Ägypten vor dem Bürgerkrieg?
Dr. Alexander von Paleske ---- 4.7. 2013 ----- Das Militär in Ägypten hat geputscht, den demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt und unter Hausarrest gestellt, die Verfassungs ausser Kraft gesetzt, und einen Interimspräsidenten namens Adly Mansour eingesetzt.
Mohammed Mursi ......abgesetzt und unter Hausarrest.
Adly Mansour .......Interimspräsident, kaum einer kennt ihn, keiner wählte ihn. Screenshot: Dr. v. Paleske
Die klammheimliche Freude westlicher Politiker ist nicht zu übersehen. Gleiches gilt natürlich für Israel.
Offen werden zwar Bedenken zur Schau getragen, und das Weisse Haus bestellte gar den Generalstaatsanwalt in den Krisenraum, um zu klären, ob es sich tatsachlich, rechtlich gesehen, um einen Putsch gehandelt habe.
Bundesaussenminister Guido Westerwelle fordert die rasche Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen.
Die logische sofortige Wiedereinsetzung von Mursi, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, Rückzug des Militärs in die Kasernen, die einzig einer Demokratie angemessene Lösung, fordert jedoch keiner dieser Politiker.
Keine Überraschung
Das ist jedoch keine Überraschung, denn die Übernahme der politischen Macht durch die Muslimbruderschaft nach demokratischen Wahlen vor einem Jahr, war den westlichen Politikern ein ständiger Dorn im Auge. Gleiches gilt für Israel, zumal die Hamas im Gaza Streifen traditionell enge Kontakte mit der Muslimbruderschaft pflegte.
Das Militär in Ägypten wird von den USA mit umgerechnet jährlich 1 Milliarde Euro alimentiert. Regelmässig finden gemeinsame Manöver statt, und Stabsoffiziere werden gerne in die USA eingeladen.
Nur ein Narr kann deshalb wohl annehmen, dass dieser Putsch nicht mit Billigung der USA stattgefunden hat.
Hinzu kommt, dass der ägyptische Oberbefehlshaber Abdel Fattah al Sisi vor Ablauf des gestrigen Ultimatums mit dem US-Verteidigungsminister Chuck Hagel telefonierte. Über das Wetter dürften die beiden kaum geredet haben.
Abdel Fattah al Sisi ......telefonierte mit US- Verteidigungsminister. . Screenshot: Dr. v. Paleske
Politische Fehler keine Putschrechtfertigung
Man kann den abgesetzten Premier Mursi leiden oder auch nicht. Politisch angreifbar ist die Zug um Zug angepeilte totale Islamisierung . Die musste auf den Widerstand nicht nur der christlichen Kopten, sondern vor allem der städtischen Bevölkerung unter 30 Jahren treffen, die es satt ist, sich vom Staat Vorschriften machen, sich gängeln zu lassen, während gleichzeitig ausser der Islamisierung keinerlei Perspektiven für die Abschaffung der hohen Jugendarbeitslosigkeit, und der um sich greifenden Armut eröffnet wurden.
Weiter die ausufernde Kriminalität, und ein anhaltender wirtschaftlicher Niedergang mit ständigen Stromabschaltungen.
Hinzu kam auch noch Mursis Griff nach unbeschränkter Macht.
Die Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz mit der Forderung nach dem Rücktritt Mursis waren die Antwort.
Die machtvollen Demonstrationen in den grossen Städten glichen in verblüffender Weise den Demonstrationen in der Türkei, wo sich ebenfalls die jugendliche Stadtbevölkerung gegen die zunehmende Islamisierung der Politik, und die Weigerung zum echten Dialog auflehnte .
Demonstranten ohne Mehrheit
Aber diese Demonstranten haben bisher nicht die Mehrheit, insbesondere der Provinzbevölkerung, hinter sich, und neue Wahlen - wer weiss schon wann die stattfinden - würden vermutlich wieder den Islamisten die Mehrheit bringen.
Rückblick auf Algerien
Ein ähnliches Szenario wie jetzt in Ägypten gab es in Nordafrika schon einmal: In Algerien.
Dort fanden im Jahre 1991 Parlamentswahlen statt. Nach dem sich abzeichnenden Sieg der Islamischen Heilsfront (Front islamique du salut, FIS), vergleichbar den Moslembrüdern in Ägypten, wurden die Wahlen abgebrochen.
Im März 1992 erfolgte die Anordnung zur Auflösung der FIS, die daraufhin zum bewaffneten Kampf aufrief. Im Laufe des Bürgerkriegs, der zwischen Islamisten und dem algerischen Militär geführt wurde und 10 Jahre dauerte, kamen über 120.000 Menschen ums Leben.
Im September 1998 war dort dann die Al Qaida nahestehende islamistengruppe „Predigt und Kampf” gegründet worden, die zum Dschihad, zum heiligen Krieg aufrief.
Dieses Szenario droht jetzt in Ägypten, wobei die Salafisten mit dem kaum zu widerlegenden Argument hausieren gehen dürften: Ergebnisse parlamentarischer Wahlen werden nur akzeptiert, wenn sie westlichen Ländern und Israel genehm sind. Also westlicher Popanz, der nichts mit der eigentlichen Demokratie, der Herrschaft des Volkes, zu tun hat.
Der Ausweg: Islamisierung und Errichtung eines (mittelalterlichen) Kalifats, Vertreibung aller „Ungläubigen“, Totalverschleierung der Frauen, strikte Trennung von Frauen und Männern, Einführung einer Religionspolizei etc.
Saudi-Arabien lässt grüssen.
Und so droht Ägypten - wie Algerien seinerzeit - zum nächsten Bürgerkriegsland in Nahost mit Bombenattentaten und Schiesserein zu werden, wie bereits Syrien und der Irak.
Eine wichtige Einnahmequelle des Landes, der Tourismus, dürfte sofort kollabieren, und damit zur weiteren Verschärfung der Armut und sozialen Spannungen beitragen.
Statt Verhandlungen: Putsch
Anstatt Druck auf das Militär auszuüben, eine Verhandlungslösung herbeizuführen, nun der Putsch.
Möge sich darüber freuen wer will, der Kater dürfte sich nur allzu schnell einstellen. Es sei denn, dass innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums also maximal 6 Monaten Neuwahlen fest angesetzt werden, an denen auch die Islamisten teilnehmen können.
Mittlerweile rollt aber die Verhaftungswelle gegen die Muslimbrüder. 300 Haftbefehle sollen bereits ausgestellt und etliche vollstreckt sein.
Die Gefahr des Bürgerkriegs ist real, und keineswegs eine Fata Morgana.
Die Salafisten wollen an die Macht - oder: hat der Herbst des arabischen Frühlings schon begonnen, oder gar der Winter?
Mohammed Mursi ......abgesetzt und unter Hausarrest.
Adly Mansour .......Interimspräsident, kaum einer kennt ihn, keiner wählte ihn. Screenshot: Dr. v. Paleske
Die klammheimliche Freude westlicher Politiker ist nicht zu übersehen. Gleiches gilt natürlich für Israel.
Offen werden zwar Bedenken zur Schau getragen, und das Weisse Haus bestellte gar den Generalstaatsanwalt in den Krisenraum, um zu klären, ob es sich tatsachlich, rechtlich gesehen, um einen Putsch gehandelt habe.
Bundesaussenminister Guido Westerwelle fordert die rasche Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen.
Die logische sofortige Wiedereinsetzung von Mursi, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, Rückzug des Militärs in die Kasernen, die einzig einer Demokratie angemessene Lösung, fordert jedoch keiner dieser Politiker.
Keine Überraschung
Das ist jedoch keine Überraschung, denn die Übernahme der politischen Macht durch die Muslimbruderschaft nach demokratischen Wahlen vor einem Jahr, war den westlichen Politikern ein ständiger Dorn im Auge. Gleiches gilt für Israel, zumal die Hamas im Gaza Streifen traditionell enge Kontakte mit der Muslimbruderschaft pflegte.
Das Militär in Ägypten wird von den USA mit umgerechnet jährlich 1 Milliarde Euro alimentiert. Regelmässig finden gemeinsame Manöver statt, und Stabsoffiziere werden gerne in die USA eingeladen.
Nur ein Narr kann deshalb wohl annehmen, dass dieser Putsch nicht mit Billigung der USA stattgefunden hat.
Hinzu kommt, dass der ägyptische Oberbefehlshaber Abdel Fattah al Sisi vor Ablauf des gestrigen Ultimatums mit dem US-Verteidigungsminister Chuck Hagel telefonierte. Über das Wetter dürften die beiden kaum geredet haben.
Abdel Fattah al Sisi ......telefonierte mit US- Verteidigungsminister. . Screenshot: Dr. v. Paleske
Politische Fehler keine Putschrechtfertigung
Man kann den abgesetzten Premier Mursi leiden oder auch nicht. Politisch angreifbar ist die Zug um Zug angepeilte totale Islamisierung . Die musste auf den Widerstand nicht nur der christlichen Kopten, sondern vor allem der städtischen Bevölkerung unter 30 Jahren treffen, die es satt ist, sich vom Staat Vorschriften machen, sich gängeln zu lassen, während gleichzeitig ausser der Islamisierung keinerlei Perspektiven für die Abschaffung der hohen Jugendarbeitslosigkeit, und der um sich greifenden Armut eröffnet wurden.
Weiter die ausufernde Kriminalität, und ein anhaltender wirtschaftlicher Niedergang mit ständigen Stromabschaltungen.
Hinzu kam auch noch Mursis Griff nach unbeschränkter Macht.
Die Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz mit der Forderung nach dem Rücktritt Mursis waren die Antwort.
Die machtvollen Demonstrationen in den grossen Städten glichen in verblüffender Weise den Demonstrationen in der Türkei, wo sich ebenfalls die jugendliche Stadtbevölkerung gegen die zunehmende Islamisierung der Politik, und die Weigerung zum echten Dialog auflehnte .
Demonstranten ohne Mehrheit
Aber diese Demonstranten haben bisher nicht die Mehrheit, insbesondere der Provinzbevölkerung, hinter sich, und neue Wahlen - wer weiss schon wann die stattfinden - würden vermutlich wieder den Islamisten die Mehrheit bringen.
Rückblick auf Algerien
Ein ähnliches Szenario wie jetzt in Ägypten gab es in Nordafrika schon einmal: In Algerien.
Dort fanden im Jahre 1991 Parlamentswahlen statt. Nach dem sich abzeichnenden Sieg der Islamischen Heilsfront (Front islamique du salut, FIS), vergleichbar den Moslembrüdern in Ägypten, wurden die Wahlen abgebrochen.
Im März 1992 erfolgte die Anordnung zur Auflösung der FIS, die daraufhin zum bewaffneten Kampf aufrief. Im Laufe des Bürgerkriegs, der zwischen Islamisten und dem algerischen Militär geführt wurde und 10 Jahre dauerte, kamen über 120.000 Menschen ums Leben.
Im September 1998 war dort dann die Al Qaida nahestehende islamistengruppe „Predigt und Kampf” gegründet worden, die zum Dschihad, zum heiligen Krieg aufrief.
Dieses Szenario droht jetzt in Ägypten, wobei die Salafisten mit dem kaum zu widerlegenden Argument hausieren gehen dürften: Ergebnisse parlamentarischer Wahlen werden nur akzeptiert, wenn sie westlichen Ländern und Israel genehm sind. Also westlicher Popanz, der nichts mit der eigentlichen Demokratie, der Herrschaft des Volkes, zu tun hat.
Der Ausweg: Islamisierung und Errichtung eines (mittelalterlichen) Kalifats, Vertreibung aller „Ungläubigen“, Totalverschleierung der Frauen, strikte Trennung von Frauen und Männern, Einführung einer Religionspolizei etc.
Saudi-Arabien lässt grüssen.
Und so droht Ägypten - wie Algerien seinerzeit - zum nächsten Bürgerkriegsland in Nahost mit Bombenattentaten und Schiesserein zu werden, wie bereits Syrien und der Irak.
Eine wichtige Einnahmequelle des Landes, der Tourismus, dürfte sofort kollabieren, und damit zur weiteren Verschärfung der Armut und sozialen Spannungen beitragen.
Statt Verhandlungen: Putsch
Anstatt Druck auf das Militär auszuüben, eine Verhandlungslösung herbeizuführen, nun der Putsch.
Möge sich darüber freuen wer will, der Kater dürfte sich nur allzu schnell einstellen. Es sei denn, dass innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums also maximal 6 Monaten Neuwahlen fest angesetzt werden, an denen auch die Islamisten teilnehmen können.
Mittlerweile rollt aber die Verhaftungswelle gegen die Muslimbrüder. 300 Haftbefehle sollen bereits ausgestellt und etliche vollstreckt sein.
Die Gefahr des Bürgerkriegs ist real, und keineswegs eine Fata Morgana.
Die Salafisten wollen an die Macht - oder: hat der Herbst des arabischen Frühlings schon begonnen, oder gar der Winter?
onlinedienst - 4. Jul, 17:27 Article 4481x read