Das Ende der Gratiskultur im Internet ist gekommen – jubelt das Handelsblatt. Ein Irrtum?
Dr. Alexander von Paleske --- Sechs Journalisten des Handelsblattes stoßen heute in einem gemeinsamen Artikel diesen Jubelschrei aus. Ist er gerechtfertigt, oder handelt es sich vielmehr um das Pfeifen im Walde?
Die Autoren schreiben
Die Umsonstkultur des Internets wies nicht den Weg in eine Ära von Prosperität, sondern löste die schwerste Medienkrise seit Erfindung der Drucktechnik aus. Die Verlage investierten weltweit Milliarden in die neue Technik, ohne je angemessene Erträge einzufahren. Der Gratisjournalismus im Internet ließ zugleich die Auflagen von Zeitungen und Zeitschriften erodieren - um knapp ein Drittel seit 2000.
Soweit so gut. Allerdings stimmt "Gratisjournalismus" nicht, denn für den Internetzugang der Leser müssen diese ja bezahlen, wenn auch nicht an die Verlage, und die Internetauftritte der Medien bringen den Verlagen über die Werbung ja auch Geld ein. Allerdings nicht das, was sie sich offenbar in der Euphorie seinerzeit davon versprochen haben.
The times they are changing
Die Nachkriegszeiten, in denen die Lizenz zum Zeitungsdrucken einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkam, das beste Beispiel Axel Springer, aber nicht nur der, sind vorbei, und werden nie wiederkommen.
Das Internet hat zu einem Absturz der Kosten für die Verbreitung von Informationen geführt und wird, wie der Herausgeber der New York Times, Sulzberger, im September erklärte, mittelfristig zur Einstellung der Printausgabe der NYT führen.Auf ein genaues Datum wollte er sich aber verständlicherweise nicht festlegen.
Wird der Rubel rollen?
Die Handelsblatt-Autoren glauben nun, dass für die Medien auch im Internet der Rubel richtig rollen wird. Sie schreiben:
Die Kehrtwende hatte ausgerechnet ein 79-jähriger Unternehmer eingeleitet. Medien-Tycoon Rupert Murdoch stellte nach und nach das Lesen auf den Onlineseiten von "Wall Street Journal", der britischen "Times" und der "Sunday Times" auf neue Bezahlmodelle um. Von den Apologeten des "freien Internets" wurde er angegiftet. Doch die Leser folgten ihm. Mit seinen fast 450 000 kostenpflichtigen E-Papers ist das "Wall Street Journal" zum Vorbild für andere geworden.
Halbwahrheiten
Hier ist der Artikel nur noch eine Halbwahrheit, denn er unterschlägt, dass der Internetauftritt des Wall Street Journals bereits vor der Übernahme durch Medientycoon Rupert Murdoch kostenpflichtig war.
Murdoch schaffte das ab - vorübergehend - damit kamen die Verluste. Bei dem Wall Street Journal lief der Bezahl-Auftritt, weil die Zeitung für in der Wirtschaft Arbeitende unersetzlich war, sie, so kann man sagen in gewisser Weise eine Art Führungsrolle hatte, um das Wort Monopolstellung zu vermeiden,
Times nicht Wall Street Journal
Bei der Times stimmt es schon nicht mehr. Und das kehren die Autoren unter den Tisch und machen sich damit unglaubwürdig.
Anfang des Jahres, vor der Einführung des Bezahl-Internetauftritts, zählte die Times noch über 20 Millionen "Einzelbesuche" pro Monat. Mittlerweile, nach Einführung der Kostenpflichtigkeit, sind es nur noch 2,7 Millionen, also etwas mehr als 10%. Ein Absturz, der seinesgleichen sucht.
50.000 Abonnenten hat die Times online gewonnen, wobei aber unklar ist, wie viele davon jetzt die Printausgabe stattdessen nicht mehr kaufen.
Aktion Wasserschlag
Mit anderen Worten: Es handelt sich um eine Art Schlag ins Wasser. Überraschend ist das nicht, denn andere hochqualitative Onlineausgaben wie z.B. der Guardian/Observer und der Independent stehen bereit, die von der Times abwandernden Online-Nutzer zu bedienen.
Mehr noch: Auch die Journalisten der Times bekommen weniger Insider-infos zugesteckt, weil der bisher hohe Verbreitungseffekt wegfällt.
Damit ist klar: Das Ganze funktioniert nur, wenn alle Medien sich unter einen Hut bringen lassen, sich also alle zusammen auf ein Bezahlmodell einigen.
Das hat aber schon bei den Printmedien nicht geklappt, wo es mittlerweile Gratiszeitungen gibt, es wird im Internet erst recht nicht klappen.
Selbst wenn es klappen würde, dann wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis kostenlose Internetzeitungen, wie die Huffington Post in den USA, auch in Deutschland als Alternative zur Verfügung stünden.
New York Times Herausgeber Sulzberger favorisiert deshalb ein modifiziertes Modell: ein Kontingent freier Info, wenn das erschöpft ist, muss bezahlt werden.
Mehr Wunsch als Wirklichkeit
Der Artikel im Handelsblatt ist daher mehr von Wunschvorstellungen der Redakteure und auch der Verleger geleitet, als von der Untersuchung der Realität.
"Investigativer Journalismus ist zeitaufwändig und lohnt sich nicht", erklärte mir einstmals ein Auslandsredakteur der Frankfurter Rundschau. Nach dieser Devise wird mittlerweile allenthalben gehandelt. Contentjournalismus ist angesagt.
Die Krise des Journalismus begann nicht erst mit dem Internet, das Internet hat sie aber verschärft. Gleichzeitig hat aber das Internet viele Informationen, die gar nicht erst von den Printmedien veröffentlicht worden wären, der Allgemeinheit zugänglich gemacht – über die Blogger und Online-Magazine..
Darin liegt ein wirklicher Fortschritt.
Und was die Zahl der Redakteure (6) angeht, die diesen Handelsblatt-Artikel verfasst (verbrochen) haben, so sei an die Weisheit der Römer erinnert: "Non multa sed multum".
Frei übersetzt und auf diese Verhältnisse angepasst: Viele Journalisten pro Artikel bedeuten nicht unbedingt Substanz.
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Soweit so gut. Allerdings stimmt "Gratisjournalismus" nicht, denn für den Internetzugang der Leser müssen diese ja bezahlen, wenn auch nicht an die Verlage, und die Internetauftritte der Medien bringen den Verlagen über die Werbung ja auch Geld ein. Allerdings nicht das, was sie sich offenbar in der Euphorie seinerzeit davon versprochen haben.
The times they are changing
Die Nachkriegszeiten, in denen die Lizenz zum Zeitungsdrucken einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkam, das beste Beispiel Axel Springer, aber nicht nur der, sind vorbei, und werden nie wiederkommen.
Das Internet hat zu einem Absturz der Kosten für die Verbreitung von Informationen geführt und wird, wie der Herausgeber der New York Times, Sulzberger, im September erklärte, mittelfristig zur Einstellung der Printausgabe der NYT führen.Auf ein genaues Datum wollte er sich aber verständlicherweise nicht festlegen.
Wird der Rubel rollen?
Die Handelsblatt-Autoren glauben nun, dass für die Medien auch im Internet der Rubel richtig rollen wird. Sie schreiben:
Die Kehrtwende hatte ausgerechnet ein 79-jähriger Unternehmer eingeleitet. Medien-Tycoon Rupert Murdoch stellte nach und nach das Lesen auf den Onlineseiten von "Wall Street Journal", der britischen "Times" und der "Sunday Times" auf neue Bezahlmodelle um. Von den Apologeten des "freien Internets" wurde er angegiftet. Doch die Leser folgten ihm. Mit seinen fast 450 000 kostenpflichtigen E-Papers ist das "Wall Street Journal" zum Vorbild für andere geworden.
Halbwahrheiten
Hier ist der Artikel nur noch eine Halbwahrheit, denn er unterschlägt, dass der Internetauftritt des Wall Street Journals bereits vor der Übernahme durch Medientycoon Rupert Murdoch kostenpflichtig war.
Murdoch schaffte das ab - vorübergehend - damit kamen die Verluste. Bei dem Wall Street Journal lief der Bezahl-Auftritt, weil die Zeitung für in der Wirtschaft Arbeitende unersetzlich war, sie, so kann man sagen in gewisser Weise eine Art Führungsrolle hatte, um das Wort Monopolstellung zu vermeiden,
Times nicht Wall Street Journal
Bei der Times stimmt es schon nicht mehr. Und das kehren die Autoren unter den Tisch und machen sich damit unglaubwürdig.
Anfang des Jahres, vor der Einführung des Bezahl-Internetauftritts, zählte die Times noch über 20 Millionen "Einzelbesuche" pro Monat. Mittlerweile, nach Einführung der Kostenpflichtigkeit, sind es nur noch 2,7 Millionen, also etwas mehr als 10%. Ein Absturz, der seinesgleichen sucht.
50.000 Abonnenten hat die Times online gewonnen, wobei aber unklar ist, wie viele davon jetzt die Printausgabe stattdessen nicht mehr kaufen.
Aktion Wasserschlag
Mit anderen Worten: Es handelt sich um eine Art Schlag ins Wasser. Überraschend ist das nicht, denn andere hochqualitative Onlineausgaben wie z.B. der Guardian/Observer und der Independent stehen bereit, die von der Times abwandernden Online-Nutzer zu bedienen.
Mehr noch: Auch die Journalisten der Times bekommen weniger Insider-infos zugesteckt, weil der bisher hohe Verbreitungseffekt wegfällt.
Damit ist klar: Das Ganze funktioniert nur, wenn alle Medien sich unter einen Hut bringen lassen, sich also alle zusammen auf ein Bezahlmodell einigen.
Das hat aber schon bei den Printmedien nicht geklappt, wo es mittlerweile Gratiszeitungen gibt, es wird im Internet erst recht nicht klappen.
Selbst wenn es klappen würde, dann wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis kostenlose Internetzeitungen, wie die Huffington Post in den USA, auch in Deutschland als Alternative zur Verfügung stünden.
New York Times Herausgeber Sulzberger favorisiert deshalb ein modifiziertes Modell: ein Kontingent freier Info, wenn das erschöpft ist, muss bezahlt werden.
Mehr Wunsch als Wirklichkeit
Der Artikel im Handelsblatt ist daher mehr von Wunschvorstellungen der Redakteure und auch der Verleger geleitet, als von der Untersuchung der Realität.
"Investigativer Journalismus ist zeitaufwändig und lohnt sich nicht", erklärte mir einstmals ein Auslandsredakteur der Frankfurter Rundschau. Nach dieser Devise wird mittlerweile allenthalben gehandelt. Contentjournalismus ist angesagt.
Die Krise des Journalismus begann nicht erst mit dem Internet, das Internet hat sie aber verschärft. Gleichzeitig hat aber das Internet viele Informationen, die gar nicht erst von den Printmedien veröffentlicht worden wären, der Allgemeinheit zugänglich gemacht – über die Blogger und Online-Magazine..
Darin liegt ein wirklicher Fortschritt.
Und was die Zahl der Redakteure (6) angeht, die diesen Handelsblatt-Artikel verfasst (verbrochen) haben, so sei an die Weisheit der Römer erinnert: "Non multa sed multum".
Frei übersetzt und auf diese Verhältnisse angepasst: Viele Journalisten pro Artikel bedeuten nicht unbedingt Substanz.
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onlinedienst - 8. Nov, 21:40 Article 2700x read