Josef Joffe und das Gespenst des drohenden Todes der Tageszeitungen
Dr. Alexander von Paleske ---31.8. 2008 ---- Josef Joffe, Mit-Herausgeber der Wochenzeitschrift Die ZEIT ist um die Zeitungen und den Journalismus besorgt. In einem Artikel auf Seite 1 der ZEIT vom 14 August 2008 sieht er Schlimmes drohen: Das völlige Verschwinden der Tageszeitungen im Jahre 2048, wenn der jährliche Auflagenrückgang von 2% anhält. Internetzeitungen wie die Huffington Post und die Blogger macht er als die Totengräber aus. Was ist davon zu halten?
Zunächst einmal wäre dies ein Thema für ein Dossier, aber dort findet man in der gleichen Ausgabe stattdessen als „Dossier“ die Auslassungen des ehemaligen Aussenministers J. Fischer, jemand, den der verstorbene Journalist Günter Gaus als den grössten Opportunisten bezeichnete, den er je kennengelernt habe. Und, wie er sogleich hinzufügte, er würde eine ganze Reihe kennen. Ob derartige Fischer- Auslassungen wirklich Thema für ein Dossier sein sollten mag man mit Fug und Recht bezweifeln. Aber das soll nicht das Thema heute sein, sondern wir wollen uns den angeblichen oder wirklichen Gefahren für die Tageszeitungen und den Journalismus zuwenden.
Ein Blick zurück
Um den jetzigen Zustand der Tageszeitungen , und nur um die geht es hier, einschätzen zu können und deren zukünftige Entwicklung zu prognostizieren, müssen wir zunächst einen Blick zurück werfen.
Die Blütezeit der Tageszeitungen war sicherlich die Zeit vor der Einführung von Rundfunk und Fernsehen. Damals waren sie die wesentliche Nachrichtenquelle überhaupt. Der Transport und die Aufbereitung der Nachricht, die von den Journalisten aus der Fülle der Nachrichten ausgesondert wurde, sowie die Qualität der Kommentierung machten schliesslich die Qualität der Zeitung aus.
Hörfunk, Fernsehen und die Tageszeitungen
Das änderte sich ansatzweise schon mit dem Hörfunk, denn nunmehr trat ein weiteres Medium zum Transport der Nachrichten in Konkurrenz zu den Printmedien, insbesondere was die Aktualität betraf. Mit der Schnelligkeit des Hörfunks konnten die Tageszeitungen nicht konkurrieren.
Aber die Zeitungen hatten demgegenueber eine grössere Reichhaltigkeit zu bieten, sie konnte dataillierter und mit Bildern unterfüttert berichten, Hintergrundinformationen liefern und man konnte sie lesen, wann immer man Zeit dazu hatte.
Der nächste Konkurrent kam mit der Einführung des Fernsehens. Das Fernsehen lieferte nun lebendige Bilder, aber die Reichhaltigkeit und die Fülle der Informationen blieb weiterhin den Tageszeitungen vorbehalten., insbsondere auf dem Lokalsektor. Aber ein Teil der Einnahmen der Medien, nämlich das Anzeigengeschäft ging zurueck.
Nachrichtenagenturen nur fuer die Medien
Die Nachrichtenagenturen wie dpa, UPI, AP, AFP als Nachrichtenquellen waren den Medien exklusiv zugänglich. Die Nachrichten wurden per Funkfernschreiber über Kurzwelle, z.B. die Deutsche Presse Agentur über die Sender der DENA, verbreitet. Ausserhalb der Medien hatten nur wenige Funkamateure, wie der Verfasser, mit angeschlossener Funkfernschreibmaschine Zugang zu den Meldungen der Nachrichtenagenturen. Hinzu kamen die Berichte von Korrespondenten der Zeitungen über den Fernschreiber (Telex).
Durch den Exklusivzugang hatten alle Medien nicht nur die Auswahlmöglichkeit, sondern in gewisser Weise auch noch die Deutungshoheit und zwar sowohl über die Auswahl der Nachrichten, wie auch deren Platzierung und Kommentierung.
Unabhängiger Journalismus?
Aber hinter dem sogenannten unabhängigen Journalismus verbarg und verbirgt sich oftmals nichts anderes als Meinungsjournalismus.
Dieser Meinungsjournalismus zeigte sich in Deutschland am deutlichsten bei der Springer-Presse in den 60er, 70er und 80er Jahren. Springer dominierte in Hamburg und Berlin den Zeitungsmarkt und national war er mit der Bild-Zeitung mehr als präsent.
Das hässliche Gesicht des Meinungsjournalismus zeigte sich insbesondere bei dem Bekämpfen von Willy Brandts Ostpolitik und Verteufelung der Studentenbewegung. Dieser Aspekt fehlt völlig in Joffes Artikel. Zeitungen sind eben oftmals keine neutralen Medien sondern werden häufig in ihrer Ausrichtung von den Eigentümern/Verlegern und Herausgebern beeinflusst, wenn auch meistens nicht so krass, wie Axel Springer dies seinerzeit betrieben hatte.
Die Redakteure müssen sich vielfach unterordnen. Dies lässt sich auch ausserhalb Deutschlands in den Medien beobachten, ganz besonders in denen, die von Rupert Murdochs News Corporation beherrscht werden, also in Grossbritannien die SUN , NEWS OF THE WORLD und TIMES, in den USA die NEW YORK POST. Im Fernsehen in Grossbritannien sind es Sky und in den USA „Fox News“. Und Murdoch drängt nun auch auf den deutschen Markt .
Das Internet als Info-Demokratie
Mit dem Internet änderte sich alles. Keine Exklusivität der Medien mehr beim Zugang zu den Nachrichten und Nachrichtenagenturen. Alle Nachrichten sind nun, Internetanschluss vorausgesetzt, für jedermann frei zugänglich.Das Internet wurde zum zentralen Medium im Transport von Nachrichten schlechthin, unschlagbar in der Schnelligkeit, der Fülle der Information und der Reichhaltigkeit des Bildmaterials. Und die Verbreitung der Nachrichten , anders als bei Druckmedien, kostete nichts. Dies kann man mit Fug und Recht als eine Demokratisierung des Zugangs zu den Nachrichtenquellen bezeichnen.
Damit verloren die Tageszeitungen, die als alleiniger Nachrichtenträger mit der Einführung von Rundfunk und Fernsehen schon ein halbes Standbein eingebüsst hatten, jetzt die andere Hälfte.
Aber sie könnten mit der professionellen Aufbereitung von Nachrichten, den Kommentaren und Hintergrundinformationen und vor allem investigativem Journalismus mithalten.
Aber mit der Bloggerei und dem Bürgerjournalismus drohen ihnen auch Teile davon verloren zu gehen.
Gleichzeitig verringern sich auch die Haupteinnahmequellen für die Tageszeitungen: die Anzeigen beginnen ins Internet abzuwandern. Interessanterweise tauchen die Anzeigen, die ja gerade die Zeitungen finanzieren, - der Verkaufspreis einer Zeitung deckt nur einen Bruchteil- , bei Herrn Joffe überhaupt nicht auf. Die Zeiten, in denen, z.B. der STERN in den 70er Jahren, ohne Rücksicht auf seine Anzeigenkunden berichten konnte, weil es sich die Kunden nicht leisten konnten, nicht im STERN präsent zu sein, sind längst vorbei. Die Anzeigenkunden werden umworben, die Redaktionen müssen oftmals Rücksicht nehmen aus der Angst, sonst Anzeigenkunden zu verlieren.
Und eine weitere Konkurrenz trat auf den Plan: Die kostenlosen Anzeigenblätter.Anders als in Deutschland kommen diese z.B. in England vielfach bereits jeden Tag als kostenlose Tageszeitungen heraus, herausgebracht zum Teil von den Tageszeitungen selbst, um sich vorsorglich eine auswärtige Konkurrenz vom Leibe zu halten.
Kostensenkung statt Innovation
Die Antwort der Verleger bestand meistens in einer radikalen Zurechtstutzung des Redaktionsstabes. Ganze Redaktionen wurden ausgelagert bestimmte Teile der Zeitungen zentral versorgt, insbesondere der internationale Nachrichtenteil. Und immer mehr wird auf freie Journalisten zurückgegriffen, die zudem oftmals auch noch schlecht bezahlt werden.
Aber mit der Schrumpfung des Redaktionsstabes verlieren die Tageszeitungen die Vorteile, welche sie noch gegenüber dem Internet haben: Die professionelle Aufbereitung der Nachricht und der investigative Journalismus sowie das nicht alltägliche Interview. Denn mit der Beschränkung auf den reinen Kommentar und den unaufbereiteten Transport von Nachrichten haben sie keinerlei Standortvorteile gegenueber den Nachrichten und den Kommentarbloggern im Internet mehr.
So schaufeln die Verleger ihren Tageszeitungen selbst das Grab.
Statt Kostensenkung Neuausrichtung
Gefragt ist eine Neuausrichtung. Aber stattdessen: Kleineres Format. Statt Innovation: Kostensparen.
Korrespondenten werden abgezogen, die FAZ hatte einstmals zwei Korrespondenten im Afrika südlich der Sahara, heute ist es nur noch einer. Die Informationen werden aus dem Internet und von den Nachrichtenagenturen abgeschöpft.
Aber auch Herr Joffe muss sich das vorhalten lassen: Die ZEIT hat keinen Korrespondenten im Afrika südlich der Sahara mehr, seitdem Herr Grill nach Deutschland zurückgekehrt ist.
Stattdessen hat sie jetzt reisende Reporter wie Andrea Boehm, die heute hier und morgen dort ist. Ein stationärer Korrespondent, der dort verwurzelt ist, kann nur ungenügend durch einen „Besuchsreporter“ oder besser als „Brennpunktreporter“ bezeichnet, ersetzt werden. Aber es kommt billiger, und die Qualität sinkt.
Und so haben dann fast alle Zeitungen schliesslich selbst auch den Gang ins Internet angetreten, verspätet, in der Hoffnung, hier Boden gutzumachen. Aber hier hat sich mittlerweile der von Joffe beklagte Bürgerjournalismus breitgemacht.
Soll man den beklagen? Natürlich ist vieles, was sich Bürgerjournalismus nennt, nichts weiter als Stammtischgerede, es sind Bürger, aber keine Journalisten.
Der grösste Teil der Blogger sind „Kommentarblogger“ also Blogger, die kommentierend zu den Ereignissen und Nachrichten Stellung nehmen, einige unter ihnen, die abstruse Theorien konstruieren und dann natürlich die Blogs mit klarer politischer Ausrichtung, z.B. die Rechten auf Altermedia.
.
Weiter gibt es die Aquisitionsblogger, die Nachrichten und Kommentare von anderen Blogs und Nachrichtenagenturen zusammensammeln.
Es gibt jedoch auch den investigativen Bürgerjournalismus. Bürger, die ein Thema gründlich recherchieren, die auch selbst vor Ort recherchieren, oftmals gerade in Nischen tätig werden, die von den Medien vernachlässigt oder ignoriert werden.
Und längst haben jedenfalls die Zeitschriften wie der STERN begonnen, diesen Journalismus als kostenlosen Zubringerdienst für sich zu nutzen. Beim STERN sind es die „Tausendreporter“.
Aber auch die ZEIT veröffentlicht auf ihrer Internetpraesenz ZEIT-ONLINE Artikel von Lesern, der von Joffe beklagte Bürgerjournalismus im eigenen Haus. Ob Herr Joffe das nicht weiss?
Beim Bürgerjournalismus in der Form der Blogger wird sich im Laufe der Zeit die Spreu vom Weizen trennen. Blogs, die nichts Substantielles liefern, werden nicht besucht und dann von den Betreibern auch irgendwann eingestellt. Blogs, die investigative Beiträge bringen, professionell redigiert und auf Richtigkeit überprüft, werden sicher weiterbestehen.
Tod der Tageszeitungen im Jahre 2048?
Wird es also zum Tod der Tageszeitungen kommen?
Sicherlich nicht. Die Auflagen werden sinken, aber sich dann wohl auf niedrigerem Niveau stabilisieren. Auch im Jahre 2048 wird es sicherlich noch Zeitungen geben, allerdings wohl weniger Meinungs-sondern Qualitätsjournalismus und Journalisten, die investigativ tätig sind, die Zeit bekommen, einer Sache auf den Grund zu gehen und die sich nicht scheuen, auch Beitrage von Bürgerjournalisten zu drucken, sowenig wie sich professionelle Journalisten heute scheuen, bei Wikipedia nachzuschauen.
Aber Zeitungen, die einfach so weiterwursteln wollen, zu geringeren Kosten, mit abnehmender Qualität, die werden dann wohl verschwunden sein.
Der Autor ist leitender Arzt in Gaborone/Botswana, Ex Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M) und ehemaliger Amateurfunker (DL2DS)
Rupert Murdoch - Citizen Kane in der Aera der Globalisierung
Ein Bankenskandal, die Presse und Wikipedia
Zunächst einmal wäre dies ein Thema für ein Dossier, aber dort findet man in der gleichen Ausgabe stattdessen als „Dossier“ die Auslassungen des ehemaligen Aussenministers J. Fischer, jemand, den der verstorbene Journalist Günter Gaus als den grössten Opportunisten bezeichnete, den er je kennengelernt habe. Und, wie er sogleich hinzufügte, er würde eine ganze Reihe kennen. Ob derartige Fischer- Auslassungen wirklich Thema für ein Dossier sein sollten mag man mit Fug und Recht bezweifeln. Aber das soll nicht das Thema heute sein, sondern wir wollen uns den angeblichen oder wirklichen Gefahren für die Tageszeitungen und den Journalismus zuwenden.
Ein Blick zurück
Um den jetzigen Zustand der Tageszeitungen , und nur um die geht es hier, einschätzen zu können und deren zukünftige Entwicklung zu prognostizieren, müssen wir zunächst einen Blick zurück werfen.
Die Blütezeit der Tageszeitungen war sicherlich die Zeit vor der Einführung von Rundfunk und Fernsehen. Damals waren sie die wesentliche Nachrichtenquelle überhaupt. Der Transport und die Aufbereitung der Nachricht, die von den Journalisten aus der Fülle der Nachrichten ausgesondert wurde, sowie die Qualität der Kommentierung machten schliesslich die Qualität der Zeitung aus.
Hörfunk, Fernsehen und die Tageszeitungen
Das änderte sich ansatzweise schon mit dem Hörfunk, denn nunmehr trat ein weiteres Medium zum Transport der Nachrichten in Konkurrenz zu den Printmedien, insbesondere was die Aktualität betraf. Mit der Schnelligkeit des Hörfunks konnten die Tageszeitungen nicht konkurrieren.
Aber die Zeitungen hatten demgegenueber eine grössere Reichhaltigkeit zu bieten, sie konnte dataillierter und mit Bildern unterfüttert berichten, Hintergrundinformationen liefern und man konnte sie lesen, wann immer man Zeit dazu hatte.
Der nächste Konkurrent kam mit der Einführung des Fernsehens. Das Fernsehen lieferte nun lebendige Bilder, aber die Reichhaltigkeit und die Fülle der Informationen blieb weiterhin den Tageszeitungen vorbehalten., insbsondere auf dem Lokalsektor. Aber ein Teil der Einnahmen der Medien, nämlich das Anzeigengeschäft ging zurueck.
Nachrichtenagenturen nur fuer die Medien
Die Nachrichtenagenturen wie dpa, UPI, AP, AFP als Nachrichtenquellen waren den Medien exklusiv zugänglich. Die Nachrichten wurden per Funkfernschreiber über Kurzwelle, z.B. die Deutsche Presse Agentur über die Sender der DENA, verbreitet. Ausserhalb der Medien hatten nur wenige Funkamateure, wie der Verfasser, mit angeschlossener Funkfernschreibmaschine Zugang zu den Meldungen der Nachrichtenagenturen. Hinzu kamen die Berichte von Korrespondenten der Zeitungen über den Fernschreiber (Telex).
Durch den Exklusivzugang hatten alle Medien nicht nur die Auswahlmöglichkeit, sondern in gewisser Weise auch noch die Deutungshoheit und zwar sowohl über die Auswahl der Nachrichten, wie auch deren Platzierung und Kommentierung.
Unabhängiger Journalismus?
Aber hinter dem sogenannten unabhängigen Journalismus verbarg und verbirgt sich oftmals nichts anderes als Meinungsjournalismus.
Dieser Meinungsjournalismus zeigte sich in Deutschland am deutlichsten bei der Springer-Presse in den 60er, 70er und 80er Jahren. Springer dominierte in Hamburg und Berlin den Zeitungsmarkt und national war er mit der Bild-Zeitung mehr als präsent.
Das hässliche Gesicht des Meinungsjournalismus zeigte sich insbesondere bei dem Bekämpfen von Willy Brandts Ostpolitik und Verteufelung der Studentenbewegung. Dieser Aspekt fehlt völlig in Joffes Artikel. Zeitungen sind eben oftmals keine neutralen Medien sondern werden häufig in ihrer Ausrichtung von den Eigentümern/Verlegern und Herausgebern beeinflusst, wenn auch meistens nicht so krass, wie Axel Springer dies seinerzeit betrieben hatte.
Die Redakteure müssen sich vielfach unterordnen. Dies lässt sich auch ausserhalb Deutschlands in den Medien beobachten, ganz besonders in denen, die von Rupert Murdochs News Corporation beherrscht werden, also in Grossbritannien die SUN , NEWS OF THE WORLD und TIMES, in den USA die NEW YORK POST. Im Fernsehen in Grossbritannien sind es Sky und in den USA „Fox News“. Und Murdoch drängt nun auch auf den deutschen Markt .
Das Internet als Info-Demokratie
Mit dem Internet änderte sich alles. Keine Exklusivität der Medien mehr beim Zugang zu den Nachrichten und Nachrichtenagenturen. Alle Nachrichten sind nun, Internetanschluss vorausgesetzt, für jedermann frei zugänglich.Das Internet wurde zum zentralen Medium im Transport von Nachrichten schlechthin, unschlagbar in der Schnelligkeit, der Fülle der Information und der Reichhaltigkeit des Bildmaterials. Und die Verbreitung der Nachrichten , anders als bei Druckmedien, kostete nichts. Dies kann man mit Fug und Recht als eine Demokratisierung des Zugangs zu den Nachrichtenquellen bezeichnen.
Damit verloren die Tageszeitungen, die als alleiniger Nachrichtenträger mit der Einführung von Rundfunk und Fernsehen schon ein halbes Standbein eingebüsst hatten, jetzt die andere Hälfte.
Aber sie könnten mit der professionellen Aufbereitung von Nachrichten, den Kommentaren und Hintergrundinformationen und vor allem investigativem Journalismus mithalten.
Aber mit der Bloggerei und dem Bürgerjournalismus drohen ihnen auch Teile davon verloren zu gehen.
Gleichzeitig verringern sich auch die Haupteinnahmequellen für die Tageszeitungen: die Anzeigen beginnen ins Internet abzuwandern. Interessanterweise tauchen die Anzeigen, die ja gerade die Zeitungen finanzieren, - der Verkaufspreis einer Zeitung deckt nur einen Bruchteil- , bei Herrn Joffe überhaupt nicht auf. Die Zeiten, in denen, z.B. der STERN in den 70er Jahren, ohne Rücksicht auf seine Anzeigenkunden berichten konnte, weil es sich die Kunden nicht leisten konnten, nicht im STERN präsent zu sein, sind längst vorbei. Die Anzeigenkunden werden umworben, die Redaktionen müssen oftmals Rücksicht nehmen aus der Angst, sonst Anzeigenkunden zu verlieren.
Und eine weitere Konkurrenz trat auf den Plan: Die kostenlosen Anzeigenblätter.Anders als in Deutschland kommen diese z.B. in England vielfach bereits jeden Tag als kostenlose Tageszeitungen heraus, herausgebracht zum Teil von den Tageszeitungen selbst, um sich vorsorglich eine auswärtige Konkurrenz vom Leibe zu halten.
Kostensenkung statt Innovation
Die Antwort der Verleger bestand meistens in einer radikalen Zurechtstutzung des Redaktionsstabes. Ganze Redaktionen wurden ausgelagert bestimmte Teile der Zeitungen zentral versorgt, insbesondere der internationale Nachrichtenteil. Und immer mehr wird auf freie Journalisten zurückgegriffen, die zudem oftmals auch noch schlecht bezahlt werden.
Aber mit der Schrumpfung des Redaktionsstabes verlieren die Tageszeitungen die Vorteile, welche sie noch gegenüber dem Internet haben: Die professionelle Aufbereitung der Nachricht und der investigative Journalismus sowie das nicht alltägliche Interview. Denn mit der Beschränkung auf den reinen Kommentar und den unaufbereiteten Transport von Nachrichten haben sie keinerlei Standortvorteile gegenueber den Nachrichten und den Kommentarbloggern im Internet mehr.
So schaufeln die Verleger ihren Tageszeitungen selbst das Grab.
Statt Kostensenkung Neuausrichtung
Gefragt ist eine Neuausrichtung. Aber stattdessen: Kleineres Format. Statt Innovation: Kostensparen.
Korrespondenten werden abgezogen, die FAZ hatte einstmals zwei Korrespondenten im Afrika südlich der Sahara, heute ist es nur noch einer. Die Informationen werden aus dem Internet und von den Nachrichtenagenturen abgeschöpft.
Aber auch Herr Joffe muss sich das vorhalten lassen: Die ZEIT hat keinen Korrespondenten im Afrika südlich der Sahara mehr, seitdem Herr Grill nach Deutschland zurückgekehrt ist.
Stattdessen hat sie jetzt reisende Reporter wie Andrea Boehm, die heute hier und morgen dort ist. Ein stationärer Korrespondent, der dort verwurzelt ist, kann nur ungenügend durch einen „Besuchsreporter“ oder besser als „Brennpunktreporter“ bezeichnet, ersetzt werden. Aber es kommt billiger, und die Qualität sinkt.
Und so haben dann fast alle Zeitungen schliesslich selbst auch den Gang ins Internet angetreten, verspätet, in der Hoffnung, hier Boden gutzumachen. Aber hier hat sich mittlerweile der von Joffe beklagte Bürgerjournalismus breitgemacht.
Soll man den beklagen? Natürlich ist vieles, was sich Bürgerjournalismus nennt, nichts weiter als Stammtischgerede, es sind Bürger, aber keine Journalisten.
Der grösste Teil der Blogger sind „Kommentarblogger“ also Blogger, die kommentierend zu den Ereignissen und Nachrichten Stellung nehmen, einige unter ihnen, die abstruse Theorien konstruieren und dann natürlich die Blogs mit klarer politischer Ausrichtung, z.B. die Rechten auf Altermedia.
.
Weiter gibt es die Aquisitionsblogger, die Nachrichten und Kommentare von anderen Blogs und Nachrichtenagenturen zusammensammeln.
Es gibt jedoch auch den investigativen Bürgerjournalismus. Bürger, die ein Thema gründlich recherchieren, die auch selbst vor Ort recherchieren, oftmals gerade in Nischen tätig werden, die von den Medien vernachlässigt oder ignoriert werden.
Und längst haben jedenfalls die Zeitschriften wie der STERN begonnen, diesen Journalismus als kostenlosen Zubringerdienst für sich zu nutzen. Beim STERN sind es die „Tausendreporter“.
Aber auch die ZEIT veröffentlicht auf ihrer Internetpraesenz ZEIT-ONLINE Artikel von Lesern, der von Joffe beklagte Bürgerjournalismus im eigenen Haus. Ob Herr Joffe das nicht weiss?
Beim Bürgerjournalismus in der Form der Blogger wird sich im Laufe der Zeit die Spreu vom Weizen trennen. Blogs, die nichts Substantielles liefern, werden nicht besucht und dann von den Betreibern auch irgendwann eingestellt. Blogs, die investigative Beiträge bringen, professionell redigiert und auf Richtigkeit überprüft, werden sicher weiterbestehen.
Tod der Tageszeitungen im Jahre 2048?
Wird es also zum Tod der Tageszeitungen kommen?
Sicherlich nicht. Die Auflagen werden sinken, aber sich dann wohl auf niedrigerem Niveau stabilisieren. Auch im Jahre 2048 wird es sicherlich noch Zeitungen geben, allerdings wohl weniger Meinungs-sondern Qualitätsjournalismus und Journalisten, die investigativ tätig sind, die Zeit bekommen, einer Sache auf den Grund zu gehen und die sich nicht scheuen, auch Beitrage von Bürgerjournalisten zu drucken, sowenig wie sich professionelle Journalisten heute scheuen, bei Wikipedia nachzuschauen.
Aber Zeitungen, die einfach so weiterwursteln wollen, zu geringeren Kosten, mit abnehmender Qualität, die werden dann wohl verschwunden sein.
Der Autor ist leitender Arzt in Gaborone/Botswana, Ex Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M) und ehemaliger Amateurfunker (DL2DS)
Rupert Murdoch - Citizen Kane in der Aera der Globalisierung
Ein Bankenskandal, die Presse und Wikipedia
onlinedienst - 31. Aug, 22:48 Article 6622x read
Tod der Tageszeitungen
Ich habe diese Zeitung gelesen, weil ein Teil unserer Bevölkerung, die besitzende (herrschende) Klasse immer einen Informationsvorsprung genießen wollte und will. Wenn man sie "lesen" konnte, war man immer auf dem Laufenden !
Nach dem o. g. Datum ist diese Zeitung "gemainstreamt" worden auf eine unkritisch, einseitige US-Israelische Sichtweise, so daß es unerträglich wurde sie weiter zu lesen !
Wen wunderts dann, wenn keiner mehr (ich halte mich in meiner Ausdruckweise zurück) so etwas käuft.
Das gilt für die meisten anderen Zeitungen ebenfalls.
Die kritischen Spiegelzeiten, die die alte BRD noch aufwallend beeinflussen konnten sind gestorben.
Wir bekommen nur noch Persil vorgesetzt.