Die Kaperung der Arctic Sea – oder: Windiges aus der russischen Seefahrt
Dr. Alexander von Paleske ---2.9. 2009 --- Die „Arctic Sea“ ist weitgehend aus den Nachrichten verschwunden. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass es wohl doch kein Piratenakt in der Ostsee war, sondern alles auf eine Geheimdienstoperation hindeutet, was wir hier von Anfang an vermutet haben, hat das Medieninteresse schlagartig nachgelassen.
Das ist aber nicht gerechtfertigt, denn jetzt sollte endlich geklärt werden, was als Ladung tatsächlich sich auf dem Schiff befunden hat bzw. befindet, wer ggf. der/die Empfänger der Ladung, abgesehen von den finnischen Holzlatten, sein sollte(n) und wenn, welcher Geheimdienst die Kaperung veranlasst hat.
Heute berichtet RIA Novosti von einer Stellungnahme des israelischen Marineexperten Chaim Stav, der Ueberfall auf die Arctic Sea sei „zu professionell“ gewesen.
Der estnische Admiral Tarmo Kouts hatte in einem am Montag veröffentlichten TIME-Interview gesagt, ein israelischer Spezialeinsatz sei die plausibelste Lösung. Die offizielle Version entspreche nicht der Wahrheit.
Keine Aufkläung
So gut wie keinerlei wirkliche Aufklärung hat es aber in dieser Hinsicht bisher gegeben.
Während einige unermüdliche Blogger einiges Widersprüchliche an Fahrtroute und Funksignalen aufgedeckt haben, so liefern diese Erkenntnisse leider nur Indizien, „dass etwas nicht stimmt“, aber lassen keine Schlüsse über Ladung, Zielort und Empfänger zu.
Derweil machen weitere Theorien die Runde.
Wer weiss wirklich was
Es gibt vier Gruppen, die Bescheid wissen, neben der Crew und den Entführern sind es die Geheimdienste samt deren Regierungen. Aber darüber hinaus wohl auch einige Journalisten mit Geheimdienstkontakten, dazu darf man wohl auch einige Herausgeber von Zeitungen zählen. Aber die sagen nichts, die Öffentlichkeit wird an der Nase herumgeführt.
Bleiben die Crew und die Entführer. Die angeblichen Entführer dürften wohl ebenfalls kaum auspacken, auch nicht in einem Strafprozess. Nur wenn sie den Mund halten, dürfte ihnen wohl eine Strafmilderung winken. Und wenn sie tatsächlich, wie man vermuten darf, von einem Geheimdienst oder einer zwischengeschalteten Söldnerfirma angeheuert wurden, dann könnte ihnen noch eine Erfolgsprämie winken – nach der Entlassung, wenn ... ja wenn sie entsprechend der ihnen gegebenen Instruktionen handeln.
Bleibt die Crew
Die Crew hat statt einem roten Teppich nach der Landung in Moskau die „Grüne Minna“ kennengelernt und wurde im Lefortowo Gefängnis für fast zwei Wochen festgehalten. Dort fand sicherlich keine Bibelstunde statt, sondern Verhöre mit knallharten Drohungen. Anschliessend mussten die Mitglieder der Crew sich schriftlich verpflichten, über die Ereignisse an Bord der „Arctic Sea“ zu schweigen.
Im Falle des Zuwiderhandelns drohen ihnen satte Geld- und Freiheitsstrafen.Geldstrafen bis zu 80.000 Rubel und Freiheitsstrafen bis zu 7 Jahren, abzusitzen in Gefängnissen, wo die Medikamenten -resistente Tuberkulose grassiert.
Das dürfte als Abschreckung erst einmal genügen.
Straftatbestand: Landesverrat und Geheimnisverrat
Ist das überhaupt rechtens? Für den Fall, dass es sich um illegale Waffengeschäfte gehandelt hat, z.B. Waffengeschäfte, die gegen den Atomwaffensperrvertrag verstiessen? Ja doch, man braucht gar nicht auf die karnevalsfähige Aeusserung des früheren Bundeskanzlers Schröder zurückkommen, dass nämlich „Herr Putin ein lupenreiner Demokrat“ sei.
Auch in Deutschland haben wir Erfahrungen mit der Strafbarkeit des Aufdeckens von illegalen Staatsgeheimnissen, deren Veröffentlichung mittlerweile aber straflos ist (§§ 93 Abs. 2, 97a StGB).
Ein Blick zurück
Der wohl spektakulärste Fall war die Verurteilung des Journalisten Carl von Ossietzky im November 1931 durch das Reichsgericht in Leipzig zu 18 Monaten Freiheitsstrafe.
Ossietzky war von 1927 bis 1933 Herausgeber der linksliberalen Wochenzeitung Weltbühne zur Zeit der Weimarer Republik. Zu den Artikelschreibern in der Weltbühne gehörten Kurt Tucholsky, Lion Feuchtwanger, Erich Muehsam, Erich Kästner, Carl Zuckmayer und viele andere.
Am 12.3. 1929 erschien dort ein investigativer Artikel unter dem Titel „Windiges aus der deutschen Luftfahrt“. Darin wurde die unter Verstoss gegen das Versailler Abkommen betriebene Wiederaufrüstung der Luftwaffe angeprangert. Ein klar illegales Staatsgeheimnis, aber auch dessen Bekanntmachung ist Landesverrat, so das Reichsgericht.
Ossietzky, der 1936 den Friedensnobelpreis erhielt, war von den Nazis 1933 ins KZ eingeliefert worden und starb 1938 an Tuberkulose.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Weltbühneprozesses, 1990 von Ossietzkys Tochter Rosalinde von Ossietzky-Palm eingereicht, wurde letztinstanzlich vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 3.12. 1992 verworfen.
Auch eine Art der Vergangenheitsbewältigung.
Nachtrag 3.9.2009 21.15Uhr
Der Herausgeber des russischen maritimen Online- Magazins Sovfracht, Mikhail Voitenko, hat heute morgen fluchtartig Moskau in Richtung Türkei verlassen, nachdem er einen nächtlichen Drohanruf erhielt.
Voitenko hatte als Erster über das Verschwinden der Artic Sea berichtet und stets die offizielle Version einer reinen Holzladung zurückgewiesen.
In einem heutigen Interview mit der renommierten britischen Zeitung Guardian äusserte er sich wie folgt:.
Voitenko, however, has repeatedly cast doubt on the official version of events. The main source of information on the hijacking in the early days of the crisis, he has hinted that the ship may have been carrying a secret shipment of weapons, or, he suggested, "something much more expensive and dangerous".
Sounding distinctly frightened, Voitenko today said he did not know the identity of his mystery caller. But he hinted that the man who spoke with a "chilling voice" may have represented the FSB, Russia's powerful and secretive post-KGB spy agency. He also said that Russia was "deliberately covering up this mystery". Asked what was really hidden on board the Arctic Sea, he replied cryptically: "Half of those involved in this were private individuals. But half were linked with the state."
Genauere Angaben über die Ladung des Schiffes konnte oder wollte Voitenko nicht machen. Mit der Flucht Voitenkos ist das Medieninteresse am Fall der Arctic Sea wieder deutlich angestiegen.
Die Kaperung der Arctic Sea: Fakten, Indizien, Spekulationen
Arctic Sea"- Kaperung: Indizien deuten auf Geheimdienstaktion - vermutlich Mossad - und nicht Piraten
Arctic Sea – Die Besatzung ist frei, die Fragen bleiben
Geheimdienste in das Verschwinden der "Arctic Sea" verwickelt?
Das ist aber nicht gerechtfertigt, denn jetzt sollte endlich geklärt werden, was als Ladung tatsächlich sich auf dem Schiff befunden hat bzw. befindet, wer ggf. der/die Empfänger der Ladung, abgesehen von den finnischen Holzlatten, sein sollte(n) und wenn, welcher Geheimdienst die Kaperung veranlasst hat.
Heute berichtet RIA Novosti von einer Stellungnahme des israelischen Marineexperten Chaim Stav, der Ueberfall auf die Arctic Sea sei „zu professionell“ gewesen.
Der estnische Admiral Tarmo Kouts hatte in einem am Montag veröffentlichten TIME-Interview gesagt, ein israelischer Spezialeinsatz sei die plausibelste Lösung. Die offizielle Version entspreche nicht der Wahrheit.
Keine Aufkläung
So gut wie keinerlei wirkliche Aufklärung hat es aber in dieser Hinsicht bisher gegeben.
Während einige unermüdliche Blogger einiges Widersprüchliche an Fahrtroute und Funksignalen aufgedeckt haben, so liefern diese Erkenntnisse leider nur Indizien, „dass etwas nicht stimmt“, aber lassen keine Schlüsse über Ladung, Zielort und Empfänger zu.
Derweil machen weitere Theorien die Runde.
Wer weiss wirklich was
Es gibt vier Gruppen, die Bescheid wissen, neben der Crew und den Entführern sind es die Geheimdienste samt deren Regierungen. Aber darüber hinaus wohl auch einige Journalisten mit Geheimdienstkontakten, dazu darf man wohl auch einige Herausgeber von Zeitungen zählen. Aber die sagen nichts, die Öffentlichkeit wird an der Nase herumgeführt.
Bleiben die Crew und die Entführer. Die angeblichen Entführer dürften wohl ebenfalls kaum auspacken, auch nicht in einem Strafprozess. Nur wenn sie den Mund halten, dürfte ihnen wohl eine Strafmilderung winken. Und wenn sie tatsächlich, wie man vermuten darf, von einem Geheimdienst oder einer zwischengeschalteten Söldnerfirma angeheuert wurden, dann könnte ihnen noch eine Erfolgsprämie winken – nach der Entlassung, wenn ... ja wenn sie entsprechend der ihnen gegebenen Instruktionen handeln.
Bleibt die Crew
Die Crew hat statt einem roten Teppich nach der Landung in Moskau die „Grüne Minna“ kennengelernt und wurde im Lefortowo Gefängnis für fast zwei Wochen festgehalten. Dort fand sicherlich keine Bibelstunde statt, sondern Verhöre mit knallharten Drohungen. Anschliessend mussten die Mitglieder der Crew sich schriftlich verpflichten, über die Ereignisse an Bord der „Arctic Sea“ zu schweigen.
Im Falle des Zuwiderhandelns drohen ihnen satte Geld- und Freiheitsstrafen.Geldstrafen bis zu 80.000 Rubel und Freiheitsstrafen bis zu 7 Jahren, abzusitzen in Gefängnissen, wo die Medikamenten -resistente Tuberkulose grassiert.
Das dürfte als Abschreckung erst einmal genügen.
Straftatbestand: Landesverrat und Geheimnisverrat
Ist das überhaupt rechtens? Für den Fall, dass es sich um illegale Waffengeschäfte gehandelt hat, z.B. Waffengeschäfte, die gegen den Atomwaffensperrvertrag verstiessen? Ja doch, man braucht gar nicht auf die karnevalsfähige Aeusserung des früheren Bundeskanzlers Schröder zurückkommen, dass nämlich „Herr Putin ein lupenreiner Demokrat“ sei.
Auch in Deutschland haben wir Erfahrungen mit der Strafbarkeit des Aufdeckens von illegalen Staatsgeheimnissen, deren Veröffentlichung mittlerweile aber straflos ist (§§ 93 Abs. 2, 97a StGB).
Ein Blick zurück
Der wohl spektakulärste Fall war die Verurteilung des Journalisten Carl von Ossietzky im November 1931 durch das Reichsgericht in Leipzig zu 18 Monaten Freiheitsstrafe.
Ossietzky war von 1927 bis 1933 Herausgeber der linksliberalen Wochenzeitung Weltbühne zur Zeit der Weimarer Republik. Zu den Artikelschreibern in der Weltbühne gehörten Kurt Tucholsky, Lion Feuchtwanger, Erich Muehsam, Erich Kästner, Carl Zuckmayer und viele andere.
Am 12.3. 1929 erschien dort ein investigativer Artikel unter dem Titel „Windiges aus der deutschen Luftfahrt“. Darin wurde die unter Verstoss gegen das Versailler Abkommen betriebene Wiederaufrüstung der Luftwaffe angeprangert. Ein klar illegales Staatsgeheimnis, aber auch dessen Bekanntmachung ist Landesverrat, so das Reichsgericht.
Ossietzky, der 1936 den Friedensnobelpreis erhielt, war von den Nazis 1933 ins KZ eingeliefert worden und starb 1938 an Tuberkulose.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Weltbühneprozesses, 1990 von Ossietzkys Tochter Rosalinde von Ossietzky-Palm eingereicht, wurde letztinstanzlich vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 3.12. 1992 verworfen.
Auch eine Art der Vergangenheitsbewältigung.
Nachtrag 3.9.2009 21.15Uhr
Der Herausgeber des russischen maritimen Online- Magazins Sovfracht, Mikhail Voitenko, hat heute morgen fluchtartig Moskau in Richtung Türkei verlassen, nachdem er einen nächtlichen Drohanruf erhielt.
Voitenko hatte als Erster über das Verschwinden der Artic Sea berichtet und stets die offizielle Version einer reinen Holzladung zurückgewiesen.
In einem heutigen Interview mit der renommierten britischen Zeitung Guardian äusserte er sich wie folgt:.
Voitenko, however, has repeatedly cast doubt on the official version of events. The main source of information on the hijacking in the early days of the crisis, he has hinted that the ship may have been carrying a secret shipment of weapons, or, he suggested, "something much more expensive and dangerous".
Sounding distinctly frightened, Voitenko today said he did not know the identity of his mystery caller. But he hinted that the man who spoke with a "chilling voice" may have represented the FSB, Russia's powerful and secretive post-KGB spy agency. He also said that Russia was "deliberately covering up this mystery". Asked what was really hidden on board the Arctic Sea, he replied cryptically: "Half of those involved in this were private individuals. But half were linked with the state."
Genauere Angaben über die Ladung des Schiffes konnte oder wollte Voitenko nicht machen. Mit der Flucht Voitenkos ist das Medieninteresse am Fall der Arctic Sea wieder deutlich angestiegen.
Die Kaperung der Arctic Sea: Fakten, Indizien, Spekulationen
Arctic Sea"- Kaperung: Indizien deuten auf Geheimdienstaktion - vermutlich Mossad - und nicht Piraten
Arctic Sea – Die Besatzung ist frei, die Fragen bleiben
Geheimdienste in das Verschwinden der "Arctic Sea" verwickelt?
onlinedienst - 2. Sep, 20:52 Article 6648x read