Broelsch Prozess: Urteil verkündet, Fragen bleiben
Dr Alexander von Paleske --- 13.3. 2010 --- Im Strafprozess gegen den renommierten Transplantationschirurgen Professor Christoph Broelsch hat gestern das Landgericht Essen das Urteil verkündet: 3 Jahre Haft wegen Nötigung, Betrug, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung.
Eine Strafe ohne Bewährung, da die Obergrenze von zwei Jahren überschritten ist.
Prof Broelsch, Patienten
Prof. Broelsch, Verteidiger
Fotos: Dr. v. Paleske
Broelsch verlangte – und das war der strafrechtliche Hauptvorwurf - von Patienten, die nicht privat versichert waren, dass im Gegenzug für eine Chefarztbehandlung - und damit oftmals eine vorgezogene Behandlung - die Zahlung eines Geldbetrages für Forschungszwecke, der etwa 30% der normalerweise zu zahlenen Privatbehandlungsrechnung betrug..
Das Geld wurde dann nachweislich auf ein sogenanntes Drittmittelkonto eingezahlt, das vom Klinikum Essen verwaltet, und von dem aus Forschungsvorhaben finanziert wurden.
Hätte Broelsch die Chefarztbehandlung von Kassenpatienten glatt abgelehnt, und den Patienten auf den Weg über die Poliklinik und damit letztlich auf eine Warteliste verwiesen, wäre das völlig im Einklang mit der Rechtsordnung gewesen. Es hätte kein Strafverfahren gegen ihn gegeben.
Darüberhinaus hatte Broelsch in einigen Fällen nicht selbst am Op-Tisch gestanden, sondern einer der Oberärzte, und zwar nicht der 1. Oberarzt als sein ständiger Vertreter. Broelsch hatte aber, wie üblich, selbst abgerechnet.
Nach Auffassung des Gerichts ist das Betrug.
Im Einklang mit der Rechtsordnung wäre es aber gewesen, wenn in der schriftlichen Wahlleistungsvereinbarung – wie in den meisten Kliniken heute üblich – alle Oberärzte als seine Vertreter aufgeführt worden wären.. Abrechnen tun die Chefs ohnehin oftmals alleine, ganz egal, wer im konkreten Fall operiert..
Mehr Fragen aufgeworfen
Das Urteil hat daher mehr Fragen aufgeworfen, als es Antworten geliefert hat. Es hat eingeräumt, dass Professor Broelsch, ein Pionier der Lebendtransplantation der Leber, nicht aus „purer Gier“ handelte, wie die Staatsanwaltschaft ihm aber unterstellte.
Auch der Erpressungsvorwurf, von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift erhoben, wurde schon gleich zu Beginn des Prozesses vom Gericht zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft war ausserdem mit mehr als 200 Fällen von angeblichem Betrug angetreten, die sind während der Hauptverhandlung auf bis einen Rest zusammengeschmolzen.
Der Schwerpunkt der Verurteilung lag daher im Bereich von Bestechlichkeit und Nötigung.
Umstrittene Rechtsauslegung
Der Nötigungsparagraph (Paragraph 240 StGB) ist im deutschen Strafrecht einer der umstrittensten, da er mit einem unbestimmten Rechtsbegriff, der Verwerflichkeit arbeitet, und sich oftmals im Gerichtsverfahren erst herausstellt, was rechtlich gesehen Nötigung ist, und was nicht.
Das ist aus ungezählten Demonstrationsprozessen nur allzu bekannt . Aber das widerspricht ganz eindeutig dem Prinzip „Nulla poena sine lege“ , keine Verurteilung ohne Strafgesetz.. Das Prinzip der Rechtsklarheit darf für derartige Interpretationen keinen Raum lassen. Es muss abstrakt von vorneherein klar sein, was strafbar ist, und was nicht.
Hier hat nun aber die Rechtsprechung den Begriff der Verwerflichkeit von Mittel und Zweck interpretiert, und im Einzelfall auszufüllen versucht, mal extensiver, mal restriktiver.
Selbst das Bundesverfassungsgericht musste bei der Interpretation des Nötigungsparagraphen schon restriktiv korrigierend eingreifen (Beschluss vom 24. Oktober 2001 BVerfGE 104, 92 = NJW 2002, 1031 )
Aber auch bei der Verurteilung wegen Bestechlichkeit kommen erhebliche Zweifel auf.
Ist also Professor Broelsch daher ganz oder zumindest teilweise zu Unrecht verurteilt worden?
Diese Frage wird der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren zu entscheiden haben, die Anwälte haben bereits Revisonseinlegung angekündigt.
Ein Urteil mit Folgen
Was jedoch bereits feststeht: Das Urteil des Landgerichts Essen wird spalten, wie es bereits der Prozess von Anfang an getan hat:
Diejenigen Patienten und/oder deren Angehörige, die an den Starchirurgen zahlen mussten, aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren, werden sich jetzt wohl die Hände reiben oder zumindest Genugtuung empfinden.
Nicht wenige werden jetzt, gestützt auf das Strafurteil, Zivilklage einreichen und ihr Geld zurückfordern.
Diejenigen, die ihr Weiterleben Broelsch verdanken, und das sind nicht wenige, denn Broelsch machte dort weiter, wo andere längst aufgegeben hatten, werden empört sein.
Es spaltet auch diejenigen, die mit Freude das Urteil zur Kenntnis nahmen, weil es endlich mal den „raffgierigen Aerzten“‘ gezeigt wurde, gegen diejenigen, die aus Erfahrung längst wissen, dass nur über Drittmittel überhaupt noch Forschung in vielen Bereichen betrieben werden kann. Und diese Drittmittel stammen oft genug aus der phamazeutischen Industrie.
Der Staat, der eigentlich aus Steuermitteln diese Forschungsgelder bereitstellen sollte, hat sich in weiten Bereichen längst zurückgezogen, jetzt noch zusätzlich verschärft durch die internationale Finanzkrise mit ihren Folgen.
Das Urteil spaltet aber auch diejenigen, die glauben, wir hätten in Deutschland eine klassenlose Medizin, gegen diejenigen, die längst wissen, dass davon keine Rede sein kann, heute eher noch weniger als gestern, und dass hier keine Strafurteile, sondern grundlegende Reformen erforderlich sind.
.
Daher reicht dieser Fall prinzipiell weit über die Vorgänge am Uniklinikum Essen hinaus, wie wir bereits im September 2009 schrieben.
Er wirft ein Schlaglicht auf die medizinische Versorgung in Deutschland, die in einer zunehmend verschärfenden Krise sich befindet, und die Unfähigkeit der Regierungen, ob es nun Rot- Grün oder Rot -Schwarz oder Gelb-Schwarz ist, eine Reform zustande zu bringen, die nicht nur mit Misständen aufräumt, die eklatanten Ungleichheiten bei der Patientenversorgung beseitigt, Forschungsfragen und Drittmittelverwendung regelt, sondern auch das Gesundheitswesen langfristig bezahlbar hält.
Stattdessen: Flickschusterei, Tapsen von Krise zu Krise, und bei allem der Versuch, bittere Wahrheiten der Bevölkerung vorzuenthalten, und so zu tun, als könne im Wesentlichen alles beim alten bleiben.
Kaschierung der wirklichen Probleme
Der Fall Broelsch hat also gerade auch damit zu tun, dass die Krankenhäuser mittlerweile finanziell unterversorgt sind, dass nicht wenige noch vor Ablauf des Jahrzehnts in Konkurs gehen dürften, dass die Abkehr vom Tagessatz zur Fallpauschale die Kliniken nicht nur zwingt, Patienten möglichst schnell zu entlassen, sondern auch damit, dass eine geordnete Gesundheitspolitik die auch den Ärzten längerfristiges Planen ermöglicht, überhaupt nicht mehr erkennbar ist.
Dass ausserdem die Arzneimittelkosten völlig aus dem Ruder gelaufen sind, und bei neuen Präparaten oftmals exorbitante Beträge von der Pharmaindustrie verlangt und von den Kassen bezahlt werden...
Auch dass viele Professoren sich zu Bütteln der Pharmaindustrie machen.
Der Fall hat darüberhinaus auch damit zu tun, dass, um vernünftige Forschung zu betreiben, die Einwerbung von sogenannten Drittmitteln nicht nur wünschenswert sondern zwingend erforderlich ist.
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Ärzten wird mittlerweile über Drittmittel finanziert, obgleich sie, zumindest teilweise, an der Patientenversorgung teilnehmen, also eigentlich insoweit von den Universitätskliniken bezahlt werden müssten, aber selbst dafür fehlen die Gelder. Von Forschungsgeldern ganz zu schweigen.
Moralisch akzeptabel?
Ist das Vorgehen von Professor Broelsch daher, selbst wenn es strafrechtlich nicht relevant sein sollte, moralisch akzeptabel?
Prof. Broelsch zu einem Mittel gegriffen, das moralisch angreifbar ist, und das ich persönlich für inakzeptabel halte..
Der Patient ist verzweifelt und möchte natürlich die beste Behandlung bekommen, also versucht er irgendwie die Mittel aufzutreiben, nachdem er erkannt hat, dass offenbar nur dies den Zugang zum Starchirurgen erleichtert .
Es hätte wohl kaum jemand etwas einzuwenden gehabt, wenn nach der Operation die Patienten um Zuwendungen gebeten worden wären, aber da wären erstens einmal alle diejenigen weggefallen, bei denen die Operation erfolglos geblieben wäre, zum anderen löst Dankbarkeit leider oftmals eine weniger starke Spendenbereitschaft aus, sofern man das überhaupt so nennen will , wie Verzweiflung. Aber Verzweiflung sollte niemals ausgenutzt werden. Gerade deshalb die Einstufung als „inakzeptabel“.
Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zeigt z.B. die seinerzeitige Initiative der Krebskinderklinik Hamburg Eppendorf damals noch unter Professor Landbeck, wo die Aerzteschaft in der Innenstadt Geld für eine Krebskinderklinik sammelte. Das Echo war enorm. Das Geld kam zusammen. Oder Prof. Hossfeld mit der Errichtung der Abteilung für Knochenmarkstransplantation in Eppendorf – aus Spendengeldern - und zwar nicht von verzweifelten Patienten..
Es gibt also bessere Wege, die von Prof. Broelsch verfolgten Ziele zu erreichen. Und gerade in der Medizin gilt nicht uneingeschränkt der Satz, dass der gute Zweck automatisch die Mittel heiligt.
Wenn man dann die Gesamtsumme allerdings betrachtet, um die es hier geht, weniger als 200.000 Euro, und sie in Relation setzt zu dem, was die Banker – straflos – verzockt haben, nämlich Milliardenbeträge, Zehntausende der Arbeitslosigkeit ausgeliefert haben, einige aus Verzweiflung in den Selbstmord getrieben, dann stellen sich noch mehr Fragen, unangenehme Fragen....
Die Presse und der Prozess
Schliesslich darf das Auftreten der Presse in diesem Prozess nicht unerwähnt bleiben, allen voran die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, aber auch die Wochenzeitung „Die ZEIT“. Da vermisste ich die gebotene Zurückhaltung vor Urteilsverkündung. Es drängte sich für mich vielmehr der Eindruck von Stimmungsmache und Vorverurteilung auf.
Die Zeiten eines Gerichtsreporters wie Gerhard Mauz sind offenbar lange vorbei.
Der Verfasser ist leitender Arzt in Bulawayo/Simbabwe und ehemaliger Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
Professor Christoph Broelsch – Die lange Reise eines Starchirurgen auf die Anklagebank
Im Interview: Professor Christoph Broelsch
Eine Strafe ohne Bewährung, da die Obergrenze von zwei Jahren überschritten ist.
Prof Broelsch, Patienten
Prof. Broelsch, Verteidiger
Fotos: Dr. v. Paleske
Broelsch verlangte – und das war der strafrechtliche Hauptvorwurf - von Patienten, die nicht privat versichert waren, dass im Gegenzug für eine Chefarztbehandlung - und damit oftmals eine vorgezogene Behandlung - die Zahlung eines Geldbetrages für Forschungszwecke, der etwa 30% der normalerweise zu zahlenen Privatbehandlungsrechnung betrug..
Das Geld wurde dann nachweislich auf ein sogenanntes Drittmittelkonto eingezahlt, das vom Klinikum Essen verwaltet, und von dem aus Forschungsvorhaben finanziert wurden.
Hätte Broelsch die Chefarztbehandlung von Kassenpatienten glatt abgelehnt, und den Patienten auf den Weg über die Poliklinik und damit letztlich auf eine Warteliste verwiesen, wäre das völlig im Einklang mit der Rechtsordnung gewesen. Es hätte kein Strafverfahren gegen ihn gegeben.
Darüberhinaus hatte Broelsch in einigen Fällen nicht selbst am Op-Tisch gestanden, sondern einer der Oberärzte, und zwar nicht der 1. Oberarzt als sein ständiger Vertreter. Broelsch hatte aber, wie üblich, selbst abgerechnet.
Nach Auffassung des Gerichts ist das Betrug.
Im Einklang mit der Rechtsordnung wäre es aber gewesen, wenn in der schriftlichen Wahlleistungsvereinbarung – wie in den meisten Kliniken heute üblich – alle Oberärzte als seine Vertreter aufgeführt worden wären.. Abrechnen tun die Chefs ohnehin oftmals alleine, ganz egal, wer im konkreten Fall operiert..
Mehr Fragen aufgeworfen
Das Urteil hat daher mehr Fragen aufgeworfen, als es Antworten geliefert hat. Es hat eingeräumt, dass Professor Broelsch, ein Pionier der Lebendtransplantation der Leber, nicht aus „purer Gier“ handelte, wie die Staatsanwaltschaft ihm aber unterstellte.
Auch der Erpressungsvorwurf, von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift erhoben, wurde schon gleich zu Beginn des Prozesses vom Gericht zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft war ausserdem mit mehr als 200 Fällen von angeblichem Betrug angetreten, die sind während der Hauptverhandlung auf bis einen Rest zusammengeschmolzen.
Der Schwerpunkt der Verurteilung lag daher im Bereich von Bestechlichkeit und Nötigung.
Umstrittene Rechtsauslegung
Der Nötigungsparagraph (Paragraph 240 StGB) ist im deutschen Strafrecht einer der umstrittensten, da er mit einem unbestimmten Rechtsbegriff, der Verwerflichkeit arbeitet, und sich oftmals im Gerichtsverfahren erst herausstellt, was rechtlich gesehen Nötigung ist, und was nicht.
Das ist aus ungezählten Demonstrationsprozessen nur allzu bekannt . Aber das widerspricht ganz eindeutig dem Prinzip „Nulla poena sine lege“ , keine Verurteilung ohne Strafgesetz.. Das Prinzip der Rechtsklarheit darf für derartige Interpretationen keinen Raum lassen. Es muss abstrakt von vorneherein klar sein, was strafbar ist, und was nicht.
Hier hat nun aber die Rechtsprechung den Begriff der Verwerflichkeit von Mittel und Zweck interpretiert, und im Einzelfall auszufüllen versucht, mal extensiver, mal restriktiver.
Selbst das Bundesverfassungsgericht musste bei der Interpretation des Nötigungsparagraphen schon restriktiv korrigierend eingreifen (Beschluss vom 24. Oktober 2001 BVerfGE 104, 92 = NJW 2002, 1031 )
Aber auch bei der Verurteilung wegen Bestechlichkeit kommen erhebliche Zweifel auf.
Ist also Professor Broelsch daher ganz oder zumindest teilweise zu Unrecht verurteilt worden?
Diese Frage wird der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren zu entscheiden haben, die Anwälte haben bereits Revisonseinlegung angekündigt.
Ein Urteil mit Folgen
Was jedoch bereits feststeht: Das Urteil des Landgerichts Essen wird spalten, wie es bereits der Prozess von Anfang an getan hat:
Diejenigen Patienten und/oder deren Angehörige, die an den Starchirurgen zahlen mussten, aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren, werden sich jetzt wohl die Hände reiben oder zumindest Genugtuung empfinden.
Nicht wenige werden jetzt, gestützt auf das Strafurteil, Zivilklage einreichen und ihr Geld zurückfordern.
Diejenigen, die ihr Weiterleben Broelsch verdanken, und das sind nicht wenige, denn Broelsch machte dort weiter, wo andere längst aufgegeben hatten, werden empört sein.
Es spaltet auch diejenigen, die mit Freude das Urteil zur Kenntnis nahmen, weil es endlich mal den „raffgierigen Aerzten“‘ gezeigt wurde, gegen diejenigen, die aus Erfahrung längst wissen, dass nur über Drittmittel überhaupt noch Forschung in vielen Bereichen betrieben werden kann. Und diese Drittmittel stammen oft genug aus der phamazeutischen Industrie.
Der Staat, der eigentlich aus Steuermitteln diese Forschungsgelder bereitstellen sollte, hat sich in weiten Bereichen längst zurückgezogen, jetzt noch zusätzlich verschärft durch die internationale Finanzkrise mit ihren Folgen.
Das Urteil spaltet aber auch diejenigen, die glauben, wir hätten in Deutschland eine klassenlose Medizin, gegen diejenigen, die längst wissen, dass davon keine Rede sein kann, heute eher noch weniger als gestern, und dass hier keine Strafurteile, sondern grundlegende Reformen erforderlich sind.
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Daher reicht dieser Fall prinzipiell weit über die Vorgänge am Uniklinikum Essen hinaus, wie wir bereits im September 2009 schrieben.
Er wirft ein Schlaglicht auf die medizinische Versorgung in Deutschland, die in einer zunehmend verschärfenden Krise sich befindet, und die Unfähigkeit der Regierungen, ob es nun Rot- Grün oder Rot -Schwarz oder Gelb-Schwarz ist, eine Reform zustande zu bringen, die nicht nur mit Misständen aufräumt, die eklatanten Ungleichheiten bei der Patientenversorgung beseitigt, Forschungsfragen und Drittmittelverwendung regelt, sondern auch das Gesundheitswesen langfristig bezahlbar hält.
Stattdessen: Flickschusterei, Tapsen von Krise zu Krise, und bei allem der Versuch, bittere Wahrheiten der Bevölkerung vorzuenthalten, und so zu tun, als könne im Wesentlichen alles beim alten bleiben.
Kaschierung der wirklichen Probleme
Der Fall Broelsch hat also gerade auch damit zu tun, dass die Krankenhäuser mittlerweile finanziell unterversorgt sind, dass nicht wenige noch vor Ablauf des Jahrzehnts in Konkurs gehen dürften, dass die Abkehr vom Tagessatz zur Fallpauschale die Kliniken nicht nur zwingt, Patienten möglichst schnell zu entlassen, sondern auch damit, dass eine geordnete Gesundheitspolitik die auch den Ärzten längerfristiges Planen ermöglicht, überhaupt nicht mehr erkennbar ist.
Dass ausserdem die Arzneimittelkosten völlig aus dem Ruder gelaufen sind, und bei neuen Präparaten oftmals exorbitante Beträge von der Pharmaindustrie verlangt und von den Kassen bezahlt werden...
Auch dass viele Professoren sich zu Bütteln der Pharmaindustrie machen.
Der Fall hat darüberhinaus auch damit zu tun, dass, um vernünftige Forschung zu betreiben, die Einwerbung von sogenannten Drittmitteln nicht nur wünschenswert sondern zwingend erforderlich ist.
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Ärzten wird mittlerweile über Drittmittel finanziert, obgleich sie, zumindest teilweise, an der Patientenversorgung teilnehmen, also eigentlich insoweit von den Universitätskliniken bezahlt werden müssten, aber selbst dafür fehlen die Gelder. Von Forschungsgeldern ganz zu schweigen.
Moralisch akzeptabel?
Ist das Vorgehen von Professor Broelsch daher, selbst wenn es strafrechtlich nicht relevant sein sollte, moralisch akzeptabel?
Prof. Broelsch zu einem Mittel gegriffen, das moralisch angreifbar ist, und das ich persönlich für inakzeptabel halte..
Der Patient ist verzweifelt und möchte natürlich die beste Behandlung bekommen, also versucht er irgendwie die Mittel aufzutreiben, nachdem er erkannt hat, dass offenbar nur dies den Zugang zum Starchirurgen erleichtert .
Es hätte wohl kaum jemand etwas einzuwenden gehabt, wenn nach der Operation die Patienten um Zuwendungen gebeten worden wären, aber da wären erstens einmal alle diejenigen weggefallen, bei denen die Operation erfolglos geblieben wäre, zum anderen löst Dankbarkeit leider oftmals eine weniger starke Spendenbereitschaft aus, sofern man das überhaupt so nennen will , wie Verzweiflung. Aber Verzweiflung sollte niemals ausgenutzt werden. Gerade deshalb die Einstufung als „inakzeptabel“.
Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zeigt z.B. die seinerzeitige Initiative der Krebskinderklinik Hamburg Eppendorf damals noch unter Professor Landbeck, wo die Aerzteschaft in der Innenstadt Geld für eine Krebskinderklinik sammelte. Das Echo war enorm. Das Geld kam zusammen. Oder Prof. Hossfeld mit der Errichtung der Abteilung für Knochenmarkstransplantation in Eppendorf – aus Spendengeldern - und zwar nicht von verzweifelten Patienten..
Es gibt also bessere Wege, die von Prof. Broelsch verfolgten Ziele zu erreichen. Und gerade in der Medizin gilt nicht uneingeschränkt der Satz, dass der gute Zweck automatisch die Mittel heiligt.
Wenn man dann die Gesamtsumme allerdings betrachtet, um die es hier geht, weniger als 200.000 Euro, und sie in Relation setzt zu dem, was die Banker – straflos – verzockt haben, nämlich Milliardenbeträge, Zehntausende der Arbeitslosigkeit ausgeliefert haben, einige aus Verzweiflung in den Selbstmord getrieben, dann stellen sich noch mehr Fragen, unangenehme Fragen....
Die Presse und der Prozess
Schliesslich darf das Auftreten der Presse in diesem Prozess nicht unerwähnt bleiben, allen voran die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, aber auch die Wochenzeitung „Die ZEIT“. Da vermisste ich die gebotene Zurückhaltung vor Urteilsverkündung. Es drängte sich für mich vielmehr der Eindruck von Stimmungsmache und Vorverurteilung auf.
Die Zeiten eines Gerichtsreporters wie Gerhard Mauz sind offenbar lange vorbei.
Der Verfasser ist leitender Arzt in Bulawayo/Simbabwe und ehemaliger Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
Professor Christoph Broelsch – Die lange Reise eines Starchirurgen auf die Anklagebank
Im Interview: Professor Christoph Broelsch
onlinedienst - 13. Mär, 07:07 Article 4523x read