Die Afrikaner nennen sie Ma Khumalo – Besuch bei einer außergewöhnlichen Ärztin
Dr. Alexander von Paleske --- 5.9. 2010 --- Jeden Dienstag findet in Bulawayo die ärztliche Fortbildung in der Mittagspause im Ärztehaus statt. Dabei ist fast immer auch die 92 jährige deutsche Missionsärztin Dr.Johanna Davis-Ziegler, die ich bereits kurz nach meiner Ankunft in Bulawayo im Jahre 1987 kennenlernte, und die die damals noch die Leiterin des Missionskrankenhauses St. Lukes auf dem Weg nach Victoria Falls war. Ein Krankenhaus, das sie 1950 gegründet und bereits 37 Jahre geleitet hatte, weitere 13 Jahre sollten noch folgen.

Dr. Johanna Davis-Ziegler - Foto: Dr. v. Paleske
Nach wie vor interessiert Dr. Davis-Ziegler sich dafür, was sich im Bereich der Medizin tut, obgleich sie selbst nicht mehr als Ärztin praktiziert.
Szenenwechsel. Im Jahre 2003 kontaktierte mich der ehemalige Botschafter Deutschlands in Simbabwe , Dr. Werner Kilian, um mir mitzuteilen, daß er Dr. Davis ermutigt habe, ihre Memoiren zu schreiben.
Ich meinte nur, daraus würde wohl nichts, da müsse er schon selbst hinfahren und sie interviewen. Und so geschah es dann auch. Fast drei Wochen lang nahm er ihre Erzählungen auf Tonträger und schrieb sie dann nieder.
Früher Entschluss: Missionsärztin
Heraus kam die faszinierende Lebensgeschichte einer Vollblutärztin, die bereits in ihrer Schulzeit den Entschluss gefasst hatte, Missionsärztin zu werden.
Davis-Ziegler, Johanna. Heimat unter dem Kreuz des Südens. Erinnerungen einer Missionsärztin in Simbabwe. (Mariannhiller Mission)
und an diesem Entschluss festgehalten und ihn mit einer bewundernswerten Energie durchgehalten hat, bis sie sich im hohen Alter von 82 Jahren dann von der Leitung des Krankenhauses St. Lukes zurückzog und nun in einer Wohnanlage der katholischen Diözese in Bulawayo lebt.
Dort besuchte ich sie vor zwei Wochen. 92 Jahre alt, das Gedächtnis scharf und präzise, führte sie mich noch einmal auf die Ursprünge zurück: der Pfarrer Hugo Pfeil in ihrem Heimatdorf Humes bei Illingen im Saarland, der sie als Gymnasiastin ermutigte.
Ein Pfarrer, der während der Nazizeit nicht mit „Heil Hitler“ grüßte, sondern mit „Grüß Gott“, der sich weigerte an den Scheinwahlen 1936 teilzunehmen und daraufhin von Hitlers SA-Schergen physisch gezwungen wurde, ins Wahllokal zu gehen. Ein Pfarrer, der 1939 predigte, dass der Angriff Polens eine Propagandalüge sei, vielmehr Hitler den Krieg mit Polen vom Zaun gebrochen habe und dafür ins KZ Dachau, in den sogenannten Pfarrerblock eingeliefert wurde, aber das KZ überlebte.
Dr. Davis-Ziegler nahm schon als Gymnasiastin an den Sommercamps der Organisation "Missionskreuz Studierende Jugend" teil, auf denen sie Gleichgesinnte traf. Einige traf wieder, als sie in Würzburg in das Missionsärztliche Institut eintrat, den Missionseid ablegte und im Jahr 1938 das Medizinstudium aufnahm, einzig zu dem Zweck, wie sie sagte, um Missionsärztin zu werden und schloss das Studium 1943, mitten im Krieg, erfolgreich ab.
Danach Dienstverpflichtung und nach dem Kriegsende Arbeit im Krankenhaus Düsseldorf. Zäh hielt sie an ihrem Plan fest, Missionsärztin zu werden.
Scheinehe für einen guten Zweck
Zwei Jahre nach dem 2. Weltkrieg, im Jahr 1947, gab es allerdings keine Möglichkeit, als Deutsche nach Afrika zu gehen. Aber Dr. Davis fand einen Ausweg, sie nahm die englische Staatsbürgerschaft an – über eine Scheinehe mit einem britischen Staatsbürger, dem Schwager ihrer in England verheirateten Tante. Ein Mann, der bereit war, bei diesem Schwindel mitzumachen.

Scheinehemann für einen guten Zweck, Mr. Davis links im Bild.
Eine vorübergehende Arbeit als Ärztin in Großbritannien war ausgeschlossen, da die deutschen Examen damals nicht anerkannt wurden, und so jobbte sie um nebenher etwas zu verdienen.
Ein Jahr später, nun englische Staatsbürgerin, war sie bereits auf dem Weg nach Afrika, in das damalige Rhodesien, heute Simbabwe.
Aus dem Nichts baute sie, nachdem sie ihre ersten Erfahrungen als Ärztin gemacht hatte, das Missionskrankenhaus St. Lukes auf. Und machte daraus in den darauffolgenden Jahren ein Krankenhaus mit 250 Betten und einer Schwesternschule.

St. Lukes Hospital, weitere Bilder hier
Und sie begann sofort mit etwas, was heute – nicht aber damals – selbstverständlich war: Outreach.
Wir müssen zu den Patienten in die Dörfer gehen und dort behandeln, nicht umgekehrt, war ihr Credo.
Es gibt praktisch keine Erkrankung, die sie nicht gesehen und behandelt hat , einschließlich der Pest.
Auch die AIDS-Epidemie erlebte sie aus den ersten Anfängen mit.
Während der heißen Phase des Unabhängigkeitskriegs von 1972-1979 kamen Kämpfer auch in ihr Krankenhaus. Ihre Loyalität aber bestand nicht gegenüber einer Regierung, sondern nur zu ihrem Hippokrates-Eid. Und so behandelte sie unterschiedslos, und stellte keine Fragen.
Das galt nicht nur vor der Unabhängigkeit, sondern auch danach, als die Massaker im Matabeleland stattfanden und Dr. Davis sich persönlich bei Regierungschef Robert Mugabe beschwerte, wir berichteten darüber.
Bei der Geburt von Tausenden von Babys hat sie assistiert, und so etwas wie ein „Burnt out“ habe bei ihr eigentlich nie gegeben, wie sie mir versicherte..
Viele Ärzte hat sie kommen und gegen gesehen, viele, die, wie sie selbst, helfen wollten, aber auch eine Reihe von Safari-Ärzten deren Interesse das „Exotische“ galt. Und die dann oftmals nach kurzer Zeit wieder verschwanden.
Den Medizinbetrieb in Deutschland heute sieht sie eher kritisch. Trotz der Ärztedichte viel zu wenig Zeit, um mit den Patienten zu reden.
Ma Khumalo, eine Ehrenbezeichnung für ein Mitglied der Königsfamilie, das ihr die Einheimischen verliehen. Aus Dankbarkeit, aber auch deswegen, weil sie in jedem Patienten den Menschen sah, dem sie als Ärztin in bester afrikanischer Tradition mit Respekt begegnete.
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Dr. Johanna Davis-Ziegler - Foto: Dr. v. Paleske
Nach wie vor interessiert Dr. Davis-Ziegler sich dafür, was sich im Bereich der Medizin tut, obgleich sie selbst nicht mehr als Ärztin praktiziert.
Szenenwechsel. Im Jahre 2003 kontaktierte mich der ehemalige Botschafter Deutschlands in Simbabwe , Dr. Werner Kilian, um mir mitzuteilen, daß er Dr. Davis ermutigt habe, ihre Memoiren zu schreiben.
Ich meinte nur, daraus würde wohl nichts, da müsse er schon selbst hinfahren und sie interviewen. Und so geschah es dann auch. Fast drei Wochen lang nahm er ihre Erzählungen auf Tonträger und schrieb sie dann nieder.
Früher Entschluss: Missionsärztin
Heraus kam die faszinierende Lebensgeschichte einer Vollblutärztin, die bereits in ihrer Schulzeit den Entschluss gefasst hatte, Missionsärztin zu werden.
Davis-Ziegler, Johanna. Heimat unter dem Kreuz des Südens. Erinnerungen einer Missionsärztin in Simbabwe. (Mariannhiller Mission)
und an diesem Entschluss festgehalten und ihn mit einer bewundernswerten Energie durchgehalten hat, bis sie sich im hohen Alter von 82 Jahren dann von der Leitung des Krankenhauses St. Lukes zurückzog und nun in einer Wohnanlage der katholischen Diözese in Bulawayo lebt.
Dort besuchte ich sie vor zwei Wochen. 92 Jahre alt, das Gedächtnis scharf und präzise, führte sie mich noch einmal auf die Ursprünge zurück: der Pfarrer Hugo Pfeil in ihrem Heimatdorf Humes bei Illingen im Saarland, der sie als Gymnasiastin ermutigte.
Ein Pfarrer, der während der Nazizeit nicht mit „Heil Hitler“ grüßte, sondern mit „Grüß Gott“, der sich weigerte an den Scheinwahlen 1936 teilzunehmen und daraufhin von Hitlers SA-Schergen physisch gezwungen wurde, ins Wahllokal zu gehen. Ein Pfarrer, der 1939 predigte, dass der Angriff Polens eine Propagandalüge sei, vielmehr Hitler den Krieg mit Polen vom Zaun gebrochen habe und dafür ins KZ Dachau, in den sogenannten Pfarrerblock eingeliefert wurde, aber das KZ überlebte.
Dr. Davis-Ziegler nahm schon als Gymnasiastin an den Sommercamps der Organisation "Missionskreuz Studierende Jugend" teil, auf denen sie Gleichgesinnte traf. Einige traf wieder, als sie in Würzburg in das Missionsärztliche Institut eintrat, den Missionseid ablegte und im Jahr 1938 das Medizinstudium aufnahm, einzig zu dem Zweck, wie sie sagte, um Missionsärztin zu werden und schloss das Studium 1943, mitten im Krieg, erfolgreich ab.
Danach Dienstverpflichtung und nach dem Kriegsende Arbeit im Krankenhaus Düsseldorf. Zäh hielt sie an ihrem Plan fest, Missionsärztin zu werden.
Scheinehe für einen guten Zweck
Zwei Jahre nach dem 2. Weltkrieg, im Jahr 1947, gab es allerdings keine Möglichkeit, als Deutsche nach Afrika zu gehen. Aber Dr. Davis fand einen Ausweg, sie nahm die englische Staatsbürgerschaft an – über eine Scheinehe mit einem britischen Staatsbürger, dem Schwager ihrer in England verheirateten Tante. Ein Mann, der bereit war, bei diesem Schwindel mitzumachen.

Scheinehemann für einen guten Zweck, Mr. Davis links im Bild.
Eine vorübergehende Arbeit als Ärztin in Großbritannien war ausgeschlossen, da die deutschen Examen damals nicht anerkannt wurden, und so jobbte sie um nebenher etwas zu verdienen.
Ein Jahr später, nun englische Staatsbürgerin, war sie bereits auf dem Weg nach Afrika, in das damalige Rhodesien, heute Simbabwe.
Aus dem Nichts baute sie, nachdem sie ihre ersten Erfahrungen als Ärztin gemacht hatte, das Missionskrankenhaus St. Lukes auf. Und machte daraus in den darauffolgenden Jahren ein Krankenhaus mit 250 Betten und einer Schwesternschule.

St. Lukes Hospital, weitere Bilder hier
Und sie begann sofort mit etwas, was heute – nicht aber damals – selbstverständlich war: Outreach.
Wir müssen zu den Patienten in die Dörfer gehen und dort behandeln, nicht umgekehrt, war ihr Credo.
Es gibt praktisch keine Erkrankung, die sie nicht gesehen und behandelt hat , einschließlich der Pest.
Auch die AIDS-Epidemie erlebte sie aus den ersten Anfängen mit.
Während der heißen Phase des Unabhängigkeitskriegs von 1972-1979 kamen Kämpfer auch in ihr Krankenhaus. Ihre Loyalität aber bestand nicht gegenüber einer Regierung, sondern nur zu ihrem Hippokrates-Eid. Und so behandelte sie unterschiedslos, und stellte keine Fragen.
Das galt nicht nur vor der Unabhängigkeit, sondern auch danach, als die Massaker im Matabeleland stattfanden und Dr. Davis sich persönlich bei Regierungschef Robert Mugabe beschwerte, wir berichteten darüber.
Bei der Geburt von Tausenden von Babys hat sie assistiert, und so etwas wie ein „Burnt out“ habe bei ihr eigentlich nie gegeben, wie sie mir versicherte..
Viele Ärzte hat sie kommen und gegen gesehen, viele, die, wie sie selbst, helfen wollten, aber auch eine Reihe von Safari-Ärzten deren Interesse das „Exotische“ galt. Und die dann oftmals nach kurzer Zeit wieder verschwanden.
Den Medizinbetrieb in Deutschland heute sieht sie eher kritisch. Trotz der Ärztedichte viel zu wenig Zeit, um mit den Patienten zu reden.
Ma Khumalo, eine Ehrenbezeichnung für ein Mitglied der Königsfamilie, das ihr die Einheimischen verliehen. Aus Dankbarkeit, aber auch deswegen, weil sie in jedem Patienten den Menschen sah, dem sie als Ärztin in bester afrikanischer Tradition mit Respekt begegnete.


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onlinedienst - 5. Sep, 13:18 Article 3849x read