Prozess in Südafrika und Banditen im Nuklearbereich
3Dr. Alexander von Paleske - 22.5. 2008 -- Anfang Februar 2008 fand vor dem High Court in Pretoria ein wenig beachteter Prozess statt, der gleichwohl eine Menge Sprengstoff enthielt: atomaren Sprengstoff.
Die Wurzeln dieses Prozesses reichen in die Zeit zurück, als Südafrika unter der Apartheidsregierung im Verein mit Israel danach strebte, eine Atommacht zu werden und auch eine Atombombe zündete. Gedacht als Abschreckung gegen afrikanische Staaten und die dort erstarkenden Befreiungsbewegungen.
Gaddafi bekam kalte Füsse und liess damit das ganze Netz Hochgehen
Nelson Mandela setzte diesem Spuk mit seinem Amtsantritt ein Ende. Gleichzeitig ging, unbemerkt von den Staatsorganen, die vornehmlich mit dem Aufbau einer "Rainbow Nation" beschäftigt waren, ein anderer Spuk weiter: Die Produktion von Komponenten für den Bau von Atombomben, vor allem Zentrifugen zur Urananreicherung und Vakuumpumpen und zwar für das internationale Atomschmuggel-Netzwerks, als dessen Chef der „Vater der pakistanischen Atombombe“ Abdul Qadeer Khan galt. Die Kunden: Nordkorea, Libyen und der Iran.
Zu der Vorstandscrew dieses Netzwerks gehörte angeblich auch der in Deutschland geborene schweizer Ingenieur Gotthard Lerch, ehemals leitender Angestellter der Firma Heraeus-Leybold in Hanau am Main. Er war angeblich der Produktionsdirektor im Vorstandsrang des Atomschmuggel- Netzwerks.
Für die Firma Heraeus/Leybold, Anlagenbauer und Zulieferer für die Atomindustrie war er zuletzt als Leiter des Geschäftsbereichs „Große Metallurgie und chemische Verfahrenstechnik“ zuständig. Im Jahre 1985 stieg er bei Heraeus aus und gründete in Buchs/Schweiz seine eigene Firma die „Apparate Verfahren und Engineering AG“, angeblich dem Khan-Netzwerk zu Diensten .
Die Südafrika- Schiene
Angeklagt war nun in Südafrika Daniel Geiges, ein aus der Schweiz stammender mittlerweile südafrikanischer Staatsbürger. Er wurde beschuldigt, gegen das Verbot der Nichtweitergabe von Atomwaffen verstoßen zu haben. Der Prozess sollte schätzungsweise drei Jahre dauern. Dutzende von Sachverständigen und Zeugen waren vorgesehen.
Der Prozess sollte im Geheimen stattfinden. Zu viele Peinlichkeiten würden offenbar werden, die auch außenpolitische Belastungen, zum Beispiel mit dem Iran, hätten nach sich ziehen können.
Es kam jedoch alles ganz anders
Die politische Wochenzeitung Mail and Guardian, vergleichbar dem SPIEGEL in Deutschland, klagte gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit und gewann. Damit stand einem spannenden Verfahren nichts mehr im Wege. Es sollte aber anders laufen.
Daniel Geiges ist krebskrank. Er hatte nicht vor, die kurze Lebenszeit, die ihm noch blieb, in südafrikanischen Gefängnissen zu verbringen. Also ließ er sich auf einen Kuhhandel mit der Strafverfolgungsbehörde National Prosecuting Authority (NPA) ein, die selbst großes Interesse daran hatte, dass keinerlei Details bekannt würden. Welche Komponenten, Baupläne, Ultrazentrifugen Vakuumpumpen etc. an wen gesandt wurden, die zum Bau einer Atombombe wichtig sind, das sollte unter dem Schleier des Geheimen verborgen bleiben.
In Untersuchungshaft: Tinner. Im Bild der Pass
Damit folgte die NPA der Strategie, die sie schon gegen Geiges Chef, Gerhard Wisser und Johan Meyer eingeschlagen hatte: für die Akzeptanz des Schuldvorwurfs und volle Mitarbeit bei der weiteren Aufklärung gab es eine 12-jährige Haftstrafe, die für 5 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gerhard Wisser war der angebliche Produktionschef von Lerch in der südafrikanischen Filiale des Netzwerks. Geiges packte aus, eine Pandora-Büchse öffnete sich. Er belastete die anderen angeblichen Netzwerker, vor allem Gotthard Lerch.
Es wird sich alsbald herausstellen, wie weit es mit dieser „vollständigen Mitarbeit bei der Aufklärung“ her ist und was seine Aussagen wert sind, denn im Juni findet vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen das angebliche Vorstandsmitglied Gotthard Lerch statt, der es bisher immer schaffte, der Justiz ein Schnippchen zu schlagen.
Aber diesmal fährt, anders als bei dem Vorprozess der vor dem Landgericht Mannheim vor zwei Jahren stattfand und platzte, die bundesdeutsche Justiz schweres Geschütz auf. Diesmal vertritt die Bundesanwaltschaft höchst persönlich die Anklage und sie hat offenbar seitenweise Geständnisse von Wisser, Geiges und Meyer.
Was wussten die Geheimdienste und wie lange?
Uns interessiert aber hier weniger, was im nächsten Monat vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart verhandelt wird. Dort geht es einzig um die Lieferungen an Libyens Präsident Gaddafi, der als Kunde des Netzwerks nach dem Einmarsch der US im Irak absprang, weil er auch einen Einmarsch nach Libyen befürchtete und mit diesem Absprung gleichzeitig das ganze Netzwerk hochgehen ließ.
Uns interessiert viel mehr die iranische Schiene, die auf das Jahr 1987 zurückdatieren ist, und die strafrechtlich irrelevant geworden ist, weil mögliche Straftaten nach deutschem Recht verjährt sind.
Was uns besonders interessiert ist: Was haben die Geheimdienste CIA, MI6 und BND von dem Aufbau des pakistanischen bzw. iranischen Atomprogramms gewusst und was wurde nach Erkenntnisgewinnen unternommen?
Diese Frage drängt sich auf, weil bei der Lieferung von chemischen Massenvernichtungswaffen in den Iran, in diesem Falle Sarin und Senfgas in den 90er Jahren, sowohl der britische Geheimdienst MI6, wie der israelische Geheimdienst Shin Bet, als auch offenbar der Bundesnachrichtendienst BND ihre Finger mit drinnen hatten, wie wir bereits in mehreren investigativen Artikeln berichtet haben.
Gilt dies ebenso für das iranische Atomprogramm? Wurde nichts unternommen, weil man Gründe für einen Angriff auf den Iran suchte? Immerhin kaufte Israel bereits im Jahre1996 Langstreckenbomber, weil die Reichweite der vorhandenen Luftflotte für einen Angriff gegen den Iran nicht ausreichte. Mit anderen Worten: Wurde auf einen Angriff gegen den Iran hin gearbeitet unter dem Vorwand des Besitzes von chemischen und atomaren Massenvernichtungswaffen?
Ein Blick zurück
Im Jahre 1987 traf offenbar Gotthard Lerch erstmalig mit dem Iraner Masud Naraghi zusammen. Naraghi, der in den USA Laser-und Plasmaphysik studiert und dann bei der NASA gearbeitet hatte kehrte schließlich noch zu Schah-Zeiten in den Iran zurueck und wurde dort Chef der nationalen iranischen Atomenergiekommission.
Naraghi interessierte sich bei seinen Besuchen in der Schweiz für Komponenten zu konventionellen Waffen, aber natürlich auch für die Komponenten zur Herstellung von Atomwaffen und hier konnte Lerch angeblich gegen viel Bares behilflich sein.
Wie Yossi Melman und Meir Javedanfar in ihrem Buch „The Nuclar Sphinx Of Tehran“ schreiben, hatte der Ayatollah Khomeini das von den USA unterstützte Atomprogramm des Schah zunächst eingestellt, Atomwaffen wurden als Teufelszeug des Westens gebrandmarkt.
Diese Haltung änderte sich im Laufe der Zeit, nachdem der Irak 1980 den Iran angegriffen hatte und dabei auch chemische Massenvernichtungswaffen zum Einsatz brachte, ohne dass dies größere Proteste in der westlichen Welt ausgelöst hätte, wir berichteten darüber.
1992 lief Naraghi zu den USA über, die Mullahs misstrauten ihm wegen seiner früheren Tätigkeit für die NASA und später den Schah und er befürchtete das gleiche Schicksal zu erleiden, wie z.B. die in den USA ausgebildeten Piloten der iranischen Kampfflugzeuge, von denen viele als angebliche „Spione des Großen Satans“umgebracht wurden. Und Naraghi packte aus.
Damit waren die USA bestens und genauestens über den Stand des iranischen Atomprogramms informiert. Eine Weitergabe der Informationen an die internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien unterblieb jedoch. Diese Behörde hätte, gestützt auf diese Informationen gezielt tätig werden und zu diesem Zeitpunkt das Programm zur Entwicklung von Atomwaffen stoppen können, wie IAEA Vize-Direktor Olli Heikonen erklärte.
Die USA waren natürlich auch bestens informiert, ob und welche Rolle Lerch und Khan in diesem Netzwerk spielten und dass Pakistan nicht nur an einem Atombombenprogramm bastelte, sonder auch gebrauchte Zentrifugen P1 samt Blaupausen gegen Bares an den Iran weiterreichte.
Man hätte wohl erwarten können, dass nun Lerchs Laden zugemacht würde, so er denn die Komponenten lieferte oder aber die Lieferung über andere Firmen organisierte, aber es passierte nichts.
Es sollte jedoch noch schlimmer kommen. Der CIA in Zusammenarbeit mit dem MI6 und dem BND überwachte zwei weitere prominente Helfer in diesem Netzwerk, den Niederländer Henk Slebos und den Deutschen Heinz Mebus, sozusagen auf Schritt und Tritt. Der Mossad ließ schon mal 1980 eine Bombe im Vorgarten von Mebus Grundstück hochgehen. Unternommen wurde aber von den beteiligten Regierungen, für welche die Geheimdienste tätig waren, ansonsten nichts.
Slebos, Khan, und die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft
Khan, der Vater der Pakistanischen Atombombe und Chef des internationalen Atomwaffentechnologie-Weiterverbreitungsnetzwerks und Henk Slebos verbindet eine Freundschaft seit über 40 Jahren.
Khan, der zunächst sein Physikstudium 1961 in Westberlin begonnen hatte, wechselte dann an die Universität von Delft und traf dort auf Slebos. Der Beginn einer Freundschaft. Beide lebten in Rijswijk und fuhren jeden Tag zusammen zur Universität in Delft.
Nach Studienabschluss und fünfjähriger Tätigkeit für die holländische Marine, startete Slebos seine Karriere bei der Firma Metal Works Holland EMWH, ein Subunternehmer der Urananreicherungsfirma URENCO. Zu Henk Slebos Aufgabenbereich gehörten auch Arbeiten am Schnellen Brüter in Kalkar/Deutschland.
Im Jahre 1975 fuhren Khan und Slebos zur Fachmesse der Atomindustrie in Basel. Beide forschten danach zusammen an der super geheimen 4-M Ultrazentrifuge und bereits damals geriet Slebos durch einen Bericht des Chefs der EMWH, Nico Zondag auf den Radarschirm der Zollbehörden und der Geheimdienste. Unternommen wurde nichts. Aber auch über Khan gab es mehrere Beschwerden über verdächtiges Verhalten. Khan kehrte 1976 nach Pakistan zurück, aber mit ordentlichem Gepäck, wie Blaupausen von Hochleistungszentrifugen und ausgestattet mit dem bei URENCO erworbenem Wissen über die Urananreicherung.
Im Jahre 1976 wurde Slebos von EMWH gefeuert, nachdem die URENCO, bzw. deren holländischer Ableger UCN sich über dessen verdächtiges Verhalten bei Besuchen in ihrer Firma dreimal beschwert hatte. Er tauchte in Bereichen der UCN auf, in denen er nichts zu suchen hatte.
Nun startete Slebos seine eigene Firma, „Slebos Research“, die fester Bestandteil des Khan-Netzwerks wurde. Im Jahre 1977 flog er erstmalig nach Pakistan und lieferte Komponenten die für die Urananreicherung essentiell waren. Für diesen illegalen Export wurde er im Jahre 1985 von einem holländischen Gericht zu 6 Monaten Haft verurteilt.
Bereits vorher hatte er versucht seinen vormaligen Chef Zondag für die Mitarbeit an dem Atomwaffenprojekt Pakistans zu gewinnen und stellte ihm riesige Gewinne in Aussicht. Zondag lehnte dankend ab und berichtete stattdessen URENCO/UCN diese wiederum dem holländischen Geheimdienst BVD, der jedoch das offenbar eher gähnend zur Kenntnis nahm. Dies berichtet Frank Slijper in seinem investigativen Bericht „Project Butter Factory“
Wir wollen alles wissen, aber wir unternehmen nichts
Wie sich herausstellte, hatte die US Administration bereits 1975, als Verdachtsmomente gegen Khan, sich häuften, die holländischen Behörden gebeten, nicht tätig zu werden, enthüllte der ehemalige holländische Premier Ruud Lubbers. Das gleiche wiederholte sich im Jahre 1986, als klar wurde, dass Slebos der Zulieferer für das pakistanische Atombombenprogramm war.
Auch hier kam wieder die Bitte der US-Administration, keine Verhaftungen vorzunehmen. Die holländischen Behörden verlegten sich dann darauf Slebos bürokratische Knüppel zwischen die Beine zu werfen, allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Es wurden immer Exportlizenzen für Lieferungen von Slebos verlangt, die nach Antragsstellung dann selbstredend abgelehnt wurden. Slebos kaufte daraufhin im Ausland ein. Drehscheibe: Dubai.
Hilfe vom Schweizer Trio
Gotthard Lerch konnte angeblich über seine Dependance in Südafrika „Hilfestellung“ leisten. Ebenfalls als „atomare Samariter“ mit dabei ein Schweizer Trio: Friedrich, Urs und Marco Tinner, der Vater mit seinen zwei Söhnen und ihrer Firma Traco. Die soll die von Khan an den Iran abgegebenen P1 Zentrifugen Ersatzteilmässig auf Vordermann gebracht haben. Beide Söhne Tinners sitzen zur Zeit im Untersuchungshaft in der Schweiz ein. Allen dreien soll noch dieses Jahr der Prozess gemacht werden. Aber auch Urs Tinner arbeitete, zumindest in seiner letzten Phase mit dem CIA zusammen ebenso wie der srilankische Geschäftsmann Buhary Tahir. Er war einstmals rechte Hand Khans und Finanzverwalter des Netzwerks.
Aber es wurde geheimdienstlich nicht besser, ein ausländischer Geheimdienst soll praktisch die Überwachung von Henk Slebos in den Niederlanden seinerzeit übernommen haben – vermutlich der CIA -, der holländische Geheimdienst BVD zog sich angeblich zurück.
Auch der britische Geheimdienst MI6 war über den mit ihm verbundenen Geschäftsmann Peter Griffin und seine Firma „Gulf Technical Industries“, die ebenfalls Khan belieferte, bestens informiert – die britische Regierung unternahm nichts. Griffin lebt heute in Südfrankreich, unbehelligt versteht sich.
Fazit:
Mindestens drei Geheimdienste, die über fast 30 Jahre das Treiben des Handels mit nuklearer Waffentechnologie beobachtet haben, wenn man einmal von der kriminellen Aktion des Mossad absieht, die jeweiligen Regierungen, die bestens informiert waren, aber nichts unternahmen, eine internationale Behörde, hier die IAEA, die nicht die nötigen Informationen erhielt, eine Justiz, die keine ordentlichen Prozesse durchführen konnte weil Beweismaterial, wie in den Strafprozessen gegen Lerch in Mannheim und Köln zurückgehalten wurde, was ist das anderes als ein handfester Skandal?
Fasst man das alles zusammen, dann drängt sich, wie auch im Falle der Giftwaffentransporte der Eindruck auf, „man nimmt aktiv daran teil, bzw. bei dem Nukleartechnologieexport „man lässt es geschehen“. Ein Skandal.
Atomschmuggelprozess endet mit Kuhhandel
Der Iran, das Atomprogramm und Ahmadinejad
Schweiz: Auf Druck der CIA Nuklearschmuggel Akten vernichtet
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Gasmasken, Giftgas und Milliardenbetrug - auf den Spuren des Moshe Regev
Massenvernichtungswaffen in den Iran - Schmierige Geschäfte internationaler Kriegstreiber
Israels tödlicher Export – Waffen in den Iran
Nahost-Neue Eskalationsstufe erreicht
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Gaddafi bekam kalte Füsse und liess damit das ganze Netz Hochgehen
Nelson Mandela setzte diesem Spuk mit seinem Amtsantritt ein Ende. Gleichzeitig ging, unbemerkt von den Staatsorganen, die vornehmlich mit dem Aufbau einer "Rainbow Nation" beschäftigt waren, ein anderer Spuk weiter: Die Produktion von Komponenten für den Bau von Atombomben, vor allem Zentrifugen zur Urananreicherung und Vakuumpumpen und zwar für das internationale Atomschmuggel-Netzwerks, als dessen Chef der „Vater der pakistanischen Atombombe“ Abdul Qadeer Khan galt. Die Kunden: Nordkorea, Libyen und der Iran.
Zu der Vorstandscrew dieses Netzwerks gehörte angeblich auch der in Deutschland geborene schweizer Ingenieur Gotthard Lerch, ehemals leitender Angestellter der Firma Heraeus-Leybold in Hanau am Main. Er war angeblich der Produktionsdirektor im Vorstandsrang des Atomschmuggel- Netzwerks.
Für die Firma Heraeus/Leybold, Anlagenbauer und Zulieferer für die Atomindustrie war er zuletzt als Leiter des Geschäftsbereichs „Große Metallurgie und chemische Verfahrenstechnik“ zuständig. Im Jahre 1985 stieg er bei Heraeus aus und gründete in Buchs/Schweiz seine eigene Firma die „Apparate Verfahren und Engineering AG“, angeblich dem Khan-Netzwerk zu Diensten .
Die Südafrika- Schiene
Angeklagt war nun in Südafrika Daniel Geiges, ein aus der Schweiz stammender mittlerweile südafrikanischer Staatsbürger. Er wurde beschuldigt, gegen das Verbot der Nichtweitergabe von Atomwaffen verstoßen zu haben. Der Prozess sollte schätzungsweise drei Jahre dauern. Dutzende von Sachverständigen und Zeugen waren vorgesehen.
Der Prozess sollte im Geheimen stattfinden. Zu viele Peinlichkeiten würden offenbar werden, die auch außenpolitische Belastungen, zum Beispiel mit dem Iran, hätten nach sich ziehen können.
Es kam jedoch alles ganz anders
Die politische Wochenzeitung Mail and Guardian, vergleichbar dem SPIEGEL in Deutschland, klagte gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit und gewann. Damit stand einem spannenden Verfahren nichts mehr im Wege. Es sollte aber anders laufen.
Daniel Geiges ist krebskrank. Er hatte nicht vor, die kurze Lebenszeit, die ihm noch blieb, in südafrikanischen Gefängnissen zu verbringen. Also ließ er sich auf einen Kuhhandel mit der Strafverfolgungsbehörde National Prosecuting Authority (NPA) ein, die selbst großes Interesse daran hatte, dass keinerlei Details bekannt würden. Welche Komponenten, Baupläne, Ultrazentrifugen Vakuumpumpen etc. an wen gesandt wurden, die zum Bau einer Atombombe wichtig sind, das sollte unter dem Schleier des Geheimen verborgen bleiben.
In Untersuchungshaft: Tinner. Im Bild der Pass
Damit folgte die NPA der Strategie, die sie schon gegen Geiges Chef, Gerhard Wisser und Johan Meyer eingeschlagen hatte: für die Akzeptanz des Schuldvorwurfs und volle Mitarbeit bei der weiteren Aufklärung gab es eine 12-jährige Haftstrafe, die für 5 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gerhard Wisser war der angebliche Produktionschef von Lerch in der südafrikanischen Filiale des Netzwerks. Geiges packte aus, eine Pandora-Büchse öffnete sich. Er belastete die anderen angeblichen Netzwerker, vor allem Gotthard Lerch.
Es wird sich alsbald herausstellen, wie weit es mit dieser „vollständigen Mitarbeit bei der Aufklärung“ her ist und was seine Aussagen wert sind, denn im Juni findet vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen das angebliche Vorstandsmitglied Gotthard Lerch statt, der es bisher immer schaffte, der Justiz ein Schnippchen zu schlagen.
Aber diesmal fährt, anders als bei dem Vorprozess der vor dem Landgericht Mannheim vor zwei Jahren stattfand und platzte, die bundesdeutsche Justiz schweres Geschütz auf. Diesmal vertritt die Bundesanwaltschaft höchst persönlich die Anklage und sie hat offenbar seitenweise Geständnisse von Wisser, Geiges und Meyer.
Was wussten die Geheimdienste und wie lange?
Uns interessiert aber hier weniger, was im nächsten Monat vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart verhandelt wird. Dort geht es einzig um die Lieferungen an Libyens Präsident Gaddafi, der als Kunde des Netzwerks nach dem Einmarsch der US im Irak absprang, weil er auch einen Einmarsch nach Libyen befürchtete und mit diesem Absprung gleichzeitig das ganze Netzwerk hochgehen ließ.
Uns interessiert viel mehr die iranische Schiene, die auf das Jahr 1987 zurückdatieren ist, und die strafrechtlich irrelevant geworden ist, weil mögliche Straftaten nach deutschem Recht verjährt sind.
Was uns besonders interessiert ist: Was haben die Geheimdienste CIA, MI6 und BND von dem Aufbau des pakistanischen bzw. iranischen Atomprogramms gewusst und was wurde nach Erkenntnisgewinnen unternommen?
Diese Frage drängt sich auf, weil bei der Lieferung von chemischen Massenvernichtungswaffen in den Iran, in diesem Falle Sarin und Senfgas in den 90er Jahren, sowohl der britische Geheimdienst MI6, wie der israelische Geheimdienst Shin Bet, als auch offenbar der Bundesnachrichtendienst BND ihre Finger mit drinnen hatten, wie wir bereits in mehreren investigativen Artikeln berichtet haben.
Gilt dies ebenso für das iranische Atomprogramm? Wurde nichts unternommen, weil man Gründe für einen Angriff auf den Iran suchte? Immerhin kaufte Israel bereits im Jahre1996 Langstreckenbomber, weil die Reichweite der vorhandenen Luftflotte für einen Angriff gegen den Iran nicht ausreichte. Mit anderen Worten: Wurde auf einen Angriff gegen den Iran hin gearbeitet unter dem Vorwand des Besitzes von chemischen und atomaren Massenvernichtungswaffen?
Ein Blick zurück
Im Jahre 1987 traf offenbar Gotthard Lerch erstmalig mit dem Iraner Masud Naraghi zusammen. Naraghi, der in den USA Laser-und Plasmaphysik studiert und dann bei der NASA gearbeitet hatte kehrte schließlich noch zu Schah-Zeiten in den Iran zurueck und wurde dort Chef der nationalen iranischen Atomenergiekommission.
Naraghi interessierte sich bei seinen Besuchen in der Schweiz für Komponenten zu konventionellen Waffen, aber natürlich auch für die Komponenten zur Herstellung von Atomwaffen und hier konnte Lerch angeblich gegen viel Bares behilflich sein.
Wie Yossi Melman und Meir Javedanfar in ihrem Buch „The Nuclar Sphinx Of Tehran“ schreiben, hatte der Ayatollah Khomeini das von den USA unterstützte Atomprogramm des Schah zunächst eingestellt, Atomwaffen wurden als Teufelszeug des Westens gebrandmarkt.
Diese Haltung änderte sich im Laufe der Zeit, nachdem der Irak 1980 den Iran angegriffen hatte und dabei auch chemische Massenvernichtungswaffen zum Einsatz brachte, ohne dass dies größere Proteste in der westlichen Welt ausgelöst hätte, wir berichteten darüber.
1992 lief Naraghi zu den USA über, die Mullahs misstrauten ihm wegen seiner früheren Tätigkeit für die NASA und später den Schah und er befürchtete das gleiche Schicksal zu erleiden, wie z.B. die in den USA ausgebildeten Piloten der iranischen Kampfflugzeuge, von denen viele als angebliche „Spione des Großen Satans“umgebracht wurden. Und Naraghi packte aus.
Damit waren die USA bestens und genauestens über den Stand des iranischen Atomprogramms informiert. Eine Weitergabe der Informationen an die internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien unterblieb jedoch. Diese Behörde hätte, gestützt auf diese Informationen gezielt tätig werden und zu diesem Zeitpunkt das Programm zur Entwicklung von Atomwaffen stoppen können, wie IAEA Vize-Direktor Olli Heikonen erklärte.
Die USA waren natürlich auch bestens informiert, ob und welche Rolle Lerch und Khan in diesem Netzwerk spielten und dass Pakistan nicht nur an einem Atombombenprogramm bastelte, sonder auch gebrauchte Zentrifugen P1 samt Blaupausen gegen Bares an den Iran weiterreichte.
Man hätte wohl erwarten können, dass nun Lerchs Laden zugemacht würde, so er denn die Komponenten lieferte oder aber die Lieferung über andere Firmen organisierte, aber es passierte nichts.
Es sollte jedoch noch schlimmer kommen. Der CIA in Zusammenarbeit mit dem MI6 und dem BND überwachte zwei weitere prominente Helfer in diesem Netzwerk, den Niederländer Henk Slebos und den Deutschen Heinz Mebus, sozusagen auf Schritt und Tritt. Der Mossad ließ schon mal 1980 eine Bombe im Vorgarten von Mebus Grundstück hochgehen. Unternommen wurde aber von den beteiligten Regierungen, für welche die Geheimdienste tätig waren, ansonsten nichts.
Slebos, Khan, und die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft
Khan, der Vater der Pakistanischen Atombombe und Chef des internationalen Atomwaffentechnologie-Weiterverbreitungsnetzwerks und Henk Slebos verbindet eine Freundschaft seit über 40 Jahren.
Khan, der zunächst sein Physikstudium 1961 in Westberlin begonnen hatte, wechselte dann an die Universität von Delft und traf dort auf Slebos. Der Beginn einer Freundschaft. Beide lebten in Rijswijk und fuhren jeden Tag zusammen zur Universität in Delft.
Nach Studienabschluss und fünfjähriger Tätigkeit für die holländische Marine, startete Slebos seine Karriere bei der Firma Metal Works Holland EMWH, ein Subunternehmer der Urananreicherungsfirma URENCO. Zu Henk Slebos Aufgabenbereich gehörten auch Arbeiten am Schnellen Brüter in Kalkar/Deutschland.
Im Jahre 1975 fuhren Khan und Slebos zur Fachmesse der Atomindustrie in Basel. Beide forschten danach zusammen an der super geheimen 4-M Ultrazentrifuge und bereits damals geriet Slebos durch einen Bericht des Chefs der EMWH, Nico Zondag auf den Radarschirm der Zollbehörden und der Geheimdienste. Unternommen wurde nichts. Aber auch über Khan gab es mehrere Beschwerden über verdächtiges Verhalten. Khan kehrte 1976 nach Pakistan zurück, aber mit ordentlichem Gepäck, wie Blaupausen von Hochleistungszentrifugen und ausgestattet mit dem bei URENCO erworbenem Wissen über die Urananreicherung.
Im Jahre 1976 wurde Slebos von EMWH gefeuert, nachdem die URENCO, bzw. deren holländischer Ableger UCN sich über dessen verdächtiges Verhalten bei Besuchen in ihrer Firma dreimal beschwert hatte. Er tauchte in Bereichen der UCN auf, in denen er nichts zu suchen hatte.
Nun startete Slebos seine eigene Firma, „Slebos Research“, die fester Bestandteil des Khan-Netzwerks wurde. Im Jahre 1977 flog er erstmalig nach Pakistan und lieferte Komponenten die für die Urananreicherung essentiell waren. Für diesen illegalen Export wurde er im Jahre 1985 von einem holländischen Gericht zu 6 Monaten Haft verurteilt.
Bereits vorher hatte er versucht seinen vormaligen Chef Zondag für die Mitarbeit an dem Atomwaffenprojekt Pakistans zu gewinnen und stellte ihm riesige Gewinne in Aussicht. Zondag lehnte dankend ab und berichtete stattdessen URENCO/UCN diese wiederum dem holländischen Geheimdienst BVD, der jedoch das offenbar eher gähnend zur Kenntnis nahm. Dies berichtet Frank Slijper in seinem investigativen Bericht „Project Butter Factory“
Wir wollen alles wissen, aber wir unternehmen nichts
Wie sich herausstellte, hatte die US Administration bereits 1975, als Verdachtsmomente gegen Khan, sich häuften, die holländischen Behörden gebeten, nicht tätig zu werden, enthüllte der ehemalige holländische Premier Ruud Lubbers. Das gleiche wiederholte sich im Jahre 1986, als klar wurde, dass Slebos der Zulieferer für das pakistanische Atombombenprogramm war.
Auch hier kam wieder die Bitte der US-Administration, keine Verhaftungen vorzunehmen. Die holländischen Behörden verlegten sich dann darauf Slebos bürokratische Knüppel zwischen die Beine zu werfen, allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Es wurden immer Exportlizenzen für Lieferungen von Slebos verlangt, die nach Antragsstellung dann selbstredend abgelehnt wurden. Slebos kaufte daraufhin im Ausland ein. Drehscheibe: Dubai.
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Gotthard Lerch konnte angeblich über seine Dependance in Südafrika „Hilfestellung“ leisten. Ebenfalls als „atomare Samariter“ mit dabei ein Schweizer Trio: Friedrich, Urs und Marco Tinner, der Vater mit seinen zwei Söhnen und ihrer Firma Traco. Die soll die von Khan an den Iran abgegebenen P1 Zentrifugen Ersatzteilmässig auf Vordermann gebracht haben. Beide Söhne Tinners sitzen zur Zeit im Untersuchungshaft in der Schweiz ein. Allen dreien soll noch dieses Jahr der Prozess gemacht werden. Aber auch Urs Tinner arbeitete, zumindest in seiner letzten Phase mit dem CIA zusammen ebenso wie der srilankische Geschäftsmann Buhary Tahir. Er war einstmals rechte Hand Khans und Finanzverwalter des Netzwerks.
Aber es wurde geheimdienstlich nicht besser, ein ausländischer Geheimdienst soll praktisch die Überwachung von Henk Slebos in den Niederlanden seinerzeit übernommen haben – vermutlich der CIA -, der holländische Geheimdienst BVD zog sich angeblich zurück.
Auch der britische Geheimdienst MI6 war über den mit ihm verbundenen Geschäftsmann Peter Griffin und seine Firma „Gulf Technical Industries“, die ebenfalls Khan belieferte, bestens informiert – die britische Regierung unternahm nichts. Griffin lebt heute in Südfrankreich, unbehelligt versteht sich.
Fazit:
Mindestens drei Geheimdienste, die über fast 30 Jahre das Treiben des Handels mit nuklearer Waffentechnologie beobachtet haben, wenn man einmal von der kriminellen Aktion des Mossad absieht, die jeweiligen Regierungen, die bestens informiert waren, aber nichts unternahmen, eine internationale Behörde, hier die IAEA, die nicht die nötigen Informationen erhielt, eine Justiz, die keine ordentlichen Prozesse durchführen konnte weil Beweismaterial, wie in den Strafprozessen gegen Lerch in Mannheim und Köln zurückgehalten wurde, was ist das anderes als ein handfester Skandal?
Fasst man das alles zusammen, dann drängt sich, wie auch im Falle der Giftwaffentransporte der Eindruck auf, „man nimmt aktiv daran teil, bzw. bei dem Nukleartechnologieexport „man lässt es geschehen“. Ein Skandal.
Atomschmuggelprozess endet mit Kuhhandel
Der Iran, das Atomprogramm und Ahmadinejad
Schweiz: Auf Druck der CIA Nuklearschmuggel Akten vernichtet
Iran: Der Krieg rückt näher
Gasmasken, Giftgas und Milliardenbetrug - auf den Spuren des Moshe Regev
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Israels tödlicher Export – Waffen in den Iran
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sfux - 22. Mai, 08:24 Article 17964x read