Kriegsende, Lippstädter Friedhof und das Schicksal der Zwangsarbeiter
Dr. Alexander von Paleske ——- 12.5. 2020 ——-
Auf dem Hauptfriedhof meiner Geburtsstadt Lippstadt (Westf.) finden sich Dutzende Gräber, auf deren Grabsteine sich polnische und jugoslawische Namen befinden. Die Grabsteine sind zumeist einheitlich gehalten. Als Todesdatum sind die Monate Februar und März 1946 angegeben, also ein Jahr nach Kriegsende. Als Ort des Todes: das evangelische Krankenhaus in Lippstadt.
Jegliche weiteren Hinweise für diese Gräber fehlen. Sie ergeben sich nur indirekt aus Lippstadts Nazi-Vergangenheit.
Lippstadt in den Jahren der Nazi –Herrschaft
Lippstadt war in den Jahren der Nazi-Herrschaft ein Ort der Zwangsarbeit: in den Betrieben in der Westfälischen Metallindustrie, WMI (heute HELLA), und der Westfälischen Metallwerke.
Die Zwangsarbeiter: Russen, Polen und Jugoslawen, die in den zwei örtlichen Aussenlagern des KZ Buchenwald untergebracht waren.
Zum Gedenken an die toten sowjetischen Zwangsarbeiter befindet sich auf dem Friedhof ein Mahnmal.
Mahnmal und Inschrift - Fotos: Dr. v. Paleske
Aber Lippstadt hatte damals an Schrecklichem noch mehr zu bieten: Bedingt durch die Nähe zum psychiatrischen Krankenhaus in Eickelborn und zum Provinzialarbeitshaus Benninghausen, das bereits 1933 für kurze Zeit als Konzentrationslager diente, wurde Lippstadt in den folgenden Jahren zum Ort medizinischer Verbrechen.
Im evangelischen Krankenhaus der Stadt fanden in der Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche Zwangssterilisationen statt.
In den psychiatrischen Kliniken Eickelborn gab es körperliche Misshandlungen und umfangreiche Euthanasieprogramme.
Ende des Schreckens – nicht für alle
Das Ende der Nazi-Herrschaft bedeutete das Ende dieses Schreckens – aber nicht für alle Zwangsarbeiter die Rückkehr nach Hause. Bis zu ihrer geplanten Repatriierung wurden sie von den allierten Truppen als “Displaced Persons” in Lagern zusammengefasst und versorgt. Offenbar kam es im Lager Lippstadt aber im Frühjahr 1946 zu einer Typhus-Epidemie mit vielen Toten, die auf dem Friedhof beerdigt wurden.
Die russischen Zwangsarbeiter wurden sofort an die sowjetischen Truppen im Gebiet der ehemaligen DDR überstellt. Deshalb finden sich auch keine Einzelgräber ehemaliger russischer Zwangsarbeiter in Lippstadt . Die vor der Befreiung gestorbenen vielen Zwangsarbeiter wurden allesamt in Massengräbern verscharrt.
Zwangsarbeiter: Woher sie kamen, was aus ihnen wurde
Die Mehrheit der in Industrie und Landwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiter kam aus der Sowjetunion. Insgesamt zwischen 5,3 und 5,7 Millionen Rotarmisten gerieten in Kriegsgefangenschaft. Das Kriegsende erlebten aber nur rund 2 Millionen von ihnen. Die andereren wurden entweder nach der Gefangennahme getötet, die Wehrmacht liess sie verhungern, sie starben auf Gewaltmärschen in die Gefangenenlagern, auf dem Transport nach Deutschland, oder schliesslich in Konzentrationslagern als Zwangsarbeiter. Sie waren nicht nur Hunger, sondern auch Seuchen wie Fleckfieber ausgeliefert. Das gleiche Schicksal ereilte auch Polen, Ungarn und Jugoslawen.
Hinzu kamen Hunderttausende von zivilen Zwangsarbeitern aus den besetzten Ländern.
Die meisten Konzentrationslager für Zwangsarbeiter wurden bereits vor der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands durch die Rote Armee und alliierte Truppen befreit.
Die befreiten russichen Zwangsarbeiter (Zivilisten und Kriegsgefangene) mussten sich in einem Filtrationslager der Ueberprüfung unterziehen. Nicht wenige ehemalige Kriegsgefangene endeten danach wieder in der Zwangsarbeit, diesmal in der Sowjetunion – oder bei angeblicher oder nachgewiesener Kollaboration mit dem Feind – im Gulag.
“ Ein Rotarmist ergibt sich nicht” war Stalins Befehl, ein Kriegsgefangener stand damit automatisch unter Verdacht.
Selbst diejenigen sowjetischen Kriegsgefangenen, denen diese Schicksale erspart blieben, und die in ihre Heimatorte zurückkehrten, mussten viele Jahre mit dem Vorwurf der Feigheit und des Verrats leben.
Zum Gedenktag des Kriegsendes, der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8.5. 1945,wurden viele Reden gehalten, die Zwangsarbeiter kamen darin bestenfalls am Rande vor, dabei sollte gerade auch der Millionen von Zwangsarbeitern und ihrer Schicksale gedacht werden.
So sollte zumindest eine Gedenktafel der Stadt auf dem Lippstädter Friedhof an den Gräbern nicht fehlen, die auf ihr Schicksal hinweist: zur Erinnerung und zur Mahnung..
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Auf dem Hauptfriedhof meiner Geburtsstadt Lippstadt (Westf.) finden sich Dutzende Gräber, auf deren Grabsteine sich polnische und jugoslawische Namen befinden. Die Grabsteine sind zumeist einheitlich gehalten. Als Todesdatum sind die Monate Februar und März 1946 angegeben, also ein Jahr nach Kriegsende. Als Ort des Todes: das evangelische Krankenhaus in Lippstadt.
Jegliche weiteren Hinweise für diese Gräber fehlen. Sie ergeben sich nur indirekt aus Lippstadts Nazi-Vergangenheit.
Lippstadt in den Jahren der Nazi –Herrschaft
Lippstadt war in den Jahren der Nazi-Herrschaft ein Ort der Zwangsarbeit: in den Betrieben in der Westfälischen Metallindustrie, WMI (heute HELLA), und der Westfälischen Metallwerke.
Die Zwangsarbeiter: Russen, Polen und Jugoslawen, die in den zwei örtlichen Aussenlagern des KZ Buchenwald untergebracht waren.
Zum Gedenken an die toten sowjetischen Zwangsarbeiter befindet sich auf dem Friedhof ein Mahnmal.
Mahnmal und Inschrift - Fotos: Dr. v. Paleske
Aber Lippstadt hatte damals an Schrecklichem noch mehr zu bieten: Bedingt durch die Nähe zum psychiatrischen Krankenhaus in Eickelborn und zum Provinzialarbeitshaus Benninghausen, das bereits 1933 für kurze Zeit als Konzentrationslager diente, wurde Lippstadt in den folgenden Jahren zum Ort medizinischer Verbrechen.
Im evangelischen Krankenhaus der Stadt fanden in der Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche Zwangssterilisationen statt.
In den psychiatrischen Kliniken Eickelborn gab es körperliche Misshandlungen und umfangreiche Euthanasieprogramme.
Ende des Schreckens – nicht für alle
Das Ende der Nazi-Herrschaft bedeutete das Ende dieses Schreckens – aber nicht für alle Zwangsarbeiter die Rückkehr nach Hause. Bis zu ihrer geplanten Repatriierung wurden sie von den allierten Truppen als “Displaced Persons” in Lagern zusammengefasst und versorgt. Offenbar kam es im Lager Lippstadt aber im Frühjahr 1946 zu einer Typhus-Epidemie mit vielen Toten, die auf dem Friedhof beerdigt wurden.
Die russischen Zwangsarbeiter wurden sofort an die sowjetischen Truppen im Gebiet der ehemaligen DDR überstellt. Deshalb finden sich auch keine Einzelgräber ehemaliger russischer Zwangsarbeiter in Lippstadt . Die vor der Befreiung gestorbenen vielen Zwangsarbeiter wurden allesamt in Massengräbern verscharrt.
Zwangsarbeiter: Woher sie kamen, was aus ihnen wurde
Die Mehrheit der in Industrie und Landwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiter kam aus der Sowjetunion. Insgesamt zwischen 5,3 und 5,7 Millionen Rotarmisten gerieten in Kriegsgefangenschaft. Das Kriegsende erlebten aber nur rund 2 Millionen von ihnen. Die andereren wurden entweder nach der Gefangennahme getötet, die Wehrmacht liess sie verhungern, sie starben auf Gewaltmärschen in die Gefangenenlagern, auf dem Transport nach Deutschland, oder schliesslich in Konzentrationslagern als Zwangsarbeiter. Sie waren nicht nur Hunger, sondern auch Seuchen wie Fleckfieber ausgeliefert. Das gleiche Schicksal ereilte auch Polen, Ungarn und Jugoslawen.
Hinzu kamen Hunderttausende von zivilen Zwangsarbeitern aus den besetzten Ländern.
Die meisten Konzentrationslager für Zwangsarbeiter wurden bereits vor der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands durch die Rote Armee und alliierte Truppen befreit.
Die befreiten russichen Zwangsarbeiter (Zivilisten und Kriegsgefangene) mussten sich in einem Filtrationslager der Ueberprüfung unterziehen. Nicht wenige ehemalige Kriegsgefangene endeten danach wieder in der Zwangsarbeit, diesmal in der Sowjetunion – oder bei angeblicher oder nachgewiesener Kollaboration mit dem Feind – im Gulag.
“ Ein Rotarmist ergibt sich nicht” war Stalins Befehl, ein Kriegsgefangener stand damit automatisch unter Verdacht.
Selbst diejenigen sowjetischen Kriegsgefangenen, denen diese Schicksale erspart blieben, und die in ihre Heimatorte zurückkehrten, mussten viele Jahre mit dem Vorwurf der Feigheit und des Verrats leben.
Zum Gedenktag des Kriegsendes, der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8.5. 1945,wurden viele Reden gehalten, die Zwangsarbeiter kamen darin bestenfalls am Rande vor, dabei sollte gerade auch der Millionen von Zwangsarbeitern und ihrer Schicksale gedacht werden.
So sollte zumindest eine Gedenktafel der Stadt auf dem Lippstädter Friedhof an den Gräbern nicht fehlen, die auf ihr Schicksal hinweist: zur Erinnerung und zur Mahnung..
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