Einmaleins der amerikanischen Finanzkrise
Jörg Frh. v. Oldershausen - Die abgrenzbar scheinende Subprime Mortage Krise hat sich weltweit in ein Monster verwandelt, das unaufhörlich an den einst so mächtigen Fundamenten des Kapitalismus nagt. Die Aktienmärkte brechen massiv ein und eine Hiobsbotschaft folgt der anderen. Exotische Begriffe wie Subprime Mortgages, Derivatives, CDS (Credit Default Swaps), Mark To Market, Leverage, Fair Market Value, MBS (Mortgage Backed Securities), CDO (Collateralized Debt Obligations) und Face Value werden in die Arena geworfen, um diese Kalamität zu erklären. Doch kaum jemand versteht noch, was wirklich passiert. Nachfolgend der Versuch, etwas Licht auf diese traurige Affäre zu werfen.
Worum geht es?
Unsolide und solide Hypotheken auf überteuerte Häuser wurden von Banken oder anderen "Óriginators" zum großen Teil an Freddie Mac und Fanny Mae verkauft und durch diese in finanzielle Instrumente, sogenannte MBS (Mortgage Backed Securities) gebündelt und an institutionelle Investoren vermarktet. Diese packten die MBS dann um und schnürten sie in größere Pakete, den sogenannten CDO’s, die dann wiederum weltweit verkauft werden konnten. Die sich verschlechternde allgemeine wirtschaftliche Lage gegen Ende 2007 und Anfang 2008 mit enormen Verteuerungen für den Verbraucher besonders hinsichtlich Benzin, Heizöl und Nahrungsmitteln zusammen mit einer Verteuerung der Zinsen - der Fed zog den Leitzins an, anfängliche "teaser rates" liefen aus, variable Hypotheken wurden angepasst - resultierten in einer drastischen Zunahme notleidender Hypotheken. Rapide fallende Hauspreise resultierten in einer Entwertung dieser Investitionen. Banken und Investmenthäuser, die diese Instrumente als Asset (Anlage) hielten, waren gezwungen, sofort Abschreibungen auf deren Wert vorzunehmen. Denn sonst hätten sie gegen die "mark to market"-Regel verstoßen (der "fair market value" des Asset, wenn er heute verkauft würde). Der Face Value, also jenen Wert, den die Anlage offiziell hatte, spielte dabei keine Rolle. Kaum eine Institution weltweit, die nicht Abschreibungen in Milliardenhöhe vornehmen musste. Die Abschreibungen zwangen die Institutionen neues Kapital aufzunehmen, um ihren Obligationen gerecht zu werden. (Banken beleihen ihre Assets mit dem zehnfachen, Investmenthäuser dem dreißigfachen Wert. Sinkt der Wert der Assets, dann müssen diese aufgebessert werden).
Manchen Institutionen, wie etwa Bear Stearns und Lehman Bros gingen dabei die Luft aus, andere, zu denen auch Merrill Lynch, Wachovia und Washington Mutual zählten, wurden verscherbelt. Wenige erhielten eine Rettungsleine aus Stacheldraht durch die Regierung zugeworfen (AIG). Fannie Mae und Freddie Mac, die halbstaatlichen (Risiko) und halbprivaten (Gewinn) Oberaufkäufer und Bűndler von Trillionen an Hypotheken jeglicher Qualität, wurden wieder vom Staat übernommen und Garantien in Höhe von 200 Milliarden Dollar zur Absicherung freigestellt. Űber 900 Milliarden an zusätzlicher Liquidität wurden durch die Federal Reserve in den Kreditmarkt gepumpt. Und der Kongress ließ sich nicht mausern und legte mit 700 Milliarden zum Aufkauf von "toxic assets" an Steuergeldern nach.
Wo stehen wir heute?
Mit all diesen Maßnahmen sollte Wall Street jubeln, die Aktienmärkte neue ungeahnte Höhen erreichen, die Kreditmärkte in der eigenen Liquidität ersaufen und allgemein ein Seufzer der Erleichterung zu hören sein. Stattdessen brechen die Aktienindizes weltweit durch den Boden, Banken trauen Banken nicht, Kapital verschwindet wie Wasser in der Wüste, Arbeitsplätze lösen sich zu Hunderttausenden in Luft auf. Die Wirtschaft geht in die Knie und der große Buhmann von 1929 "Depression" scheint vor der Tür zu stehen.
Was ist los?
Für Jahre haben die Zauberer von Wall Street, die Hedge Funds, Investmenthäuser und großen Versicherungen ein Spielchen gespielt, in welchem sie an sich reale Anlagen, wie etwa Hypotheken, als Vehikel nutzten, um immer neue, exotischere "Derivative" ( abgeleitete Investitionen) zu kreieren, die sich von der unterliegenden Sicherheit mehr und mehr entfernten, bis sie damit überhaupt nichts mehr zu tun hatten. Jede Metamorphose vergrößerte das Volumen und letztlich das Risiko und so entstanden CDS, also credit default swaps, eine Art Versicherung gegen das eingegangene Risiko. A kaufte von B CDO’s auf Kredit und B versicherte das Risiko des Kredites mit C. Sollte A nicht in der Lage sein den Kredit zurückzuzahlen, dann musste C den Verlust an B ausgleichen. Damit hörte der Spaß jedoch noch lange nicht auf. Der ursprüngliche Kredit wurde nun zur Basis einer Wette mit der Grundlage "kann A den Kredit an B zurückzahlen", platziert durch Dritte, die mit der ursprünglichen Transaktion absolut nichts zu tun hatten. Eine Praxis die unter den Finanzjonglören als "naked"-CDS bekannt ist. Grundsätzlich kein Problem wenn dies nicht zu einer Größenordnung von mittlerweile mehr als 60 Trillionen herangewachsen wäre, also eine gigantische, schier unvorstellbare Summe, die mehr als die Kapitalisierung aller Börsen dieser Welt ausmacht. Es war genau dieses Spielchen, was dann auch den weltgrößten Versicherer AIG zu Fall brachte. Und niemand weiß bislang, wie diese Obligationen unter Kontrolle gebracht werden können.
Was sind die Konsequenzen?
Die Suprime Hypothekenkrise wuchs an zu einer Kreditkrise. Niemand kann abschätzen, welche finanziellen Anlageleichen im Keller des anderen liegen. Vertrauen fehlt. Dies führt zum Stillstand an den Kreditmärkten. Die Kreditkrise verursachte eine Finanzkrise. Kurzfristige Kredite, ohne die Banken und die Industrie nicht existieren können, waren nicht zu haben oder unvorstellbar teuer (der LIBOR Index welcher täglich den Zins für ungesicherte Geldmittel zwischen den Institutionen festlegt, schoss in ungeahnte Höhen, da das Risiko als unvorstellbar hoch empfunden wurde). Jeder flieht ins Bargeld und in Treasuries (Bonds, welche die Regierung zur Finanzierung ihres Kapitalbedarfs ausgibt). Die Finanzkrise eskaliert in eine Wirtschaftskrise. Die enormen Kapitalverluste an Wall Street schlagen nun voll auf den Bürger durch und führen zu großer Verunsicherung. Kredit ist teuer und kaum zu haben. Die Folge: Weniger Konsum. Dies wiederum führt zu weniger Verkäufen seitens der Hersteller, sie müssen Arbeitnehmer entlassen. Ein teuflischer Kreislauf hat sich entwickelt und ein Entrinnen wird schwierig.
Und was kommt nun?
Selbst die enormen Summen, die mittlerweile überall auf der Welt eingesetzt werden, können die augenblickliche "Rezession"kaum aufhalten. Die Frage verbleibt, ob sie sich noch beschleunigen wird und sich weiter vertieft und dann in eine "Depression" ausweitet. Noch ist zu hoffen, dass sich die Märkte beruhigen können und den "bottom", also den tiefsten Stand vor dem Aufschwung, gefunden haben. Warren Buffet, der reichste Mann der Welt, scheint dieser Meinung zu sein und hat in Goldman Sachs und GE Milliarden investiert.
Erstveröffentlichung: SPREERAUSCHEN, Politik & Medien:
Worum geht es?
Unsolide und solide Hypotheken auf überteuerte Häuser wurden von Banken oder anderen "Óriginators" zum großen Teil an Freddie Mac und Fanny Mae verkauft und durch diese in finanzielle Instrumente, sogenannte MBS (Mortgage Backed Securities) gebündelt und an institutionelle Investoren vermarktet. Diese packten die MBS dann um und schnürten sie in größere Pakete, den sogenannten CDO’s, die dann wiederum weltweit verkauft werden konnten. Die sich verschlechternde allgemeine wirtschaftliche Lage gegen Ende 2007 und Anfang 2008 mit enormen Verteuerungen für den Verbraucher besonders hinsichtlich Benzin, Heizöl und Nahrungsmitteln zusammen mit einer Verteuerung der Zinsen - der Fed zog den Leitzins an, anfängliche "teaser rates" liefen aus, variable Hypotheken wurden angepasst - resultierten in einer drastischen Zunahme notleidender Hypotheken. Rapide fallende Hauspreise resultierten in einer Entwertung dieser Investitionen. Banken und Investmenthäuser, die diese Instrumente als Asset (Anlage) hielten, waren gezwungen, sofort Abschreibungen auf deren Wert vorzunehmen. Denn sonst hätten sie gegen die "mark to market"-Regel verstoßen (der "fair market value" des Asset, wenn er heute verkauft würde). Der Face Value, also jenen Wert, den die Anlage offiziell hatte, spielte dabei keine Rolle. Kaum eine Institution weltweit, die nicht Abschreibungen in Milliardenhöhe vornehmen musste. Die Abschreibungen zwangen die Institutionen neues Kapital aufzunehmen, um ihren Obligationen gerecht zu werden. (Banken beleihen ihre Assets mit dem zehnfachen, Investmenthäuser dem dreißigfachen Wert. Sinkt der Wert der Assets, dann müssen diese aufgebessert werden).
Manchen Institutionen, wie etwa Bear Stearns und Lehman Bros gingen dabei die Luft aus, andere, zu denen auch Merrill Lynch, Wachovia und Washington Mutual zählten, wurden verscherbelt. Wenige erhielten eine Rettungsleine aus Stacheldraht durch die Regierung zugeworfen (AIG). Fannie Mae und Freddie Mac, die halbstaatlichen (Risiko) und halbprivaten (Gewinn) Oberaufkäufer und Bűndler von Trillionen an Hypotheken jeglicher Qualität, wurden wieder vom Staat übernommen und Garantien in Höhe von 200 Milliarden Dollar zur Absicherung freigestellt. Űber 900 Milliarden an zusätzlicher Liquidität wurden durch die Federal Reserve in den Kreditmarkt gepumpt. Und der Kongress ließ sich nicht mausern und legte mit 700 Milliarden zum Aufkauf von "toxic assets" an Steuergeldern nach.
Wo stehen wir heute?
Mit all diesen Maßnahmen sollte Wall Street jubeln, die Aktienmärkte neue ungeahnte Höhen erreichen, die Kreditmärkte in der eigenen Liquidität ersaufen und allgemein ein Seufzer der Erleichterung zu hören sein. Stattdessen brechen die Aktienindizes weltweit durch den Boden, Banken trauen Banken nicht, Kapital verschwindet wie Wasser in der Wüste, Arbeitsplätze lösen sich zu Hunderttausenden in Luft auf. Die Wirtschaft geht in die Knie und der große Buhmann von 1929 "Depression" scheint vor der Tür zu stehen.
Was ist los?
Für Jahre haben die Zauberer von Wall Street, die Hedge Funds, Investmenthäuser und großen Versicherungen ein Spielchen gespielt, in welchem sie an sich reale Anlagen, wie etwa Hypotheken, als Vehikel nutzten, um immer neue, exotischere "Derivative" ( abgeleitete Investitionen) zu kreieren, die sich von der unterliegenden Sicherheit mehr und mehr entfernten, bis sie damit überhaupt nichts mehr zu tun hatten. Jede Metamorphose vergrößerte das Volumen und letztlich das Risiko und so entstanden CDS, also credit default swaps, eine Art Versicherung gegen das eingegangene Risiko. A kaufte von B CDO’s auf Kredit und B versicherte das Risiko des Kredites mit C. Sollte A nicht in der Lage sein den Kredit zurückzuzahlen, dann musste C den Verlust an B ausgleichen. Damit hörte der Spaß jedoch noch lange nicht auf. Der ursprüngliche Kredit wurde nun zur Basis einer Wette mit der Grundlage "kann A den Kredit an B zurückzahlen", platziert durch Dritte, die mit der ursprünglichen Transaktion absolut nichts zu tun hatten. Eine Praxis die unter den Finanzjonglören als "naked"-CDS bekannt ist. Grundsätzlich kein Problem wenn dies nicht zu einer Größenordnung von mittlerweile mehr als 60 Trillionen herangewachsen wäre, also eine gigantische, schier unvorstellbare Summe, die mehr als die Kapitalisierung aller Börsen dieser Welt ausmacht. Es war genau dieses Spielchen, was dann auch den weltgrößten Versicherer AIG zu Fall brachte. Und niemand weiß bislang, wie diese Obligationen unter Kontrolle gebracht werden können.
Was sind die Konsequenzen?
Die Suprime Hypothekenkrise wuchs an zu einer Kreditkrise. Niemand kann abschätzen, welche finanziellen Anlageleichen im Keller des anderen liegen. Vertrauen fehlt. Dies führt zum Stillstand an den Kreditmärkten. Die Kreditkrise verursachte eine Finanzkrise. Kurzfristige Kredite, ohne die Banken und die Industrie nicht existieren können, waren nicht zu haben oder unvorstellbar teuer (der LIBOR Index welcher täglich den Zins für ungesicherte Geldmittel zwischen den Institutionen festlegt, schoss in ungeahnte Höhen, da das Risiko als unvorstellbar hoch empfunden wurde). Jeder flieht ins Bargeld und in Treasuries (Bonds, welche die Regierung zur Finanzierung ihres Kapitalbedarfs ausgibt). Die Finanzkrise eskaliert in eine Wirtschaftskrise. Die enormen Kapitalverluste an Wall Street schlagen nun voll auf den Bürger durch und führen zu großer Verunsicherung. Kredit ist teuer und kaum zu haben. Die Folge: Weniger Konsum. Dies wiederum führt zu weniger Verkäufen seitens der Hersteller, sie müssen Arbeitnehmer entlassen. Ein teuflischer Kreislauf hat sich entwickelt und ein Entrinnen wird schwierig.
Und was kommt nun?
Selbst die enormen Summen, die mittlerweile überall auf der Welt eingesetzt werden, können die augenblickliche "Rezession"kaum aufhalten. Die Frage verbleibt, ob sie sich noch beschleunigen wird und sich weiter vertieft und dann in eine "Depression" ausweitet. Noch ist zu hoffen, dass sich die Märkte beruhigen können und den "bottom", also den tiefsten Stand vor dem Aufschwung, gefunden haben. Warren Buffet, der reichste Mann der Welt, scheint dieser Meinung zu sein und hat in Goldman Sachs und GE Milliarden investiert.
Erstveröffentlichung: SPREERAUSCHEN, Politik & Medien:
Spreegurke - 10. Okt, 10:14 Article 1936x read