Der Kachelmann-Prozess und seine Verlierer
Dr. Alexander von Paleske --- 22.4. 2011 --- Der Kachelmann-Prozess neigt sich dem Ende entgegen. Die meisten Zeugen haben ausgesagt, die meisten Gutachter ihre Expertisen vorgetragen und auch die sachverständigen Zeugen wurden in epischer Breite befragt und angehört.
Nicht ausreichend
Nach allem was bisher hier im Prozess in öffentlicher Verhandlung ausgebreitet wurde, und in nichtöffentlicher Sitzung, soweit es nach außen drang, schält sich heraus, daß die Zeugenaussagen und die Gutachterexpertisen wohl nicht ausreichen werden, Kachelmann der Vergewaltigung zu überführen.
Es wird daher aller Voraussicht nach zu einem Freispruch kommen.
Dies hat weniger mit dem Auftreten den Anwalts Schwenn zu tun, der von der ZEIT-Journalistin Sabine Rückert nicht nur ins Spiel gebracht wurde, sondern in ihren Artikeln auch hochgelobt wurde, der in einem Artikel in dem Magazin Cicero schon Schelte an dem Verfahren übte, bevor er selbst in den Ring stieg, und der im Prozess zur Freude des immer anwesenden "Kachelmann-Fan-Clubs" so richtig auf die Pauke haute.
Es hat vielmehr an dem Leiter der Hamburger Rechtsmedizin, Professor Klaus Püschel gelegen, dessen Expertise noch von dem abgehalfterten Verteidiger Birkenstock angefordert worden war.
Püschel, ausgestattet mit einer reichen Erfahrung auf dem Gebiet der Opfer sexueller Gewalt, konnte recht überzeugend darlegen, dass die beim Opfer festgestellten Hämatome und Kratzspuren sowie die angeblichen Schnittverletzungen, offenbar nicht das Resultat eines Fremdangriffs waren.
Obgleich ein anderer Gutachter das Gegenteil annahm, waren damit ernsthafte Zweifel an den Angaben des angeblichen Opfers gesät.
Damit war bereits ein Standbein der Anklage de facto demontiert.
Glaubwürdigkeit des Opfers entscheidend
Bei Vergewaltigungen – die Vergewaltiger stammen ja in der Mehrzahl aus dem Bekanntenkreis des jeweiligen Opfers - kommt es entscheidend auf die Glaubwürdigkeit der Aussage des vermeintlichen Opfers an, denn die Angeschuldigten behaupten meistens, dass es sich um einverständlichen Sex gehandelt habe.
Diese Glaubwürdigkeit des Opfers ergibt sich aus Indizien, also Umständen, die zusammengenommen keinerlei Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Opfers zulassen.
Dieser Indizienbeweis ist im Kachelmann-Prozess bisher nicht lückenlos gelungen.
Einmal durch die unwahren Aussagen des angeblichen Opfers gleich zu Beginn des Ermittlungsverfahrens. Unwahrheiten, die sie auf Vorhalt der Staatsanwaltschaft dann richtigstellte bzw. Behauptungen, die sie zurücknahm. Hinzukommen weitere Ungereimtheiten und Erinnerungslücken.
Insgesamt dürften diese Widersprüche, zusammen mit den einander widersprechenden Gutachten und dem substantiierten Gutachten Professor Püschels ausreichen, um genügend Zweifel an der Täterschaft Kachelmanns zu erzeugen.
Die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für eine Täterschaft Kachelmanns und damit für eine Verurteilung, wäre - jedenfalls aufgrund der bisherigen Beweislage - nicht erbracht.
Ein Freispruch wird wahrscheinlicher..
Alles erlogen?
War von dem angeblichen Opfer also dann alles „erstunken und erlogen“? Nein, nicht notwendigerweise.
Vielmehr wird nun möglicherweise der Raum eröffnet für weitreichende Spekulationen, die von einem puren Racheakt bis zu einer Vergewaltigung reichen.
Auch das Verhalten Kachelmanns nach Aussagen von Zeugen in den Tagen danach lässt diese Variante durchaus zu. Mehr allerdings auch nicht
Es ist also nicht unmöglich, dass es sich tatsächlich um eine Vergewaltigung handelte, allerdings nicht gleich zu Beginn sondern im Verlauf des intimen Beisammenseins. Dass also das angebliche Opfer erst in einem fortgeschrittenen Stadium die Stop-Karte zeigte.
Derartige Vergewaltigungen sind in der Regel noch schwieriger zu beweisen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass das angebliche Opfer, um die Aussage glaubwürdiger zu machen, zur Dramatisierung, zur Ausschmückung griff, und damit lediglich „Verschlimmbesserung“ erreichte.
.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass bei Intimverkehr Kachelmann ja angeblich gerne mit der Peitsche knallte.
Wir werden die Wahrheit vielleicht nie erfahren, zumal Kachelmann – was sein gutes Recht ist – sich selbst nicht befragen ließ.
Nicht nur Verlierer
Gleichwohl ist es unzutreffend, dass es in diesem Prozess nur Verlierer gegeben hat, wie die SPIEGEL-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen ausführte. Denn ein Gewinner ist zweifellos das Landgericht Mannheim, das trotz des ganzen Pressewirbels, trotz der Attacken des Verteidigers Schwenn , zunächst im Cicero und später im Verfahren selbst, trotz der Attacken der ZEIT-Journalistin Sabine Rückert, den Prozess bisher mit der gebotenen Gründlichkeit über die Bühne brachte.
Journalismus als Verlierer
Verlierer ist allerdings der Journalismus in Deutschland.
Ich habe in mehreren Artikeln insbesondere die ZEIT-Journalistin Sabine Rückert kritisiert, und ich muss an dieser Stelle die Kritik noch einmal um eine Gangart verschärfen:
Der letzte Artikel aus ihrer Feder „Kachelmanns Frauen“ in der ZEIT vom 7.4. 2011 gibt keinen vernünftigen Sachstand, zeigt keine journalistisch gebotene Distanz, sondern ist der Versuch einer Abrechnung mit Alice Schwarzer und ebenfalls der Versuch, Kachelmanns Freundinnen unter der Rubrik „selbst schuld“ und ggf. noch „geldgierig“ abzuwerten.
Motto: Wer im Zeitalter der Postemanzipation sich von einem Filou wie Kachelmann mit billigen Versprechungen einwickeln lässt, der hat es offenbar nicht besser verdient.
Das ist kein guter Journalismus, um nicht zu sagen: erbärmlicher Journalismus, der ausserdem nicht berücksichtigen will und / oder kann, welche Auswirkung dieses Verfahren gerade auch auf zukünftige Vergewaltigungsopfer hat: Besser nicht anzeigen.
Insofern hat Alice Schwarzer dann doch recht:
Aufgrund von Erhebungen geht man heute in Deutschland von mindestens 90 000 Vergewaltigungen im Jahr aus. Jede zweite Vergewaltigung passiert zu Hause, wie angeblich auch im Fall Kachelmann. Der Täter ist der eigene Mann oder Freund bzw. Ex-Mann.
Doch nur acht Prozent aller Vergewaltigungen werden überhaupt angezeigt. Und nur bei jeder siebten Anzeige steht am Ende die Verurteilung des Täters. Gleichzeitig signalisieren die Statistiken, dass Vergewaltigung das Verbrechen mit den geringsten Falschanschuldigungen ist: Nur in drei von hundert Fällen lügt die Frau.
Was bedeutet: Nur jeder hundertste Vergewaltiger muss auch dafür büßen. Vergewaltigung ist also ein quasi strafloses Verbrechen.
So ist durchaus verständlich, was mein ehemaliger Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt und spätere Generalstaatsanwalt von Berlin, Dr. Hansjürgen Karge, in der Sendung mit Anne Will im August vergangenen Jahres sagte: Er würde seiner Tochter nach einer Vergewaltigung nicht empfehlen, zur Polizei zu gehen und Anzeige erstatten.
Der Verfasser ist leitender Arzt und ehemaliger Rechtsanwalt
Der Fall Kachelmann oder: Wenn Journalismus vor die Hunde geht“
Interview mit dem ehemaligen Generalstaatsanwalt von Berlin, Dr. Karge
Justiz in der Krise oder Krisenjustiz?
Satire zum Thema
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Spät, Wetterfrosch Kachelmann, aber nicht zu spät
Freigesprochener Frosch von Hunden gebissen
Kachelmann frei: Danke, danke Frau Sabine ( ZEIT) Rückert
Alice Schwarzer: Willkommen im Circus Sarrazini
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Nicht ausreichend
Nach allem was bisher hier im Prozess in öffentlicher Verhandlung ausgebreitet wurde, und in nichtöffentlicher Sitzung, soweit es nach außen drang, schält sich heraus, daß die Zeugenaussagen und die Gutachterexpertisen wohl nicht ausreichen werden, Kachelmann der Vergewaltigung zu überführen.
Es wird daher aller Voraussicht nach zu einem Freispruch kommen.
Dies hat weniger mit dem Auftreten den Anwalts Schwenn zu tun, der von der ZEIT-Journalistin Sabine Rückert nicht nur ins Spiel gebracht wurde, sondern in ihren Artikeln auch hochgelobt wurde, der in einem Artikel in dem Magazin Cicero schon Schelte an dem Verfahren übte, bevor er selbst in den Ring stieg, und der im Prozess zur Freude des immer anwesenden "Kachelmann-Fan-Clubs" so richtig auf die Pauke haute.
Es hat vielmehr an dem Leiter der Hamburger Rechtsmedizin, Professor Klaus Püschel gelegen, dessen Expertise noch von dem abgehalfterten Verteidiger Birkenstock angefordert worden war.
Püschel, ausgestattet mit einer reichen Erfahrung auf dem Gebiet der Opfer sexueller Gewalt, konnte recht überzeugend darlegen, dass die beim Opfer festgestellten Hämatome und Kratzspuren sowie die angeblichen Schnittverletzungen, offenbar nicht das Resultat eines Fremdangriffs waren.
Obgleich ein anderer Gutachter das Gegenteil annahm, waren damit ernsthafte Zweifel an den Angaben des angeblichen Opfers gesät.
Damit war bereits ein Standbein der Anklage de facto demontiert.
Glaubwürdigkeit des Opfers entscheidend
Bei Vergewaltigungen – die Vergewaltiger stammen ja in der Mehrzahl aus dem Bekanntenkreis des jeweiligen Opfers - kommt es entscheidend auf die Glaubwürdigkeit der Aussage des vermeintlichen Opfers an, denn die Angeschuldigten behaupten meistens, dass es sich um einverständlichen Sex gehandelt habe.
Diese Glaubwürdigkeit des Opfers ergibt sich aus Indizien, also Umständen, die zusammengenommen keinerlei Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Opfers zulassen.
Dieser Indizienbeweis ist im Kachelmann-Prozess bisher nicht lückenlos gelungen.
Einmal durch die unwahren Aussagen des angeblichen Opfers gleich zu Beginn des Ermittlungsverfahrens. Unwahrheiten, die sie auf Vorhalt der Staatsanwaltschaft dann richtigstellte bzw. Behauptungen, die sie zurücknahm. Hinzukommen weitere Ungereimtheiten und Erinnerungslücken.
Insgesamt dürften diese Widersprüche, zusammen mit den einander widersprechenden Gutachten und dem substantiierten Gutachten Professor Püschels ausreichen, um genügend Zweifel an der Täterschaft Kachelmanns zu erzeugen.
Die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für eine Täterschaft Kachelmanns und damit für eine Verurteilung, wäre - jedenfalls aufgrund der bisherigen Beweislage - nicht erbracht.
Ein Freispruch wird wahrscheinlicher..
Alles erlogen?
War von dem angeblichen Opfer also dann alles „erstunken und erlogen“? Nein, nicht notwendigerweise.
Vielmehr wird nun möglicherweise der Raum eröffnet für weitreichende Spekulationen, die von einem puren Racheakt bis zu einer Vergewaltigung reichen.
Auch das Verhalten Kachelmanns nach Aussagen von Zeugen in den Tagen danach lässt diese Variante durchaus zu. Mehr allerdings auch nicht
Es ist also nicht unmöglich, dass es sich tatsächlich um eine Vergewaltigung handelte, allerdings nicht gleich zu Beginn sondern im Verlauf des intimen Beisammenseins. Dass also das angebliche Opfer erst in einem fortgeschrittenen Stadium die Stop-Karte zeigte.
Derartige Vergewaltigungen sind in der Regel noch schwieriger zu beweisen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass das angebliche Opfer, um die Aussage glaubwürdiger zu machen, zur Dramatisierung, zur Ausschmückung griff, und damit lediglich „Verschlimmbesserung“ erreichte.
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Dabei sollte nicht vergessen werden, dass bei Intimverkehr Kachelmann ja angeblich gerne mit der Peitsche knallte.
Wir werden die Wahrheit vielleicht nie erfahren, zumal Kachelmann – was sein gutes Recht ist – sich selbst nicht befragen ließ.
Nicht nur Verlierer
Gleichwohl ist es unzutreffend, dass es in diesem Prozess nur Verlierer gegeben hat, wie die SPIEGEL-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen ausführte. Denn ein Gewinner ist zweifellos das Landgericht Mannheim, das trotz des ganzen Pressewirbels, trotz der Attacken des Verteidigers Schwenn , zunächst im Cicero und später im Verfahren selbst, trotz der Attacken der ZEIT-Journalistin Sabine Rückert, den Prozess bisher mit der gebotenen Gründlichkeit über die Bühne brachte.
Journalismus als Verlierer
Verlierer ist allerdings der Journalismus in Deutschland.
Ich habe in mehreren Artikeln insbesondere die ZEIT-Journalistin Sabine Rückert kritisiert, und ich muss an dieser Stelle die Kritik noch einmal um eine Gangart verschärfen:
Der letzte Artikel aus ihrer Feder „Kachelmanns Frauen“ in der ZEIT vom 7.4. 2011 gibt keinen vernünftigen Sachstand, zeigt keine journalistisch gebotene Distanz, sondern ist der Versuch einer Abrechnung mit Alice Schwarzer und ebenfalls der Versuch, Kachelmanns Freundinnen unter der Rubrik „selbst schuld“ und ggf. noch „geldgierig“ abzuwerten.
Motto: Wer im Zeitalter der Postemanzipation sich von einem Filou wie Kachelmann mit billigen Versprechungen einwickeln lässt, der hat es offenbar nicht besser verdient.
Das ist kein guter Journalismus, um nicht zu sagen: erbärmlicher Journalismus, der ausserdem nicht berücksichtigen will und / oder kann, welche Auswirkung dieses Verfahren gerade auch auf zukünftige Vergewaltigungsopfer hat: Besser nicht anzeigen.
Insofern hat Alice Schwarzer dann doch recht:
Aufgrund von Erhebungen geht man heute in Deutschland von mindestens 90 000 Vergewaltigungen im Jahr aus. Jede zweite Vergewaltigung passiert zu Hause, wie angeblich auch im Fall Kachelmann. Der Täter ist der eigene Mann oder Freund bzw. Ex-Mann.
Doch nur acht Prozent aller Vergewaltigungen werden überhaupt angezeigt. Und nur bei jeder siebten Anzeige steht am Ende die Verurteilung des Täters. Gleichzeitig signalisieren die Statistiken, dass Vergewaltigung das Verbrechen mit den geringsten Falschanschuldigungen ist: Nur in drei von hundert Fällen lügt die Frau.
Was bedeutet: Nur jeder hundertste Vergewaltiger muss auch dafür büßen. Vergewaltigung ist also ein quasi strafloses Verbrechen.
So ist durchaus verständlich, was mein ehemaliger Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt und spätere Generalstaatsanwalt von Berlin, Dr. Hansjürgen Karge, in der Sendung mit Anne Will im August vergangenen Jahres sagte: Er würde seiner Tochter nach einer Vergewaltigung nicht empfehlen, zur Polizei zu gehen und Anzeige erstatten.
Der Verfasser ist leitender Arzt und ehemaliger Rechtsanwalt
Der Fall Kachelmann oder: Wenn Journalismus vor die Hunde geht“
Interview mit dem ehemaligen Generalstaatsanwalt von Berlin, Dr. Karge
Justiz in der Krise oder Krisenjustiz?
Satire zum Thema
Advokat Schwenn, der Aufmischer vom Kachelmann-Prozess
Spät, Wetterfrosch Kachelmann, aber nicht zu spät
Freigesprochener Frosch von Hunden gebissen
Kachelmann frei: Danke, danke Frau Sabine ( ZEIT) Rückert
Alice Schwarzer: Willkommen im Circus Sarrazini
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onlinedienst - 22. Apr, 18:20 Article 4950x read