Bundeswehr-Karriere mit Zukunft – April, April?
Michael Schulze von Glaßer & Harald Haack – Der 1. April gilt gemeinhin als Spaßtag der albernsten Späße. Das Hereinlegen der Mitmenschen scheint dann für viele Zeitgenossen ein zwanghaftes Vergnügen zu sein; und alles nur, um den derben Scherz letztenendes mit einem befreienden „April, April“ zu stoppen. Nicht immer aber war an diesem Tag kindlich anmutendes Gelächter zu hören.
Dieser Tag erwachte 2008 in Deutschland sonnig und mit einem schönen blauen Himmel. In Münster glaubten etliche Menschen, die sich vor April-Scherzen hüten, schon an den Scherz eines Spaßvogels, als die Luft plötzlich flatterte und sich das Flattern schon bald in ein heftiges Knattern verwandelte.
Noch mehr verstärkt wurde der Glauben der frommen Münsteraner an einen April-Reinleger, als sie einen Armee-Hubschrauber über den Dächern der eng aneinander geduckten Häuser entdeckten. Der olivgrüne SAR-„Knattermann“ schwebte in einer spektakulär anmutenden Kurve über den Domplatz und landete schließlich vor dem Kirchengebäude. Doch ihre Erwartung, jemand entstiege mit entrücktem Blick dem himmlischen Gefährt wie der zur Erde zurück gekehrte Heiland, um die erlösenden Worte „April, April“ zu rufen, erfüllte sich nicht.
Es war leider nur eine Schau-Einlage des in Münster stationierten Luftwaffentransportkommandos, das ausgerechnet an diesem 1. April seinen 40. „Geburtstag“ feierte.
Plumper hätte es nicht werden können: Das Spektakel diente als Rahmen einer Sammelstelle der Bundeswehr. Noch mehr Propaganda und militärisch geschliffenes „Denglisch“ und die Schau hätte beste Chancen gehabt, um gemeinhin als Satire anerkannt zu werden. Immerhin lautete das Motto: „Karriere mit Zukunft“. Und die Wort-Strategen der Propaganda-Truppe hatten sich offensichtlich richtig angestrengt: Die Sammelstelle, wo Kinder und Jugendliche als Krieger-Nachwuchs angeworbenen werden sollen, hieß jetzt in flachdeutscher Schreibweise, auf den guten alten Bindestrich verzichtend, „KarriereTreff“, und die Karre, mit der man die Fallen fürs jugendliche Publikum herangekarrt hatte, war kein Lastkraftwagen, sondern ein „KarriereTruck“.
Karriere bei der Bundeswehr?
Angesichts des für etliche Bundeswehr-Soldaten tödlich ausgegangenen Afghanistan-Einsatzes, haben wir Probleme mit dieser Frage. Aber vielleicht helfen hierbei die 16. Regeln, die Wolfgang Schur und Günter Weick in ihrem 2004 publizierten Buch „Wahnsinnskarriere“ vorgestellt haben:
Regel 1: Arbeite nie selbst mit einem Computer!
Regel 2: Verlerne absichtlich, was du weißt!
Regel 3: Bewege dich im Zentrum der Macht - Sei dort, wo die Musik spielt, und nicht dort, wo gearbeitet wird
Regel 4: Verlasse dich niemals auf die Personalabteilung
Regel 5: Sei gut mit Menschen
Regel 6: Verstoße bewusst gegen Regeln
Regel 7:Sorge in kritischen Situationen immer für die Unterstützung von Mächtigen
Regel 8: Fange viele Dinge an, aber bringe nichts Wesentliches zu Ende
Regel 9: Karriere und Unternehmensinteressen haben nichts miteinander zu tun
Regel 10: Zeige Kadavergehorsam
Regel 11: Sei unnachsichtig und - wenn nötig - ungerecht
Regel 12: Teile niemals den Erfolg in Gegenwart von wichtigen Leuten
Regel 13: Mache aus jeder Mücke einen Elefanten
Regel 14: Sei nicht loyal
Regel 15: Sei niemals konsequent - Wechsle täglich deine Meinung
Regel 16: Betrachte deine Familie als den Wurmfortsatz deiner Karriere
Die beiden Buchautoren setzen in ihrem Buch dem Weg eines jungen Einsteigers diese sechzehn Grundregeln für den erfolgreichen Aufstieg entgegen. Damit entlarven die Autoren nicht nur die Tricks und Kniffe der Karrieremacher, sondern entzaubern auch angebliche Karrierewunder. Und wie die Faust aufs Auge scheinen uns diese 16. Regeln wie maßgeschneidert für eine berufliche Laufbahn, einer „Wahnsinnskarriere“ bei der Bundeswehr zu sein.
Ködern wie beim Wahlkampf: Heute schreibst du, morgen tötest du.
Die Bundeswehr sieht sich wohl als Karrieremacher. Circa 20.000 freie Arbeitsplätze will sie haben. Darüber sollten sich Kinder und Jugendliche am 31. März und am 1. April 2008 in Münster informieren.
Besonders die NVA nutzte die Chance zur Propaganda und zeigte im DDR-Fernsehen gerne kleine Kinder an militärischem Gerät. Offensichtlich hat man bei der Bundeswehr dies übernommen: Früh übt sich, wer gutes Kanonenfutter sein will.
Die uniformierten Krieger hatten zu diesem Zweck eine Kletterwand mitgebracht und auf dem Domplatz aufgebaut. Offenbar sollte sich früh üben, wer bei der Bundeswehr die Karriereleiter erklimmen will. Wer es gewagt hatte an der Kletterwand hoch zu klettern, hätten oben angelangt auf Major Gudenoge herab blicken können. Der reagierte verärgert auf die Frage, ob die Bundeswehr Jugendliche nicht mittels der mitgebrachten militärischen Exponate, wie einem UH-1D-Helikopter, über die Technikbegeisterung zumeist männlicher Personen ködere. „Jeder Arbeitgeber stellt sich so gut wie möglich dar“, sagte er.
„Vorwärts ... Erfolg“. Aber mit solchen Vehikeln, die schon US-Präsident George W. Bush zu Fall brachten, durch den Staub Afghanistans?
Einige Soldaten äugten verstohlen hinüber zu einer demonstrierenden Gruppe, die klarzustellen versuchte, dass die Bundeswehr kein „normaler“ Arbeitgeber sei. Und schließlich zeigten die ein Soldaten-sind-Mörder-Transparent.
Die Bundeswehr, in Wahrheit ein Karrierekiller?
Das Häuflein unbewaffneter Soldaten und bewaffneter Feldjäger schienen diesen alten Vorwurf zu ignorieren, doch einige mutmaßlich kriegsfromme Münsteraner schimpften. Ein greiser Bürger wetterte aggressiv gegen die friedlich auftretenden Demonstrierenden: „Ihr seid doch behindert!“ Eine Diskussion lehnte er ab. Da er sich, wie er gegenüber Polizisten behauptete, durch das Transparent beleidigt fühlte, zeigte er einen Demonstranten an. Dienstbeflissen nahmen die Beamten seine Strafanzeige auf, wiesen jedoch den hysterisch Schimpfenden darauf hin, dass der Spruch inzwischen als Meinungsäußerung erlaubt sei.
Doch nach zwei Stunden des Protests stellten die Polizisten dann „von Amts wegen“ gegen einen Demonstranten, der zufällig gerade in deren Nähe stand, eine Strafanzeige wegen angeblichen „Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz“. Willkürlich und humorlos (kein „April, April“) erklärten sie ihn - gegen seinen Willen - zum „Versammlungsleiter“. Dennoch ging der Protest trotz solcher Repression friedlich weiter.
Neben den Anzeigen und Empörungen gab es jedoch auch viele lustige Reaktionen auf den Protest gegen das Militär, der am späten Nachmittag seinen Höhepunkt fand: Eine Clowns Armee besuchte den „KarriereTreff“ und karikierte artgerecht die unserer Meinung nach albern anmutende militärische Selbstinszenierung.
Gruppenbild vom Expertenplausch.
© Alle Fotos: Michael Schulze von Glaßer
Mit Wasserpistolen bliesen die Clowns zum „Angriff“ auf die Bundeswehr-Veranstaltung – was die Polizei mit Drohungen erwiderte. So durften die Clowns ihre Späße nur in einiger Entfernung zum „KarriereTreff“ vollführen.
© Copyright Text Michael Schulze von Glaßer & Harald Haack,
siehe auch unseren Copyright-Hinweis links oben.
Alle Rechte vorbehalten
Dieser Tag erwachte 2008 in Deutschland sonnig und mit einem schönen blauen Himmel. In Münster glaubten etliche Menschen, die sich vor April-Scherzen hüten, schon an den Scherz eines Spaßvogels, als die Luft plötzlich flatterte und sich das Flattern schon bald in ein heftiges Knattern verwandelte.
Noch mehr verstärkt wurde der Glauben der frommen Münsteraner an einen April-Reinleger, als sie einen Armee-Hubschrauber über den Dächern der eng aneinander geduckten Häuser entdeckten. Der olivgrüne SAR-„Knattermann“ schwebte in einer spektakulär anmutenden Kurve über den Domplatz und landete schließlich vor dem Kirchengebäude. Doch ihre Erwartung, jemand entstiege mit entrücktem Blick dem himmlischen Gefährt wie der zur Erde zurück gekehrte Heiland, um die erlösenden Worte „April, April“ zu rufen, erfüllte sich nicht.
Es war leider nur eine Schau-Einlage des in Münster stationierten Luftwaffentransportkommandos, das ausgerechnet an diesem 1. April seinen 40. „Geburtstag“ feierte.
Plumper hätte es nicht werden können: Das Spektakel diente als Rahmen einer Sammelstelle der Bundeswehr. Noch mehr Propaganda und militärisch geschliffenes „Denglisch“ und die Schau hätte beste Chancen gehabt, um gemeinhin als Satire anerkannt zu werden. Immerhin lautete das Motto: „Karriere mit Zukunft“. Und die Wort-Strategen der Propaganda-Truppe hatten sich offensichtlich richtig angestrengt: Die Sammelstelle, wo Kinder und Jugendliche als Krieger-Nachwuchs angeworbenen werden sollen, hieß jetzt in flachdeutscher Schreibweise, auf den guten alten Bindestrich verzichtend, „KarriereTreff“, und die Karre, mit der man die Fallen fürs jugendliche Publikum herangekarrt hatte, war kein Lastkraftwagen, sondern ein „KarriereTruck“.
Karriere bei der Bundeswehr?
Angesichts des für etliche Bundeswehr-Soldaten tödlich ausgegangenen Afghanistan-Einsatzes, haben wir Probleme mit dieser Frage. Aber vielleicht helfen hierbei die 16. Regeln, die Wolfgang Schur und Günter Weick in ihrem 2004 publizierten Buch „Wahnsinnskarriere“ vorgestellt haben:
Regel 1: Arbeite nie selbst mit einem Computer!
Regel 2: Verlerne absichtlich, was du weißt!
Regel 3: Bewege dich im Zentrum der Macht - Sei dort, wo die Musik spielt, und nicht dort, wo gearbeitet wird
Regel 4: Verlasse dich niemals auf die Personalabteilung
Regel 5: Sei gut mit Menschen
Regel 6: Verstoße bewusst gegen Regeln
Regel 7:Sorge in kritischen Situationen immer für die Unterstützung von Mächtigen
Regel 8: Fange viele Dinge an, aber bringe nichts Wesentliches zu Ende
Regel 9: Karriere und Unternehmensinteressen haben nichts miteinander zu tun
Regel 10: Zeige Kadavergehorsam
Regel 11: Sei unnachsichtig und - wenn nötig - ungerecht
Regel 12: Teile niemals den Erfolg in Gegenwart von wichtigen Leuten
Regel 13: Mache aus jeder Mücke einen Elefanten
Regel 14: Sei nicht loyal
Regel 15: Sei niemals konsequent - Wechsle täglich deine Meinung
Regel 16: Betrachte deine Familie als den Wurmfortsatz deiner Karriere
Die beiden Buchautoren setzen in ihrem Buch dem Weg eines jungen Einsteigers diese sechzehn Grundregeln für den erfolgreichen Aufstieg entgegen. Damit entlarven die Autoren nicht nur die Tricks und Kniffe der Karrieremacher, sondern entzaubern auch angebliche Karrierewunder. Und wie die Faust aufs Auge scheinen uns diese 16. Regeln wie maßgeschneidert für eine berufliche Laufbahn, einer „Wahnsinnskarriere“ bei der Bundeswehr zu sein.
Ködern wie beim Wahlkampf: Heute schreibst du, morgen tötest du.
Die Bundeswehr sieht sich wohl als Karrieremacher. Circa 20.000 freie Arbeitsplätze will sie haben. Darüber sollten sich Kinder und Jugendliche am 31. März und am 1. April 2008 in Münster informieren.
Besonders die NVA nutzte die Chance zur Propaganda und zeigte im DDR-Fernsehen gerne kleine Kinder an militärischem Gerät. Offensichtlich hat man bei der Bundeswehr dies übernommen: Früh übt sich, wer gutes Kanonenfutter sein will.
Die uniformierten Krieger hatten zu diesem Zweck eine Kletterwand mitgebracht und auf dem Domplatz aufgebaut. Offenbar sollte sich früh üben, wer bei der Bundeswehr die Karriereleiter erklimmen will. Wer es gewagt hatte an der Kletterwand hoch zu klettern, hätten oben angelangt auf Major Gudenoge herab blicken können. Der reagierte verärgert auf die Frage, ob die Bundeswehr Jugendliche nicht mittels der mitgebrachten militärischen Exponate, wie einem UH-1D-Helikopter, über die Technikbegeisterung zumeist männlicher Personen ködere. „Jeder Arbeitgeber stellt sich so gut wie möglich dar“, sagte er.
„Vorwärts ... Erfolg“. Aber mit solchen Vehikeln, die schon US-Präsident George W. Bush zu Fall brachten, durch den Staub Afghanistans?
Einige Soldaten äugten verstohlen hinüber zu einer demonstrierenden Gruppe, die klarzustellen versuchte, dass die Bundeswehr kein „normaler“ Arbeitgeber sei. Und schließlich zeigten die ein Soldaten-sind-Mörder-Transparent.
Die Bundeswehr, in Wahrheit ein Karrierekiller?
Das Häuflein unbewaffneter Soldaten und bewaffneter Feldjäger schienen diesen alten Vorwurf zu ignorieren, doch einige mutmaßlich kriegsfromme Münsteraner schimpften. Ein greiser Bürger wetterte aggressiv gegen die friedlich auftretenden Demonstrierenden: „Ihr seid doch behindert!“ Eine Diskussion lehnte er ab. Da er sich, wie er gegenüber Polizisten behauptete, durch das Transparent beleidigt fühlte, zeigte er einen Demonstranten an. Dienstbeflissen nahmen die Beamten seine Strafanzeige auf, wiesen jedoch den hysterisch Schimpfenden darauf hin, dass der Spruch inzwischen als Meinungsäußerung erlaubt sei.
Doch nach zwei Stunden des Protests stellten die Polizisten dann „von Amts wegen“ gegen einen Demonstranten, der zufällig gerade in deren Nähe stand, eine Strafanzeige wegen angeblichen „Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz“. Willkürlich und humorlos (kein „April, April“) erklärten sie ihn - gegen seinen Willen - zum „Versammlungsleiter“. Dennoch ging der Protest trotz solcher Repression friedlich weiter.
Neben den Anzeigen und Empörungen gab es jedoch auch viele lustige Reaktionen auf den Protest gegen das Militär, der am späten Nachmittag seinen Höhepunkt fand: Eine Clowns Armee besuchte den „KarriereTreff“ und karikierte artgerecht die unserer Meinung nach albern anmutende militärische Selbstinszenierung.
Gruppenbild vom Expertenplausch.
© Alle Fotos: Michael Schulze von Glaßer
Mit Wasserpistolen bliesen die Clowns zum „Angriff“ auf die Bundeswehr-Veranstaltung – was die Polizei mit Drohungen erwiderte. So durften die Clowns ihre Späße nur in einiger Entfernung zum „KarriereTreff“ vollführen.
© Copyright Text Michael Schulze von Glaßer & Harald Haack,
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hha - 4. Apr, 14:34 Article 5597x read