Gesundheitsreform in Großbritannien – oder: Weil Du reich bist sollst Du länger leben
Dr. Alexander von Paleske --- 4.9. 2011 --- Die konservativ-liberale Regierung Großbritanniens plant eine umfassende Reform des Gesundheitswesens, eine Reform die es in sich hat.
Vergangenen Monat verkündete der britische Premier auf einer Rede in Cornwall, dass das britische Gesundheitssystem nach Umsetzung der geplanten Veränderungen nicht wiederzuerkennen sein würde.
Das dürfte zutreffend sein, wenn seine Pläne, und die seiner Regierungskoalition, umgesetzt werden. Eines der wichtigsten Prinzipien eines fairen Gesundheitssystems, das Solidarprinzip, würde aus den Angeln gehoben. Wohin das führt lässt sich in den USA besichtigen.
Mehr Einnahmen durch Privatpatienten
Die staatlichen Krankenhäuser, die zum National Health Service (NHS) gehören, sollen erheblich weniger Mittel bekommen, und das durch Zusatzeinnahmen ausgleichen, also gleichzeitig auch mehr verdienen: mit wohlhabenden Selbstzahlern aus dem Ausland, z.B. aus arabischen Ländern, oder privat versicherten britischen Bürgern.
Bisher gab es aus guten Gründen eine Obergrenze: maximal 2% der Dienstleitungen durften an Private gehen, um zu verhindern, dass die Allgemeinheit benachteiligt wird.
Alle Krankenhäuser werden jetzt zu sog. Foundation Hospitals, die Obergrenze fällt weg.
Da die Mittelkürzungen nur mit attraktiven Angeboten ausgeglichen werden können, wird also, so ist nicht zu Unrecht zu befürchten, den Privaten absoluter Vorrang gegeben, sonst gehen diese „wertvollen Patienten“ zur Konkurrenz.
Richtig Geld bringen Herzoperationen, Hüftgelenks-OPs und andere elektive Eingriffe.
Die Allgemeinheit aber braucht Kapazitäten zur Notfallbehandlung, Mittel für die Psychiatrie und vor allem – wegen der alternden Gesellschaft - für die Geriatrie.
Ein Blick zurück
Der NHS war nach dem 2. Weltkrieg von der Labour-Regierung unter Premier Attlee eingeführt worden, um eine faire, breite, und erschwingliche Gesundheitsversorgung sicherzustellen, nachdem das Land zusammenstehend ungeheure Opfer Schulter an Schulter gebracht hatte.
Mit diesem Programm hatte die Labour-Partei sich in der ersten Nachkriegswahl gegen den Kriegspremier Winston Churchill und seine Partei, die Konservativen - trotz des Sieges über Hitlerdeutschland - durchgesetzt.
Der NHS blieb, egal wer an der Regierung war. Die klare Mehrheit der Briten möchte auf gar keinen Fall auf ihn verzichten, trotz aller Engpässe, aller Probleme, der Wartezeiten etc.
Das ist der konservativ-liberalen Regierung im Rahmen ihres drastischen Sparprogramms jetzt offenbar herzlich gleichgültig.
Privatisierung als Sparprogramm
Die Tendenz läuft eindeutig in Richtung Privatisierung.
Die Oberprivatisiererin Margaret Thatcher war seinerzeit damit gescheitert, nun gibt es also einen neuen Anlauf.
Schon die erste geplante Maßnahme, die Krankenhäuser unter die Kuratel von Konsortien aus niedergelassenen Ärzten zu stellen, löste einen Sturm der Entrüstung aus. Der Plan war insofern teuflisch, als die Auseinandersetzungen über die Mittelverteilung auf die Ärzte verlagert würden, die sich dann natürlich gegenseitig in die Haare geraten werden.
Heute wurde darüber hinaus noch bekannt, dass die Verwaltung von 20-30 Großkrankenhäusern an internationale Firmen übertragen werden soll. Als Makler soll die Firma McKinsey eingeschaltet werden. Es geht um Verträge mit einem Volumen von mehreren 100 Millionen britischen Pfund, wie die britische Wochenzeitung Observer heute berichtet, und natürlich schöne Profite.
Standesvertretungen schlagen Alarm
Nun schlagen die Standesvertretungen der Ärzte und des Pflegepersonals Alarm, angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Pläne.
Der Chef der Ärztevereinigung British Medical Organisation, Hamesh Meldrum, meldete sich nun zu Wort und erklärte gegenüber der Tageszeitung Guardian:
Guardian vom 2.9. 2011
"The governments health and social care bill would see the NHS being rebuilt on an philosophy that relies on a market-based health system rather like the one we see in the US".
Und weiter:
Those who pay or are (privately ) insured get a better service, …until now the system has been built on social solidarity where patients get the appropriate treatment at the appropriate time.
Meldrum greift das geplante System als „misguided“ an und verlangt in einem Brief an alle britischen Parlamentsabgeordenten durchgreifende Änderungen an den Plänen der Regierung.
Privatisierung ist keineswegs ein Fremdwort, auch nicht für den deutschen Gesundheitsminister Bahr und seine FDP.
Nachtrag 5.9. 2011
Die britische Tageszeitung Guardian berichtet heute, dass unter den Bietern für das Geschäft mit der Krankheit sich unter anderem auch die deutsche Firma Helios befinden soll. Wie schön.
Grossbritannien: Die Zukunft(slosigkeit) im Gesundheitswesen hat schon begonnen
Vergangenen Monat verkündete der britische Premier auf einer Rede in Cornwall, dass das britische Gesundheitssystem nach Umsetzung der geplanten Veränderungen nicht wiederzuerkennen sein würde.
Das dürfte zutreffend sein, wenn seine Pläne, und die seiner Regierungskoalition, umgesetzt werden. Eines der wichtigsten Prinzipien eines fairen Gesundheitssystems, das Solidarprinzip, würde aus den Angeln gehoben. Wohin das führt lässt sich in den USA besichtigen.
Mehr Einnahmen durch Privatpatienten
Die staatlichen Krankenhäuser, die zum National Health Service (NHS) gehören, sollen erheblich weniger Mittel bekommen, und das durch Zusatzeinnahmen ausgleichen, also gleichzeitig auch mehr verdienen: mit wohlhabenden Selbstzahlern aus dem Ausland, z.B. aus arabischen Ländern, oder privat versicherten britischen Bürgern.
Bisher gab es aus guten Gründen eine Obergrenze: maximal 2% der Dienstleitungen durften an Private gehen, um zu verhindern, dass die Allgemeinheit benachteiligt wird.
Alle Krankenhäuser werden jetzt zu sog. Foundation Hospitals, die Obergrenze fällt weg.
Da die Mittelkürzungen nur mit attraktiven Angeboten ausgeglichen werden können, wird also, so ist nicht zu Unrecht zu befürchten, den Privaten absoluter Vorrang gegeben, sonst gehen diese „wertvollen Patienten“ zur Konkurrenz.
Richtig Geld bringen Herzoperationen, Hüftgelenks-OPs und andere elektive Eingriffe.
Die Allgemeinheit aber braucht Kapazitäten zur Notfallbehandlung, Mittel für die Psychiatrie und vor allem – wegen der alternden Gesellschaft - für die Geriatrie.
Ein Blick zurück
Der NHS war nach dem 2. Weltkrieg von der Labour-Regierung unter Premier Attlee eingeführt worden, um eine faire, breite, und erschwingliche Gesundheitsversorgung sicherzustellen, nachdem das Land zusammenstehend ungeheure Opfer Schulter an Schulter gebracht hatte.
Mit diesem Programm hatte die Labour-Partei sich in der ersten Nachkriegswahl gegen den Kriegspremier Winston Churchill und seine Partei, die Konservativen - trotz des Sieges über Hitlerdeutschland - durchgesetzt.
Der NHS blieb, egal wer an der Regierung war. Die klare Mehrheit der Briten möchte auf gar keinen Fall auf ihn verzichten, trotz aller Engpässe, aller Probleme, der Wartezeiten etc.
Das ist der konservativ-liberalen Regierung im Rahmen ihres drastischen Sparprogramms jetzt offenbar herzlich gleichgültig.
Privatisierung als Sparprogramm
Die Tendenz läuft eindeutig in Richtung Privatisierung.
Die Oberprivatisiererin Margaret Thatcher war seinerzeit damit gescheitert, nun gibt es also einen neuen Anlauf.
Schon die erste geplante Maßnahme, die Krankenhäuser unter die Kuratel von Konsortien aus niedergelassenen Ärzten zu stellen, löste einen Sturm der Entrüstung aus. Der Plan war insofern teuflisch, als die Auseinandersetzungen über die Mittelverteilung auf die Ärzte verlagert würden, die sich dann natürlich gegenseitig in die Haare geraten werden.
Heute wurde darüber hinaus noch bekannt, dass die Verwaltung von 20-30 Großkrankenhäusern an internationale Firmen übertragen werden soll. Als Makler soll die Firma McKinsey eingeschaltet werden. Es geht um Verträge mit einem Volumen von mehreren 100 Millionen britischen Pfund, wie die britische Wochenzeitung Observer heute berichtet, und natürlich schöne Profite.
Standesvertretungen schlagen Alarm
Nun schlagen die Standesvertretungen der Ärzte und des Pflegepersonals Alarm, angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Pläne.
Der Chef der Ärztevereinigung British Medical Organisation, Hamesh Meldrum, meldete sich nun zu Wort und erklärte gegenüber der Tageszeitung Guardian:
Guardian vom 2.9. 2011
"The governments health and social care bill would see the NHS being rebuilt on an philosophy that relies on a market-based health system rather like the one we see in the US".
Und weiter:
Those who pay or are (privately ) insured get a better service, …until now the system has been built on social solidarity where patients get the appropriate treatment at the appropriate time.
Meldrum greift das geplante System als „misguided“ an und verlangt in einem Brief an alle britischen Parlamentsabgeordenten durchgreifende Änderungen an den Plänen der Regierung.
Privatisierung ist keineswegs ein Fremdwort, auch nicht für den deutschen Gesundheitsminister Bahr und seine FDP.
Nachtrag 5.9. 2011
Die britische Tageszeitung Guardian berichtet heute, dass unter den Bietern für das Geschäft mit der Krankheit sich unter anderem auch die deutsche Firma Helios befinden soll. Wie schön.
Grossbritannien: Die Zukunft(slosigkeit) im Gesundheitswesen hat schon begonnen
onlinedienst - 4. Sep, 19:17 Article 3339x read