Streit, Abwahl und Erfolg – die SVP ein Jahr nach Oktober 2007
Daniel Mullis - Im Oktober des letzten Jahres wurde in der Schweiz National- und Ständerat - die beiden Kammern der Legislative - neu gewählt. Der vor allem durch die rechtskonservative Schweizer Volkspartei (SVP) äusserst polarisierende Wahlkampf, der in der Schweiz an Härte keinen Vergleich findet, erhitzte die Gemüter deutlich. Abgerissene Wahlwerbung, verbale Attacken und massive Ausschreitungen bei Gegenveranstaltungen zu SVP- Wahlveranstaltungen prägten die Wochen vor den Wahlen. Schliesslich gewann die SVP deutlich und konnte ihre Position als stärkste Partei nochmals ausbauen. Jedoch, nach den Wahlen stürzte die SVP in eine tiefe Krise, welche bis heute für politische Turbulenzen sorgt, Zeit also für eine Rückschau.
Polemik, Rassismus, Ausschreitungen – Wahlkampf 2007
Kurz vor den Wahlen hatte die SVP ihre Initiative zur Abschiebung von kriminellen AusländerInnen lanciert. Mit Plakaten, die nur mit gutem Willen nicht als rassistisch beurteilt werden können, sorgte die Partei für das nötige Medienecho, das weit über die Landesgrenze hinaus hallen sollte. Das betreffende Plakat, dessen Sujet von einer Ortsgruppe der NPD übernommen wurde, zeigte drei weisse Schafe, welche ein schwarzes von der Schweizer Fahne treten. Die Kampagne schlug derart hohe Wellen, dass der UNO- Rassismusberichterstatter beim Bundesrat vorstellig wurde. Die ausländische Presse blickte ab der massiven und von rassistischen Untertönen geprägten Kampagne mit Befremden auf die Schweiz. Der britische „The Independent“ beispielsweise titelte am 7. September 2007 auf der Frontseite „Switzerland: Europe’s heart of darkness?“ und griff dabei die SVP Schäfchen- Kampagne auf.
In dieser bereits aufgeheizten Stimmung spitzte die SVP den Wahlkampf mit der Fokussierung auf ihren Bundesrat (Minister) Christoph Blocher weiter zu. Pascal Couchepin, Bundesrat der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP), verglich den Wahlkampf der SVP mit Nazi-Kampagnen der 1930er- Jahre und betonte mit Anspielung auf Christoph Blocher, dass die Schweiz keinen Duce brauche.
Krawalle in Bern gegend den Aufmarsch der SVP
Wo die SVP in grösseren Städten auftrat, kam es zu Gegenveranstaltungen. Am 18. September eskalierte eine Demonstration gegen den Besuch von Bundesrat Blocher in Lausanne und Autonome lieferten sich mit der Polizei eine heftige Strassenschacht. Doch die SVP suchte die Provokation weiter und rief für den 6. Oktober zum „Marsch auf Bern“. Nicht weniger politisch angeheizt mobilisierten linke Gruppierungen unter dem Motto „No Pasaran – Halt stand, Schwarz- Rotes Bern“ zur Blockade des SVP- Aufmarsches. Bern erlebte an diesem Wochenende die schwersten Ausschreitungen seit Jahren. Brennende Barrikaden in der Altstadt und die komplett zerstörte Festanlage der SVP auf dem Bundesplatz waren die beklemmenden Resultate und tragische Folge eines deutlich überbordeten Wahlkampfes.
Wahlen - der 21. Oktober 2007
Die SVP konnte ihre Funktion als WählerInnen stärkste Partei ausbauen und vereinte nun 31 Prozent der Stimmen auf sich, was einen weiteren Zuwachs von 3.5 Prozent bedeutete. Verbunden mit dem Einbruch der zweitstärksten Partei, den SozialdemokratInnen (SP), um 4.5 Prozent auf 21.5 Prozent, und einer allgemeinen Stärkung der eher konservativen Mitteparteien war das Verdikt deutlich – die Schweiz hatte einen weiteren veritablen Rechtsrutsch durchgemacht.
Doch der Wahlerfolg der SVP sollte vorerst einer der letzten grossen Glanzpunkte sein. Ähnlich wie sich auch in Österreich die Rechtsaussenpartei FPÖ gespalten hatte, bahnte sich bei der SVP ein tiefgreifender Konflikt an. Alte Grabenkämpfe zwischen dem eher jüngeren, weit rechts stehenden und wirtschaftsfreundlichen Zürcher Flügel der Partei, welcher massgeblich durch Christoph Blocher geformt worden war und gemässigteren Exponenten, welche in der Tradition der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) und der Demokratischen Partei (DP) stehen, die 1971 in der SVP aufgingen, brachen auf. Parteiintern wurden Stimmen laut, dass eine Rückebesinnung auf die „Schweizer Werte“ Anstand und Respekt angebracht seien und dass der eigene Konfrontationskurs überdacht werden müsse. Der Streit eskalierte dann aber endgültig mit der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat am 12. Dezember 2007.
Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher
Christoph Blocher hatte in seiner Amtszeit nicht nur im Wahlkampf polemisiert. Mit seiner schroffen und des Öfteren auch selbstherrlichen Art, hatte er oft angeeckt. Dies nicht zuletzt auch, weil er das Kollegialtätsprinzip des Bundesrates immer wieder umging und missachtete. Teilweise überschritt er seine Kompetenzen auch gänzlich. So etwa bei einem Staatsbesuch in Ankara im Oktober 2006, als er das Schweizerische Antirassismusgesetz, mit welchem er schon selbst in Konflikt gekommen war, offen in Frage stellte. Aber auch die Affäre um den Abgang von Bundesanwalt Valentin Roschacher, welche mit dem Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates im September 2007 aufflammte, warf erneut Fragen über Blochers Schalten und Walten als Bundesrat auf.
So war es kein Geheimnis, dass gewisse Parteien an seinem Stuhl sägen würden, sollte sich die Gelegenheit bieten. Schon im Wahlkampf hatte deshalb die SVP die Parole gefasst „Blocher stärken! SVP wählen!“. Grund dafür war die Sorge um einen viel zitierten Geheimplan, der von SP, Grüne und Teilen von CVP (Christlichdemokratische Volkspartei) und FDP lanciert worden sei, um die Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher einzuleiten, so die Argumentation einer Pressemitteilung vom 27. August 2007. Sollte das Szenario dennoch eintreten, drohte die SVP mit der Aufkündigung der Konkordanz und dem Gang in die Opposition, was für die politische Schweiz eine völlig neue Situation bedeuten würde.
Eveline Widmer-Schlumpf wird vereidigt
Dennoch kam es am 12. Dezember 2007 zur Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat. Stattdessen wurde eine durch die SP und CVP vorbereitete Sprengkandidatin Eveline Widmer-Schlumpf, zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der SVP, gegen die Stimmen der SVP ins Amt gewählt. Für die erfolgsverwöhnte SVP bedeutet dies einen ungewohnt harten Schlag und stellte die Partei vor die innere Zerreisprobe.
Innerparteiisch stand die neue Bundesrätin massiv in der Kritik und auch der zweite Bundesrat der SVP Samuel Schmid - der schon früher nur als halber SVP-Bundesrat bezeichnet worden war - musste massiv Kritik einstecken, weil er gegen die Weisungen der Partei die Wahl zum Bundesrat angenommen hatte, bevor die Wahl von Christoph Blocher durch war.
Gleichschaltung als Reaktion
Wie schon angesprochen, waren bereits vor den Bundesratswahlen vom 12. Dezember intern Konflikte aufgebrannt. Die Parteileitung begann einen harten Kurs gegen jene Mitglieder zu fahren, welche sich nicht vollumfänglich hinter die Interessen der Partei stellten. Innerparteiisch brodelte es enorm und viele der VertreterInnen einer traditionellen SVP-Linie empfanden es als Affront, als Brigitta Gadient und Hansjörg Hassler aus der Bünder SVP wegen Misstrauen und mangelnder Linientreue die Ämter in zwei wichtigen Kommissionen nicht übernehmen durften.
Diese Tendenz zur Kontrolle verschärfte sich nach der Abwahl Christoph Blochers noch einmal. Denn nicht alle Mitglieder der SVP- Fraktion waren mit dem Entscheid der Parteileitung einig, die beiden seit dem 12. Dezember im Amt stehenden noch SVP- Bundesräte Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf aus der Fraktion auszuschliessen. Die Parteileitung reagierte darauf mit einem Ultimatum, nach welchem sich alle SVP-ParlamentarierInnen per Unterschrift zur Fraktion bekennen sollten. Nach heftiger Kritik verzichtete die Parteileitung dann doch auf diesen Schritt. Dennoch zog der Konflikt weitere Kreise und spitzte sich intern derart zu, dass in einem Interview gegenüber der Berner Zeitung (BZ) im Februar 2008 der SVP-Fraktionspräsident der Berner Kantonalregierung der Mutterpartei „Braune Tendenzen“ und „Gleichschaltung“ vorwarf.
Der Gang in die Opposition
Um an Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, vollzog die SVP also den Gang in die Opposition. Um dies aber auch wirklich umsetzen zu können, mussten die beiden offiziell noch SVP- Bundesräte aus der Partei ausgeschlossen werden. Als erste Massnahme wurde im März 2008 an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz offiziell der Ausschluss der beiden Bundesräte Widmer- Schlumpf und Schmid bestätigt.
Doch die Parteileitung wollte mehr, sie forderte den Austritt der „Verräterin“ Eveline Widmer- Schlumpf aus der Partei. Schmids verhalten wurde zwar nicht gebilligt, der Parteiausschluss jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mit aller Härte gefordert. Er kam dann der Diskussion mit seinem Parteiwechsel zur neu gegründeten Bürgerlich Demokratischen Partei (BDP) ohnehin zuvor.
Bezüglich Widmer- Schlumpf stand die Partei vor dem Problem, dass die Nationale Parteileitung die Befugnis zum Ausschluss von Mitgliedern nicht hat – diese liegt im Kompetenzbereich der Kantonalsektionen – weshalb ein Ultimatum formuliert wurde. Bundesrätin Widmer- Schlumpf habe bis zum 11. April 2008 freiwillig aus der Partei auszutreten, ansonsten würde die ganze Kantonalsektion Graubünden ausgeschlossen, sofern nicht diese ihre Bundesrätin bis zum 30. April ausschliesse. Beide Ultimaten verstrichen und so schloss am 1. Juni 2008 der Zentralvorstand der Mutterpartei die Bündner Sektion mit 81 zu 5 Stimmen aus.
Realpolitisch blieb die SVP in der Opposition bis anhin handzahm und vermochte es nicht wirklich Akzente zu setzen, was sie aber nicht daran hindert ihre Position medial äusserst geschickt auszuschlachten. So gelingt es ihr immer wieder sich taktisch gut zu positionieren und für Wirbel zu sorgen. Die jüngsten Pannen im Verteidigungsdepartement und Fehler der Armeeführung, welche nicht zuletzt zu Lasten ihres ehemaligen Bundesrat Samuel Schmid, Vorsteher des Eidg. Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), gehen, sind für die Parteistrategen ein gefundenes Fressen. Mit harten Attacken gegen Samuel Schmid spielt sich die SVP selbst immer wieder Steilpässe zu, sodass der frühere Präsident der SVP Schweiz, Ueli Maurer, in einem Interview mit dem „Sonntags-Blick“ am letzten Wochenende unverhohlen zugab, „dass es schön wäre, wenn wir Schmids Unfähigkeit noch ein, zwei Jahre kritisieren könnten“.
Die Partei lebt von ihrem Image und weniger von ihren realpolitischen Errungenschaften. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass bei einer sich abzeichnenden Ersatzwahl in den Bundesrat, erneut Alt- Bundesrat Christoph Blocher lanciert werden soll, dies trotz der offensichtlichen Chancenlosigkeit. Der Politologe Michael Herrmann geht davon aus, dass die SVP langfristig ein Systemwechsel der Schweizer Politik anstrebe, wie er gegenüber „.ch“ ausführte. Nach den Wahlen 2011 soll mit der Konkordanz endgültig gebrochen werden und ein mit Deutschland vergleichbares politisches System aufgebaut werden, indem die stärkste Partei eventuell noch mit einer Qualitionspartnerin die Regierung stellen würde. Dies ist aber gemäss Herrmann nur dann möglich wenn die SVP Christoph Blocher zum “Märtyrer“ stilisiere, um anschliessend die Wahlen erneut mit Blocher als Galionsfigur deutlich zu gewinnen.
Ob die Strategie aufgehen wird, wird sich zeigen. Kommentatoren betrachten die Erfolgsaussichten kritischer als die Parteistrategen. Philipp Löpfe betont in seiner Analyse im „Tagesanzeiger“ vom 4. Juni 2008, dass die Formel „Fremdenphobie plus Neoliberalismus“ ihre Wirkung zu verlieren scheine. Insofern stellt er der nun aus der SVP heraus erwachsenen neuen BDP durchaus Erfolge in Aussicht, denn wenn es den Abtrünnigen gelinge, eine SVP nach dem Vorbild der englischen Tories zu gestalten, einer Partei, die bürgerlich-konservativ politisiere, aber auch das Gemeinwesen und die Umwelt nicht aus den Augen verliere, würde es für die SVP gefährlich.
Die Spaltung der Partei als Konsequenz
Die internen Zustände der SVP und der wachsende Druck auf die nicht der Zürcher Linie folgenden Mitglieder und Sektionen führte schliesslich zu Abspaltungen aus der SVP. Hardliner innerhalb der Partei begrüssten die Entwicklung als längst anstehende Flurbereinigung, ohne dabei auf die möglichen Risiken für die Stammpartei zu achten. Toni Brunner, Nachfolger von Ueli Maurer als Parteipräsident, betonte anlässlich der Delegiertenversammlung im März 2008, dass, wer grundsätzlich Mühe mit der Politik der SVP habe, sich überlegen sollte, ob er heute in der richtigen Partei sei.
Gut drei Monate nach der Delegiertenversammlung wurde der wachsende Druck der Mutterpartei umgesetzt, die Drohungen wahr gemacht und die gesamte Bündner Sektion der SVP ausgeschlossen. Dies war gleichfalls die Grundsteinlegung der BDP, welche als Reaktion auf den Parteirauswurf durch die ehemaligen Mitglieder der SVP Graubünden gegründet wurde. Es folgten Abspaltungen im Kanton Glarus und im zum Zürcher Flügel traditionell oppositionellen Bern. Ende April stiess die Sektion Thurgau als vierte Kantonalpartei hinzu.
Ob die neue gegründete Partei, welche nach dem Übertritt von Samuel Schmid zwei Bundesräte in den eigenen Reihen weiss, sich einen festen Platz in der Politik sichern wird, bleibt schwierig abzuschätzen. Doch könnte die neue Partei der SVP die Suppe durchaus versalzen.
SVP oder BDP - der Haupterfolg liegt jenseits des Konfliktes
Margret Thatcher zählt den Wandel der britischen Labourpartei hin zu „New Labour“ zu ihren grossen Erfolgen. Analog dazu dürften auch die Erfolge der Führungselite der SVP nicht in erster Linie bei der Entwicklung der Partei selbst zu verorten sein, obwohl die realen Erfolge beachtlich sind. Der grosse Erfolg liegt in der politischen Signalwirkung ihres Handelns, welches weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus weist.
So sind im Soge des Populismus der SVP die traditionellen Mitteparteien weit nach rechts gerutscht und auch innerhalb der Sozialdemokratie werden sonst klassische SVP- Themen zunehmend unkritisch angegangen. Beispiel hierfür ist das aktuell debattierte Sicherheitspapier der SP, das in Ton und Ausgestaltung der Lösungsvorschläge stark an die Rhetorik der SVP erinnert. Insofern hat die SVP mit ihrer oftmals rassistischen und unsachlichen Polemik viel dazu beigetragen, dass die ganze politische Landschaft der Schweiz sich in den letzten Jahren weit nach rechts verschoben hat. Kritische Themen wie Sicherheitspolitik, Migration, Arbeitslosigkeit, soziale Sicherheit etc., welche tatsächlich einer Lösung bedürfen, werden kaum wirklich kontrovers diskutiert. Über kurz oder lang wird das immer gleiche Betonen von den immer gleichen Problemen und dazugehörigen vereinfachten Lösungen, welche in der Realität dann oft scheitern, zu einem politischen Stillstand führen, der sich schon jetzt in der allgemeinen Politikverdrossenheit abzeichnet.
Es bleibt also zu hoffen, dass die Politik wieder zu ihrer Vielfalt zurückfindet und Diskussionen wirklich kontrovers geführt werden und Lösungen auch abseits des SVP- Einheitsbreis wieder vermehrt aufgegriffen, angegangen und umgesetzt werden. Zumindest dies sind die anderen Parteien ihren WählerInnen schuldig.
Dieser Artikel erschien erstmalig bei ContaInfo
Polemik, Rassismus, Ausschreitungen – Wahlkampf 2007
Kurz vor den Wahlen hatte die SVP ihre Initiative zur Abschiebung von kriminellen AusländerInnen lanciert. Mit Plakaten, die nur mit gutem Willen nicht als rassistisch beurteilt werden können, sorgte die Partei für das nötige Medienecho, das weit über die Landesgrenze hinaus hallen sollte. Das betreffende Plakat, dessen Sujet von einer Ortsgruppe der NPD übernommen wurde, zeigte drei weisse Schafe, welche ein schwarzes von der Schweizer Fahne treten. Die Kampagne schlug derart hohe Wellen, dass der UNO- Rassismusberichterstatter beim Bundesrat vorstellig wurde. Die ausländische Presse blickte ab der massiven und von rassistischen Untertönen geprägten Kampagne mit Befremden auf die Schweiz. Der britische „The Independent“ beispielsweise titelte am 7. September 2007 auf der Frontseite „Switzerland: Europe’s heart of darkness?“ und griff dabei die SVP Schäfchen- Kampagne auf.
In dieser bereits aufgeheizten Stimmung spitzte die SVP den Wahlkampf mit der Fokussierung auf ihren Bundesrat (Minister) Christoph Blocher weiter zu. Pascal Couchepin, Bundesrat der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP), verglich den Wahlkampf der SVP mit Nazi-Kampagnen der 1930er- Jahre und betonte mit Anspielung auf Christoph Blocher, dass die Schweiz keinen Duce brauche.
Krawalle in Bern gegend den Aufmarsch der SVP
Wo die SVP in grösseren Städten auftrat, kam es zu Gegenveranstaltungen. Am 18. September eskalierte eine Demonstration gegen den Besuch von Bundesrat Blocher in Lausanne und Autonome lieferten sich mit der Polizei eine heftige Strassenschacht. Doch die SVP suchte die Provokation weiter und rief für den 6. Oktober zum „Marsch auf Bern“. Nicht weniger politisch angeheizt mobilisierten linke Gruppierungen unter dem Motto „No Pasaran – Halt stand, Schwarz- Rotes Bern“ zur Blockade des SVP- Aufmarsches. Bern erlebte an diesem Wochenende die schwersten Ausschreitungen seit Jahren. Brennende Barrikaden in der Altstadt und die komplett zerstörte Festanlage der SVP auf dem Bundesplatz waren die beklemmenden Resultate und tragische Folge eines deutlich überbordeten Wahlkampfes.
Wahlen - der 21. Oktober 2007
Die SVP konnte ihre Funktion als WählerInnen stärkste Partei ausbauen und vereinte nun 31 Prozent der Stimmen auf sich, was einen weiteren Zuwachs von 3.5 Prozent bedeutete. Verbunden mit dem Einbruch der zweitstärksten Partei, den SozialdemokratInnen (SP), um 4.5 Prozent auf 21.5 Prozent, und einer allgemeinen Stärkung der eher konservativen Mitteparteien war das Verdikt deutlich – die Schweiz hatte einen weiteren veritablen Rechtsrutsch durchgemacht.
Doch der Wahlerfolg der SVP sollte vorerst einer der letzten grossen Glanzpunkte sein. Ähnlich wie sich auch in Österreich die Rechtsaussenpartei FPÖ gespalten hatte, bahnte sich bei der SVP ein tiefgreifender Konflikt an. Alte Grabenkämpfe zwischen dem eher jüngeren, weit rechts stehenden und wirtschaftsfreundlichen Zürcher Flügel der Partei, welcher massgeblich durch Christoph Blocher geformt worden war und gemässigteren Exponenten, welche in der Tradition der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) und der Demokratischen Partei (DP) stehen, die 1971 in der SVP aufgingen, brachen auf. Parteiintern wurden Stimmen laut, dass eine Rückebesinnung auf die „Schweizer Werte“ Anstand und Respekt angebracht seien und dass der eigene Konfrontationskurs überdacht werden müsse. Der Streit eskalierte dann aber endgültig mit der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat am 12. Dezember 2007.
Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher
Christoph Blocher hatte in seiner Amtszeit nicht nur im Wahlkampf polemisiert. Mit seiner schroffen und des Öfteren auch selbstherrlichen Art, hatte er oft angeeckt. Dies nicht zuletzt auch, weil er das Kollegialtätsprinzip des Bundesrates immer wieder umging und missachtete. Teilweise überschritt er seine Kompetenzen auch gänzlich. So etwa bei einem Staatsbesuch in Ankara im Oktober 2006, als er das Schweizerische Antirassismusgesetz, mit welchem er schon selbst in Konflikt gekommen war, offen in Frage stellte. Aber auch die Affäre um den Abgang von Bundesanwalt Valentin Roschacher, welche mit dem Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates im September 2007 aufflammte, warf erneut Fragen über Blochers Schalten und Walten als Bundesrat auf.
So war es kein Geheimnis, dass gewisse Parteien an seinem Stuhl sägen würden, sollte sich die Gelegenheit bieten. Schon im Wahlkampf hatte deshalb die SVP die Parole gefasst „Blocher stärken! SVP wählen!“. Grund dafür war die Sorge um einen viel zitierten Geheimplan, der von SP, Grüne und Teilen von CVP (Christlichdemokratische Volkspartei) und FDP lanciert worden sei, um die Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher einzuleiten, so die Argumentation einer Pressemitteilung vom 27. August 2007. Sollte das Szenario dennoch eintreten, drohte die SVP mit der Aufkündigung der Konkordanz und dem Gang in die Opposition, was für die politische Schweiz eine völlig neue Situation bedeuten würde.
Eveline Widmer-Schlumpf wird vereidigt
Dennoch kam es am 12. Dezember 2007 zur Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat. Stattdessen wurde eine durch die SP und CVP vorbereitete Sprengkandidatin Eveline Widmer-Schlumpf, zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der SVP, gegen die Stimmen der SVP ins Amt gewählt. Für die erfolgsverwöhnte SVP bedeutet dies einen ungewohnt harten Schlag und stellte die Partei vor die innere Zerreisprobe.
Innerparteiisch stand die neue Bundesrätin massiv in der Kritik und auch der zweite Bundesrat der SVP Samuel Schmid - der schon früher nur als halber SVP-Bundesrat bezeichnet worden war - musste massiv Kritik einstecken, weil er gegen die Weisungen der Partei die Wahl zum Bundesrat angenommen hatte, bevor die Wahl von Christoph Blocher durch war.
Gleichschaltung als Reaktion
Wie schon angesprochen, waren bereits vor den Bundesratswahlen vom 12. Dezember intern Konflikte aufgebrannt. Die Parteileitung begann einen harten Kurs gegen jene Mitglieder zu fahren, welche sich nicht vollumfänglich hinter die Interessen der Partei stellten. Innerparteiisch brodelte es enorm und viele der VertreterInnen einer traditionellen SVP-Linie empfanden es als Affront, als Brigitta Gadient und Hansjörg Hassler aus der Bünder SVP wegen Misstrauen und mangelnder Linientreue die Ämter in zwei wichtigen Kommissionen nicht übernehmen durften.
Diese Tendenz zur Kontrolle verschärfte sich nach der Abwahl Christoph Blochers noch einmal. Denn nicht alle Mitglieder der SVP- Fraktion waren mit dem Entscheid der Parteileitung einig, die beiden seit dem 12. Dezember im Amt stehenden noch SVP- Bundesräte Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf aus der Fraktion auszuschliessen. Die Parteileitung reagierte darauf mit einem Ultimatum, nach welchem sich alle SVP-ParlamentarierInnen per Unterschrift zur Fraktion bekennen sollten. Nach heftiger Kritik verzichtete die Parteileitung dann doch auf diesen Schritt. Dennoch zog der Konflikt weitere Kreise und spitzte sich intern derart zu, dass in einem Interview gegenüber der Berner Zeitung (BZ) im Februar 2008 der SVP-Fraktionspräsident der Berner Kantonalregierung der Mutterpartei „Braune Tendenzen“ und „Gleichschaltung“ vorwarf.
Der Gang in die Opposition
Um an Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, vollzog die SVP also den Gang in die Opposition. Um dies aber auch wirklich umsetzen zu können, mussten die beiden offiziell noch SVP- Bundesräte aus der Partei ausgeschlossen werden. Als erste Massnahme wurde im März 2008 an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz offiziell der Ausschluss der beiden Bundesräte Widmer- Schlumpf und Schmid bestätigt.
Doch die Parteileitung wollte mehr, sie forderte den Austritt der „Verräterin“ Eveline Widmer- Schlumpf aus der Partei. Schmids verhalten wurde zwar nicht gebilligt, der Parteiausschluss jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mit aller Härte gefordert. Er kam dann der Diskussion mit seinem Parteiwechsel zur neu gegründeten Bürgerlich Demokratischen Partei (BDP) ohnehin zuvor.
Bezüglich Widmer- Schlumpf stand die Partei vor dem Problem, dass die Nationale Parteileitung die Befugnis zum Ausschluss von Mitgliedern nicht hat – diese liegt im Kompetenzbereich der Kantonalsektionen – weshalb ein Ultimatum formuliert wurde. Bundesrätin Widmer- Schlumpf habe bis zum 11. April 2008 freiwillig aus der Partei auszutreten, ansonsten würde die ganze Kantonalsektion Graubünden ausgeschlossen, sofern nicht diese ihre Bundesrätin bis zum 30. April ausschliesse. Beide Ultimaten verstrichen und so schloss am 1. Juni 2008 der Zentralvorstand der Mutterpartei die Bündner Sektion mit 81 zu 5 Stimmen aus.
Realpolitisch blieb die SVP in der Opposition bis anhin handzahm und vermochte es nicht wirklich Akzente zu setzen, was sie aber nicht daran hindert ihre Position medial äusserst geschickt auszuschlachten. So gelingt es ihr immer wieder sich taktisch gut zu positionieren und für Wirbel zu sorgen. Die jüngsten Pannen im Verteidigungsdepartement und Fehler der Armeeführung, welche nicht zuletzt zu Lasten ihres ehemaligen Bundesrat Samuel Schmid, Vorsteher des Eidg. Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), gehen, sind für die Parteistrategen ein gefundenes Fressen. Mit harten Attacken gegen Samuel Schmid spielt sich die SVP selbst immer wieder Steilpässe zu, sodass der frühere Präsident der SVP Schweiz, Ueli Maurer, in einem Interview mit dem „Sonntags-Blick“ am letzten Wochenende unverhohlen zugab, „dass es schön wäre, wenn wir Schmids Unfähigkeit noch ein, zwei Jahre kritisieren könnten“.
Die Partei lebt von ihrem Image und weniger von ihren realpolitischen Errungenschaften. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass bei einer sich abzeichnenden Ersatzwahl in den Bundesrat, erneut Alt- Bundesrat Christoph Blocher lanciert werden soll, dies trotz der offensichtlichen Chancenlosigkeit. Der Politologe Michael Herrmann geht davon aus, dass die SVP langfristig ein Systemwechsel der Schweizer Politik anstrebe, wie er gegenüber „.ch“ ausführte. Nach den Wahlen 2011 soll mit der Konkordanz endgültig gebrochen werden und ein mit Deutschland vergleichbares politisches System aufgebaut werden, indem die stärkste Partei eventuell noch mit einer Qualitionspartnerin die Regierung stellen würde. Dies ist aber gemäss Herrmann nur dann möglich wenn die SVP Christoph Blocher zum “Märtyrer“ stilisiere, um anschliessend die Wahlen erneut mit Blocher als Galionsfigur deutlich zu gewinnen.
Ob die Strategie aufgehen wird, wird sich zeigen. Kommentatoren betrachten die Erfolgsaussichten kritischer als die Parteistrategen. Philipp Löpfe betont in seiner Analyse im „Tagesanzeiger“ vom 4. Juni 2008, dass die Formel „Fremdenphobie plus Neoliberalismus“ ihre Wirkung zu verlieren scheine. Insofern stellt er der nun aus der SVP heraus erwachsenen neuen BDP durchaus Erfolge in Aussicht, denn wenn es den Abtrünnigen gelinge, eine SVP nach dem Vorbild der englischen Tories zu gestalten, einer Partei, die bürgerlich-konservativ politisiere, aber auch das Gemeinwesen und die Umwelt nicht aus den Augen verliere, würde es für die SVP gefährlich.
Die Spaltung der Partei als Konsequenz
Die internen Zustände der SVP und der wachsende Druck auf die nicht der Zürcher Linie folgenden Mitglieder und Sektionen führte schliesslich zu Abspaltungen aus der SVP. Hardliner innerhalb der Partei begrüssten die Entwicklung als längst anstehende Flurbereinigung, ohne dabei auf die möglichen Risiken für die Stammpartei zu achten. Toni Brunner, Nachfolger von Ueli Maurer als Parteipräsident, betonte anlässlich der Delegiertenversammlung im März 2008, dass, wer grundsätzlich Mühe mit der Politik der SVP habe, sich überlegen sollte, ob er heute in der richtigen Partei sei.
Gut drei Monate nach der Delegiertenversammlung wurde der wachsende Druck der Mutterpartei umgesetzt, die Drohungen wahr gemacht und die gesamte Bündner Sektion der SVP ausgeschlossen. Dies war gleichfalls die Grundsteinlegung der BDP, welche als Reaktion auf den Parteirauswurf durch die ehemaligen Mitglieder der SVP Graubünden gegründet wurde. Es folgten Abspaltungen im Kanton Glarus und im zum Zürcher Flügel traditionell oppositionellen Bern. Ende April stiess die Sektion Thurgau als vierte Kantonalpartei hinzu.
Ob die neue gegründete Partei, welche nach dem Übertritt von Samuel Schmid zwei Bundesräte in den eigenen Reihen weiss, sich einen festen Platz in der Politik sichern wird, bleibt schwierig abzuschätzen. Doch könnte die neue Partei der SVP die Suppe durchaus versalzen.
SVP oder BDP - der Haupterfolg liegt jenseits des Konfliktes
Margret Thatcher zählt den Wandel der britischen Labourpartei hin zu „New Labour“ zu ihren grossen Erfolgen. Analog dazu dürften auch die Erfolge der Führungselite der SVP nicht in erster Linie bei der Entwicklung der Partei selbst zu verorten sein, obwohl die realen Erfolge beachtlich sind. Der grosse Erfolg liegt in der politischen Signalwirkung ihres Handelns, welches weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus weist.
So sind im Soge des Populismus der SVP die traditionellen Mitteparteien weit nach rechts gerutscht und auch innerhalb der Sozialdemokratie werden sonst klassische SVP- Themen zunehmend unkritisch angegangen. Beispiel hierfür ist das aktuell debattierte Sicherheitspapier der SP, das in Ton und Ausgestaltung der Lösungsvorschläge stark an die Rhetorik der SVP erinnert. Insofern hat die SVP mit ihrer oftmals rassistischen und unsachlichen Polemik viel dazu beigetragen, dass die ganze politische Landschaft der Schweiz sich in den letzten Jahren weit nach rechts verschoben hat. Kritische Themen wie Sicherheitspolitik, Migration, Arbeitslosigkeit, soziale Sicherheit etc., welche tatsächlich einer Lösung bedürfen, werden kaum wirklich kontrovers diskutiert. Über kurz oder lang wird das immer gleiche Betonen von den immer gleichen Problemen und dazugehörigen vereinfachten Lösungen, welche in der Realität dann oft scheitern, zu einem politischen Stillstand führen, der sich schon jetzt in der allgemeinen Politikverdrossenheit abzeichnet.
Es bleibt also zu hoffen, dass die Politik wieder zu ihrer Vielfalt zurückfindet und Diskussionen wirklich kontrovers geführt werden und Lösungen auch abseits des SVP- Einheitsbreis wieder vermehrt aufgegriffen, angegangen und umgesetzt werden. Zumindest dies sind die anderen Parteien ihren WählerInnen schuldig.
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sfux - 5. Okt, 10:50 Article 2901x read