Tratschundlaber
Sonja Wenger - Falco sang vor vielen Jahren: «Sieht man um sich, was passiert, wohin es geht oder auch nicht, hilft nur eines, Schampus, Kaviar, Noblesse im Gesicht». Und wenn es einer gewusst haben muss, dann er.
David und Victoria Beckham ziehen also wieder um. Diesmal zieht es den Fussballer ins Berlusconi- Land, weil er dort vermutlich beim AC Mailand spielen wird. Wenn der Austausch klappt, so weiss es der Internetklatsch, werden sie einen Dokumentarfilm über ihr Lifestyle-Leben in Italien drehen. Und dafür von AC-Mailand-Besitzer und Premierminister Silvio Berlusconi sechzehn Millionen USDollar erhalten. Werbung ist eben alles.
Was also bitte redet denn die halbe Welt von Finanzkrise, wenn nicht nur Staaten mit Summen um sich werfen können, die so viele Nullen haben, dass sie kaum noch in eine Zeitungsspalte passen? Solange bei uns die Lebensmittel nur ein paar Rappen teurer werden und das Benzin noch bezahlbar bleibt, ist doch alles in Ordnung. Weshalb bloss sollten wir umdenken oder über die Bücher gehen?
Qualitätsjournalismus: und dann zu tode reiten...
Die Regierung wiederholt ja auch monoton, dass alles gut sei, und wenn es plötzlich einmal nicht mehr gut wäre, sie mit viel, viel Geld alles wieder gut machen wird. Hey, das ist der Staat, und der muss es ja wissen. Das ist wie Fernsehen: Was da läuft, ist ja auch alles wahr, einfach weil es im Fernsehen läuft. Gut ist es vielleicht nicht, da hat der Reich-Ranicki schon recht. Aber was ist schon gut?
Die Medien haben diese «Wirtschaftskrise» sowieso nur «herbeigeschrieben», das meinte zumindest Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument vor kurzem. Und wenn es der nicht weiss, wer dann? Deshalb meint er ja auch, man müsse die Medien wieder stärker an die Kandare nehmen. Schliesslich hätten die Schreiberlinge auf den Redaktionen eine völlig falsche Vorstellung davon, was «Qualitätsjournalismus» wirklich sei. Da gehe es nicht etwa um Unabhängigkeit oder seriöse Recherchen. Nein: Erfolg sei das wichtigste Kriterium. Also Peitsche geben, mit dem Striegeln aufhören, den Hafer rationieren - bei den Lebensmittelpreisen sowieso – und dann zu Tode reiten.
Wer braucht im Universum von «Blick am Abend», «.CH», «News» und Schmus für zwanzig Minuten Aufmerksamkeit schliesslich noch handfeste Informationen? Dass die andere Hälfte der Welt am Darben und am Sterben ist, können wir hier bei uns doch eh nicht ändern. Immer diese lästige Empörung von wegen fehlendem politischen Engagement, Verantwortung, Gemeinwohl, Blabla, und dann noch dieses suspekte Wort Solidarität. Das ist reine Propaganda und gehört zum Vokabular der Gutmenschen.
«Decadence for you and me, decadence...»
Sowieso, diese Gutmenschen! Die sind inzwischen überall! Stets wollen sie die rechte Weltordnung in Frage stellen, sind gegen AKWs und Rettungspakete und machen Demos, die den Stossverkehr aufhalten. Und dann dieses ewige Lamento, wir sollten als Staatsbürger aufhorchen, wenn unsere finanzielle Zukunft verzockt wird. Also wirklich! Wie viel aufgeklärter müssen wir denn noch werden? Der Wind des Wandels weht uns doch heute schon um die Ohren. Das symbolisiert unsere neue Miss Schweiz Whitney Toyloy bestens. Sie ist der Beweis dafür, dass die Farbe des Schaffells in unserem Land nicht länger eine Rolle spielt – das weiss doch jeder.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir alle gleich sind. Auch in anderen Ländern machen sie Schritte in die richtige Richtung. So hat die nepalesische Elektrizitätsbehörde kürzlich ihrem ehemalige König damit gedroht, ihm den Strom abzustellen. Ex-König Gyanendra, der im Mai nach massivem Druck aus der Bevölkerung abdanken musste, hat nämlich seine Stromrechnungen nicht bezahlt.
Übrigens gab es ja auch bei den US-Wahlen wieder Hoffnung. Martin Naville, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelsbank, brachte diese in «.CH» auf den Punkt: Die «nüchterne Analyse lasse auf einen Afroamerikaner im
Weissen Haus schliessen.» Das sei «eine tolle Entwicklung hundert Jahre nach Aufhebung der Sklavenhaltung und vierzig Jahre nach dem Kampf um Gleichberechtigung durch Martin Luther King». Wer es also noch nicht gewusst hat, der weiss es jetzt.
Ebenfalls wissenswertes zur US-Politik von 2008 findet sich unter dem Suchbegriff «Fey+Palin» auf der Webseite von Youtube. Die US-Komikerin Tina Fey hat für die Sendung «Saturday Night Live» eine Parodie auf die Kandidatin für die US-Vizepräsidentschaft Sarah Palin geschaffen, die bereits als Zünglein an der Waage in der Gunst der Wähler gilt.
Dennoch wird es wohl noch eine Weile dauern, bis alle US-Amerikaner im neuen Jahrtausend angekommen sind. So hatte das Titelbild des USMagazins «W» mit der stillenden Angelina Jolie in den USA einen «kleinen Skandal» ausgelöst. Für ein «internationales Sexysmbol» wie Jolie sei das kein unschuldiges Bild sondern «purer Voyeurismus», hiess es in den US-Medien. Ach, was haben wir es da gut. Wir können uns statt Stillbilder den Schweizer Bauernkalender zu Gemüte führen, bei dem im Mai 2009 der «Bündner Cowboy Claudio auf seinem Ochsen Eliot» durch den Monat reitet und sich in der «Schweizer Illustrierten» als Muni-Flüsterer betiteln lässt. Das ist wahre Aufgeklärtheit.
Und für alle, die auch in Absurdistan nicht mehr weiterwissen, hat die Autorin Carol Meldrum nun die «perfekte Freizeitbeschäftigung»: In ihrem Buch «Knitted Icons» fi nden sich die Strickmuster für 25 VIPs, von den Beatles über Jackie O. bis hin zu Elvis Presley.
David und Victoria Beckham ziehen also wieder um. Diesmal zieht es den Fussballer ins Berlusconi- Land, weil er dort vermutlich beim AC Mailand spielen wird. Wenn der Austausch klappt, so weiss es der Internetklatsch, werden sie einen Dokumentarfilm über ihr Lifestyle-Leben in Italien drehen. Und dafür von AC-Mailand-Besitzer und Premierminister Silvio Berlusconi sechzehn Millionen USDollar erhalten. Werbung ist eben alles.
Was also bitte redet denn die halbe Welt von Finanzkrise, wenn nicht nur Staaten mit Summen um sich werfen können, die so viele Nullen haben, dass sie kaum noch in eine Zeitungsspalte passen? Solange bei uns die Lebensmittel nur ein paar Rappen teurer werden und das Benzin noch bezahlbar bleibt, ist doch alles in Ordnung. Weshalb bloss sollten wir umdenken oder über die Bücher gehen?
Qualitätsjournalismus: und dann zu tode reiten...
Die Regierung wiederholt ja auch monoton, dass alles gut sei, und wenn es plötzlich einmal nicht mehr gut wäre, sie mit viel, viel Geld alles wieder gut machen wird. Hey, das ist der Staat, und der muss es ja wissen. Das ist wie Fernsehen: Was da läuft, ist ja auch alles wahr, einfach weil es im Fernsehen läuft. Gut ist es vielleicht nicht, da hat der Reich-Ranicki schon recht. Aber was ist schon gut?
Die Medien haben diese «Wirtschaftskrise» sowieso nur «herbeigeschrieben», das meinte zumindest Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument vor kurzem. Und wenn es der nicht weiss, wer dann? Deshalb meint er ja auch, man müsse die Medien wieder stärker an die Kandare nehmen. Schliesslich hätten die Schreiberlinge auf den Redaktionen eine völlig falsche Vorstellung davon, was «Qualitätsjournalismus» wirklich sei. Da gehe es nicht etwa um Unabhängigkeit oder seriöse Recherchen. Nein: Erfolg sei das wichtigste Kriterium. Also Peitsche geben, mit dem Striegeln aufhören, den Hafer rationieren - bei den Lebensmittelpreisen sowieso – und dann zu Tode reiten.
Wer braucht im Universum von «Blick am Abend», «.CH», «News» und Schmus für zwanzig Minuten Aufmerksamkeit schliesslich noch handfeste Informationen? Dass die andere Hälfte der Welt am Darben und am Sterben ist, können wir hier bei uns doch eh nicht ändern. Immer diese lästige Empörung von wegen fehlendem politischen Engagement, Verantwortung, Gemeinwohl, Blabla, und dann noch dieses suspekte Wort Solidarität. Das ist reine Propaganda und gehört zum Vokabular der Gutmenschen.
«Decadence for you and me, decadence...»
Sowieso, diese Gutmenschen! Die sind inzwischen überall! Stets wollen sie die rechte Weltordnung in Frage stellen, sind gegen AKWs und Rettungspakete und machen Demos, die den Stossverkehr aufhalten. Und dann dieses ewige Lamento, wir sollten als Staatsbürger aufhorchen, wenn unsere finanzielle Zukunft verzockt wird. Also wirklich! Wie viel aufgeklärter müssen wir denn noch werden? Der Wind des Wandels weht uns doch heute schon um die Ohren. Das symbolisiert unsere neue Miss Schweiz Whitney Toyloy bestens. Sie ist der Beweis dafür, dass die Farbe des Schaffells in unserem Land nicht länger eine Rolle spielt – das weiss doch jeder.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir alle gleich sind. Auch in anderen Ländern machen sie Schritte in die richtige Richtung. So hat die nepalesische Elektrizitätsbehörde kürzlich ihrem ehemalige König damit gedroht, ihm den Strom abzustellen. Ex-König Gyanendra, der im Mai nach massivem Druck aus der Bevölkerung abdanken musste, hat nämlich seine Stromrechnungen nicht bezahlt.
Übrigens gab es ja auch bei den US-Wahlen wieder Hoffnung. Martin Naville, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelsbank, brachte diese in «.CH» auf den Punkt: Die «nüchterne Analyse lasse auf einen Afroamerikaner im
Weissen Haus schliessen.» Das sei «eine tolle Entwicklung hundert Jahre nach Aufhebung der Sklavenhaltung und vierzig Jahre nach dem Kampf um Gleichberechtigung durch Martin Luther King». Wer es also noch nicht gewusst hat, der weiss es jetzt.
Ebenfalls wissenswertes zur US-Politik von 2008 findet sich unter dem Suchbegriff «Fey+Palin» auf der Webseite von Youtube. Die US-Komikerin Tina Fey hat für die Sendung «Saturday Night Live» eine Parodie auf die Kandidatin für die US-Vizepräsidentschaft Sarah Palin geschaffen, die bereits als Zünglein an der Waage in der Gunst der Wähler gilt.
Dennoch wird es wohl noch eine Weile dauern, bis alle US-Amerikaner im neuen Jahrtausend angekommen sind. So hatte das Titelbild des USMagazins «W» mit der stillenden Angelina Jolie in den USA einen «kleinen Skandal» ausgelöst. Für ein «internationales Sexysmbol» wie Jolie sei das kein unschuldiges Bild sondern «purer Voyeurismus», hiess es in den US-Medien. Ach, was haben wir es da gut. Wir können uns statt Stillbilder den Schweizer Bauernkalender zu Gemüte führen, bei dem im Mai 2009 der «Bündner Cowboy Claudio auf seinem Ochsen Eliot» durch den Monat reitet und sich in der «Schweizer Illustrierten» als Muni-Flüsterer betiteln lässt. Das ist wahre Aufgeklärtheit.
Und für alle, die auch in Absurdistan nicht mehr weiterwissen, hat die Autorin Carol Meldrum nun die «perfekte Freizeitbeschäftigung»: In ihrem Buch «Knitted Icons» fi nden sich die Strickmuster für 25 VIPs, von den Beatles über Jackie O. bis hin zu Elvis Presley.
sfux - 27. Nov, 07:57 Article 1589x read