Der Fall Kachelmann oder: Wenn Journalismus vor die Hunde geht
Dr. Alexander von Paleske --- 6.12. 2010 --- Der einstige Top-Journalist Hanns Joachim Friederichs brachte es auf den Punkt:
Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.
Mit anderen Worten: dass ein guter Journalist die nötige Distanz wahrt zu der Sache bzw. der Person, mit der er sich beschäftigt.
Das mag im Einzelfall schwierig sein. Besonders schwer hatten es die Journalisten mit der Jahrhundertgestalt Nelson Mandela. Ihm flogen die Sympathien zu, auch die der Journalisten. Nicht nur sein Schicksal, auch seine Persönlichkeit, und seine Art und Weise mit Menschen umzugehen, ließ kaum jemanden unberührt.
Da sollte es bei einer vergleichsweise relativ unbedeutenden Person wie Jörg Kachelmann eigentlich doch recht einfach sein, Distanz zu wahren, sich dem Fall der angeblichen Vergewaltigung mit der gebotenen Zurückhaltung, die man von Journalisten, insbesondere von Qualitätsjournalisten erwarten darf, zu nähern.
Dass in Blättern wie der BILD, einer „Fehlgeburt des Journalismus“, Stimmungsmache anzufinden ist, dass vielen Berichten nichtseriöser Medien der Geruch der Vorverurteilung anhängt, dies darf kaum überraschen. Es kann jedoch wohl kein Grund für seriöse Medien sein, jetzt in das umgekehrte Horn zu blasen.
Distanz im Fall Kachelmann geboten
Das Strafverfahren in Mannheim läuft noch, die Zeugenvernehmung ist zwar weitgehend abgeschlossen, aber die Sachverständigen sind noch gar nicht zu Wort gekommen.
Was sich bisher bereits herausgeschält hat: In der Persönlichkeit des Angeklagten bzw. dessen Verhalten gegenüber Frauen sind einige Auffälligkeiten zu konstatieren. Kachelmanns offenbare Vorliebe für Sado-Maso-Liebesspiele und eine vergleichsweise hohe Zahl von ihm gleichzeitig "betreuter" Damen.
In keiner Weise allerdings Indizien für eine Vergewaltigung, aber auch kein Grund für eine Vorfreisprechung, vielmehr Grund genug, als Journalist sich hier eher noch mehr Zurückhaltung aufzuerlegen, und abzuwarten, was sich im Laufe des Prozesses nun herausschält, und nicht direkt oder immerhin von der Tendenz des Artikelinhalts her „der Mann ist unschuldig“ in die Pressetrompete zu blasen.
Unschuldsvermutung ist nicht Unschuldsbeweis
„Gilt als unschuldig“ das steht jedem (noch) nicht verurteilten Angeklagten zu, aber „ist unschuldig“, also eine Würdigung der bis dato vorliegenden Beweismittel, noch vor Beginn des eigentlichen Strafprozesses, hat in seriösen vorprozessualen Berichten und Stellungnahmen nichts zu suchen.
Auch zu den Verteidigern von Angeklagten sollte seitens der Journalisten die nötige Distanz gehalten werden, und es ist eines seriösen Journalisten einfach unwürdig, ungebetene Anwaltsempfehlungen abzugeben, noch dazu eine Mitarbeit mit einem eingeschalteten Anwalt nur für den Fall zu signalisieren, dass ein bestimmter Anwalt beigezogen wird.
Aber genau das ist offenbar alles seitens der ZEIT-Journalistin Sabine Rückert geschehen.
Wer als Journalist diese Distanz nicht aufrechterhalten kann, der sollte sich dort verbreitern, wo die Stimmungsmache mehr zählt als die nüchterne Bewertung der Fakten.
In Deutschlands führender liberaler Wochenzeitung sollten sie nichts zu suchen haben. Sollten…
Die Artikel von Frau Rückert zum Fall Kachelmann, bisher insgesamt drei, stehen deshalb in keiner Weise in der Tradition des Blattes, liberale Meinungsführerschaft im besten Sinne zu repräsentieren. Es spricht gegen den Chefredakteur di Lorenzo, dass er sie ins Blatt gehoben, statt dorthin gelegt hat, wohin sie wohl besser hingehören: in die Ablage für nichtveröffentlichte Artikel.
Ich habe die Journalistin Sabine Rückert gerade auch wegen ihres interessanten Buchs „Tote haben keine Lobby“ , aus meiner Sicht als Mediziner und ehemaliger Rechtsanwalt geschätzt.
So bin ich aber jetzt der Meinung, dass die Stellungnahme des ehemaligen Focus-Chefredakteurs Markwort im Kern zutreffend ist, wenn man davon absieht dass Markwort durchaus auch persönliche Gründe für diesen Angriff hat:
Wie der Fall Kachelmann strafrechtlich entschieden wird, ist noch offen. Standesrechtlich steht das Urteil fest. Kachelmanns neuer Verteidiger Johann Schwenn hat das Mandat mit einer Methode erobert, die viele seiner Kollegen für unanständig und standeswidrig halten. Im Kampf der Anwälte um spektakuläre Fälle hat er das bisher schon fragwürdige Niveau noch um ein paar Grad nach unten gesenkt.
Johann Schwenn hat es fertiggebracht, sich mitten in ein laufendes Verfahren zu drängeln. Seine Propagandisten in den Medien und er selber haben den amtierenden Verteidiger Reinhard Birkenstock so schlecht aussehen lassen, dass Kachelmann sich von ihm trennte und Schwenn als den angepriesenen Rechts-Messias engagierte.
Schon im Mai hatte die Zeit-Autorin Sabine Rückert Birkenstock in einer Mail empfohlen, 'einen Kollegen einzubinden, der Verfahren dieser Art gewachsen ist. Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, wen ich in einem solchen Falle wählen würde.' Das Buch hatte sie in Zusammenarbeit mit Schwenn verfasst." Birkenstock habe das abgelehnt und die Quittung bekommen:"Fünf Wochen später konnte er in der ZEIT lesen, dass Rückert ihn für einen miserablen Verteidiger Kachelmanns hielt. Sie warf ihm 'Samtpfötchen' und 'Schmusekurs' vor. Ihr Favorit Schwenn ist bekannt für den gegenteiligen Stil: Konfrontation und Krawall.
Schwenn mischte sich auch selber ein,(vor der Mandatsübernahme, der Verf.) was unter seriösen Juristen streng verpönt ist. In Cicero attackierte er auf zwei Seiten das Landgericht Mannheim und die Staatsanwälte, rühmte seine Erfolge bei Wiederaufnahmeverfahren und winkte dem Angeklagten mit schönen Aussichten.“
Prozess als Farce?
Lässt man die Schärfe etwas beiseite, dann kommt man nicht umhin, Markwort – leider muss man sagen – Recht zu geben
.
Der Prozess Kachelmann droht zur Farce zu verkommen.
Es ist auch keineswegs so, wie in dem zitierten Meedia Artikel dargestellt, dass der Prozess festgefahren war.
Vielmehr hat das Gericht sich offenbar alle Mühe gegeben, die Zeugen ausführlichst zu befragen.
Denn hier in dem Prozess geht es möglicherweise auch darum - vorausgesetzt die Angaben des angeblichen Opfers sind glaubwürdig - ob es bei Kachelmann sich subjektiv um einen sadistischen Exzess gehandelt hat, der eben objektiv nicht mehr von der Einwilligung des (pseudo)masochistischen Opfers gedeckt gewesen wäre. Und dann würde sich darüberhinaus hier möglicherweise auch noch die Frage der vollen Schuldfähigkeit stellen.
Es sieht so aus, als habe auch der abgehalfterte Verteidiger Birkenstock dies sehr wohl erkannt, und offenbar ein gehöriges Maß emotionsloser Sachlichkeit in das Verfahren gebracht. Von „festgefahren“ kann also keine Rede sein.
Nun geht die Post ab
Nun also geht in Mannheim „die Post ab“, ganz zur Freude der Zuschauer und einiger Journalisten .
Ob er, Schwenn, mit dieser Strategie durchkommt, und wie weit er damit seinem Mandanten letztlich dient, wird sich noch herausstellen.
Man kann nur hoffen, dass sein Auftreten nicht noch zu einer Art Strafschärfungsgrund „sui generis“ im Falle einer Verurteilung wird.
Aber eines kann man heute schon mit Bestimmtheit sagen: Ganz egal wie viele Preise Frau Rückert bisher mit ihren Artikeln geholt hat, der Fall Kachelmann ist auch zu einem Fall Sabine Rückert geworden. Ein abschreckendes Beispiel für mangelnde journalistische Distanz und Qualität, was letztlich auch dem Ansehen der Wochenzeitung „DIE ZEIT “ schadet, und zwar unabhängig davon, wie der Prozess letzten Endes ausgehen wird.
Die Zeiten eines Gerichtsreporters Gerhard Mauz sind offenbar lange vorbei.
E-Mail avonpaleske(at)yahoo.de
Satire zum Thema
Advokat Schwenn, der Aufmischer vom Kachelmann-Prozess
Spät, Wetterfrosch Kachelmann, aber nicht zu spät
Freigesprochener Frosch von Hunden gebissen
Kachelmann frei: Danke, danke Frau Sabine ( ZEIT) Rückert
Alice Schwarzer: Willkommen im Circus Sarrazini
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Mit anderen Worten: dass ein guter Journalist die nötige Distanz wahrt zu der Sache bzw. der Person, mit der er sich beschäftigt.
Das mag im Einzelfall schwierig sein. Besonders schwer hatten es die Journalisten mit der Jahrhundertgestalt Nelson Mandela. Ihm flogen die Sympathien zu, auch die der Journalisten. Nicht nur sein Schicksal, auch seine Persönlichkeit, und seine Art und Weise mit Menschen umzugehen, ließ kaum jemanden unberührt.
Da sollte es bei einer vergleichsweise relativ unbedeutenden Person wie Jörg Kachelmann eigentlich doch recht einfach sein, Distanz zu wahren, sich dem Fall der angeblichen Vergewaltigung mit der gebotenen Zurückhaltung, die man von Journalisten, insbesondere von Qualitätsjournalisten erwarten darf, zu nähern.
Dass in Blättern wie der BILD, einer „Fehlgeburt des Journalismus“, Stimmungsmache anzufinden ist, dass vielen Berichten nichtseriöser Medien der Geruch der Vorverurteilung anhängt, dies darf kaum überraschen. Es kann jedoch wohl kein Grund für seriöse Medien sein, jetzt in das umgekehrte Horn zu blasen.
Distanz im Fall Kachelmann geboten
Das Strafverfahren in Mannheim läuft noch, die Zeugenvernehmung ist zwar weitgehend abgeschlossen, aber die Sachverständigen sind noch gar nicht zu Wort gekommen.
Was sich bisher bereits herausgeschält hat: In der Persönlichkeit des Angeklagten bzw. dessen Verhalten gegenüber Frauen sind einige Auffälligkeiten zu konstatieren. Kachelmanns offenbare Vorliebe für Sado-Maso-Liebesspiele und eine vergleichsweise hohe Zahl von ihm gleichzeitig "betreuter" Damen.
In keiner Weise allerdings Indizien für eine Vergewaltigung, aber auch kein Grund für eine Vorfreisprechung, vielmehr Grund genug, als Journalist sich hier eher noch mehr Zurückhaltung aufzuerlegen, und abzuwarten, was sich im Laufe des Prozesses nun herausschält, und nicht direkt oder immerhin von der Tendenz des Artikelinhalts her „der Mann ist unschuldig“ in die Pressetrompete zu blasen.
Unschuldsvermutung ist nicht Unschuldsbeweis
„Gilt als unschuldig“ das steht jedem (noch) nicht verurteilten Angeklagten zu, aber „ist unschuldig“, also eine Würdigung der bis dato vorliegenden Beweismittel, noch vor Beginn des eigentlichen Strafprozesses, hat in seriösen vorprozessualen Berichten und Stellungnahmen nichts zu suchen.
Auch zu den Verteidigern von Angeklagten sollte seitens der Journalisten die nötige Distanz gehalten werden, und es ist eines seriösen Journalisten einfach unwürdig, ungebetene Anwaltsempfehlungen abzugeben, noch dazu eine Mitarbeit mit einem eingeschalteten Anwalt nur für den Fall zu signalisieren, dass ein bestimmter Anwalt beigezogen wird.
Aber genau das ist offenbar alles seitens der ZEIT-Journalistin Sabine Rückert geschehen.
Wer als Journalist diese Distanz nicht aufrechterhalten kann, der sollte sich dort verbreitern, wo die Stimmungsmache mehr zählt als die nüchterne Bewertung der Fakten.
In Deutschlands führender liberaler Wochenzeitung sollten sie nichts zu suchen haben. Sollten…
Die Artikel von Frau Rückert zum Fall Kachelmann, bisher insgesamt drei, stehen deshalb in keiner Weise in der Tradition des Blattes, liberale Meinungsführerschaft im besten Sinne zu repräsentieren. Es spricht gegen den Chefredakteur di Lorenzo, dass er sie ins Blatt gehoben, statt dorthin gelegt hat, wohin sie wohl besser hingehören: in die Ablage für nichtveröffentlichte Artikel.
Ich habe die Journalistin Sabine Rückert gerade auch wegen ihres interessanten Buchs „Tote haben keine Lobby“ , aus meiner Sicht als Mediziner und ehemaliger Rechtsanwalt geschätzt.
So bin ich aber jetzt der Meinung, dass die Stellungnahme des ehemaligen Focus-Chefredakteurs Markwort im Kern zutreffend ist, wenn man davon absieht dass Markwort durchaus auch persönliche Gründe für diesen Angriff hat:
Wie der Fall Kachelmann strafrechtlich entschieden wird, ist noch offen. Standesrechtlich steht das Urteil fest. Kachelmanns neuer Verteidiger Johann Schwenn hat das Mandat mit einer Methode erobert, die viele seiner Kollegen für unanständig und standeswidrig halten. Im Kampf der Anwälte um spektakuläre Fälle hat er das bisher schon fragwürdige Niveau noch um ein paar Grad nach unten gesenkt.
Johann Schwenn hat es fertiggebracht, sich mitten in ein laufendes Verfahren zu drängeln. Seine Propagandisten in den Medien und er selber haben den amtierenden Verteidiger Reinhard Birkenstock so schlecht aussehen lassen, dass Kachelmann sich von ihm trennte und Schwenn als den angepriesenen Rechts-Messias engagierte.
Schon im Mai hatte die Zeit-Autorin Sabine Rückert Birkenstock in einer Mail empfohlen, 'einen Kollegen einzubinden, der Verfahren dieser Art gewachsen ist. Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, wen ich in einem solchen Falle wählen würde.' Das Buch hatte sie in Zusammenarbeit mit Schwenn verfasst." Birkenstock habe das abgelehnt und die Quittung bekommen:"Fünf Wochen später konnte er in der ZEIT lesen, dass Rückert ihn für einen miserablen Verteidiger Kachelmanns hielt. Sie warf ihm 'Samtpfötchen' und 'Schmusekurs' vor. Ihr Favorit Schwenn ist bekannt für den gegenteiligen Stil: Konfrontation und Krawall.
Schwenn mischte sich auch selber ein,(vor der Mandatsübernahme, der Verf.) was unter seriösen Juristen streng verpönt ist. In Cicero attackierte er auf zwei Seiten das Landgericht Mannheim und die Staatsanwälte, rühmte seine Erfolge bei Wiederaufnahmeverfahren und winkte dem Angeklagten mit schönen Aussichten.“
Prozess als Farce?
Lässt man die Schärfe etwas beiseite, dann kommt man nicht umhin, Markwort – leider muss man sagen – Recht zu geben
.
Der Prozess Kachelmann droht zur Farce zu verkommen.
Es ist auch keineswegs so, wie in dem zitierten Meedia Artikel dargestellt, dass der Prozess festgefahren war.
Vielmehr hat das Gericht sich offenbar alle Mühe gegeben, die Zeugen ausführlichst zu befragen.
Denn hier in dem Prozess geht es möglicherweise auch darum - vorausgesetzt die Angaben des angeblichen Opfers sind glaubwürdig - ob es bei Kachelmann sich subjektiv um einen sadistischen Exzess gehandelt hat, der eben objektiv nicht mehr von der Einwilligung des (pseudo)masochistischen Opfers gedeckt gewesen wäre. Und dann würde sich darüberhinaus hier möglicherweise auch noch die Frage der vollen Schuldfähigkeit stellen.
Es sieht so aus, als habe auch der abgehalfterte Verteidiger Birkenstock dies sehr wohl erkannt, und offenbar ein gehöriges Maß emotionsloser Sachlichkeit in das Verfahren gebracht. Von „festgefahren“ kann also keine Rede sein.
Nun geht die Post ab
Nun also geht in Mannheim „die Post ab“, ganz zur Freude der Zuschauer und einiger Journalisten .
Ob er, Schwenn, mit dieser Strategie durchkommt, und wie weit er damit seinem Mandanten letztlich dient, wird sich noch herausstellen.
Man kann nur hoffen, dass sein Auftreten nicht noch zu einer Art Strafschärfungsgrund „sui generis“ im Falle einer Verurteilung wird.
Aber eines kann man heute schon mit Bestimmtheit sagen: Ganz egal wie viele Preise Frau Rückert bisher mit ihren Artikeln geholt hat, der Fall Kachelmann ist auch zu einem Fall Sabine Rückert geworden. Ein abschreckendes Beispiel für mangelnde journalistische Distanz und Qualität, was letztlich auch dem Ansehen der Wochenzeitung „DIE ZEIT “ schadet, und zwar unabhängig davon, wie der Prozess letzten Endes ausgehen wird.
Die Zeiten eines Gerichtsreporters Gerhard Mauz sind offenbar lange vorbei.
E-Mail avonpaleske(at)yahoo.de
Satire zum Thema
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Spät, Wetterfrosch Kachelmann, aber nicht zu spät
Freigesprochener Frosch von Hunden gebissen
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Alice Schwarzer: Willkommen im Circus Sarrazini
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onlinedienst - 6. Dez, 06:52 Article 4181x read