Schweigen um die Morde an vier Deutschen in Djibouti
Dr. Alexander von Paleske- -- 3.9. 2007 --- Nachfolgender Artikel, der sich mit der Tragödie der Ermordung von vier deutschen Nachwuchswissenschaftlern in Djibuti und in der Folge dem skandalösen Verhalten des deutschen Auswärtigen Amtes beschäftigt, hat meinerseits eine Vorgeschichte.
Vor einer Woche gab ich den Namen Gerd Reinschmidt in eine Suchmaschine ein. Mich interessierte, was aus einem Mann geworden war, den ich erstmalig in der Zeit meiner kurzen SPD Mitgliedschaft im Frankfurter SPD Ortsverein Ostend 1968 kennen lernte, und dem ich 1979 in Frankfurt noch einmal in einem Bader-Meinhof Nachfolgeverfahren, dem so genannten „DPA- Prozess“ begegnet bin, in welchem er, Dr. Reinschmidt, der Bericht erstattende Richter am Oberlandesgericht war und ich als Rechtsanwalt einen der Angeklagten verteidigte. Es handelte sich also um einen politischen Prozess und entsprechend aufgeladen war damals die Atmosphäre. Es war gleichzeitig mein letzter Auftritt vor Gericht, denn einen Monat später trat ich meine erste Stelle als Assistenzarzt im Krankenhaus in Limburg/L. an.
Die Opfer von Djibouti: Annette Barthelt, Hans-Wilhelm Halbeisen, Marco Buchalla & Daniel Reinschmidt
Dr. Gerd Reinschmidt war SPD Mitglied aus Überzeugung. Nicht etwa weil er hoffte, mit seiner Mitgliedschaft Karriere machen zu können. Er ist auch heute noch - neben ehrenamtlichen Tätigkeiten - überzeugtes Mitglied, lange nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst und aktiv an der Basis tätig. Trotz allem.
Lange Jahre war Reinschmidt neben seiner beruflichen Tätigkeit am Oberlandesgericht auch Stadtverordneter in Frankfurt. Ein Citoyen im besten Sinne des Wortes, der als Kind noch die Nazi Zeit miterlebt hatte und der selbstverständlich davon ausging, dass seiner Tätigkeit für den Staat ein Einstehen des Staates für seine Bürger korrespondierte. Doch sollte sich das in seinem Fall als großer Irrtum und schwere Enttäuschung herausstellen Denn statt Einstehen lernte er Feigheit und Nichteinstehen, Vertuschen und Abwimmeln kennen.
Das Attentat von Djibouti
Am 18 März 1987 deponiert der Tunesier Adouani Hamoud Ben Hassan eine 20 Kilo Sprengstoffbombe im dem Restaurant Historil in Djibouti am Horn von Afrika, der Hauptstadt des gleichnamigen Staates, der eingeklemmt zwischen Athiopien auf der einen Seite und Somalia auf der anderen Seite liegt. Die Franzosen unterhalten hier eine Basis, strategisch positioniert, seit der Unabhängigkeit. Das Restaurant Historil wird wegen seiner guten französischen Küche gerne von den dortigen Franzosen und Soldaten in Zivil frequentiert.
Hier in Djibouti, am Eingang zum Roten Meer ist auch die französische Fremdenlegion untergebracht, gegenüber liegt Aden, dort hat die Sowjetunion einen Stützpunkt.
Rechts, das Hotel l'Historil: gute Küche und französische Soldaten. Um 19.25 Ortszeit zündet Adouani die Bombe. Eine gewaltige Explosion reißt 13 Menschen in den Tod, 41 werden zum Teil schwer verletzt.
Es sind die Zeiten des Ost-West Konflikts, aber nicht nur, denn es gibt einen weiteren schweren Konflikt in dieser Zeit. Libyens Herrscher, Oberst Gaddafi, war in den 80er Jahren mit seinen Truppen in den Tschad einmarschiert, wie Djibouti eine ehemalige französische Kolonie, Auch hier unterhalten im ehemaligen Fort Lamy, der heutigen Hauptstadt Ndjamena, die Franzosen eine Basis der Fremdenlegion. Frankreich hatte mit diesen Soldaten den Truppen Libyens empfindliche Verluste beigebracht und sie - von einem kleinen Streifen umstrittenen Gebietes abgesehen - aus dem Tschad herausgeworfen. Es war Gaddafis Traum, zum Herrscher des Nordens Afrikas, des Sudans und Tschads zu werden. Überall holt er sich blutige Nasen, im Tschad von einer ehemaligen Kolonialmacht, was besonders schmerzte.
Zudem unterstützt Gaddafi die Palästinenser finanziell und logistisch. Eine dieser von Gadaffi unterstützten Gruppen ist die „Front für die Befreiung Palästinas“, der auch der Palästinenser Adouani angehört. Das schafft Dankbarkeit und Abhängigkeiten.
Auch gibt es politische Bestrebungen, die Staaten der Sahelzone wirtschaftlich zu einigen, nicht unter dem Banner Libyens, sondern des Westens. Das muss Gaddaffi geradezu herausfordern.
Vom 16. bis 18. März 1987 tagt eine Geberkonferenz in Djibouti, die IGADD (International Authority on Drought and Development), Vertreter der Weltbank sind dabei aber auch Geberländer, die damit ihren Einfluss in der Sahelzone sichern wollen. Denn dort gibt es nicht nur Dürre und Trockenheit, sondern auch viel Öl.
Gaddafi hatte anlässlich des Attentats auf die Diskothek „La Belle“ 1986 in Berlin bewiesen, dass er selbst außerhalb Afrikas kräftig zuschlagen kann. Ein Attentat, bei dem zwei amerikanische Soldaten und eine türkische Frau getötet und 229 Menschen verletzt werden und und das wenig später durch einen massiven Luftangriff der USA auf Libyen beantwortet wird. Dabei wurden 34 unbeteiligte libysche Zivilisten getötet.
Alarmstufe eins in Djibouti für die Zeit der Konferenz vom 16-18 März 1987 würde man nun annehmen und das Auswärtige Amt würde alle Deutschen dort warnen – sollte man annehmen!
Zwar gibt es zu der Zeit noch kein Satellitentelefon und keine Handys, aber das staatliche deutsche Forschungsschiff Meteor ankert genau zu diesem Zeitpunkt im Hafen von Djibouti und das kann man leicht per Sprechfunk, Tastfunk oder Funkfernschreibdienst über die Seefunkstelle Norddeich Radio erreichen. Wohlgemerkt– man könnte.
Völlig ahnungslos kommen eine Reihe deutscher Forscher und Nachwuchswissenschaftler mit dem Forschungsschiff und per Flugzeug nach Djibouti.. Während der See-Fahrt nach Asien wollen sie eine Reihe von Untersuchungen vornehmen. Ahnungslos und nicht von den Vorgängen informiert will die Besatzung des Forschungsschiffes im Restaurant Historil gut zu Abend essen. Und da auch der Kapitän der Meteor keine Warnungen aus Deutschland bekommt, sieht alles nach einem schönen, harmonischen Abend aus, doch die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Um 19.25 Ortszeit zündet Adouani die Bombe. Eine gewaltige Explosion reißt 13 Menschen in den Tod, 41 werden zum Teil schwer verletzt.
Unschuldige Opfer eines Terror-Anschlags
Unter den Getöteten sind der Biologiestudent Daniel Reinschmidt, 27 Jahre, seine Freundin, die Biologiestudentin Annette Barthelt und der Biologiestudent Marco Buchalla.
Der Biologe Hans-Wilhelm „Harvey“ Halbeisen erliegt eine Woche später in der Universitätsklinik Bonn seinen schweren Verletzungen.Vier junge Forscher der Universität Kiel, Dr. Klaus von Bröckel, Ilka Peeken, Dr. Uwe Piatkowski und Annegret Stuhr überleben schwer verletzt mit Verbrennungen, beschädigten Trommelfellen und Amputationen. Sie werden in das französische Militärkrankenhaus in Djibouti eingeliefert und zwei Tage später mit einer Bundeswehrmaschine zusammen mit den Verstorbenen ausgeflogen. Adouani wird am 19.3. 1987 gefasst und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Wie sich herausstellt, handelte Adouani nicht allein. Mit ihm zusammen kamen Mohsein Saeed Saleh und Essa Bazad Azzad, Yemeniten. Alle mit Diplomatenpässen versehen, deren Gepäck, in dem sich der Sprengstoff befindet, deshalb nicht kontrolliert wird. Alle sind Mitglieder der Palästinensergruppe, der auch Adouani angehört. Angeleitet wird die gesamte Truppe von dem Libyer Taher Chaabane. Adouani wird mit libyschen Traveller Schecks bezahlt und Azzat versucht nach dem Attentat, dem Libyer Chabaane Bericht zu erstatten. Azzad und Saleh können entkommen. In einem Fernschreiben teilt der Bundesnachrichtendienst am 14. Juli 1987 mit, was ohnehin offensichtlich ist: Gaddafi habe den Auftrag erteilt.
Nichtstun und Abwimmeln
Jedermann würde nun berechtigterweise erwarten, das Auswärtige Amt werde auf der Stelle und mit Nachdruck alles unternehmen, was zur Aufklärung des Falles führt. Nicht nur das, es sollten unverzüglich die überlebenden Opfer von Libyen entschädigt und Auslieferungsbegehren an Libyen bezüglich Chaabane gestellt werden. So, wie es auch im Fall des PanAm Fluges 103 geschah, der durch ein Bombenattentat 1988 über Lockerbie zum Absturz gebracht wurde.
Doch das Auswärtige Amt schlägt eine ganz andere, äußerst befremdliche Strategie ein, die sich salopp als Sankt Florians Mentalität bezeichnen lässt: „Herr verschon mein Haus, zünd andere an.“. Wir (das Auswärtige Amt) verhalten uns ruhig, also lasst auch ihr uns in Ruhe und kauft weiter unsere Produkte „Made in Germany“.
In der Folge stellt sich nämlich heraus, dass der Anschlag den Franzosen gegolten hat. Die Deutschen sind also „lediglich“ ein Kollateralschaden und nun wird unter dem damaligen Außenminister Genscher die Strategie einer drittklassigen, politischen Beerdigung gefahren. Man wollte sich wohl nicht mit Libyen anlegen.
In der Konsequenz bedeutet dies für die noch lebenden Opfer, dass sie lapidar mit Stellengarantien an der Kieler Universität abgefunden werden, die anderen haben einfach „Pech gehabt“ und eine Hülle des Schweigens wird über die Tragödie gelegt. Diese Strategie wird eisern auch von allen Nachfolgern Genschers, durchgehalten - bis zum heutigen Tage. Es gibt scheinbar Wichtigeres als eine lückenlose Aufklärung des Todes von „diesen Studenten“ zu betreiben, denn dies könnte erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Zwei Väter und eine Odyssee
Annette Barthelts Vater, Rainer Barthelt, der als Ostafrika- Experte für das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit tätig ist, und Gerd Reinschmidt, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt (M) und Stadtverordneter, wissen zunächst nichts von dieser Strategie. Beide versuchen über alle möglichen Kanäle Aufklärung zu erreichen – vergebens! Gerd Reinschmidt, nutzt seine Kontakte in der SPD. Doch auch über MdB Volker Hauff, der beim Auswärtigen Amt nachbohrt, kann er nichts erreichen, ebenso bleiben seine Bemühungen bei Genscher und beim späteren Genscher-Nachfolger Kinkel völlig erfolglos. Reinschmidt glaubt dann, mit dem Außenminister Fischer und der Rot-Grünen Regierung Bewegung in die Aufklärung komme. Doch erneut Fehlanzeige: Im Auftrag Fischers wird Reinschmidt gleich zweimal bei Nachfragen von Beamten des AA abgewimmelt, zuletzt im Jahre 2004.
Sowohl Barthelt als auch Reinschmidt geht es keinesfalls um Geld, sondern um Gerechtigkeit. Etwas, das bei den Attentätern auf die PanAm 103 ja auch erreicht wurde. Die Attentäter wurden vor Gericht gebracht und die Angehörigen der Opfer entschädigt und zwar alle.
Das Auswärtige Amt unternimmt nichts Durchgreifendes sondern verschanzt sich hinter dem Strafurteil gegen Adouani Dies habe angeblich „keine völlige Klarheit erbracht, wer der Auftraggeber letztlich tatsächlich gewesen sei“. Gehandelt und entschädigt wird auch dann nicht, als Gaddafi selbst alles unternimmt, um aus der „Achse des Bösen“ herauszukommen und auch die Angehörigen der Opfer des Attentats auf das UTA Flugzeugs entschädigt, das am 19.9.1989 über Niger mit 170 Passagieren in seinem Auftrag zum Absturz gebracht wird, ebenso wie die Opfer des Anschlags auf die Diskothek „La Belle“.
Und so reist dann auch Bundeskanzler Schröder, der schon Putin einen „lupenreinen Demokraten“ genannt hat, im Oktober 2004 zu Gaddafi. Ganz ohne lästiges Gepäck wie etwa ein lückenloses Aufklärungsbegehren der brutalen Morde an den vier deutschen Nachwuchswissenschaftlern.
2004: Viel Gelächter im Wüstenzelt: Gaddafi sen. und Gerhard Schröder
Nun, das liegt es ja auch schon lange zurück, und in freudiger Erwartung von Milliardenaufträgen für die deutsche Wirtschaft verblassen Prioritäten anderer Natur eben.
Ein konsequenzloses Strafverfahren
Was bleibt, ist ein Strafverfahren wegen Mordes bei der Staatsanwaltschaft Bonn, denn der Biologe Halbeisen ist in Bonn verstorben, Az 90 Js 259/87. Der damals ermittelnde Staatsanwalt Jan van Rossum äußerte, wie Uwe Goerlitz in seinem Artikel in GeoWis Forschungsreise in den Tod schreibt "die Sache sei politisch brisant gewesen“.
Wohl wahr! Zwar erwirkte der Staatsanwalt beim Amtsgericht noch Haftbefehle, doch dass die mutmaßlichen Täter ausreisen, ist eher unwahrscheinlich. So bleibt zwar die Akte geöffnet, da Mord in Deutschland nicht verjährt, eine positive Folge aus der Debatte um die Verjährung von Nazi-Verbrechen, doch Konsequenzen gibt es nicht. Denn die Staatsanwaltschaft ist bei ihren weiteren Ermittlungen wiederum von einer Aktivität des Auswärtigen Amtes abhängig, womit sich der Teufelskreis endgültig schließt. .
Eine Stiftung gegen das Vergessen
Alles, was nun noch bleibt, ist ein Kampf gegen das Vergessen. Im Jahre 1988 gründete Annette Barthelts Vater eine Stiftung, die Annette Barthelt Stiftung, die Preise für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Meeresforschung vergibt, sowie Gelder zur Erforschung von Ursachen des Terrorismus zur Verfügung stellt. Es wäre sicher eine gewisse Genugtuung und im Sinne der Verstorbenen gewesen, wenn Gaddafi vor seinem Wiedereintritt in die Zivilisation, neben der Entschädigung der überlebenden Opfer, zumindest hätte kräftig in diese Stiftung einzahlen müssen. Es wäre........wenn....
Nachtrag:
Wie die Angehörigen der Opfer an der Nase herumgeführt wurden, und die Weisungsbefugnis staatlicher Stellen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden missbraucht wurde, siehe auch den folgenden Bericht aus dem Jahre 1989:
"Kuschen vor Gaddafi"
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13493748.html
Annette Barthelt Stiftung
Vor einer Woche gab ich den Namen Gerd Reinschmidt in eine Suchmaschine ein. Mich interessierte, was aus einem Mann geworden war, den ich erstmalig in der Zeit meiner kurzen SPD Mitgliedschaft im Frankfurter SPD Ortsverein Ostend 1968 kennen lernte, und dem ich 1979 in Frankfurt noch einmal in einem Bader-Meinhof Nachfolgeverfahren, dem so genannten „DPA- Prozess“ begegnet bin, in welchem er, Dr. Reinschmidt, der Bericht erstattende Richter am Oberlandesgericht war und ich als Rechtsanwalt einen der Angeklagten verteidigte. Es handelte sich also um einen politischen Prozess und entsprechend aufgeladen war damals die Atmosphäre. Es war gleichzeitig mein letzter Auftritt vor Gericht, denn einen Monat später trat ich meine erste Stelle als Assistenzarzt im Krankenhaus in Limburg/L. an.
Die Opfer von Djibouti: Annette Barthelt, Hans-Wilhelm Halbeisen, Marco Buchalla & Daniel Reinschmidt
Dr. Gerd Reinschmidt war SPD Mitglied aus Überzeugung. Nicht etwa weil er hoffte, mit seiner Mitgliedschaft Karriere machen zu können. Er ist auch heute noch - neben ehrenamtlichen Tätigkeiten - überzeugtes Mitglied, lange nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst und aktiv an der Basis tätig. Trotz allem.
Lange Jahre war Reinschmidt neben seiner beruflichen Tätigkeit am Oberlandesgericht auch Stadtverordneter in Frankfurt. Ein Citoyen im besten Sinne des Wortes, der als Kind noch die Nazi Zeit miterlebt hatte und der selbstverständlich davon ausging, dass seiner Tätigkeit für den Staat ein Einstehen des Staates für seine Bürger korrespondierte. Doch sollte sich das in seinem Fall als großer Irrtum und schwere Enttäuschung herausstellen Denn statt Einstehen lernte er Feigheit und Nichteinstehen, Vertuschen und Abwimmeln kennen.
Das Attentat von Djibouti
Am 18 März 1987 deponiert der Tunesier Adouani Hamoud Ben Hassan eine 20 Kilo Sprengstoffbombe im dem Restaurant Historil in Djibouti am Horn von Afrika, der Hauptstadt des gleichnamigen Staates, der eingeklemmt zwischen Athiopien auf der einen Seite und Somalia auf der anderen Seite liegt. Die Franzosen unterhalten hier eine Basis, strategisch positioniert, seit der Unabhängigkeit. Das Restaurant Historil wird wegen seiner guten französischen Küche gerne von den dortigen Franzosen und Soldaten in Zivil frequentiert.
Hier in Djibouti, am Eingang zum Roten Meer ist auch die französische Fremdenlegion untergebracht, gegenüber liegt Aden, dort hat die Sowjetunion einen Stützpunkt.
Rechts, das Hotel l'Historil: gute Küche und französische Soldaten. Um 19.25 Ortszeit zündet Adouani die Bombe. Eine gewaltige Explosion reißt 13 Menschen in den Tod, 41 werden zum Teil schwer verletzt.
Es sind die Zeiten des Ost-West Konflikts, aber nicht nur, denn es gibt einen weiteren schweren Konflikt in dieser Zeit. Libyens Herrscher, Oberst Gaddafi, war in den 80er Jahren mit seinen Truppen in den Tschad einmarschiert, wie Djibouti eine ehemalige französische Kolonie, Auch hier unterhalten im ehemaligen Fort Lamy, der heutigen Hauptstadt Ndjamena, die Franzosen eine Basis der Fremdenlegion. Frankreich hatte mit diesen Soldaten den Truppen Libyens empfindliche Verluste beigebracht und sie - von einem kleinen Streifen umstrittenen Gebietes abgesehen - aus dem Tschad herausgeworfen. Es war Gaddafis Traum, zum Herrscher des Nordens Afrikas, des Sudans und Tschads zu werden. Überall holt er sich blutige Nasen, im Tschad von einer ehemaligen Kolonialmacht, was besonders schmerzte.
Zudem unterstützt Gaddafi die Palästinenser finanziell und logistisch. Eine dieser von Gadaffi unterstützten Gruppen ist die „Front für die Befreiung Palästinas“, der auch der Palästinenser Adouani angehört. Das schafft Dankbarkeit und Abhängigkeiten.
Auch gibt es politische Bestrebungen, die Staaten der Sahelzone wirtschaftlich zu einigen, nicht unter dem Banner Libyens, sondern des Westens. Das muss Gaddaffi geradezu herausfordern.
Vom 16. bis 18. März 1987 tagt eine Geberkonferenz in Djibouti, die IGADD (International Authority on Drought and Development), Vertreter der Weltbank sind dabei aber auch Geberländer, die damit ihren Einfluss in der Sahelzone sichern wollen. Denn dort gibt es nicht nur Dürre und Trockenheit, sondern auch viel Öl.
Gaddafi hatte anlässlich des Attentats auf die Diskothek „La Belle“ 1986 in Berlin bewiesen, dass er selbst außerhalb Afrikas kräftig zuschlagen kann. Ein Attentat, bei dem zwei amerikanische Soldaten und eine türkische Frau getötet und 229 Menschen verletzt werden und und das wenig später durch einen massiven Luftangriff der USA auf Libyen beantwortet wird. Dabei wurden 34 unbeteiligte libysche Zivilisten getötet.
Alarmstufe eins in Djibouti für die Zeit der Konferenz vom 16-18 März 1987 würde man nun annehmen und das Auswärtige Amt würde alle Deutschen dort warnen – sollte man annehmen!
Zwar gibt es zu der Zeit noch kein Satellitentelefon und keine Handys, aber das staatliche deutsche Forschungsschiff Meteor ankert genau zu diesem Zeitpunkt im Hafen von Djibouti und das kann man leicht per Sprechfunk, Tastfunk oder Funkfernschreibdienst über die Seefunkstelle Norddeich Radio erreichen. Wohlgemerkt– man könnte.
Völlig ahnungslos kommen eine Reihe deutscher Forscher und Nachwuchswissenschaftler mit dem Forschungsschiff und per Flugzeug nach Djibouti.. Während der See-Fahrt nach Asien wollen sie eine Reihe von Untersuchungen vornehmen. Ahnungslos und nicht von den Vorgängen informiert will die Besatzung des Forschungsschiffes im Restaurant Historil gut zu Abend essen. Und da auch der Kapitän der Meteor keine Warnungen aus Deutschland bekommt, sieht alles nach einem schönen, harmonischen Abend aus, doch die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Um 19.25 Ortszeit zündet Adouani die Bombe. Eine gewaltige Explosion reißt 13 Menschen in den Tod, 41 werden zum Teil schwer verletzt.
Unschuldige Opfer eines Terror-Anschlags
Unter den Getöteten sind der Biologiestudent Daniel Reinschmidt, 27 Jahre, seine Freundin, die Biologiestudentin Annette Barthelt und der Biologiestudent Marco Buchalla.
Der Biologe Hans-Wilhelm „Harvey“ Halbeisen erliegt eine Woche später in der Universitätsklinik Bonn seinen schweren Verletzungen.Vier junge Forscher der Universität Kiel, Dr. Klaus von Bröckel, Ilka Peeken, Dr. Uwe Piatkowski und Annegret Stuhr überleben schwer verletzt mit Verbrennungen, beschädigten Trommelfellen und Amputationen. Sie werden in das französische Militärkrankenhaus in Djibouti eingeliefert und zwei Tage später mit einer Bundeswehrmaschine zusammen mit den Verstorbenen ausgeflogen. Adouani wird am 19.3. 1987 gefasst und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Wie sich herausstellt, handelte Adouani nicht allein. Mit ihm zusammen kamen Mohsein Saeed Saleh und Essa Bazad Azzad, Yemeniten. Alle mit Diplomatenpässen versehen, deren Gepäck, in dem sich der Sprengstoff befindet, deshalb nicht kontrolliert wird. Alle sind Mitglieder der Palästinensergruppe, der auch Adouani angehört. Angeleitet wird die gesamte Truppe von dem Libyer Taher Chaabane. Adouani wird mit libyschen Traveller Schecks bezahlt und Azzat versucht nach dem Attentat, dem Libyer Chabaane Bericht zu erstatten. Azzad und Saleh können entkommen. In einem Fernschreiben teilt der Bundesnachrichtendienst am 14. Juli 1987 mit, was ohnehin offensichtlich ist: Gaddafi habe den Auftrag erteilt.
Nichtstun und Abwimmeln
Jedermann würde nun berechtigterweise erwarten, das Auswärtige Amt werde auf der Stelle und mit Nachdruck alles unternehmen, was zur Aufklärung des Falles führt. Nicht nur das, es sollten unverzüglich die überlebenden Opfer von Libyen entschädigt und Auslieferungsbegehren an Libyen bezüglich Chaabane gestellt werden. So, wie es auch im Fall des PanAm Fluges 103 geschah, der durch ein Bombenattentat 1988 über Lockerbie zum Absturz gebracht wurde.
Doch das Auswärtige Amt schlägt eine ganz andere, äußerst befremdliche Strategie ein, die sich salopp als Sankt Florians Mentalität bezeichnen lässt: „Herr verschon mein Haus, zünd andere an.“. Wir (das Auswärtige Amt) verhalten uns ruhig, also lasst auch ihr uns in Ruhe und kauft weiter unsere Produkte „Made in Germany“.
In der Folge stellt sich nämlich heraus, dass der Anschlag den Franzosen gegolten hat. Die Deutschen sind also „lediglich“ ein Kollateralschaden und nun wird unter dem damaligen Außenminister Genscher die Strategie einer drittklassigen, politischen Beerdigung gefahren. Man wollte sich wohl nicht mit Libyen anlegen.
In der Konsequenz bedeutet dies für die noch lebenden Opfer, dass sie lapidar mit Stellengarantien an der Kieler Universität abgefunden werden, die anderen haben einfach „Pech gehabt“ und eine Hülle des Schweigens wird über die Tragödie gelegt. Diese Strategie wird eisern auch von allen Nachfolgern Genschers, durchgehalten - bis zum heutigen Tage. Es gibt scheinbar Wichtigeres als eine lückenlose Aufklärung des Todes von „diesen Studenten“ zu betreiben, denn dies könnte erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Zwei Väter und eine Odyssee
Annette Barthelts Vater, Rainer Barthelt, der als Ostafrika- Experte für das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit tätig ist, und Gerd Reinschmidt, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt (M) und Stadtverordneter, wissen zunächst nichts von dieser Strategie. Beide versuchen über alle möglichen Kanäle Aufklärung zu erreichen – vergebens! Gerd Reinschmidt, nutzt seine Kontakte in der SPD. Doch auch über MdB Volker Hauff, der beim Auswärtigen Amt nachbohrt, kann er nichts erreichen, ebenso bleiben seine Bemühungen bei Genscher und beim späteren Genscher-Nachfolger Kinkel völlig erfolglos. Reinschmidt glaubt dann, mit dem Außenminister Fischer und der Rot-Grünen Regierung Bewegung in die Aufklärung komme. Doch erneut Fehlanzeige: Im Auftrag Fischers wird Reinschmidt gleich zweimal bei Nachfragen von Beamten des AA abgewimmelt, zuletzt im Jahre 2004.
Sowohl Barthelt als auch Reinschmidt geht es keinesfalls um Geld, sondern um Gerechtigkeit. Etwas, das bei den Attentätern auf die PanAm 103 ja auch erreicht wurde. Die Attentäter wurden vor Gericht gebracht und die Angehörigen der Opfer entschädigt und zwar alle.
Das Auswärtige Amt unternimmt nichts Durchgreifendes sondern verschanzt sich hinter dem Strafurteil gegen Adouani Dies habe angeblich „keine völlige Klarheit erbracht, wer der Auftraggeber letztlich tatsächlich gewesen sei“. Gehandelt und entschädigt wird auch dann nicht, als Gaddafi selbst alles unternimmt, um aus der „Achse des Bösen“ herauszukommen und auch die Angehörigen der Opfer des Attentats auf das UTA Flugzeugs entschädigt, das am 19.9.1989 über Niger mit 170 Passagieren in seinem Auftrag zum Absturz gebracht wird, ebenso wie die Opfer des Anschlags auf die Diskothek „La Belle“.
Und so reist dann auch Bundeskanzler Schröder, der schon Putin einen „lupenreinen Demokraten“ genannt hat, im Oktober 2004 zu Gaddafi. Ganz ohne lästiges Gepäck wie etwa ein lückenloses Aufklärungsbegehren der brutalen Morde an den vier deutschen Nachwuchswissenschaftlern.
2004: Viel Gelächter im Wüstenzelt: Gaddafi sen. und Gerhard Schröder
Nun, das liegt es ja auch schon lange zurück, und in freudiger Erwartung von Milliardenaufträgen für die deutsche Wirtschaft verblassen Prioritäten anderer Natur eben.
Ein konsequenzloses Strafverfahren
Was bleibt, ist ein Strafverfahren wegen Mordes bei der Staatsanwaltschaft Bonn, denn der Biologe Halbeisen ist in Bonn verstorben, Az 90 Js 259/87. Der damals ermittelnde Staatsanwalt Jan van Rossum äußerte, wie Uwe Goerlitz in seinem Artikel in GeoWis Forschungsreise in den Tod schreibt "die Sache sei politisch brisant gewesen“.
Wohl wahr! Zwar erwirkte der Staatsanwalt beim Amtsgericht noch Haftbefehle, doch dass die mutmaßlichen Täter ausreisen, ist eher unwahrscheinlich. So bleibt zwar die Akte geöffnet, da Mord in Deutschland nicht verjährt, eine positive Folge aus der Debatte um die Verjährung von Nazi-Verbrechen, doch Konsequenzen gibt es nicht. Denn die Staatsanwaltschaft ist bei ihren weiteren Ermittlungen wiederum von einer Aktivität des Auswärtigen Amtes abhängig, womit sich der Teufelskreis endgültig schließt. .
Eine Stiftung gegen das Vergessen
Alles, was nun noch bleibt, ist ein Kampf gegen das Vergessen. Im Jahre 1988 gründete Annette Barthelts Vater eine Stiftung, die Annette Barthelt Stiftung, die Preise für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Meeresforschung vergibt, sowie Gelder zur Erforschung von Ursachen des Terrorismus zur Verfügung stellt. Es wäre sicher eine gewisse Genugtuung und im Sinne der Verstorbenen gewesen, wenn Gaddafi vor seinem Wiedereintritt in die Zivilisation, neben der Entschädigung der überlebenden Opfer, zumindest hätte kräftig in diese Stiftung einzahlen müssen. Es wäre........wenn....
Nachtrag:
Wie die Angehörigen der Opfer an der Nase herumgeführt wurden, und die Weisungsbefugnis staatlicher Stellen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden missbraucht wurde, siehe auch den folgenden Bericht aus dem Jahre 1989:
"Kuschen vor Gaddafi"
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13493748.html
Annette Barthelt Stiftung
sfux - 3. Sep, 08:00 Article 16760x read