China – die neue Supermacht – oder doch nicht?
Karl Weiss - Eine Anzahl von Meldungen aus den letzten beiden Wochen legen nahe: China ist bereits zu einer Supermacht herangewachsen und beginnt nun in den Wettbewerb mit der vorher einzigen Supermacht, den USA, zu treten.
Zuerst, noch im Oktober, ging die Meldung um die Welt: Im September hat China Deutschland bereits als Exportweltmeister ausgestochen. Zwar wird Deutschland in der Gesamtrechnung der Exporte für 2007 wahrscheinlich noch einmal die Nase vorn haben und wieder Exportweltmeister sein, aber für das kommende Jahr ist bestenfalls ein zweiter Platz drin.
Neue wirtschaftsmacht China. Bild Reuters
Dann kam die nächste: Voraussichtlich wird China im kommenden Jahr nach dem PPP-Vergleich (siehe auch diese beiden Dossiers hier und hier)
bereits das höchste Sozialprodukt auf der Welt haben und sowohl die USA alleine als auch die EU als Ganzes überholt haben.
Auch wenn China nach dem Wechselkurs-Vergleich noch deutlich hinter den USA im GNP (Gross National Product) liegt, so ist doch die Dynamik der chinesischen Wirtschaft im Moment eine Vielfache der US-Wirtschaft und das Gleichziehen erscheint so nur eine Frage der Zeit. Zudem ist der ständig fallende Wert des Dollars gegen alle anderen Währungen ein Faktor, der die Bedeutung der Wirtschaftsmacht USA beständig verringert.
Dann kamen zwei Nachrichten vom 6.11.: PetroChina, das am Vortag an die Börse ging, wurde bereits am ersten Tag zum größten Unternehmen der Welt mit einem Aktien-Gesamtwert von über 1 „Trillion“ (das ist nach deutscher Zählweise eine Billion, also 1000 Milliarden) Dollar. Am gleichen Tag auch eine andere Meldung: Es wurde ein „Rotes Telefon“, eine Direktleitung von Washington nach Peking gelegt, damit sich die Präsidenten im Zweifelsfall direkt unterhalten können.
All dies belegt: Die Zeit, als die USA alleinige Supermacht waren, sind vorbei. Wir haben wieder die Situation von zwei Supermächten und einer Anzahl von Grossmächten, wie vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, nur diesmal mit China als zweiter Macht.
Macht der Supermacht USA begrenzt
Dazu kommt, die Basis der bisher einzigen Supermacht USA ist auch in anderer Hinsicht angeschlagen. Zwar hat man noch die grösste Wirtschaft der Welt, zwar hat man noch die Weltleitwährung, zwar werden fast alle Erdölkontrakte noch in Dollar ausgefertigt, zwar ist die USA weiterhin die bei weitem stärkste Militärmacht auf der Welt und niemand kann es wagen, sich mit dieser Supermacht auf gleicher Augenhöhe militärisch anzulegen, aber der Einfluss der USA auf alle Abläufe auf der Welt, der bis zum Afghanistan- und Irak-Überfall in praktisch allen Fällen ausschlaggebend war, ist heute begrenzt, wenn auch immer noch gross.
Die Faszination, die das „strahlende Amerika“ mit seinen Filmen und seinem Pioniergeist in praktisch jedem Land ausübte, ist verblasst. Die Absurditäten der militärischen Überfälle auf arme Länder mit Folter und Massakern, nur notdürftig kaschiert unter dem Mäntelchen „Demokratie bringen“, haben Millionen und Abermillionen von kritischen Menschen überall auf der Welt zu „US-Skeptikern“ gemacht und das hat weit tiefergreifende Auswirkungen, als es die Strategen in Washington vorausgesehen hatten und wahrhaben wollen.
Bild: Reuters
Ein Beispiel war die Abstimmung über die Kuba-Sanktionen letzte Woche in der UN-Vollversammlung. Die US-Sanktionen gegen Kuba wurden mit 180 Stimmen gegen 4 bei einigen wenigen Enthaltungen verurteilt und die USA aufgefordert, sie einzustellen. Die vier Stimmen dagegen waren die der USA, Israels sowie von zwei winzigen US-Protektoraten im Pazifik, die rein formal als eigenständige Länder fungieren.
Zwar hatte diese Abstimmung keinerlei reale Bedeutung, weil die US-Regierung sich natürlich einen feuchten Kehricht um eine solche Verurteilung schert, aber sie war doch gleichzeitig ein Menetekel: USA und Israel sind isoliert auf der Welt. Soweit sie noch Anhänger haben, dann nur wegen tatsächlicher Abhängigkeiten oder wegen ideologischem Gleichklang.
„Business as usual“
Natürlich herrscht in Washington „business as usual“, aber langsam wird die Tatsache, dass man Gesellschaft bekommen hat auf der Ebene „Supermacht“, sich langsam auch ins Bewusstsein des offiziellen Washington einschleichen.
Dabei sind die beiden neuen Supermächte in einer speziellen und engen Weise miteinander verbunden, ja sogar aneinandergekettet, die einen gewaltigen Unterschied zum Zustand der zwei Supermächte USA und Sowjetunuion ausmacht, wie er bis etwa 1990 herrschte. Das ganze chinesiche Währungssystem und damit auch die ganze Wirtschaft sind nämlich basiert auf einer imensen Anhäufung von Dollars und Dollarbonds im chinesichen Staatsschatz.
Jeder Fall des Dollar schwächt auch China und China hat das allergrösstes Interesse, den Dollar so stark wie möglich bleiben zu lassen und ihn weiterhin als Weltleitwährung zu haben. Andererseits will China aber selbst Supermacht werden und das geht nur, wenn man etwas von den USA abknapst.
Damit steht der Wirtschaftkoloss China vor einer praktisch unlösbaren Aufgabe: Einerseits die seiner wirtschaftlichen Stärke angemessene internationale Stellung einzunehmen, was ja im wesentlichen auf Kosten der Vereinigten Staaten gehen muss, auf der anderen Seite aber die Kraft der Wirtschaft der USA, wenn möglich, unverändert lassen, um den Dollar als Basis Chinas nicht zu schwächen.
Wahrscheinlich wird allerdings die tatsächliche Entwicklung den Chinesen gar nicht viel Spielraum lassen. Wenn, wie vorauszusehen, die Wirtschaft der USA unweigerlich in eine Krise schlittert, wenn der Dollar weiterhin beständig an Wert verliert, wenn die Kaufkraft des Kunden „US-Markt“ angeschlagen wird, dann wird China mitleiden, ob es will oder nicht.
Wohin das im Einzelnen führt, kann man nicht sagen.
Sieht man das Ganze aus der Sicht der US-Regierung, so ist die Drohung riesig und man möchte nicht in deren Haut stecken. Nicht nur, dass der chinesische Drache das Haupt erhebt, er hat auch die Hand auf einer Anzahl von Dollars und Dollar-Bonds, die ausreicht, die USA in den Bankrott zu treiben, wenn man will.
Würde China jetzt beginnen, massiv Dollars und Dollar-Bonds zu verkaufen, ginge der Dollar und der Wert seiner Bonds in den Keller – und das könnte heissen ins achzehnte Untergeschoss. Die gesamte Wirtschaftsmacht USA wäre stark angeschlagen und von einer Supermacht könnte keine Rede mehr sein.
Wie man am Beispiel der Sowjetunion gesehen hat, muss hinter einer grossen Militärmacht immer auch eine grosse Wirtschaftsmacht stehen, sonst ist es aus mit der Rolle als Supermacht.
Gleichzeitig würde aber ein völliger Verfall des Dollars die Basis der chinesischen Wirtschaft bis ins Mark erschüttern. Damit wäre es dann auch schon aus mit der eben errungenen Position der zweiten Supermacht.
Das Ergebnis könnte in diesem Fall eine polyzentrische Welt werden, in der eine Anzahl grosser Mächte um die Vorherrschaft kämpfen.
Es könnte aber auch sein, dass China es doch schafft, sich von der Bindung an den Dollar zu lösen, ohne seine extreme wirtschaftliche Dynamik zu verlieren. Dann könnte wieder ein anderes Szenario aufscheinen: Das mit der einzigen Supermacht China.
Zuerst, noch im Oktober, ging die Meldung um die Welt: Im September hat China Deutschland bereits als Exportweltmeister ausgestochen. Zwar wird Deutschland in der Gesamtrechnung der Exporte für 2007 wahrscheinlich noch einmal die Nase vorn haben und wieder Exportweltmeister sein, aber für das kommende Jahr ist bestenfalls ein zweiter Platz drin.
Neue wirtschaftsmacht China. Bild Reuters
Dann kam die nächste: Voraussichtlich wird China im kommenden Jahr nach dem PPP-Vergleich (siehe auch diese beiden Dossiers hier und hier)
bereits das höchste Sozialprodukt auf der Welt haben und sowohl die USA alleine als auch die EU als Ganzes überholt haben.
Auch wenn China nach dem Wechselkurs-Vergleich noch deutlich hinter den USA im GNP (Gross National Product) liegt, so ist doch die Dynamik der chinesischen Wirtschaft im Moment eine Vielfache der US-Wirtschaft und das Gleichziehen erscheint so nur eine Frage der Zeit. Zudem ist der ständig fallende Wert des Dollars gegen alle anderen Währungen ein Faktor, der die Bedeutung der Wirtschaftsmacht USA beständig verringert.
Dann kamen zwei Nachrichten vom 6.11.: PetroChina, das am Vortag an die Börse ging, wurde bereits am ersten Tag zum größten Unternehmen der Welt mit einem Aktien-Gesamtwert von über 1 „Trillion“ (das ist nach deutscher Zählweise eine Billion, also 1000 Milliarden) Dollar. Am gleichen Tag auch eine andere Meldung: Es wurde ein „Rotes Telefon“, eine Direktleitung von Washington nach Peking gelegt, damit sich die Präsidenten im Zweifelsfall direkt unterhalten können.
All dies belegt: Die Zeit, als die USA alleinige Supermacht waren, sind vorbei. Wir haben wieder die Situation von zwei Supermächten und einer Anzahl von Grossmächten, wie vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, nur diesmal mit China als zweiter Macht.
Macht der Supermacht USA begrenzt
Dazu kommt, die Basis der bisher einzigen Supermacht USA ist auch in anderer Hinsicht angeschlagen. Zwar hat man noch die grösste Wirtschaft der Welt, zwar hat man noch die Weltleitwährung, zwar werden fast alle Erdölkontrakte noch in Dollar ausgefertigt, zwar ist die USA weiterhin die bei weitem stärkste Militärmacht auf der Welt und niemand kann es wagen, sich mit dieser Supermacht auf gleicher Augenhöhe militärisch anzulegen, aber der Einfluss der USA auf alle Abläufe auf der Welt, der bis zum Afghanistan- und Irak-Überfall in praktisch allen Fällen ausschlaggebend war, ist heute begrenzt, wenn auch immer noch gross.
Die Faszination, die das „strahlende Amerika“ mit seinen Filmen und seinem Pioniergeist in praktisch jedem Land ausübte, ist verblasst. Die Absurditäten der militärischen Überfälle auf arme Länder mit Folter und Massakern, nur notdürftig kaschiert unter dem Mäntelchen „Demokratie bringen“, haben Millionen und Abermillionen von kritischen Menschen überall auf der Welt zu „US-Skeptikern“ gemacht und das hat weit tiefergreifende Auswirkungen, als es die Strategen in Washington vorausgesehen hatten und wahrhaben wollen.
Bild: Reuters
Ein Beispiel war die Abstimmung über die Kuba-Sanktionen letzte Woche in der UN-Vollversammlung. Die US-Sanktionen gegen Kuba wurden mit 180 Stimmen gegen 4 bei einigen wenigen Enthaltungen verurteilt und die USA aufgefordert, sie einzustellen. Die vier Stimmen dagegen waren die der USA, Israels sowie von zwei winzigen US-Protektoraten im Pazifik, die rein formal als eigenständige Länder fungieren.
Zwar hatte diese Abstimmung keinerlei reale Bedeutung, weil die US-Regierung sich natürlich einen feuchten Kehricht um eine solche Verurteilung schert, aber sie war doch gleichzeitig ein Menetekel: USA und Israel sind isoliert auf der Welt. Soweit sie noch Anhänger haben, dann nur wegen tatsächlicher Abhängigkeiten oder wegen ideologischem Gleichklang.
„Business as usual“
Natürlich herrscht in Washington „business as usual“, aber langsam wird die Tatsache, dass man Gesellschaft bekommen hat auf der Ebene „Supermacht“, sich langsam auch ins Bewusstsein des offiziellen Washington einschleichen.
Dabei sind die beiden neuen Supermächte in einer speziellen und engen Weise miteinander verbunden, ja sogar aneinandergekettet, die einen gewaltigen Unterschied zum Zustand der zwei Supermächte USA und Sowjetunuion ausmacht, wie er bis etwa 1990 herrschte. Das ganze chinesiche Währungssystem und damit auch die ganze Wirtschaft sind nämlich basiert auf einer imensen Anhäufung von Dollars und Dollarbonds im chinesichen Staatsschatz.
Jeder Fall des Dollar schwächt auch China und China hat das allergrösstes Interesse, den Dollar so stark wie möglich bleiben zu lassen und ihn weiterhin als Weltleitwährung zu haben. Andererseits will China aber selbst Supermacht werden und das geht nur, wenn man etwas von den USA abknapst.
Damit steht der Wirtschaftkoloss China vor einer praktisch unlösbaren Aufgabe: Einerseits die seiner wirtschaftlichen Stärke angemessene internationale Stellung einzunehmen, was ja im wesentlichen auf Kosten der Vereinigten Staaten gehen muss, auf der anderen Seite aber die Kraft der Wirtschaft der USA, wenn möglich, unverändert lassen, um den Dollar als Basis Chinas nicht zu schwächen.
Wahrscheinlich wird allerdings die tatsächliche Entwicklung den Chinesen gar nicht viel Spielraum lassen. Wenn, wie vorauszusehen, die Wirtschaft der USA unweigerlich in eine Krise schlittert, wenn der Dollar weiterhin beständig an Wert verliert, wenn die Kaufkraft des Kunden „US-Markt“ angeschlagen wird, dann wird China mitleiden, ob es will oder nicht.
Wohin das im Einzelnen führt, kann man nicht sagen.
Sieht man das Ganze aus der Sicht der US-Regierung, so ist die Drohung riesig und man möchte nicht in deren Haut stecken. Nicht nur, dass der chinesische Drache das Haupt erhebt, er hat auch die Hand auf einer Anzahl von Dollars und Dollar-Bonds, die ausreicht, die USA in den Bankrott zu treiben, wenn man will.
Würde China jetzt beginnen, massiv Dollars und Dollar-Bonds zu verkaufen, ginge der Dollar und der Wert seiner Bonds in den Keller – und das könnte heissen ins achzehnte Untergeschoss. Die gesamte Wirtschaftsmacht USA wäre stark angeschlagen und von einer Supermacht könnte keine Rede mehr sein.
Wie man am Beispiel der Sowjetunion gesehen hat, muss hinter einer grossen Militärmacht immer auch eine grosse Wirtschaftsmacht stehen, sonst ist es aus mit der Rolle als Supermacht.
Gleichzeitig würde aber ein völliger Verfall des Dollars die Basis der chinesischen Wirtschaft bis ins Mark erschüttern. Damit wäre es dann auch schon aus mit der eben errungenen Position der zweiten Supermacht.
Das Ergebnis könnte in diesem Fall eine polyzentrische Welt werden, in der eine Anzahl grosser Mächte um die Vorherrschaft kämpfen.
Es könnte aber auch sein, dass China es doch schafft, sich von der Bindung an den Dollar zu lösen, ohne seine extreme wirtschaftliche Dynamik zu verlieren. Dann könnte wieder ein anderes Szenario aufscheinen: Das mit der einzigen Supermacht China.
sfux - 7. Nov, 08:00 Article 3884x read
Würde China jetzt beginnen, massiv Dollars
Ich vermute auch, dass offensichtlich allgemein ein grundliegendes Problem in Betrachtungsweise des Währungsystems und der Macht besteht.
Ein Zusammenbruch des Dollars und somit des gesammten Währungssystems würde vermutlich niemand unbeschadet überstehen.
In wie fern etwas daran ist, an einer allfälligen zukünftigen Nordamerikanischen Gemeinschaftswähung genannt "Amero", entzieht sich meiner Kenntnis.
Wer würde Dollars kaufen
Er weiss natürlich auch, dass Währungen an Börsen gehandelt werden. Wenn dort Verkaufsaufträge eingehen, ohne dass jemand kaufen will, fällt der Wert so lange, bis sich Käufer finden.
Der Amero ist bisher nichts weiter als eine Idee. Ob Kanada und Mexiko angesichts der Dollarschwäche noch Lust darauf haben, kann man getrost bezweifeln.