Finanzkrise – Verhalten wider die eigenen Regeln?
Daniel Mullis - Was mit dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes im Frühjahr 2007 begann, hat sich zu einer der grössten Krisen der Finanzwelt aufgeblasen. Grosse und renommierte Bankenhäuser mussten Abschreibungen in Milliardenhöhe hinnehmen oder brachen teilweise aus Mangel an Kapital gar zusammen. Im Verlauf der letzten Woche spitzte sich die Lage derart zu, dass ein Kollaps des gesamten US- Finanzsektors drohte. Daraufhin sah sich der US Amerikanische Staat genötigt, vehement einzugreifen. Nach Rettungsaktionen vereinzelter Banken- und Versicherungshäuser während den letzten Monaten, hat nun die US Notenbank bekannt gegeben, dass ein Rettungspaket im Rahmen von mehreren hundert Milliarden Dollar geschnürt werde.
Mit den bereitgestellten Geldern sollen marode Kredite aufgekauft werden, um so die Situation zu beruhigen. Damit belaufen sich die Finanzspritzen des amerikanischen Staates, welche im Verlauf der jüngsten Finanzkrise ausgeschüttet wurden, auf über 1000 Milliarde Dollar.
Fachleute gehen davon aus, dass die Verschuldung des Staates lediglich über Steuererhöhungen und Leistungsabbau zu kompensieren sein werde. Letztlich werden also die SteuerzahlerInnen für die Versäumnisse der DirektorInnen der Finanzwelt bezahlen.
Die Doktrin des Washingtoner Consensus
Aussergewöhnlich ist nicht nur die Summe, die in die maroden Finanzhäuser gepumpt wird, sondern auch, dass es überhaupt passiert. Denn über Jahrzehnte hinweg haben ÖkonomInnen der klassischen Schule die Nichteinmischung des Staates, Privatisierung und Liberalisierung gepredigt. Dies nicht zuletzt mit der Begründung, dass staatliche Kontrolle zu Ineffizienz und Fehlplanungen führe.
Diese Doktrin war auch Leitlinie der neoliberalen Wirtschaftsdoktrin der letzten Jahrzehnte. Mit dem Washingtoner Consensus wurde 1990 in Washington D.C. ein Programm festgehalten, welches fortan als Grundlage für die Interventionen der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) dienen sollte. Aufstrebende Wirtschaftsnationen und Entwicklungsländer, welche Mittel von den genannten Institutionen beanspruchten, wurden unter das Diktat des neuen Paradigmas gestellt.
Prägende Schlagworte der verlangten Anpassungen waren und sind Haushaltsdisziplin, Steuerreform zur Senkung der Steuersätze, Liberalisierung der Handelspolitik, Privatisierung sowie Deregulierung und Entbürokratisierung. Die Anpassungen an die westlichen Wirtschaftsleitlinien folgten in vielen Fällen eher widerwillig, wie dies von Joseph Stiglitz, seinerzeit Direktor der Weltbank, in seinem Buch „Die Schatten der Globalisierung“ (2002) eindrücklich beschrieben wird.
Nur ein Beispiel unter vielen
Die Anpassungen führten zur verlangten Öffnung der Märkte für ausländische Investoren. Die Folge war der Ausverkauf gut funktionierender staatlicher Betriebe an gewinnorientierte westliche Finanzinstitute, sodass der Gewinn nicht nur privatisiert wurde, sondern auch ins Ausland abfloss. Argentinien, um nur ein Beispiel zu nennen, erlebte unter der Regierung des Peronisten Carlos Menem einen Totalausverkauf der staatlichen Infrastruktur zu lachhaft tiefen Preisen.
Die Situation gekoppelt mit der enormen Staatsverschuldung gegenüber dem IWF führte schliesslich im Dezember 2001 zur Hyperinflation und dem Totalzusammenbruch. Der Staat musste Bankrott anmelden und tausende KleinanlegerInnen verloren ihr gesamtes Vermögen. Lange Zeit Begünstigte waren amerikanische und europäische Finanzinstitute, welche auf Kosten der Krise enorme Gewinne verbuchen konnten.
Verschiebung des Gewichts
Jahrelang hat also die bestehende Doktrin dem US Amerikanischen und Europäischen Kapital den Einstieg in die aufstrebenden Märkte gesichert - der Neoliberalismus war Garant des eigenen Machtanspruches. Die Gewinne aus dem Ausland vertuschten zudem die Tatsache, dass die Amerikanische Aussenhandelsbilanz ins Bodenlose rasselte. 2007 verbuchte die USA ein Defizit von 711,6 Mrd. US$, dies obwohl auch die Exportzahlen eine neuen Rekordwert erreichten (1621,6 Mrd. US$).
China hingegen konnte im selben Jahr eine positive Aussenbilanz bekannt geben und verbuchte ein sattes Plus von 262 Mrd. US$. Die enormen Überschüsse, welche gerade die asiatischen Staaten durch ihren Status als Produktionsstätten des Westens, aber auch die ölreichen Länder scheffeln konnten, schüttelten in jüngster Zeit das finanzielle Machtverhältnis tüchtig durch. Für Aufsehen sorgte die Rettung der UBS, die mit Hilfe eines anonymen Investors aus dem Nahen Osten und dem singapurischen Staatsfonds GIC rekapitalisiert wurde. Für Unruhe sorgt aber auch das Engagement von chinesischen Staatsfonds in afrikanischen Ländern, um sich dort Ölreserven zu sichern. Kurz: die kapitalbezogene Gewichtsverteilung hat sich verschoben und dies führt zusätzlich zu Unruhe in den ehemalig unangefochtenen Machtzentren.
Mit dem Einstieg neuer Akteure hat auch die Dominanz von IWF und Weltbank und somit auch die Doktrin des Washingtoner Consensus an Gewicht verloren. Obwohl schon früher offensichtlich klar wurde, dass die Doktrin in erster Linie die Interessen der westlichen Finanzwelt bedient, dürfte nun wohl genau dort die Krux liegen. Die totale Liberalsierung, welche von den westlichen Ländern vorangetrieben wurde, hat die spezielle Situation hervorgebracht, dass die Exportstaaten massiv Kapital gewonnen haben und nun selbst als Investoren auftreten können. Die alten politischen Machtzentren müssen so ernsthaft um ihren Einfluss bangen.
Rettungspaket als nationaler Befreiungsschlag
In der momentanen amerikanischen Finanzkrise steht so also nicht nur die heimische Wirtschaft auf dem Spiel, sondern auch der hegemoniale Anspruch der USA. Letztlich baut der amerikanische Staat auf seinem Finanzwesen auf, dies macht die negative Aussenhandelsbilanz nur allzu deutlich. Sollten nun Investoren aus Nahost oder Asien als Financiers einspringen, würde das Finanzwesen aus der eigenen direkten Einflusssphäre verschwinden und damit auch die Möglichkeiten der direkten Kontrolle.
Auch wenn die USA dies nicht zugeben werden, bedeutet ihr Verhalten nicht nur der Bankrott des amerikanischen Finanzwesens, sondern auch das Ende der totalen Liberalisierungsbestrebungen –zumindest wenn es um die eigenen Interessen geht, heisst es jetzt endgültig wieder „Zurück zum Protektionismus“. Liberalisierungen werden wohl nur noch dann gefordert, wenn die Einflussnahme durch westliche Institute als gesichert gilt oder es der eigenen Machtpolitik dient. Zu risikoreich wäre der Verlust der Kontrolle für den amerikanischen und europäischen Hegemonialanspruch.
Monokausale Erklärungen sind natürlich viel zu einfach um solch eine Krise und deren Lösungen zu beschreiben. Gerade deshalb dürften, neben der handfesten Sorge um den Kollaps des gesamten Finanzsektors, auch protektionistische Beweggründe die Grundlage der nie dagewesen Rettungsaktion des US Amerikanischen Staates sein. Dass damit auch die eigene Doktrin der vergangenen Jahre unterwandert wird, dürfte Anbetracht der Verschiebungen des Finanzgewichtes den Verantwortlichen gar nicht so ungelegen kommen.
Dieser Artikel erschien erstmalig bei ContaInfo
Mit den bereitgestellten Geldern sollen marode Kredite aufgekauft werden, um so die Situation zu beruhigen. Damit belaufen sich die Finanzspritzen des amerikanischen Staates, welche im Verlauf der jüngsten Finanzkrise ausgeschüttet wurden, auf über 1000 Milliarde Dollar.
Fachleute gehen davon aus, dass die Verschuldung des Staates lediglich über Steuererhöhungen und Leistungsabbau zu kompensieren sein werde. Letztlich werden also die SteuerzahlerInnen für die Versäumnisse der DirektorInnen der Finanzwelt bezahlen.
Die Doktrin des Washingtoner Consensus
Aussergewöhnlich ist nicht nur die Summe, die in die maroden Finanzhäuser gepumpt wird, sondern auch, dass es überhaupt passiert. Denn über Jahrzehnte hinweg haben ÖkonomInnen der klassischen Schule die Nichteinmischung des Staates, Privatisierung und Liberalisierung gepredigt. Dies nicht zuletzt mit der Begründung, dass staatliche Kontrolle zu Ineffizienz und Fehlplanungen führe.
Diese Doktrin war auch Leitlinie der neoliberalen Wirtschaftsdoktrin der letzten Jahrzehnte. Mit dem Washingtoner Consensus wurde 1990 in Washington D.C. ein Programm festgehalten, welches fortan als Grundlage für die Interventionen der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) dienen sollte. Aufstrebende Wirtschaftsnationen und Entwicklungsländer, welche Mittel von den genannten Institutionen beanspruchten, wurden unter das Diktat des neuen Paradigmas gestellt.
Prägende Schlagworte der verlangten Anpassungen waren und sind Haushaltsdisziplin, Steuerreform zur Senkung der Steuersätze, Liberalisierung der Handelspolitik, Privatisierung sowie Deregulierung und Entbürokratisierung. Die Anpassungen an die westlichen Wirtschaftsleitlinien folgten in vielen Fällen eher widerwillig, wie dies von Joseph Stiglitz, seinerzeit Direktor der Weltbank, in seinem Buch „Die Schatten der Globalisierung“ (2002) eindrücklich beschrieben wird.
Nur ein Beispiel unter vielen
Die Anpassungen führten zur verlangten Öffnung der Märkte für ausländische Investoren. Die Folge war der Ausverkauf gut funktionierender staatlicher Betriebe an gewinnorientierte westliche Finanzinstitute, sodass der Gewinn nicht nur privatisiert wurde, sondern auch ins Ausland abfloss. Argentinien, um nur ein Beispiel zu nennen, erlebte unter der Regierung des Peronisten Carlos Menem einen Totalausverkauf der staatlichen Infrastruktur zu lachhaft tiefen Preisen.
Die Situation gekoppelt mit der enormen Staatsverschuldung gegenüber dem IWF führte schliesslich im Dezember 2001 zur Hyperinflation und dem Totalzusammenbruch. Der Staat musste Bankrott anmelden und tausende KleinanlegerInnen verloren ihr gesamtes Vermögen. Lange Zeit Begünstigte waren amerikanische und europäische Finanzinstitute, welche auf Kosten der Krise enorme Gewinne verbuchen konnten.
Verschiebung des Gewichts
Jahrelang hat also die bestehende Doktrin dem US Amerikanischen und Europäischen Kapital den Einstieg in die aufstrebenden Märkte gesichert - der Neoliberalismus war Garant des eigenen Machtanspruches. Die Gewinne aus dem Ausland vertuschten zudem die Tatsache, dass die Amerikanische Aussenhandelsbilanz ins Bodenlose rasselte. 2007 verbuchte die USA ein Defizit von 711,6 Mrd. US$, dies obwohl auch die Exportzahlen eine neuen Rekordwert erreichten (1621,6 Mrd. US$).
China hingegen konnte im selben Jahr eine positive Aussenbilanz bekannt geben und verbuchte ein sattes Plus von 262 Mrd. US$. Die enormen Überschüsse, welche gerade die asiatischen Staaten durch ihren Status als Produktionsstätten des Westens, aber auch die ölreichen Länder scheffeln konnten, schüttelten in jüngster Zeit das finanzielle Machtverhältnis tüchtig durch. Für Aufsehen sorgte die Rettung der UBS, die mit Hilfe eines anonymen Investors aus dem Nahen Osten und dem singapurischen Staatsfonds GIC rekapitalisiert wurde. Für Unruhe sorgt aber auch das Engagement von chinesischen Staatsfonds in afrikanischen Ländern, um sich dort Ölreserven zu sichern. Kurz: die kapitalbezogene Gewichtsverteilung hat sich verschoben und dies führt zusätzlich zu Unruhe in den ehemalig unangefochtenen Machtzentren.
Mit dem Einstieg neuer Akteure hat auch die Dominanz von IWF und Weltbank und somit auch die Doktrin des Washingtoner Consensus an Gewicht verloren. Obwohl schon früher offensichtlich klar wurde, dass die Doktrin in erster Linie die Interessen der westlichen Finanzwelt bedient, dürfte nun wohl genau dort die Krux liegen. Die totale Liberalsierung, welche von den westlichen Ländern vorangetrieben wurde, hat die spezielle Situation hervorgebracht, dass die Exportstaaten massiv Kapital gewonnen haben und nun selbst als Investoren auftreten können. Die alten politischen Machtzentren müssen so ernsthaft um ihren Einfluss bangen.
Rettungspaket als nationaler Befreiungsschlag
In der momentanen amerikanischen Finanzkrise steht so also nicht nur die heimische Wirtschaft auf dem Spiel, sondern auch der hegemoniale Anspruch der USA. Letztlich baut der amerikanische Staat auf seinem Finanzwesen auf, dies macht die negative Aussenhandelsbilanz nur allzu deutlich. Sollten nun Investoren aus Nahost oder Asien als Financiers einspringen, würde das Finanzwesen aus der eigenen direkten Einflusssphäre verschwinden und damit auch die Möglichkeiten der direkten Kontrolle.
Auch wenn die USA dies nicht zugeben werden, bedeutet ihr Verhalten nicht nur der Bankrott des amerikanischen Finanzwesens, sondern auch das Ende der totalen Liberalisierungsbestrebungen –zumindest wenn es um die eigenen Interessen geht, heisst es jetzt endgültig wieder „Zurück zum Protektionismus“. Liberalisierungen werden wohl nur noch dann gefordert, wenn die Einflussnahme durch westliche Institute als gesichert gilt oder es der eigenen Machtpolitik dient. Zu risikoreich wäre der Verlust der Kontrolle für den amerikanischen und europäischen Hegemonialanspruch.
Monokausale Erklärungen sind natürlich viel zu einfach um solch eine Krise und deren Lösungen zu beschreiben. Gerade deshalb dürften, neben der handfesten Sorge um den Kollaps des gesamten Finanzsektors, auch protektionistische Beweggründe die Grundlage der nie dagewesen Rettungsaktion des US Amerikanischen Staates sein. Dass damit auch die eigene Doktrin der vergangenen Jahre unterwandert wird, dürfte Anbetracht der Verschiebungen des Finanzgewichtes den Verantwortlichen gar nicht so ungelegen kommen.
Dieser Artikel erschien erstmalig bei ContaInfo
contrainfo - 20. Sep, 21:08 Article 2301x read
USSA
Der niederländischen Tulpenzwiebel-Hausse oder besser -Manie entspricht heute der von Krediten abgeleitete Derivate-Manie, welche - finanzmathematisch - Subprime- Kredite zu AAA-Papieren aufhübschen sollte. Dieses Unterfangen ist an der Tatsache gescheitert, dass der Preis des ursprünglichen Underlying, nämlich Immobilien, nicht ewig gestiegen ist.
Die Gefährlichkeit der jetzigen Situation besteht darin, dass selbst die Akteure nicht wissen, wie der Giftmüll (toxic waste) bewertet werden kann, der in den Büchern ist. Aus diesem Grung trauen sich die Banken nicht mehr gegenseitig über den Weg, was zu einer Liquiditätsklemme geführt hat, die ihre Fortsetzung in einer - für die reale Wirtschaft - substantiellen Kreditklemme finden wird.
Im Übrigen werden bis an den Hals verschuldete Verbraucher oder Unternehmen von vom Staat, ergo Steuerzahler, entschuldeten Banken sowieso keine Kredite bekommen, was den wirtschaftlichen Sinn eines Bailouts einer maßlosen Finanzelite zusätzlich infrage stellt.
Wer, wie die Verantwortlichen, Schulden macht, der soll sparen. Auf Chemnitzer Hartz-VI-Niveau.
Solche Leute sollten von dem leben, was sie ihren Opfern zumuten.
Der Kapitalismus in seiner Gier, der verreckt jetzt hier.
Genug mit dem neoliberalen Terror!