Amnesty International wirft europäischen Regierungen Komplizenschaft bei Folter-Flügen vor
World Content News - Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat in ihrem neuen Bericht: "State of Denial. Europe’s Role in Rendition and Secret Detention" mehreren europäischen Staaten vorgeworfen, sie hätten sich seit 2001 aktiv an Verschleppungen der CIA in Geheimgefängnisse und Folterstaaten beteiligt und wären dadurch für begangene Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich.
Im neuen 76-seitigen Bericht werden unter anderem sechs Einzelfälle detailliert dokumentiert, die zeigen, in welchem Ausmaß die EU involviert war. Die Mitwirkungen reichten von Überflugs- und Landeerlaubnissen auf europäischen Flughäfen für CIA-Flüge bis hin zur Duldung von geheimen Gefangenenlagern, sogenannten "Black sites", auf europäischem Boden.
"Die europäischen Regierungen befinden sich in einem Zustand der Verleugnung und ignorierten die Wahrheit zu lange", so AI. Ihr Engagement bei den Überstellungen und geheimen Haftanstalten verhalte sich in krassem Gegensatz zu ihren Erklärungen, verantwortungsvolle Akteure im Kampf gegen den Terrorismus zu sein.
Ihre Vorwürfe richten sich u.a. speziell an Irland, Großbritannien, Italien, Deutschland, Polen und Rumänien. Eine umfassende Aufklärung stehe nach wie vor aus, da die Staaten entsprechende Ermittlungen nicht durchführen, teilweise nicht einmal unterstützen würden.
Amnesty fordert Europa auf, umgehend künftig wirksame Vorbeugemaßnahmen gegen CIA-Verschleppungen zu treffen. Auszug:
Für besondere Aufmerksamkeit sorgte in der letzten Woche ein Bericht der New York Times, der die Existenz eines Geheimgefängnisses in Polen bestätigte. Erstmals werden in der Mainstream-Presse ein CIA-Agent mit Namensnennung zitiert, der sich 2002 und 2003 einige Wochen im polnischen CIA-Folterkerker aufgehalten haben soll, um dort Khalid Scheich Mohammed Geständnisse zu entlocken und zwar mit
"various harsh techniques, including waterboarding, used about 100 times over a period of two weeks"
Der zitierte Agent, Deuce Martinez, will freilich nicht selbst Hand angelegt haben, betont die Zeitung.
Freilich - wer aufpasste, konnte schon ein Jahr zuvor in einer investigativen Reportage ziemlich viele Einzelheiten über die Existenz der Black Site bei der Raw Story nachlesen. Zudem hat sich die NYT verkniffen den Namen und den Standort des Geheimgefängnisses Stare Kiejkuty in der Nähe von Szymany preiszugeben, nicht weil sie die polnische Regierung völlig desavouieren wollte, neben einer Wiedereröffnung des Flughafens in ziviler Hand ist immer noch die Möglichkeit einer Errichtung eines US-Militärstützpunktes im Gespräch.
Relativ blass bleiben auch die genauen Verbringungsdaten der Gefangenen (Grafik NYT), sogar in Wikipedia lässt sich inzwischen nachschlagen, wann die Folterflugzeuge in Szymany halt machten:
Wohin die Gefangenen nach den ersten Presseenthüllungen dann eiligst weggebracht wurden, darüber gibt es bisher nur Vermutungen: Entweder wurden sie ins libysche Gefängnis in Misurata gesteckt oder nach Sale (bei Rabat) in Marokko geflogen.
Polen hat den Bericht der New York Times inzwischen zurückgewiesen. Im Gegensatz zu früheren energischen Statements liest es sich doch diesmal deutlich verhaltener: Der Präsident besaß keine Informationen, die andeuteten, dass die CIA geheime Gefängnisse unterhielt.
Heute kam auch das erste Zipfelchen der bundesdeutschen Wahrheit raus: Nach Angaben von führenden Verfassungsschützern war den deutschen Geheimdiensten das harte Vorgehen von US-Behörden gegen Terrorverdächtige in Einzelfällen seit langem bekannt. Von der systematischen Verschleppungspraxis durch die CIA wollen sie erst 2005 erfahren haben. Ex-BND-Chef August Hannings primäre Top-Informationsquelle war die gute alte Tageszeitung (wiederum NYT).
Und der frühere Kanzleramtsminister? Die Bundesregierung hat die CIA-Gefangenenflüge über Deutschland nach den Worten von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) weder geduldet noch unterstützt: "Ich war nicht Inspektor Columbo im Einsatz gegen die Amerikaner". Natürlich, der Mann hat wohl wichtigeres zu tun. Leider muss man bei Herrn Steinmeier aber auch an die anschließende nicht mehr als laue Zusammenarbeit mit den europäischen Sonderermittlern erinnern. Nicht gerade ein Zückerchen auf dem Butterbrot einer möglichen Kanzlerkandidatur. Immerhin: Steinmeier erwägt unterdessen eine schärfere Überwachung des Flugverkehrs. Viele Planespotter werden ihm sehr gerne bei dieser Hercules-Aufgabe helfen.
Bei soviel Ahnungslosigkeit: Nun - es gilt sowohl die Unschulds- als auch die Dämlichkeitsvermutung. Wenigstens weiß man jetzt, wo die wahren Schläfer sitzen. Dies macht nicht gerade Mut, die noch immer stattfindenden Gefangenentransporte in Europa künftig verhindern zu können.
Quellen:
Report: State of Denial. Europe’s Role in Rendition and Secret Detention (amnesty.no, pdf, 24.06.2008)
Europäische Beteiligung an CIA-Verschleppungen
(glocalist.com, 25.06.2008)
Renditions: New report accuses governments of complicity in 'torture flights'
(amnesty.org.uk, 24.06.2008)
Shannon linked again to CIA 'Rendition' Flights
(inishtrahoull.blogspot.com, 24.06.2008)
Polish gov't denies NY Times report on CIA prisons
(wbj.pl, 25.06.2008)
Inside a 9/11 Mastermind’s Interrogation
(New York Times, 22.06.2008)
Soviet-era compound in northern Poland was site of secret CIA interrogation, detentions (rawstory.com, 07.03.2007)
Ex-BND-Chef Hanning: Erst 2005 von CIA-Gefangenenflügen erfahren
(Reuters, 26.06.2008)
Flüge in die Folter: Was wusste Steinmeier?
(Markenpost, 26.06.2008)
siehe auch:
Torture Plane Crew N54PA "resting at Shannon"?
(WCN, 19.06.2008)
USA versteckt Gefangene auch auf Kriegsschiffen
(WCN, 02.06.2008)
Gefangenentransporte nach Guantanamo wieder aufgenommen
(WCN, 14.03.2008)
464 CIA-Landungen in Deutschland (softlabhennef, 30.07.2006)
Dieser Artikel erschien erstmalig bei World Content News
Im neuen 76-seitigen Bericht werden unter anderem sechs Einzelfälle detailliert dokumentiert, die zeigen, in welchem Ausmaß die EU involviert war. Die Mitwirkungen reichten von Überflugs- und Landeerlaubnissen auf europäischen Flughäfen für CIA-Flüge bis hin zur Duldung von geheimen Gefangenenlagern, sogenannten "Black sites", auf europäischem Boden.
"Die europäischen Regierungen befinden sich in einem Zustand der Verleugnung und ignorierten die Wahrheit zu lange", so AI. Ihr Engagement bei den Überstellungen und geheimen Haftanstalten verhalte sich in krassem Gegensatz zu ihren Erklärungen, verantwortungsvolle Akteure im Kampf gegen den Terrorismus zu sein.
Ihre Vorwürfe richten sich u.a. speziell an Irland, Großbritannien, Italien, Deutschland, Polen und Rumänien. Eine umfassende Aufklärung stehe nach wie vor aus, da die Staaten entsprechende Ermittlungen nicht durchführen, teilweise nicht einmal unterstützen würden.
Amnesty fordert Europa auf, umgehend künftig wirksame Vorbeugemaßnahmen gegen CIA-Verschleppungen zu treffen. Auszug:
ACTION NEEDED NOW
European states should:
European states should:
-
immediately open full, effective, independent and impartial investigations into the role of European officials, at home and abroad, and the use of state territory by foreign agents, in connection with renditions, secret detention, torture and enforced disappearance, and make the findings and results of the investigations public;
- stop transferring anyone to the custody of the agents of another state, or facilitating such transfers, unless the transfer is carried out under judicial supervision and in line with international standards;
- ensure that no one under their jurisdiction (including in their effective control) or in their territory is forcibly transferred to the territory or custody of another state where there are substantial grounds for believing they would face a real risk of grave human rights violations
such as torture or other ill-treatment as a result;
- implement effective measures to ensure that European intelligence agencies do not facilitate or participate in human rights violations, for example, prohibiting the provision of information about individuals to foreign agencies where it can reasonably be foreseen that it will lead to their arbitrary detention, torture or other ill-treatment, or enforced disappearance
Für besondere Aufmerksamkeit sorgte in der letzten Woche ein Bericht der New York Times, der die Existenz eines Geheimgefängnisses in Polen bestätigte. Erstmals werden in der Mainstream-Presse ein CIA-Agent mit Namensnennung zitiert, der sich 2002 und 2003 einige Wochen im polnischen CIA-Folterkerker aufgehalten haben soll, um dort Khalid Scheich Mohammed Geständnisse zu entlocken und zwar mit
"various harsh techniques, including waterboarding, used about 100 times over a period of two weeks"
Der zitierte Agent, Deuce Martinez, will freilich nicht selbst Hand angelegt haben, betont die Zeitung.
Freilich - wer aufpasste, konnte schon ein Jahr zuvor in einer investigativen Reportage ziemlich viele Einzelheiten über die Existenz der Black Site bei der Raw Story nachlesen. Zudem hat sich die NYT verkniffen den Namen und den Standort des Geheimgefängnisses Stare Kiejkuty in der Nähe von Szymany preiszugeben, nicht weil sie die polnische Regierung völlig desavouieren wollte, neben einer Wiedereröffnung des Flughafens in ziviler Hand ist immer noch die Möglichkeit einer Errichtung eines US-Militärstützpunktes im Gespräch.
Relativ blass bleiben auch die genauen Verbringungsdaten der Gefangenen (Grafik NYT), sogar in Wikipedia lässt sich inzwischen nachschlagen, wann die Folterflugzeuge in Szymany halt machten:
Kennzeichen | Abgeflogen in | Gelandet in Szymany |
N63MU | Dubai | 5. Dezember 2002, 14:56 Uhr |
N379P | Rabat | 8. Februar 2003, 02:23 Uhr |
N379P | Kabul | 7. März 2003, 16:00 Uhr |
N379P | Kabul | 25. März 2003, 18:03 Uhr |
N379P | Kabul | 5. Juni 2003, 01:00 Uhr |
N379P | Kabul | 30. Juli 2003, 02:58 Uhr |
N313P | Kabul | 22. September 2003, 21:00 Uhr |
N63MU | Kabul | 28. Juli 2005 |
Wohin die Gefangenen nach den ersten Presseenthüllungen dann eiligst weggebracht wurden, darüber gibt es bisher nur Vermutungen: Entweder wurden sie ins libysche Gefängnis in Misurata gesteckt oder nach Sale (bei Rabat) in Marokko geflogen.
Polen hat den Bericht der New York Times inzwischen zurückgewiesen. Im Gegensatz zu früheren energischen Statements liest es sich doch diesmal deutlich verhaltener: Der Präsident besaß keine Informationen, die andeuteten, dass die CIA geheime Gefängnisse unterhielt.
Heute kam auch das erste Zipfelchen der bundesdeutschen Wahrheit raus: Nach Angaben von führenden Verfassungsschützern war den deutschen Geheimdiensten das harte Vorgehen von US-Behörden gegen Terrorverdächtige in Einzelfällen seit langem bekannt. Von der systematischen Verschleppungspraxis durch die CIA wollen sie erst 2005 erfahren haben. Ex-BND-Chef August Hannings primäre Top-Informationsquelle war die gute alte Tageszeitung (wiederum NYT).
Und der frühere Kanzleramtsminister? Die Bundesregierung hat die CIA-Gefangenenflüge über Deutschland nach den Worten von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) weder geduldet noch unterstützt: "Ich war nicht Inspektor Columbo im Einsatz gegen die Amerikaner". Natürlich, der Mann hat wohl wichtigeres zu tun. Leider muss man bei Herrn Steinmeier aber auch an die anschließende nicht mehr als laue Zusammenarbeit mit den europäischen Sonderermittlern erinnern. Nicht gerade ein Zückerchen auf dem Butterbrot einer möglichen Kanzlerkandidatur. Immerhin: Steinmeier erwägt unterdessen eine schärfere Überwachung des Flugverkehrs. Viele Planespotter werden ihm sehr gerne bei dieser Hercules-Aufgabe helfen.
Bei soviel Ahnungslosigkeit: Nun - es gilt sowohl die Unschulds- als auch die Dämlichkeitsvermutung. Wenigstens weiß man jetzt, wo die wahren Schläfer sitzen. Dies macht nicht gerade Mut, die noch immer stattfindenden Gefangenentransporte in Europa künftig verhindern zu können.
Quellen:
Report: State of Denial. Europe’s Role in Rendition and Secret Detention (amnesty.no, pdf, 24.06.2008)
Europäische Beteiligung an CIA-Verschleppungen
(glocalist.com, 25.06.2008)
Renditions: New report accuses governments of complicity in 'torture flights'
(amnesty.org.uk, 24.06.2008)
Shannon linked again to CIA 'Rendition' Flights
(inishtrahoull.blogspot.com, 24.06.2008)
Polish gov't denies NY Times report on CIA prisons
(wbj.pl, 25.06.2008)
Inside a 9/11 Mastermind’s Interrogation
(New York Times, 22.06.2008)
Soviet-era compound in northern Poland was site of secret CIA interrogation, detentions (rawstory.com, 07.03.2007)
Ex-BND-Chef Hanning: Erst 2005 von CIA-Gefangenenflügen erfahren
(Reuters, 26.06.2008)
Flüge in die Folter: Was wusste Steinmeier?
(Markenpost, 26.06.2008)
siehe auch:
Torture Plane Crew N54PA "resting at Shannon"?
(WCN, 19.06.2008)
USA versteckt Gefangene auch auf Kriegsschiffen
(WCN, 02.06.2008)
Gefangenentransporte nach Guantanamo wieder aufgenommen
(WCN, 14.03.2008)
464 CIA-Landungen in Deutschland (softlabhennef, 30.07.2006)
Dieser Artikel erschien erstmalig bei World Content News
sfux - 25. Jun, 22:32 Article 3208x read