleicht nur ein Mann, der einer Welt angehört hat die den meisten fremd ist. Die Welt der Zigarren, der Drinks, des Schweißes, des Spiels, der Explosivität, des Instinktes... eines Raubtieres gleich hin und her tigernd. In der Tat eine raue Welt, aber auch eine sinnliche Welt. Eine Welt, die menschlicher und gegensätzlicher wohl nicht sein kann. Ganz klar: der Schriftsteller berührt und bewegt und das reichlich tief. Tief geschaut hat er auch als Trinker.
Als überaus menschenscheue Person, waren ihm Lesungen ein Gräuel. Bei Lesungen trank er unbegreiflich viel, betrunken haben ihn seine Zuhörer gesehen, vom trinken hat er geschrieben und als Trinker kannte man ihn. Am letzten Tag im Spital, als Bukowski wusste, dass er sterben würde, kam der Diensthabende Arzt, hockte sich auf dessen Bett und stellte seinen Pager aus. Er vergaß darüber die Nacht. Sie diskutierten über Poesie.
Henry Charles Bukowski, starb vor zehn Jahren in der Nacht auf den 4. März 1994 in Los Angeles an Blutkrebs.
Am Ende der Docks
Die einzige Tochter von Bukowski, Marina Luise Bukowski, lebt heute als Computer Programmiererin, Ehefrau und Mutter in San Rafael, Kalifornien. Auf die Frage, ob sie Lust hätte über ihren Vater ein paar Zeilen für Ensuite zu schreiben, hat sie dankend und schmunzelnd abgelehnt. "I am to busy running around" meinte sie. Über ihren Vater sagt sie: "Nein, ich habe ihn nie betrunken gesehen, er ist nicht anders als andere Väter. Wenn wir gestritten haben, dann über Jazz. Ich liebte Jazz, er hasste ihn. Mein Vater war, auch wenn man ihn anhand seiner Arbeit anders interpretiert, ein großartiger, liebenswerter Mann und ein guter Vater." Offensichtlich liebte Marina ihren Vater. Großgezogen wurde Marina allerdings von ihrer Mutter, der Poetin Frances Dean Smith. 25jährig, ehelichte Marina ihren langjährigen Freund Jeffrey Stone. An derer Hochzeit blies ein greiser Musiker Debussy, Papa Hank kam in nagelneuen Schuhen, feinem Zwirn und blütenweißem Hemd und stand strahlend da. Nüchtern.
7 Stunden Abgrund?
Bukowskis Lieblingsfotograf Michael Montfort, mit dem sich eine 20jährige Freundschaft verband liegt, nachdem ich ihn endlich lokalisiert hatte, wegen eines schweren Schlaganfalls in einer Prager Klinik. Er kann nicht, sehr wahrscheinlich nie mehr, erzählen wie Hank wirklich war. Er war mit Bukowski unterwegs, hat ihn in seinen Höhen und Tiefen erlebt, flog mit ihm nach Deutschland und stand mit ihm an den Pferderennbahnen. Tausende von Fotos sind das Resultat. Am Tag vor Charles Bukowskis letztem Geburtstag führte Montfort's Kollege, der Journalist Gundolf S. Freyermuth, mit Bukowski ein siebenstündiges Gespräch.
Über dessen ungewöhnliche Karriere die ihn aus dem Pennerleben unter die Hollywoodstars führte, über das Handwerk des Schreibens, über Schriftstellerkollegen wie William S. Burroughs und Norman Mailer, über Ruhm und Geld und natürlich über den Tod... Es sollte das letzte Interview des "dirty old man" werden. Michael Montfort nahm während dieses siebenstündigen Marathon Gespräches die letzten Bilder des Schriftstellers auf. Montfort zeigt einfühlsame Fotos. Bilder eines Mannes, der die Abgründe seines Selbst und die Abgründe verschiedener Milieus lebt und gelebt hat. Beide waren Boxkampf Fans. War ein Kampf, beide sind sie hin gerannt. War ein Pferderennen, beide waren sie da und haben gewettet, manchmal horrende Beträge. Beide haben getrunken... Jungs eben.
Leben zuvorderst an der Front!
Unbedingt: Bukowskis literarische Werke sind aggressiv, grausam und obszön, aber gleichzeitig auch außerordentlich witzig, ehrlich und zärtlich. Geschichten vom Suff und von der Lust. Protokolle der alltäglichen Hölle, Hinterhofballaden, Liebesversuche in einer grausamen Welt, in Absteigen, Bars, Hurenhäusern und Schlachthöfen. Und das ist es; Leben zuvorderst, Leben an der Front. Da, wo die Kanten noch rau sind, ungeschliffen vom ranzigen Fett der Gesellschaft. Bukowskis Erzählungen sind nicht die Seifenopern in diffusen rosa Nuancen unter dem peinlichen Abgang jeglicher Realität. Bukowski erzählt aus der Welt des wirklichen Lebens vieler Leute die am ende der Docks, am filigranen Abgrund zwischen Wahn und Witz stehen. Ohnmacht, Wut, Depression, Verlorenheit, Gier und Leidenschaft in all ihrer Wucht.
Bukowski ein Scheusal? Nein. Vielleicht nur ein Mann, der einer Welt angehört hat die den meisten fremd ist. Die Welt der Zigarren, der Drinks, des Schweißes, des Spiels, der Explosivität, des Instinktes... eines Raubtieres gleich hin und her tigernd. In der Tat eine raue Welt, aber auch eine sinnliche Welt. Eine Welt, die menschlicher und gegensätzlicher wohl nicht sein kann. Ganz klar: der Schriftsteller berührt und bewegt und das reichlich tief. Tief geschaut hat er auch als Trinker.
Als überaus menschenscheue Person, waren ihm Lesungen ein Gräuel. Bei Lesungen trank er unbegreiflich viel, betrunken haben ihn seine Zuhörer gesehen, vom trinken hat er geschrieben und als Trinker kannte man ihn. Am letzten Tag im Spital, als Bukowski wusste, dass er sterben würde, kam der Diensthabende Arzt, hockte sich auf dessen Bett und stellte seinen Pager aus. Er vergaß darüber die Nacht. Sie diskutierten über Poesie.
Henry Charles Bukowski, starb vor zehn Jahren in der Nacht auf den 4. März 1994 in Los Angeles an Blutkrebs.
sfux - 19. Nov, 14:27 Article 7906x read