ISAF-Truppen ziehen aus Afghanistan ab – Krieg und Leiden bleiben
Dr. Alexander von Paleske ======= 18.4. 2021===========
Vor 20 Jahren rückte die internationale ISAF (International Security Assistance Force) “Schutz”- Truppe mit Beteiligung der Bundeswehr in Afghanistan ein, vertrieb die Al Qaida-Terroristen – verantwortlich für die Anschläge vom 11.September 2001 in New York – und deren “Gastgeber”, die Taliban-Regierung in Kabul..
Geplant war ein Einsatz von 6 Monaten. Bundeskanzler Gerhard Schröder damals:
„Es handelt sich von den Aufgaben, vom Einsatzort, und von der Zeit her um ein begrenztes Mandat.„
Die Rede war von 6 Monaten – lange sechs Monate in der Tat!
Am 11.. September diesen Jahres, dem 20. Jahrestag der Anschläge in New York, und nach 20 Jahren Krieg, soll der letzte ISAF- und damit auch der letzte der noch 1.100 Bundeswehrsoldaten das Land verlasssen haben.
Die Bilanz
Die Bilanz des ISAF-Feldzugs unter Führung der USA ist eine Bilanz des Schreckens und Grauens.
Zehntausenfacher Tod von Zivilisten als Kriegsfolge darunter:
- “versehentliche”Bombardierungen von zivilen Ansammlungen wie Hochzeitsfeiern, Begräbnisse etc.
- Absichtliche Inkaufnahme des Todes von Zivilisten durch Bombenangriffe – erinnert sei an den Bombenangriff auf Bitten der Bundeswehr auf einen Tanklastwagen nahe Kundus mit mehr als 100 Toten darunter Frauen und Kinder.
- Attentate der Taliban und später auch noch des Islami
- Kriegsverbrechen wie die gezielte Tötung von angeblichen oder tatsächlichen Taliban durch nächtliche Exekutions-Einsätze der US Spezial-Kommandos von den deutschen Stützpunkten Mazar-i-Sharif und Kundus aus. Einsätze, die zudem die Bundeswehr dem Verdacht aussetzten, “Gehilfe” solcher Verbrechen zu sein.
Folter und mehr
- Folterungen von gefangenen Taliban – oder auf blossen Verdacht Verhafteter.
- Einsatz von Private Military Companies (PMC) mit ihren bereits aus dem Irakkrieg bestens bekannten brutalen, gewissenlosen, schamlosen und keiner Gerichtsbarkeit unterstellten Söldnern.
- Verbrennung von Koranbuechern
Zehntausende von internen und externen Flüchtlingen, und die nächste Fluchtwelle steht jetzt nach der Abzugsankündigung bevor, insbesondere von:
- Personen, die mit den Besatzungstruppen zusammengearbeitet haben und die Rache der Taliban fürchten
- Angehörige der afghanischen Streitkräfte oder der Polizei und deren Familien.
- Personen, welche nicht unter einem islamistischen Regime leben wollen.
- Personen, die wirtschaftlich keine Zukunft sehen nach dem Abzug der Besatzungstruppen.
Flüchtlingslager am Stadtrand von Kabul
Mehr noch:
- 59 Bundeswehrsoldaten sind dort gestorben, davon 34 im Kampfeinsatz.
- Hunderte physisch und/oder psychisch traumatisiert nach Deutschland zurückgekehrt, und lernten dann, wie wenig Unterstützung sie dort bekommen.
- Deutschland hat möglicherweise sich der Beihilfe zu Kriegsverbrechen schuldig gemacht, denn von den Bundeswehrstützpunkten in Kundus und Mazar i Sharif starteten US-Einsatzkräfte zu nächtlichen Erschiessungen von vermuteten Taliban. Inwieweit Deutsche Truppen der KSK auch daran beteiligt waren, ist nicht bekannt, kann aber kaum sicher ausgeschlossen werden.
Und weiter:
- DerOpiumexport, der unter den Taliban verboten war, erreichte neue ungeahnte Höhen
- Ausbreitung der islamistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS), deren Terrorakte sich insbesondere gegen die schiitische Minderheit richteten, und die ein grosses rein-sunnitisches Kalifat unter Einschluss der Nachbarländer anstrebt.
Bald Machtübernahme
Die Taliban werden innerhalb kurzer Zeit nach Abzug der ISAF die Macht erringen, das zeigt schon der bisherige Kriegsverlauf:
- Im Jahre 2005 waren es bereits 11 Provinzen, die wieder einen de facto Taliban-Gouverneur hatten, im Jahre 2009 aber bereits 33 der 34 Provinzen (Peter L. Bergen: „The longest war“ 2011.)
- die Taliban kontrollieren komplett bereits jetzt mehr als 50% des Landes,
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat dazu:
„Die Taliban sind politisch stark und werden auch militärisch stärker. Innerhalb kürzester Zeit werden sie die Macht in Afghanistan übernehmen"„
Krieg geht weiter
Der Krieg wird also auch nach Abzug der ISAF weitergehen: zuerst gegen die Regierung in Kabul bis zu deren Vertreibung, dann gegen den Islamischen Staat (IS). Und das nach 40 Jahren Krieg und Bürgerkrieg :
1979-1989 Invasion der Sowjetunion,
1989-2001 Buergerkrieg
2001-2021 Invasion der ISAF .
Pudel der USA
Deutschland stellte Truppen, hatte aber wenig zu sagen: Die Friedensverhandlungen mit den Taliban in Doha(Katar) fanden ohne Beteiligung der Regierung in Kabul statt, auch Deutschland sass nicht mit am Verhandlungstisch, sondern hatte zu akzeptieren, was herauskam. Gleiches gilt für die Festlegung des Rückzugsdatums.
Vietnamkrieg lässt grüssen
All das erinnert an das Ende des Vietnamkrieges 1975, auch damals konnten die Vietcong und verbündete Nordvietnamesen die Truppen der korrupten Regierung in Saigon rasch besiegen, nachdem die US-Truppen abgezogen waren.
Die Friedensverhandlungen zwischen US- Aussenminister Kissinger und dem Nordvietnamesen Le Du Tho in Paris fanden ohne die Beteiligung der südvietnamesichen Marionettenregierung statt,
20 lange Jahre
Der Afghanistankrieg hat bisher 20 Jahre gedauert, der längste Krieg der USA und ihrer Verbündeten. In den Krieg wurden sage und schreibe insgesamt fast 1,5 Billionen (!), das sind 1500 Milliarden US-Dollar, gepumpt, ein Betrag, mit dem viele – sehr viele – der ärmsten Länder der Welt aus der Armutsfalle hätten befreit werden können.
Wer trägt die politische Verantwortung für Deutschlands Beteiligung?
Die politischen Parteien, welche die Entsendung der Bundeswehr beschlossen.
Vorgestern stellte sich der diesbezügliche Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, hin und forderte eine Aufarbeitung und keine Schuldzuweisungen für die Vergangenheit: geradezu lächerlich. Dieser Grüne posaunte einst:
„Wir haben uns stets für eine geordnete Beendigung des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr bis spätestens Ende 2014 eingesetzt. Deshalb stimmen wir der letztmaligen Verlängerung des ISAF-Mandates der Bundeswehr und damit verbunden einem Abzug der deutschen Kampftruppen zu. Dies ist eine Gewissensentscheidung."
Die Bundeswehr blieb weiter dort, zwar reduziert, im Bundestag aber immer wieder abgenickt – auch von den Grünen
Versagen der Medien
Nicht besser die Medien, allen voran die Wochenzeitung “Die Zeit”, die immer wieder den Unfug verbreitete, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, zuletzt 2010, und deren Universalreporterin Andrea Böhm weiterdauernden Einsatz forderte, und proklamierte, dass man nicht unbedingt aus der Geschichte lernen könne. Dabei hätte genau das stattfinden müssen: warum bereits der Feldzug der Sowjetunion und zuvor der Briten gescheitert waren, ebenso die Vietnamkriege: erst der Franzosen und dann der US-Amerikaner.
Der Krieg in Afghanistan war in dem Augenblick verloren, als die Bevölkerung sich gegen die korrupte Zentralregierung in Kabul – und die neuen Besatzungstruppen wandte.
Ueber Jahre wurde die Oeffentlichkeit von den US Regierungen über den Krieg und dessen Erfolgsaussichten absichtlich getäuscht (Afghanistan Papers), wie auch schon im Vietnamkrieg seinerzeit (Pentagon Papers).
Aber es hätte noch nicht einmal dieser Papiere bedurft, um klar zu erkennen, dass dieser Krieg nicht gewonnen werden kann, und der Rückzug deshalb auf der Tagesordnung zu stehen hatte.
Bereits 2009 vernichtende Schreckensbilanz
Wir schrieben bereits damals:
Die Bilanz des deutschen Einsatzes in Afghanistan ist niederschmetternd:
– Dutzende Bundeswehr-Soldaten starben Hunderte wurden körperlich und / oder psychisch schwer traumatisiert.
– die Zivilbevölkerung geriet zwischen die Fronten,
– die Unterstützung der Zivilbevölkerung für die ISAF Truppe, sofern sie je bestand, schwand dahin
– der Mohnanbau der ja auch durch den Militäreinsatz gestoppt werden sollte, floriert besser denn je.
Trotzdem haben die Berliner Parlamentarier in grosser Mehrheit – einschliesslich der Grünen – diesen tödlichen Unfug immer wieder abgesegnet.
Im gleichen Jahre 2009 interviewte ich den ehemaligen stellvertretenden Deutschen Botschafter in Afghanistan Dr. Werner Kilian:
Frage
Sie kennen das Land seit den 70er Jahren. Sie sind kreuz und quer gereist und haben auch später die Ereignisse dort verfolgt. Der von deutscher Seite angeforderte Luftangriff auf die am Kundusfluss festsitzenden Tanklastwagen mit vielleicht 100 oder mehr Toten hat Kritiker in in Afghanistan, aber auch bei den Verbündeten auf den Plan gerufen. Liegt die deutsche Afghanistan-Politik nun in Trümmern? Was war überhaupt die deutsche Politik gegenüber Afghanistan nach dem 11.September 2001?
Dr. Kilian
Die Politik bestand zunächst einmal darin, die USA In ihrem Vergeltungsschlag gegen die al-Qaida Basen in Afghanistan zu unterstützen. Diese Aktion war teilweise erfolgreich. Al-Qaida setzte sich, soviel wir wissen, nach Pakistan ab. Dann ging es um ein zweites Ziel, nämlich die für westliche Begriffe unerträgliche Taliban-Regierung zu beseitigen und durch eine demokratische, frei gewählte Zentralregierung zu ersetzen. Diese westlichen Wunschvorstellungen von einer akzeptablen Regierung sind den Afghanen durchaus bekannt, entsprechen aber nicht ihren Traditionen.
Afghanistan war in der Vergangenheit eher ein Gebilde ähnlich wie das deutsche Kaiserreich früherer Jahrhunderte. Ein Reich mit einem schwachen Kaiser, aber mit vielen Kleinstaaten und örtlichen Herrschern, die die wirkliche Macht besaßen. So war auch der afghanische König, der zu meiner Zeit noch regierte, in seinem realen Machtbereich auf die Hauptstadt beschränkt. Gleiches sagt man heute von Karsai, also dem „Bürgermeister von Kabul“.
Die Sowjets wollten einen Zentralstaat. Sie scheiterten mit ihrem 10-jährigen Versuch der Unterwerfung Afghanistans nicht so sehr, weil man sie als gottlose Kommunisten und Islamfeinde hasste, sondern weil sie versuchten, das Land mit zentralen Institutionen zu überziehen. Weder Karsai noch seine Nachfolger werden es schaffen, landesweite Autorität zu besitzen. Auch die parlamentarische Demokratie mit Parteien und Wahlkreisen wird es sehr schwer haben, in Afghanistan populär zu werden. Man folgt dort lieber dem örtlichen „Khan“, der als Ortsvorsteher, Mullah, Stammesältester oder Warlord Autorität ausübt. Hier beginnen also bereits die Fragezeichen unserer und der gesamten westlichen Afghanistanpolitik.
Durfte man die Afghanen in unserer leider etwas üblichen Ungeduld zu Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, zu einer Zentralregierung drängen? Wäre es nicht besser gewesen, die traditionelle „Loya Jirga“ – also die landesweite Versammlung der lokalen Autoritäten unter Einschluss von Repräsentanten der Taliban – ohne Vorgaben aus dem Ausland beraten und entscheiden zu lassen, auch wenn es noch so viele Monate gedauert hätte?
Dr. Kilian
Jetzt sind wir in der wenig beneidenswerten Lage, dass Karsai von seinen Landsleuten als westliches Implantat empfunden wird, dass die NATO-Truppen einschließlich der Deutschen als Besatzungssoldaten gesehen werden, die Karsais Mannschaft mit Waffengewalt schützt, obwohl er im Verdacht der Bestechlichkeit, der Verwicklung in Rauschgifthandel und der Wahlfälschung steht.
Es bleibt uns jetzt nur noch, die Sicherheit unserer 4000 Soldaten in Nordafghanistan mit immer neuen Vorsichtsmaßnahmen zu schützen. Der Verteidigungsminister hat klargemacht, dass die Bombardierung der beiden Tanklastwagen erfolgte, weil man befürchtete, dass diese beiden Wagen, sobald sie aus dem Ufersand frei kämen, als Feuerbomben gegen das deutsche Militärlager rollen würden.
Unsere Kritiker werfen uns vor, dass die deutsche Afghanistanpolitik von den umfassenden Konzepten für den Wiederaufbau des Landes zur bloßen Sicherung der 4000 Soldaten in ihrer Wüstenfestung zusammengeschrumpft sei. Man wolle sie am liebsten nicht mehr vor das Kasernentor lassen und ziehe es vor, Bomben werfen zu lassen, statt die nur sechs Kilometer entfernten, festsitzenden Tankwagen durch einen gepanzerten Spähtrupp auszukundschaften.
In dieser Weise lässt sich unsere Politik in Afghanistan nicht mehr fortsetzen, zumal die US-Truppenführung gerade jetzt ihre Taktik geändert hat und nicht mehr daran glaubt, dass der internationale Terrorismus besiegt werden könne, indem man möglichst viele Taliban tötet. Lange vorbei sind die Tage, in denen deutsche Soldaten leutselig grüßend zu Fuß durch die Ortschaften gingen und sich mit Vertretern der Bevölkerung zum Tee zusammensetzten.
Spätestens dann hätte der Rückzug angestanden
Der Rückzug fand jedoch dann nicht statt…
Vor 20 Jahren rückte die internationale ISAF (International Security Assistance Force) “Schutz”- Truppe mit Beteiligung der Bundeswehr in Afghanistan ein, vertrieb die Al Qaida-Terroristen – verantwortlich für die Anschläge vom 11.September 2001 in New York – und deren “Gastgeber”, die Taliban-Regierung in Kabul..
Geplant war ein Einsatz von 6 Monaten. Bundeskanzler Gerhard Schröder damals:
„Es handelt sich von den Aufgaben, vom Einsatzort, und von der Zeit her um ein begrenztes Mandat.„
Die Rede war von 6 Monaten – lange sechs Monate in der Tat!
Am 11.. September diesen Jahres, dem 20. Jahrestag der Anschläge in New York, und nach 20 Jahren Krieg, soll der letzte ISAF- und damit auch der letzte der noch 1.100 Bundeswehrsoldaten das Land verlasssen haben.
Die Bilanz
Die Bilanz des ISAF-Feldzugs unter Führung der USA ist eine Bilanz des Schreckens und Grauens.
Zehntausenfacher Tod von Zivilisten als Kriegsfolge darunter:
- “versehentliche”Bombardierungen von zivilen Ansammlungen wie Hochzeitsfeiern, Begräbnisse etc.
- Absichtliche Inkaufnahme des Todes von Zivilisten durch Bombenangriffe – erinnert sei an den Bombenangriff auf Bitten der Bundeswehr auf einen Tanklastwagen nahe Kundus mit mehr als 100 Toten darunter Frauen und Kinder.
- Attentate der Taliban und später auch noch des Islami
- Kriegsverbrechen wie die gezielte Tötung von angeblichen oder tatsächlichen Taliban durch nächtliche Exekutions-Einsätze der US Spezial-Kommandos von den deutschen Stützpunkten Mazar-i-Sharif und Kundus aus. Einsätze, die zudem die Bundeswehr dem Verdacht aussetzten, “Gehilfe” solcher Verbrechen zu sein.
Folter und mehr
- Folterungen von gefangenen Taliban – oder auf blossen Verdacht Verhafteter.
- Einsatz von Private Military Companies (PMC) mit ihren bereits aus dem Irakkrieg bestens bekannten brutalen, gewissenlosen, schamlosen und keiner Gerichtsbarkeit unterstellten Söldnern.
- Verbrennung von Koranbuechern
Zehntausende von internen und externen Flüchtlingen, und die nächste Fluchtwelle steht jetzt nach der Abzugsankündigung bevor, insbesondere von:
- Personen, die mit den Besatzungstruppen zusammengearbeitet haben und die Rache der Taliban fürchten
- Angehörige der afghanischen Streitkräfte oder der Polizei und deren Familien.
- Personen, welche nicht unter einem islamistischen Regime leben wollen.
- Personen, die wirtschaftlich keine Zukunft sehen nach dem Abzug der Besatzungstruppen.
Flüchtlingslager am Stadtrand von Kabul
Mehr noch:
- 59 Bundeswehrsoldaten sind dort gestorben, davon 34 im Kampfeinsatz.
- Hunderte physisch und/oder psychisch traumatisiert nach Deutschland zurückgekehrt, und lernten dann, wie wenig Unterstützung sie dort bekommen.
- Deutschland hat möglicherweise sich der Beihilfe zu Kriegsverbrechen schuldig gemacht, denn von den Bundeswehrstützpunkten in Kundus und Mazar i Sharif starteten US-Einsatzkräfte zu nächtlichen Erschiessungen von vermuteten Taliban. Inwieweit Deutsche Truppen der KSK auch daran beteiligt waren, ist nicht bekannt, kann aber kaum sicher ausgeschlossen werden.
Und weiter:
- DerOpiumexport, der unter den Taliban verboten war, erreichte neue ungeahnte Höhen
- Ausbreitung der islamistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS), deren Terrorakte sich insbesondere gegen die schiitische Minderheit richteten, und die ein grosses rein-sunnitisches Kalifat unter Einschluss der Nachbarländer anstrebt.
Bald Machtübernahme
Die Taliban werden innerhalb kurzer Zeit nach Abzug der ISAF die Macht erringen, das zeigt schon der bisherige Kriegsverlauf:
- Im Jahre 2005 waren es bereits 11 Provinzen, die wieder einen de facto Taliban-Gouverneur hatten, im Jahre 2009 aber bereits 33 der 34 Provinzen (Peter L. Bergen: „The longest war“ 2011.)
- die Taliban kontrollieren komplett bereits jetzt mehr als 50% des Landes,
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat dazu:
„Die Taliban sind politisch stark und werden auch militärisch stärker. Innerhalb kürzester Zeit werden sie die Macht in Afghanistan übernehmen"„
Krieg geht weiter
Der Krieg wird also auch nach Abzug der ISAF weitergehen: zuerst gegen die Regierung in Kabul bis zu deren Vertreibung, dann gegen den Islamischen Staat (IS). Und das nach 40 Jahren Krieg und Bürgerkrieg :
1979-1989 Invasion der Sowjetunion,
1989-2001 Buergerkrieg
2001-2021 Invasion der ISAF .
Pudel der USA
Deutschland stellte Truppen, hatte aber wenig zu sagen: Die Friedensverhandlungen mit den Taliban in Doha(Katar) fanden ohne Beteiligung der Regierung in Kabul statt, auch Deutschland sass nicht mit am Verhandlungstisch, sondern hatte zu akzeptieren, was herauskam. Gleiches gilt für die Festlegung des Rückzugsdatums.
Vietnamkrieg lässt grüssen
All das erinnert an das Ende des Vietnamkrieges 1975, auch damals konnten die Vietcong und verbündete Nordvietnamesen die Truppen der korrupten Regierung in Saigon rasch besiegen, nachdem die US-Truppen abgezogen waren.
Die Friedensverhandlungen zwischen US- Aussenminister Kissinger und dem Nordvietnamesen Le Du Tho in Paris fanden ohne die Beteiligung der südvietnamesichen Marionettenregierung statt,
20 lange Jahre
Der Afghanistankrieg hat bisher 20 Jahre gedauert, der längste Krieg der USA und ihrer Verbündeten. In den Krieg wurden sage und schreibe insgesamt fast 1,5 Billionen (!), das sind 1500 Milliarden US-Dollar, gepumpt, ein Betrag, mit dem viele – sehr viele – der ärmsten Länder der Welt aus der Armutsfalle hätten befreit werden können.
Wer trägt die politische Verantwortung für Deutschlands Beteiligung?
Die politischen Parteien, welche die Entsendung der Bundeswehr beschlossen.
Vorgestern stellte sich der diesbezügliche Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, hin und forderte eine Aufarbeitung und keine Schuldzuweisungen für die Vergangenheit: geradezu lächerlich. Dieser Grüne posaunte einst:
„Wir haben uns stets für eine geordnete Beendigung des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr bis spätestens Ende 2014 eingesetzt. Deshalb stimmen wir der letztmaligen Verlängerung des ISAF-Mandates der Bundeswehr und damit verbunden einem Abzug der deutschen Kampftruppen zu. Dies ist eine Gewissensentscheidung."
Die Bundeswehr blieb weiter dort, zwar reduziert, im Bundestag aber immer wieder abgenickt – auch von den Grünen
Versagen der Medien
Nicht besser die Medien, allen voran die Wochenzeitung “Die Zeit”, die immer wieder den Unfug verbreitete, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, zuletzt 2010, und deren Universalreporterin Andrea Böhm weiterdauernden Einsatz forderte, und proklamierte, dass man nicht unbedingt aus der Geschichte lernen könne. Dabei hätte genau das stattfinden müssen: warum bereits der Feldzug der Sowjetunion und zuvor der Briten gescheitert waren, ebenso die Vietnamkriege: erst der Franzosen und dann der US-Amerikaner.
Der Krieg in Afghanistan war in dem Augenblick verloren, als die Bevölkerung sich gegen die korrupte Zentralregierung in Kabul – und die neuen Besatzungstruppen wandte.
Ueber Jahre wurde die Oeffentlichkeit von den US Regierungen über den Krieg und dessen Erfolgsaussichten absichtlich getäuscht (Afghanistan Papers), wie auch schon im Vietnamkrieg seinerzeit (Pentagon Papers).
Aber es hätte noch nicht einmal dieser Papiere bedurft, um klar zu erkennen, dass dieser Krieg nicht gewonnen werden kann, und der Rückzug deshalb auf der Tagesordnung zu stehen hatte.
Bereits 2009 vernichtende Schreckensbilanz
Wir schrieben bereits damals:
Die Bilanz des deutschen Einsatzes in Afghanistan ist niederschmetternd:
– Dutzende Bundeswehr-Soldaten starben Hunderte wurden körperlich und / oder psychisch schwer traumatisiert.
– die Zivilbevölkerung geriet zwischen die Fronten,
– die Unterstützung der Zivilbevölkerung für die ISAF Truppe, sofern sie je bestand, schwand dahin
– der Mohnanbau der ja auch durch den Militäreinsatz gestoppt werden sollte, floriert besser denn je.
Trotzdem haben die Berliner Parlamentarier in grosser Mehrheit – einschliesslich der Grünen – diesen tödlichen Unfug immer wieder abgesegnet.
Im gleichen Jahre 2009 interviewte ich den ehemaligen stellvertretenden Deutschen Botschafter in Afghanistan Dr. Werner Kilian:
Frage
Sie kennen das Land seit den 70er Jahren. Sie sind kreuz und quer gereist und haben auch später die Ereignisse dort verfolgt. Der von deutscher Seite angeforderte Luftangriff auf die am Kundusfluss festsitzenden Tanklastwagen mit vielleicht 100 oder mehr Toten hat Kritiker in in Afghanistan, aber auch bei den Verbündeten auf den Plan gerufen. Liegt die deutsche Afghanistan-Politik nun in Trümmern? Was war überhaupt die deutsche Politik gegenüber Afghanistan nach dem 11.September 2001?
Dr. Kilian
Die Politik bestand zunächst einmal darin, die USA In ihrem Vergeltungsschlag gegen die al-Qaida Basen in Afghanistan zu unterstützen. Diese Aktion war teilweise erfolgreich. Al-Qaida setzte sich, soviel wir wissen, nach Pakistan ab. Dann ging es um ein zweites Ziel, nämlich die für westliche Begriffe unerträgliche Taliban-Regierung zu beseitigen und durch eine demokratische, frei gewählte Zentralregierung zu ersetzen. Diese westlichen Wunschvorstellungen von einer akzeptablen Regierung sind den Afghanen durchaus bekannt, entsprechen aber nicht ihren Traditionen.
Afghanistan war in der Vergangenheit eher ein Gebilde ähnlich wie das deutsche Kaiserreich früherer Jahrhunderte. Ein Reich mit einem schwachen Kaiser, aber mit vielen Kleinstaaten und örtlichen Herrschern, die die wirkliche Macht besaßen. So war auch der afghanische König, der zu meiner Zeit noch regierte, in seinem realen Machtbereich auf die Hauptstadt beschränkt. Gleiches sagt man heute von Karsai, also dem „Bürgermeister von Kabul“.
Die Sowjets wollten einen Zentralstaat. Sie scheiterten mit ihrem 10-jährigen Versuch der Unterwerfung Afghanistans nicht so sehr, weil man sie als gottlose Kommunisten und Islamfeinde hasste, sondern weil sie versuchten, das Land mit zentralen Institutionen zu überziehen. Weder Karsai noch seine Nachfolger werden es schaffen, landesweite Autorität zu besitzen. Auch die parlamentarische Demokratie mit Parteien und Wahlkreisen wird es sehr schwer haben, in Afghanistan populär zu werden. Man folgt dort lieber dem örtlichen „Khan“, der als Ortsvorsteher, Mullah, Stammesältester oder Warlord Autorität ausübt. Hier beginnen also bereits die Fragezeichen unserer und der gesamten westlichen Afghanistanpolitik.
Durfte man die Afghanen in unserer leider etwas üblichen Ungeduld zu Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, zu einer Zentralregierung drängen? Wäre es nicht besser gewesen, die traditionelle „Loya Jirga“ – also die landesweite Versammlung der lokalen Autoritäten unter Einschluss von Repräsentanten der Taliban – ohne Vorgaben aus dem Ausland beraten und entscheiden zu lassen, auch wenn es noch so viele Monate gedauert hätte?
Dr. Kilian
Jetzt sind wir in der wenig beneidenswerten Lage, dass Karsai von seinen Landsleuten als westliches Implantat empfunden wird, dass die NATO-Truppen einschließlich der Deutschen als Besatzungssoldaten gesehen werden, die Karsais Mannschaft mit Waffengewalt schützt, obwohl er im Verdacht der Bestechlichkeit, der Verwicklung in Rauschgifthandel und der Wahlfälschung steht.
Es bleibt uns jetzt nur noch, die Sicherheit unserer 4000 Soldaten in Nordafghanistan mit immer neuen Vorsichtsmaßnahmen zu schützen. Der Verteidigungsminister hat klargemacht, dass die Bombardierung der beiden Tanklastwagen erfolgte, weil man befürchtete, dass diese beiden Wagen, sobald sie aus dem Ufersand frei kämen, als Feuerbomben gegen das deutsche Militärlager rollen würden.
Unsere Kritiker werfen uns vor, dass die deutsche Afghanistanpolitik von den umfassenden Konzepten für den Wiederaufbau des Landes zur bloßen Sicherung der 4000 Soldaten in ihrer Wüstenfestung zusammengeschrumpft sei. Man wolle sie am liebsten nicht mehr vor das Kasernentor lassen und ziehe es vor, Bomben werfen zu lassen, statt die nur sechs Kilometer entfernten, festsitzenden Tankwagen durch einen gepanzerten Spähtrupp auszukundschaften.
In dieser Weise lässt sich unsere Politik in Afghanistan nicht mehr fortsetzen, zumal die US-Truppenführung gerade jetzt ihre Taktik geändert hat und nicht mehr daran glaubt, dass der internationale Terrorismus besiegt werden könne, indem man möglichst viele Taliban tötet. Lange vorbei sind die Tage, in denen deutsche Soldaten leutselig grüßend zu Fuß durch die Ortschaften gingen und sich mit Vertretern der Bevölkerung zum Tee zusammensetzten.
Spätestens dann hätte der Rückzug angestanden
Der Rückzug fand jedoch dann nicht statt…
onlinedienst - 19. Apr, 10:56 Article 938x read