Clearstream - Ein Megaskandal in Frankreich
Dr. Alexander von Paleske -- 14.9. 2009 --- Der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, pflegte zu Journalisten zu sagen „Wir haben so viel Dreck im eigenen Land, dass wir uns um die anderen gar nicht zu bekümmern haben“
Wohl wahr, gleichwohl wollen wir uns heute mal nicht daran halten, sondern über den Zaun nach Frankreich blicken, dort steht am 21. September in Paris ein Gerichtstermin an, nicht irgendeiner, sondern Termin in Sachen Clearstream-Skandal.
Nicht irgendein Skandal, sondern einer, der in den obersten Etagen der Politik und Wirtschaft spielt.
Dies ist nun schon der zweite hoch angesiedelte Gerichtsfall in Frankreich neben dem noch laufenden „Angolagate-Prozess“, über den wir bereits ausführlich berichteten. Und während es beim Angolagate um schmutzige Waffenlieferungen in einen afrikanischen Bürgerkrieg in den 90er Jahren geht, handelt es beim Clearstream-Skandal um angeblich geheime Bankkonten, vor allem aber um einen offenbar schmutzigen Machtkampf um die seinerzeitige Nachfolge des französischen Staatspräsidenten Chirac, der mittlerweile bekanntlich zugunsten von Nicolas Sarkozy entschieden ist.
Und es ist der zweite Skandal mit dem Namen Clearstream. Doch Nomen ist diesmal offenbar keineswegs Omen. Im Gegenteil!.
Clearstream – ein Blick zurück
Wer ist Clearstream und was macht diese Firma?
Clearstream International S.A ist eine Tochter der Deutschen Börse AG, allerdings nicht mit Sitz in Frankfurt, sondern in Luxemburg. Nicht in Deutschland, sondern dort, wo das Bankgeheimnis offenbar besser vor neugierigen Blicken ausländischer Staatsanwaltschaften und Steuerbehörden geschützt ist.
Die Firma Clearstream ist im Jahre 2000 hervorgegangen aus einer Fusion der beiden Clearing-Häuser Deutsche Börse Clearing AG und der CEDEL International.
Aufgabe dieser Gesellschaft ist die Sammelverwahrung von Wertpapieren, denn die einzelnen Banken verwahren heutzutage keine Wertpapiere mehr. Der Wert dieser bei Clearstream eingelagerten Wertpapiere beläuft sich auf rund 10 Billionen Euro.
Mit anderen Worten: Wenn irgendwo in Deutschland Wertpapiere gekauft und verkauft werden, dann bekommt Clearstream das mit, dort lagern sie ja. Clearstream rechnet dann zwischen den Banken ab, und verdient gut daran.
Die Banken müssen also beim Kauf von Papieren kein Geld mehr über die Strasse tragen. Und bunkern brauchen sie die Wertpapiere eben auch nicht mehr, das macht alles Clearstream. Sozusagen ein Lager- und Verrechnungshaus, aber nicht nur das, sondern natürlich über eine Tochtergesellschaft auch eine richtige Bank. mit Konten und allem Drum und Dran was eben so zu einer Bank gehört.
Clearstream ist aber nicht nur Lagerverwalter, sondern international auch als Wertpapier- Finanzierer und Investmentfond-Dienstleister tätig , eine richtig dicke Adresse, noch dazu im finanzfreundlichen Grossherzogtum Luxemburg.
2500 Finanzinstitute in über 100 Ländern sind Kunde bei Clearstream. 150 Millionen Transaktionen waren es bereits im Jahre 2000, dem Gründungsjahr..
Die Gesamttransfersumme betrug 10 Trillionen Euro.
In der breiten Oeffentlichkeit kannte kaum jemand die Firma, die im Jahre 2002 von der Deutschen Börse voll übernommen wurde.
In Zukunft wird die Bedeutung von Clearstream noch weiter steigen, nämlich dann, wenn die bisher über den Tresen gehandelten Derivate wie Swaps, mitursächlich für die Weltfinanzkrise, nunmehr über Clearinghäuser laufen müssen.
Und gerade hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass, jedenfalls vor einigen Jahren, Clearstream eine Art marktbeherrschende Stellung hatte, die es offenbar ausgenutzt hat, um sich Konkurrenten vom Leibe zu halten. Wie unschön.
Nicht alles hasenrein?
Wer so viele Transaktionen bewerkstelligt, durch dessen Hände rinnt auch kriminelles Gut – zwangsläufig- , also Papiere der Mafia, sei es der italienischen, sei es der russischen, und natürlich auch von Terrororganisationen, dann auch aus Waffen- und Drogengeschäften.
Die Fragen sind nur: Weiss Clearstream davon, könnte Clearstream davon wissen oder hat Clearstream sogar die Wertpapier- und Geldtransfers dieser kriminellen Organistaionen erleichtert oder zumindet nicht unterbunden? Diesen Fragen sind zwei investigative Journalisten nachgegangen, einer davon vom Bankfach und ehemals bei CEDEL international: Ernest Backes und Denis Robert.
Im Jahre 2001 erschien ihr Buch , das sich mit Clearstream und dessen angeblichen Machenschaften beschäftigt: Révélations- dt: Das Schweigen des Geldes.
Das Buch löste den ersten Clearstream Skandal aus. Die Anschuldigungen der Journalisten betreffen auch den französischen Rüstungsriesen Thomson CSF/Thales und seine Geschäftsbeziehungen zu Taiwan >aber ebenso andere Grossfirmen.
Insgesamt war jedoch die Beweisführung der Autoren wohl zu dünn, was Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz auf Seiten von Clearstream und seinen Managern angeht, obwohl man vermuten darf, dass die Autoren sich auf Insider- Infos stützen konnten, Infos, für die sich auch der BND interessierte, dessen Mitarbeiter Backes offenbar dann wurde.
Und so verlor der Autor Robert gleich mehrere gegen ihn angestrengte Verleumdungsklagen.
Die Staatsanwaltschaft in Luxemburg stellte die Ermittlungen gegen Clearstream im Jahre 2004 ein.
Zu den weiteren Hintergründen siehe hier
Langsam verschwindet Clearstream wieder aus den Schlagzeilen. Aber doch nur kurzfristig, wie man sehen wird.
Aus Clearstream I wird Clearstream II
Drei Jahre nach der Veröffentlichung des Buches , also im Jahre 2004, taucht plötzlich eine Liste mit angeblichen weiteren Clearstream-Geheimkonten auf und landet auf dem Tisch eines französischen Untersuchungsrichters, der Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit Fregattenlieferungen an Taiwan nachgeht.
Die Papiere wollen glauben machen, dass russische Oligarchen über Clearstream ganze Unternehmensgruppen unterwandern und kontrollieren. Also das, was schon die Enthüllungsjournalisten Backes und Robert in ihrem Buch behauptet hatten.
Dies war offenbar nur das „Warmlaufen“, denn kurz darauf folgt eine weitere Sendung, die eine Liste mit angeblichen Geheimkonten enthält, welche aber diesmal mit Namen verknüpft sind. Als Konteninhaber werden genannt :
- Der Vizepräsident von Airbus, Philippe Delmas
- Der damalige Finanzminister und nunmehrige Staatspräsident Nicolas Sarkozy,
- Der Ex Minister Dominique Strauss-Kahn
- Der Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevènement
- Und der UMP-Abgeordnete Alain Madelin.
Absender der Papiere: Vorläufig unbekannt.
Französische Intrigenwirtschaft
Das hat nun offenbar alles weniger mit der Firma Clearstream zu tun, als vielmehr mit einer Intimfeindschaft zwischen dem damaligen Innenminister und späteren Premier Dominique de Villepin, vom damaligen Staatspräsidenten Chirac als sein Nachfolger auserkoren, und Nicolas Sarkozy, dem jetzigen Präsidenten Frankreichs und damaligen Finanzminister.
Parallel dazu tobt bei der Luftfahrtfirma EADS/Airbus ein Pöstchenmachtkampf gleicher Art, nämlich zwischen dem Vizepräsidenten von EADS , Jean Louis Gergorin und dem Vizepräsidenten von Airbus, Delmas. Als als ob es da nicht schon genügend Probleme mit der Herstellung des Airbus A 380 gäbe.
Mein Feind ist dein Feind
Was Gergorin und de Villepin offenbar vereint, ist die Verachtung Sarkozys. De Villepin nennt ihn einen Zwerg, und darüberhinaus vereint beide der starke Wunsch, die Präsidentschaft Sarkozys unter allen Umständen zu verhindern.
Und so kommt es angeblich zu einer Gemeinschaftsaktion von de Villepin und Gergorin.
Ein schillernder Geheimdienstmann betritt die Bühne
Somit haben wir schon einmal zwei der insgesamt fünf Angeklagten in diesem Prozess vorgestellt, Gergorin und de Villepin. Die Anklage lautet auf Diffamierung, Verschwörung, Urkundenfälschung, Diebstahl und Hehlerei.
Der Dritte im Angeklagten-Bunde ist der Computerspezialist und Geheimdienstmitarbeiter Imad Lahoud, seines Zeichens Neffe des ehemaligen libanesischen Präsidenten Emile Lahoud
und vom französischen Geheimdienst angeheuert um Bankverbindungen von Osama bin Laden aufzudecken.
Lahoud wurde von dem Top-Gemeindienstmann Frankreichs, General Rondot, bei Gergorin seinerzeit vorgestellt und von diesem dann bei EADS untergebracht. Ein richtig schönes Netzwerk.
Eine Intrige nimmt ihren Lauf
Dieser Imad Lahoud trifft nun auf den Enhüllungsjournalisten Denis Robert, den wir bereits erwähnten, auch er ein Angeklagter in diesem Prozess.
Und nach dem Motto gib Du mir was und ich geb Dir was, erhält Lahoud von Denis Robert die Clearstream- Liste. Diese Liste wurde angeblich von dem weiteren Mitangeklagten Florian Bourges, einem Angestellten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen bei Clearstream gestohlen dann offenbar an Denis Robert weitergereicht.
Ueber Gergorin landet diese Liste dann auf dem Tisch eines Untersuchungsrichters, selbstverständlich ohne Absenderangabe.
Erst im Jahre 2006 gesteht Gergorin seine Absenderschaft und fliegt prompt bei EADS raus.
Lahoud ergänzte angeblich die Liste im Beisein des damaligen Polizei-Geheimdienstchefs, Yves Bertrand, noch ein wenig, wie er nun gestanden hat, und setzte, nach seinem sensationellen Geständnis, eben auch unter anderem den Namen von Sarkozy drauf.
Der Geheimdienstchef wiederum behauptet aber, diesen Lahoud niemals getroffen zu haben, geschweige denn in seinem Büro zugeschaut zu haben, wie Lahoud die Liste verschwörungsmässig auf Vordermann brachte.
Das Strafverfahren nimmt seinen Lauf
Sarkozy tobt, er will ein Strafverfahren gegen die angeblichen Intriganten, vor allem natürlich gegen de Villepin, und das bekommt er nun. Denn mit dem Geständnis von Lahoud und dem Geständnis von Gergorin hat die Staatsanwaltschaft offenbar genügend Belastungsmaterial in den Händen.
Mit de Villepin sitzt nun ein ehemaliger Premier auf der Anklagebank, zwar kein Novum in Frankreich, bereits der frühere Premier Alain Juppé wurde vor fünf Jahren wegen Korruption verurteilt, aber eher ungewöhnlich.
Der Ex- Geheimdienstchef Bertrand ist Zeuge in dem nun anstehenden Prozess und nicht Angeklagter. Er hat in einem Interview mit der Londoner Zeitung SUNDAY TIMES das am 13.9. 2009 veröffentlicht wurde, schon einmal vorab erklärt, dass hier Präsident Sarkozy einen Rachefeldzug gegen seinen einstmaligen Widersacher de Villepin betreibe.
Das Notizbuch dieses Geheimdienstlers Bertrand befindet sich auch in den Gerichtsakten. Dort finden sich allerlei Eintragungen, die mehr eines Joseph Fouche, des Polizeiministers Napoleons, würdig sind.
Eine Notizbuch-Reise nicht etwa in die politische Unterwelt,
sondern stattdessen in die Unterwäsche der Creme de la creme, also wer mit wem ins Bett gegangen ist, ausserehelich versteht sich, und wer ausserdem noch Kokain geschnupft hat.
Immerhin, das Wort „Unter“ haben beide Reisen ja gemeinsam.
.
Und so stellt sich die Frage, wie eigentlich bei diesen ganzen Intrigen noch Zeit für das Regieren geblieben ist.
Sarkozy hat sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen und einen der durchdringensten Advokaten zur Vertretung seiner Interessen in dem Prozess bestellt, den Herrn Thierry Herzog, der Sarkozy angeblich versprochen hat, den Kopf des Herrn de Villepin auf einem Tablett zu servieren.
Apropos Kopf, in dem gleichen Raum, in dem der Prozess stattfindet, dem wohl ganz Frankreich interessiert zuschauen wird, fand vor 216 Jahren der Prozess gegen Königin Marie Antoinette statt. Sie endete bekanntlich unter der Guillotine.
.
Ja, so aufregend kann es zugehen in der Politik und Wirtschaft. Nicht nur in Frankreich, das sollten wir ergänzend anmerken.
Nachtrag 17.5. 2011
Der Journalist Denis Roberts hat mittlerweile in letzter Instanz gegen Clearstream in Paris in vollem Umfang gewonnen. Clearstream musste eine empfindliche gerichtliche Niederlage einstecken.
Details hier:
David gegen Goliath: Französischer Journalist Denis Robert obsiegt im Verfahren wegen übler Nachrede gegen die Deutsche Börse-Tochter Clearstream.
Angolagate in Frankreich – Geldgier, Geschütze und Granaten
Angolagate in Frankreich – Ein Schmiergeldprozess mit Prominenten nähert sich dem Ende
Elf oder Sprit für Bestechungen im Grossformat
Wohl wahr, gleichwohl wollen wir uns heute mal nicht daran halten, sondern über den Zaun nach Frankreich blicken, dort steht am 21. September in Paris ein Gerichtstermin an, nicht irgendeiner, sondern Termin in Sachen Clearstream-Skandal.
Nicht irgendein Skandal, sondern einer, der in den obersten Etagen der Politik und Wirtschaft spielt.
Dies ist nun schon der zweite hoch angesiedelte Gerichtsfall in Frankreich neben dem noch laufenden „Angolagate-Prozess“, über den wir bereits ausführlich berichteten. Und während es beim Angolagate um schmutzige Waffenlieferungen in einen afrikanischen Bürgerkrieg in den 90er Jahren geht, handelt es beim Clearstream-Skandal um angeblich geheime Bankkonten, vor allem aber um einen offenbar schmutzigen Machtkampf um die seinerzeitige Nachfolge des französischen Staatspräsidenten Chirac, der mittlerweile bekanntlich zugunsten von Nicolas Sarkozy entschieden ist.
Und es ist der zweite Skandal mit dem Namen Clearstream. Doch Nomen ist diesmal offenbar keineswegs Omen. Im Gegenteil!.
Clearstream – ein Blick zurück
Wer ist Clearstream und was macht diese Firma?
Clearstream International S.A ist eine Tochter der Deutschen Börse AG, allerdings nicht mit Sitz in Frankfurt, sondern in Luxemburg. Nicht in Deutschland, sondern dort, wo das Bankgeheimnis offenbar besser vor neugierigen Blicken ausländischer Staatsanwaltschaften und Steuerbehörden geschützt ist.
Die Firma Clearstream ist im Jahre 2000 hervorgegangen aus einer Fusion der beiden Clearing-Häuser Deutsche Börse Clearing AG und der CEDEL International.
Aufgabe dieser Gesellschaft ist die Sammelverwahrung von Wertpapieren, denn die einzelnen Banken verwahren heutzutage keine Wertpapiere mehr. Der Wert dieser bei Clearstream eingelagerten Wertpapiere beläuft sich auf rund 10 Billionen Euro.
Mit anderen Worten: Wenn irgendwo in Deutschland Wertpapiere gekauft und verkauft werden, dann bekommt Clearstream das mit, dort lagern sie ja. Clearstream rechnet dann zwischen den Banken ab, und verdient gut daran.
Die Banken müssen also beim Kauf von Papieren kein Geld mehr über die Strasse tragen. Und bunkern brauchen sie die Wertpapiere eben auch nicht mehr, das macht alles Clearstream. Sozusagen ein Lager- und Verrechnungshaus, aber nicht nur das, sondern natürlich über eine Tochtergesellschaft auch eine richtige Bank. mit Konten und allem Drum und Dran was eben so zu einer Bank gehört.
Clearstream ist aber nicht nur Lagerverwalter, sondern international auch als Wertpapier- Finanzierer und Investmentfond-Dienstleister tätig , eine richtig dicke Adresse, noch dazu im finanzfreundlichen Grossherzogtum Luxemburg.
2500 Finanzinstitute in über 100 Ländern sind Kunde bei Clearstream. 150 Millionen Transaktionen waren es bereits im Jahre 2000, dem Gründungsjahr..
Die Gesamttransfersumme betrug 10 Trillionen Euro.
In der breiten Oeffentlichkeit kannte kaum jemand die Firma, die im Jahre 2002 von der Deutschen Börse voll übernommen wurde.
In Zukunft wird die Bedeutung von Clearstream noch weiter steigen, nämlich dann, wenn die bisher über den Tresen gehandelten Derivate wie Swaps, mitursächlich für die Weltfinanzkrise, nunmehr über Clearinghäuser laufen müssen.
Und gerade hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass, jedenfalls vor einigen Jahren, Clearstream eine Art marktbeherrschende Stellung hatte, die es offenbar ausgenutzt hat, um sich Konkurrenten vom Leibe zu halten. Wie unschön.
Nicht alles hasenrein?
Wer so viele Transaktionen bewerkstelligt, durch dessen Hände rinnt auch kriminelles Gut – zwangsläufig- , also Papiere der Mafia, sei es der italienischen, sei es der russischen, und natürlich auch von Terrororganisationen, dann auch aus Waffen- und Drogengeschäften.
Die Fragen sind nur: Weiss Clearstream davon, könnte Clearstream davon wissen oder hat Clearstream sogar die Wertpapier- und Geldtransfers dieser kriminellen Organistaionen erleichtert oder zumindet nicht unterbunden? Diesen Fragen sind zwei investigative Journalisten nachgegangen, einer davon vom Bankfach und ehemals bei CEDEL international: Ernest Backes und Denis Robert.
Im Jahre 2001 erschien ihr Buch , das sich mit Clearstream und dessen angeblichen Machenschaften beschäftigt: Révélations- dt: Das Schweigen des Geldes.
Das Buch löste den ersten Clearstream Skandal aus. Die Anschuldigungen der Journalisten betreffen auch den französischen Rüstungsriesen Thomson CSF/Thales und seine Geschäftsbeziehungen zu Taiwan >aber ebenso andere Grossfirmen.
Insgesamt war jedoch die Beweisführung der Autoren wohl zu dünn, was Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz auf Seiten von Clearstream und seinen Managern angeht, obwohl man vermuten darf, dass die Autoren sich auf Insider- Infos stützen konnten, Infos, für die sich auch der BND interessierte, dessen Mitarbeiter Backes offenbar dann wurde.
Und so verlor der Autor Robert gleich mehrere gegen ihn angestrengte Verleumdungsklagen.
Die Staatsanwaltschaft in Luxemburg stellte die Ermittlungen gegen Clearstream im Jahre 2004 ein.
Zu den weiteren Hintergründen siehe hier
Langsam verschwindet Clearstream wieder aus den Schlagzeilen. Aber doch nur kurzfristig, wie man sehen wird.
Aus Clearstream I wird Clearstream II
Drei Jahre nach der Veröffentlichung des Buches , also im Jahre 2004, taucht plötzlich eine Liste mit angeblichen weiteren Clearstream-Geheimkonten auf und landet auf dem Tisch eines französischen Untersuchungsrichters, der Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit Fregattenlieferungen an Taiwan nachgeht.
Die Papiere wollen glauben machen, dass russische Oligarchen über Clearstream ganze Unternehmensgruppen unterwandern und kontrollieren. Also das, was schon die Enthüllungsjournalisten Backes und Robert in ihrem Buch behauptet hatten.
Dies war offenbar nur das „Warmlaufen“, denn kurz darauf folgt eine weitere Sendung, die eine Liste mit angeblichen Geheimkonten enthält, welche aber diesmal mit Namen verknüpft sind. Als Konteninhaber werden genannt :
- Der Vizepräsident von Airbus, Philippe Delmas
- Der damalige Finanzminister und nunmehrige Staatspräsident Nicolas Sarkozy,
- Der Ex Minister Dominique Strauss-Kahn
- Der Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevènement
- Und der UMP-Abgeordnete Alain Madelin.
Absender der Papiere: Vorläufig unbekannt.
Französische Intrigenwirtschaft
Das hat nun offenbar alles weniger mit der Firma Clearstream zu tun, als vielmehr mit einer Intimfeindschaft zwischen dem damaligen Innenminister und späteren Premier Dominique de Villepin, vom damaligen Staatspräsidenten Chirac als sein Nachfolger auserkoren, und Nicolas Sarkozy, dem jetzigen Präsidenten Frankreichs und damaligen Finanzminister.
Parallel dazu tobt bei der Luftfahrtfirma EADS/Airbus ein Pöstchenmachtkampf gleicher Art, nämlich zwischen dem Vizepräsidenten von EADS , Jean Louis Gergorin und dem Vizepräsidenten von Airbus, Delmas. Als als ob es da nicht schon genügend Probleme mit der Herstellung des Airbus A 380 gäbe.
Mein Feind ist dein Feind
Was Gergorin und de Villepin offenbar vereint, ist die Verachtung Sarkozys. De Villepin nennt ihn einen Zwerg, und darüberhinaus vereint beide der starke Wunsch, die Präsidentschaft Sarkozys unter allen Umständen zu verhindern.
Und so kommt es angeblich zu einer Gemeinschaftsaktion von de Villepin und Gergorin.
Ein schillernder Geheimdienstmann betritt die Bühne
Somit haben wir schon einmal zwei der insgesamt fünf Angeklagten in diesem Prozess vorgestellt, Gergorin und de Villepin. Die Anklage lautet auf Diffamierung, Verschwörung, Urkundenfälschung, Diebstahl und Hehlerei.
Der Dritte im Angeklagten-Bunde ist der Computerspezialist und Geheimdienstmitarbeiter Imad Lahoud, seines Zeichens Neffe des ehemaligen libanesischen Präsidenten Emile Lahoud
und vom französischen Geheimdienst angeheuert um Bankverbindungen von Osama bin Laden aufzudecken.
Lahoud wurde von dem Top-Gemeindienstmann Frankreichs, General Rondot, bei Gergorin seinerzeit vorgestellt und von diesem dann bei EADS untergebracht. Ein richtig schönes Netzwerk.
Eine Intrige nimmt ihren Lauf
Dieser Imad Lahoud trifft nun auf den Enhüllungsjournalisten Denis Robert, den wir bereits erwähnten, auch er ein Angeklagter in diesem Prozess.
Und nach dem Motto gib Du mir was und ich geb Dir was, erhält Lahoud von Denis Robert die Clearstream- Liste. Diese Liste wurde angeblich von dem weiteren Mitangeklagten Florian Bourges, einem Angestellten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen bei Clearstream gestohlen dann offenbar an Denis Robert weitergereicht.
Ueber Gergorin landet diese Liste dann auf dem Tisch eines Untersuchungsrichters, selbstverständlich ohne Absenderangabe.
Erst im Jahre 2006 gesteht Gergorin seine Absenderschaft und fliegt prompt bei EADS raus.
Lahoud ergänzte angeblich die Liste im Beisein des damaligen Polizei-Geheimdienstchefs, Yves Bertrand, noch ein wenig, wie er nun gestanden hat, und setzte, nach seinem sensationellen Geständnis, eben auch unter anderem den Namen von Sarkozy drauf.
Der Geheimdienstchef wiederum behauptet aber, diesen Lahoud niemals getroffen zu haben, geschweige denn in seinem Büro zugeschaut zu haben, wie Lahoud die Liste verschwörungsmässig auf Vordermann brachte.
Das Strafverfahren nimmt seinen Lauf
Sarkozy tobt, er will ein Strafverfahren gegen die angeblichen Intriganten, vor allem natürlich gegen de Villepin, und das bekommt er nun. Denn mit dem Geständnis von Lahoud und dem Geständnis von Gergorin hat die Staatsanwaltschaft offenbar genügend Belastungsmaterial in den Händen.
Mit de Villepin sitzt nun ein ehemaliger Premier auf der Anklagebank, zwar kein Novum in Frankreich, bereits der frühere Premier Alain Juppé wurde vor fünf Jahren wegen Korruption verurteilt, aber eher ungewöhnlich.
Der Ex- Geheimdienstchef Bertrand ist Zeuge in dem nun anstehenden Prozess und nicht Angeklagter. Er hat in einem Interview mit der Londoner Zeitung SUNDAY TIMES das am 13.9. 2009 veröffentlicht wurde, schon einmal vorab erklärt, dass hier Präsident Sarkozy einen Rachefeldzug gegen seinen einstmaligen Widersacher de Villepin betreibe.
Das Notizbuch dieses Geheimdienstlers Bertrand befindet sich auch in den Gerichtsakten. Dort finden sich allerlei Eintragungen, die mehr eines Joseph Fouche, des Polizeiministers Napoleons, würdig sind.
Eine Notizbuch-Reise nicht etwa in die politische Unterwelt,
sondern stattdessen in die Unterwäsche der Creme de la creme, also wer mit wem ins Bett gegangen ist, ausserehelich versteht sich, und wer ausserdem noch Kokain geschnupft hat.
Immerhin, das Wort „Unter“ haben beide Reisen ja gemeinsam.
.
Und so stellt sich die Frage, wie eigentlich bei diesen ganzen Intrigen noch Zeit für das Regieren geblieben ist.
Sarkozy hat sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen und einen der durchdringensten Advokaten zur Vertretung seiner Interessen in dem Prozess bestellt, den Herrn Thierry Herzog, der Sarkozy angeblich versprochen hat, den Kopf des Herrn de Villepin auf einem Tablett zu servieren.
Apropos Kopf, in dem gleichen Raum, in dem der Prozess stattfindet, dem wohl ganz Frankreich interessiert zuschauen wird, fand vor 216 Jahren der Prozess gegen Königin Marie Antoinette statt. Sie endete bekanntlich unter der Guillotine.
.
Ja, so aufregend kann es zugehen in der Politik und Wirtschaft. Nicht nur in Frankreich, das sollten wir ergänzend anmerken.
Nachtrag 17.5. 2011
Der Journalist Denis Roberts hat mittlerweile in letzter Instanz gegen Clearstream in Paris in vollem Umfang gewonnen. Clearstream musste eine empfindliche gerichtliche Niederlage einstecken.
Details hier:
David gegen Goliath: Französischer Journalist Denis Robert obsiegt im Verfahren wegen übler Nachrede gegen die Deutsche Börse-Tochter Clearstream.
Angolagate in Frankreich – Geldgier, Geschütze und Granaten
Angolagate in Frankreich – Ein Schmiergeldprozess mit Prominenten nähert sich dem Ende
Elf oder Sprit für Bestechungen im Grossformat
onlinedienst - 14. Sep, 22:14 Article 8100x read