Skandale, Aufklärungsversagen und Spione im eigenen Haus: Der Bundesnachrichtendienst
Dr. Alexander von Paleske —– 3.1. 2023——-
Der Spion, der aus der Kälte kam, das war ein Agentenfilm aus den Zeiten des Kalten Krieges. Die Spione im eigenen Haus – soweit sie je aufgedeckt wurden – kamen in der Realität jedoch nicht aus der Kälte, sondern aus den warmen Stuben des Bundesnachrichtendienstes (BND).
Der bekannteste: Heinz Felfe, der die Namen von Dutzenden von Agenten des BND, und auch 100 Agenten des US Geheimdienstes CIA ` an den russischen KGB verriet. Er enttarnte bis 1961 nicht nur die Führungsspitze des BND, sondern auch eine relative hohe Zahl von Auslandsagenten, die daraufhin, soweit sie in der DDR und Russland aktiv waren, sofort verhaftet und verurteilt wurden.
Der zweitgrösste, bekannt gewordene Fall war Gabriele Gast, ehemals Regierungsdirektorin im BND, die Lageberichte für den Bundeskanzler erstellte, und 21 Jahre lang, von 1968 bis 1989 fuer den DDR Spionagedienst HVA spionierte.
Der dritte Fall: Markus L, der von 2008-2014 als Maulwurf des US Geheimdienstes CIA arbeitete und an den “befreundeten” Dienst 218 Dokument-Sammlungen des BND, darunter 3.500 Klarnamen von deutschen Agenten, verriet.
Schliesslich viertens jetzt der Fall Carsten L, der Geheimnisse an Russland verraten haben soll.
Nicht die einzigen
Aber das waren keineswegs die einzigen Skandale beim BND, deren Zahl ist vielmehr weit grösser, und so darf sich der BND mit Fug und Recht als Skandal-Nachrichtendienst bezeichnen, der zudem sich bisher als ausserordentlich resistent gegen jegliches Beseitigen von skandalträchtigen Zuständen erwiesen hat.
Am Anfang: Nazi-Schwerverbrecher als Mitarbeiter
Bei der Organisation Gehlen, dem 1948 von den USA gegründeten Geheimdienst unter der Leitung des ehemaligen Wehrmachts-Generals Reinhard Gehlen, der 1956 der Bundesregierung unterstellt und in Bundesnachrichtendienst umbenannt wurde, fand eine hohe Zahl von Nazi-Schwerverbrechern Unterschlupf. Unter anderem:
- der ehemalige Gestapo-Chef in Lyon Klaus Barbie,
- der ehemalige Leiter der Geheimen Feldpolizei Wilhelm Krichbaum, der Heinz Felfe und auch viele andere belastete Nazis anwarb.
- Der ehemalige Leiter des „Judenreferats“ des Auswärtigen Amtes Franz Rademacher.
- der Erfinder des mobilen Gas-Tötungswagens Walther Rauff.
- der ehemalige Offizier im Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B Konrad Fiebig, dem die Ermordung von 11.000 Juden in Weissrussland angelastet wird.
- angeblich auch der ehemalige Chef des Vorkommandos Moskau der Einsatzgruppe B Franz Alfred Six.
- Insgesamt waren 33 ehemalige Angehörige von SS-Einsatzgruppen (Mordkommandos) in der Organisation Gehlen - und viele davon später noch im bzw. für den im BND tätig.
Dass dieses braune Pack stramme Antikommunisten und auch Antidemokraten waren, machte sie offenbar besonders verwendungstauglich.
Und wie von strammen Antikommunisten aber auch Antidemokraten zu erwarten , betrieben sie auch im Inland Ausschau nach “Feinden,” obwohl das ihrem Auftrag der Auslandsaufklärung glatt zuwiderlief.
Schnüffelei zu Diensten Adenauers
Der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, konnte sich darauf verlassen, dass der BND Oppositionspolitiker beschnüffelte, und diese “Erkenntnisse” – natürlich auch aus deren Privatbereich – an den Kanzler und seine Partei weiterreichte: Prima Munition für Wahlkämpfe. Dieses Vertrauen wurde allerdings 1961 durch den Spionagefall Felfe schwer erschüttert. Sieben Jahre später deckte dann eine von der Grossen Koalition eingesetzte Kommission unter Vorsitz des Staatssekretärs Mercker beim BND Korruption, Führungsmangel, Vetternwirtschaft sowie Missbrauch und Fehlverwendung von Haushaltsmitteln auf. Weiterhin soll der BND einen signifikanten Teil seiner Ressourcen auf das Ausspähen westdeutscher Politiker verwendet haben.
Gehlen geht, es ändert sich nichts
BND-Chef Gehlen ging, es folgte sein Stellvertreter Gerhard Wessel nach, auch er, wie Gehlen, ehemaliger Stabsoffizier in Hitlers Wehrmacht.
Beendet wurden die dem Auftrag der Auslandsaufklärung zuwiderlaufender Inlandsaktivitäten des BND – sei es direkt oder indirekt – jedoch auch in der Folgezeit nicht:
- Als direkte Verstösse aus den letzten 30 Jahren seien genannt: die von dem Journalisten Erich Schmidt-Eenboom aufgedeckten, und in seinem 1993 veröffentlichten Buch “Undercover, wie der BND die bundesdeutschen Medien steuert”. Verbindungen des BND zu bundesdeutschen Journalisten, offensichtlich mit dem Ziel der Beeinflussung der Medien. Eeenboom, nach Veröffentlichung seines Buches, aber auch weitere, dem BND gegenüber kritisch eingestellte Journalisten, wurden daraufhin vom BND bespitzelt und überwacht, was nach Aufdeckung zum Journalisten-Skandal des BND führte
- Als indirekte Verstösse: die Zurverfügungstellung von Daten deutscher Bürger und Firmen an den US-Geheimdienst NSA über die Knotenstelle von BND und NSA in Bad Aibling. ohne zunächst zu klären, ob diese Anfragen seitens der NSA vom Grundgesetz der Bundesrepublik her überhaupt gedeckt waren, oder nicht. Nachdem diese illegalen Aktivitaten bekannt wurden, gab es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss dazu. der diese illegalen Aktivitäten bestätigte.
Nicht der einzige seiner Art
Es war nicht der einzige Untersuchungsausschuss, der sich mit fragwürdigen Aktivitäten des BND beschäftigte: von 2006-2009 versuchte der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages Licht in die Aktivitäten des BND vor und während des Einmarsches der USA und westlicher Verbündeter in den Irak zu gewinnen, an dem sich Deutschland ja nicht beteiligte. Aber auch in die Entführung und Folterung von Khaled El Masri und die Inhaftierung von Murat Kurnaz wurden thematisiert.
Die Zeitschrift STERN fasste die Ergebnisse des Ausschusses so zusammen:
Wir wissen jetzt zuverlässig, dass die rotgrüne Regierung der Herren Gerhard Schröder und Joschka Fischer sich als Gegner des US-geführten Irakkriegs vornherum profilierte und rücklings über ihre BND-Agenten das Kriegsgeschäft mit kriegswichtigen Informationen bestückte. Im Fall El Masri leisteten deutsche Behörden massive Beihilfe zu seiner Verschleppung durch US-Geheimagenten. Das Sicherheitsinteresse ging über jede rechtsstaatliche Moral der Beteiligten.
Ein Eigenleben
Der BND führte eine Art Eigenleben, ihm wurde offenbar völlig unzureichend vom parlamentarischen Kontrollgremium zur Ueberwachung der Geheimdienste auf die Finger geschaut. Um den Geheimdienst besser kontrollieren zu können, wurde dann ein Grossteil der Zentrale von Pullach nach Berlin verlegt, aber selbst dabei gab es weitere Skandale, wie den Diebstahl von Blaupausen über die Architektur des Gebäudes, und Flutung eines Teils des Rohbaus.
Dass ein Mitarbeiter des BND Pornos runterlud und damit den Dienstcomputer der Gefahr des Eindringens von Computerviren aussetzte, rundet das Bild ab.
Aber auch der Verdacht, der BND habe zumindest von dem Transport von Rohstoffen für die Herstellung von chemischen Massenvernichtungswaffen von China in den Iran von 1991-1993 gewusst – war möglicherweise sogar daran beteiligt – organisiert von dem britischen Mi6, dem israelischen Shin Bet und den von Bad Homburg aus operierenden Moshe Regev und Gerhard Merz, wirft ein miserables Licht auf die beteiligten Dienste. Details siehe hier und hier. .
Bei Folterbefragungen in Libyen und in Usbekistan sollen BND Mitarbeiter anwesend gewesen sein. In jedem Fall haben sie die Ergebnisse von Folterbefragungen abgeschöpft. Siehe auch hier.
Es reicht noch nicht
Als wenn diese Skandale nocht nicht ausreichend waren, so kommt nun noch das Versagen bei der Auslands-Aufklärungsarbeit hinzu.
- Der Bau der Berliner Mauer am 13.8. 1961, vom BND glatt verschlafen: offenbar hatte der BND die Aeusserung des damaligen SED-Vorsitzenden Walter Ulbricht ernst genommen, “dass niemand eine Mauer bauen wolle”, dabei waren schon zuvor Baumaterialen aus der gesamten DDR auf dem Weg nach Berlin unterwegs, was den Schlafmützen beim BND offenbar entgangen war.
- Der Skandal um den irakischen Agenten Rafid Ahmed Alwan el Dschanabi a.k.a. Curveball, der dem BND Märchen über die angebliche Herstellung von Massenvernichtungswaffen im Irak aufgetischt hatte, die der BND flugs, und ohne weitere Prüfung, an die USA weiterleitete. Dort dienten dann diese “Erkenntnisse” als ein Mittel zur Rechtfertigung des Einmarsches in den Irak, eine Rechtfertigung die von Anfang an auf Lügen gebaut war. Details hier
- Der Skandal um die Aufklärungsarbeit des BND in Afghanisten beginnend mit dem Einmarsch westlicher Truppen im Jahre 2001. Nach der zunächst nahezu vollständigen Vertreibung der Taliban aus Afghanistan, konnten im Windschatten der grassierenden Korruption, der ausbleibenden Demokratisierung, der Wiederkehr der Warlords und der Bombardierung von Zivilisten die Taliban ihren Kampf um die Rückeroberung der Macht beginnen.
Der Krieg drohte, beginnend bereits im Jahre 2005, auf dem eingeschlagenen Wege verloren zu gehen, denn die fremden Truppen wurden dann als Besatzungsarmee angesehen, der Präsident in Kabul als durch und durch korruptes westliches Implantat empfunden.,
Im Jahre 2005 waren es immerhin schon 11 Provinzen, die wieder einen de facto Taliban-Gouverneur hatten, im Jahre 2009 aber bereits 33 der 34 Provinzen (Peter L. Bergen: „The longest war“ 2011}. Die afghanische Armee, an deren Aufbau auch die Bundeswehr – erfolglos – mitarbeitete war schlecht bezahlt, schlecht versorgt, und die Bereitschaft, für dieses korrupte Regime den Kopf hinzuhalten, verständlicherweise gering.
Schlimmer noch: Dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist, das hatten führende Militärs und Frontkämpfer der US-Regierung längst mitgeteilt, wie in den Afghanistan Papers dokumentiert .
Diese ergeben ein erschreckendes Bild über einen nicht zu gewinnenden Krieg, berichten, wie Korruption der Regierung, und wachsende Unzufriedenheit in der afghanischen Bevölkerung Platz griffen.
In Bericht über Bericht, Jahr für Jahr, beginnend 2005, zeichnen Einsatzkräfte vor Ort ein düsteres Bild über die afghanische Regierung und die Ausssichten des Krieges.
Ein derartiger Bericht seitens des Bundesnachrichtendienstes ist jedoch nicht bekannt. Erst 2020, als es offensichtlich war, warnte auch der BND die Bundesregierung vor einem drohenden Sieg der Taliban und einem Zusammenbruch der korrupten Regierung in Kabul. Dabei war der Krieg für deutsche Kenner der Materie schon lange verloren, wie auch der ehemalige deutsche Botschafter in Afghanistan Dr. Werner Kilian in einem Interview mir 2011 darlegte
So verwundert es dann auch kaum, dass der Bundesnachrichtendienst offenbar von dem Einmarsch der Taliban in Kabul im September 2021 völlig überrascht wurde, und der Rückzug des Botschaftspersonals und die Rettung der bedrohten Hilfskräfte im Chaos endeten. Die BND Schlapphüte vor Ort hatten sich darauf verlssen, die Taliban würden Wort halten und nicht, wie sie in dem Abkommen von Doha mit den USA gelobt hatten, Kabul einnehmen, und dies, obgleich sich die afghanische Armee bereits in totaler Auflösung befand.
Wie sagte doch schon der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt über den BND:
“Dielettantenverein. Ich lese lieber gleich die „Neue Zürcher Zeitung als mich vom BND informieren zu lassen”.
Skandal an Skandal
So reiht sich beim BND Skandal an Skandal, gute Uebersicht siehe hier, wobei davon auszugehen ist, dass einige Skandale gar nicht das Licht der Oeffentlichkeit erblickten.
Daran ändert auch das neue Buch des BND- Mannes Gerhard Conrad nichts, der an zwei spektakulären Austauschmissionen zwischen Israel und Hisbollah bzw Israel und Hamas erfolgreich beteiligt war.
Conrad, Orientalist, fliessend in Arabisch, dürfte eher eine Ausnahmeerscheinung im BND gewesen sein. Wie Conrad zu Recht darlegt, werden heute die Geheimdienste mit Milliarden von Daten aus dem Internet und durch Abhöraktionen “versorgt” Eine Sichtung der Daten kann ein Nachrichtendienst aber nur durchführen, wenn er die Daten zu ordnen in der Lage ist, und dann die richtigen Fragen an die Datensammlung stellt.. Wie Conrad selbst zugibt, fehlt es daran im BND.
Fazit:
Ein von Skandalen gebeutelter Nachrichtendienst, der oft genug ausserhalb seines Aufgabengebietes tätig wurde, gegen die Verfassung verstiess, der bei seiner ihm übertragenen Aufgabe der Auslandsaufklärung oft genug versagte, der Spione im eigenen Hause nicht rechtzeitig enttarnte und mit 6500 Mitarbeitern offenbar nicht einmal so etwas wie Schwarmintelligenz produziert. Es bestehen ernsthafte Zweifel, ob dieser BND überhaupt reformierbar ist.
Der Spion, der aus der Kälte kam, das war ein Agentenfilm aus den Zeiten des Kalten Krieges. Die Spione im eigenen Haus – soweit sie je aufgedeckt wurden – kamen in der Realität jedoch nicht aus der Kälte, sondern aus den warmen Stuben des Bundesnachrichtendienstes (BND).
Der bekannteste: Heinz Felfe, der die Namen von Dutzenden von Agenten des BND, und auch 100 Agenten des US Geheimdienstes CIA ` an den russischen KGB verriet. Er enttarnte bis 1961 nicht nur die Führungsspitze des BND, sondern auch eine relative hohe Zahl von Auslandsagenten, die daraufhin, soweit sie in der DDR und Russland aktiv waren, sofort verhaftet und verurteilt wurden.
Der zweitgrösste, bekannt gewordene Fall war Gabriele Gast, ehemals Regierungsdirektorin im BND, die Lageberichte für den Bundeskanzler erstellte, und 21 Jahre lang, von 1968 bis 1989 fuer den DDR Spionagedienst HVA spionierte.
Der dritte Fall: Markus L, der von 2008-2014 als Maulwurf des US Geheimdienstes CIA arbeitete und an den “befreundeten” Dienst 218 Dokument-Sammlungen des BND, darunter 3.500 Klarnamen von deutschen Agenten, verriet.
Schliesslich viertens jetzt der Fall Carsten L, der Geheimnisse an Russland verraten haben soll.
Nicht die einzigen
Aber das waren keineswegs die einzigen Skandale beim BND, deren Zahl ist vielmehr weit grösser, und so darf sich der BND mit Fug und Recht als Skandal-Nachrichtendienst bezeichnen, der zudem sich bisher als ausserordentlich resistent gegen jegliches Beseitigen von skandalträchtigen Zuständen erwiesen hat.
Am Anfang: Nazi-Schwerverbrecher als Mitarbeiter
Bei der Organisation Gehlen, dem 1948 von den USA gegründeten Geheimdienst unter der Leitung des ehemaligen Wehrmachts-Generals Reinhard Gehlen, der 1956 der Bundesregierung unterstellt und in Bundesnachrichtendienst umbenannt wurde, fand eine hohe Zahl von Nazi-Schwerverbrechern Unterschlupf. Unter anderem:
- der ehemalige Gestapo-Chef in Lyon Klaus Barbie,
- der ehemalige Leiter der Geheimen Feldpolizei Wilhelm Krichbaum, der Heinz Felfe und auch viele andere belastete Nazis anwarb.
- Der ehemalige Leiter des „Judenreferats“ des Auswärtigen Amtes Franz Rademacher.
- der Erfinder des mobilen Gas-Tötungswagens Walther Rauff.
- der ehemalige Offizier im Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B Konrad Fiebig, dem die Ermordung von 11.000 Juden in Weissrussland angelastet wird.
- angeblich auch der ehemalige Chef des Vorkommandos Moskau der Einsatzgruppe B Franz Alfred Six.
- Insgesamt waren 33 ehemalige Angehörige von SS-Einsatzgruppen (Mordkommandos) in der Organisation Gehlen - und viele davon später noch im bzw. für den im BND tätig.
Dass dieses braune Pack stramme Antikommunisten und auch Antidemokraten waren, machte sie offenbar besonders verwendungstauglich.
Und wie von strammen Antikommunisten aber auch Antidemokraten zu erwarten , betrieben sie auch im Inland Ausschau nach “Feinden,” obwohl das ihrem Auftrag der Auslandsaufklärung glatt zuwiderlief.
Schnüffelei zu Diensten Adenauers
Der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, konnte sich darauf verlassen, dass der BND Oppositionspolitiker beschnüffelte, und diese “Erkenntnisse” – natürlich auch aus deren Privatbereich – an den Kanzler und seine Partei weiterreichte: Prima Munition für Wahlkämpfe. Dieses Vertrauen wurde allerdings 1961 durch den Spionagefall Felfe schwer erschüttert. Sieben Jahre später deckte dann eine von der Grossen Koalition eingesetzte Kommission unter Vorsitz des Staatssekretärs Mercker beim BND Korruption, Führungsmangel, Vetternwirtschaft sowie Missbrauch und Fehlverwendung von Haushaltsmitteln auf. Weiterhin soll der BND einen signifikanten Teil seiner Ressourcen auf das Ausspähen westdeutscher Politiker verwendet haben.
Gehlen geht, es ändert sich nichts
BND-Chef Gehlen ging, es folgte sein Stellvertreter Gerhard Wessel nach, auch er, wie Gehlen, ehemaliger Stabsoffizier in Hitlers Wehrmacht.
Beendet wurden die dem Auftrag der Auslandsaufklärung zuwiderlaufender Inlandsaktivitäten des BND – sei es direkt oder indirekt – jedoch auch in der Folgezeit nicht:
- Als direkte Verstösse aus den letzten 30 Jahren seien genannt: die von dem Journalisten Erich Schmidt-Eenboom aufgedeckten, und in seinem 1993 veröffentlichten Buch “Undercover, wie der BND die bundesdeutschen Medien steuert”. Verbindungen des BND zu bundesdeutschen Journalisten, offensichtlich mit dem Ziel der Beeinflussung der Medien. Eeenboom, nach Veröffentlichung seines Buches, aber auch weitere, dem BND gegenüber kritisch eingestellte Journalisten, wurden daraufhin vom BND bespitzelt und überwacht, was nach Aufdeckung zum Journalisten-Skandal des BND führte
- Als indirekte Verstösse: die Zurverfügungstellung von Daten deutscher Bürger und Firmen an den US-Geheimdienst NSA über die Knotenstelle von BND und NSA in Bad Aibling. ohne zunächst zu klären, ob diese Anfragen seitens der NSA vom Grundgesetz der Bundesrepublik her überhaupt gedeckt waren, oder nicht. Nachdem diese illegalen Aktivitaten bekannt wurden, gab es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss dazu. der diese illegalen Aktivitäten bestätigte.
Nicht der einzige seiner Art
Es war nicht der einzige Untersuchungsausschuss, der sich mit fragwürdigen Aktivitäten des BND beschäftigte: von 2006-2009 versuchte der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages Licht in die Aktivitäten des BND vor und während des Einmarsches der USA und westlicher Verbündeter in den Irak zu gewinnen, an dem sich Deutschland ja nicht beteiligte. Aber auch in die Entführung und Folterung von Khaled El Masri und die Inhaftierung von Murat Kurnaz wurden thematisiert.
Die Zeitschrift STERN fasste die Ergebnisse des Ausschusses so zusammen:
Wir wissen jetzt zuverlässig, dass die rotgrüne Regierung der Herren Gerhard Schröder und Joschka Fischer sich als Gegner des US-geführten Irakkriegs vornherum profilierte und rücklings über ihre BND-Agenten das Kriegsgeschäft mit kriegswichtigen Informationen bestückte. Im Fall El Masri leisteten deutsche Behörden massive Beihilfe zu seiner Verschleppung durch US-Geheimagenten. Das Sicherheitsinteresse ging über jede rechtsstaatliche Moral der Beteiligten.
Ein Eigenleben
Der BND führte eine Art Eigenleben, ihm wurde offenbar völlig unzureichend vom parlamentarischen Kontrollgremium zur Ueberwachung der Geheimdienste auf die Finger geschaut. Um den Geheimdienst besser kontrollieren zu können, wurde dann ein Grossteil der Zentrale von Pullach nach Berlin verlegt, aber selbst dabei gab es weitere Skandale, wie den Diebstahl von Blaupausen über die Architektur des Gebäudes, und Flutung eines Teils des Rohbaus.
Dass ein Mitarbeiter des BND Pornos runterlud und damit den Dienstcomputer der Gefahr des Eindringens von Computerviren aussetzte, rundet das Bild ab.
Aber auch der Verdacht, der BND habe zumindest von dem Transport von Rohstoffen für die Herstellung von chemischen Massenvernichtungswaffen von China in den Iran von 1991-1993 gewusst – war möglicherweise sogar daran beteiligt – organisiert von dem britischen Mi6, dem israelischen Shin Bet und den von Bad Homburg aus operierenden Moshe Regev und Gerhard Merz, wirft ein miserables Licht auf die beteiligten Dienste. Details siehe hier und hier. .
Bei Folterbefragungen in Libyen und in Usbekistan sollen BND Mitarbeiter anwesend gewesen sein. In jedem Fall haben sie die Ergebnisse von Folterbefragungen abgeschöpft. Siehe auch hier.
Es reicht noch nicht
Als wenn diese Skandale nocht nicht ausreichend waren, so kommt nun noch das Versagen bei der Auslands-Aufklärungsarbeit hinzu.
- Der Bau der Berliner Mauer am 13.8. 1961, vom BND glatt verschlafen: offenbar hatte der BND die Aeusserung des damaligen SED-Vorsitzenden Walter Ulbricht ernst genommen, “dass niemand eine Mauer bauen wolle”, dabei waren schon zuvor Baumaterialen aus der gesamten DDR auf dem Weg nach Berlin unterwegs, was den Schlafmützen beim BND offenbar entgangen war.
- Der Skandal um den irakischen Agenten Rafid Ahmed Alwan el Dschanabi a.k.a. Curveball, der dem BND Märchen über die angebliche Herstellung von Massenvernichtungswaffen im Irak aufgetischt hatte, die der BND flugs, und ohne weitere Prüfung, an die USA weiterleitete. Dort dienten dann diese “Erkenntnisse” als ein Mittel zur Rechtfertigung des Einmarsches in den Irak, eine Rechtfertigung die von Anfang an auf Lügen gebaut war. Details hier
- Der Skandal um die Aufklärungsarbeit des BND in Afghanisten beginnend mit dem Einmarsch westlicher Truppen im Jahre 2001. Nach der zunächst nahezu vollständigen Vertreibung der Taliban aus Afghanistan, konnten im Windschatten der grassierenden Korruption, der ausbleibenden Demokratisierung, der Wiederkehr der Warlords und der Bombardierung von Zivilisten die Taliban ihren Kampf um die Rückeroberung der Macht beginnen.
Der Krieg drohte, beginnend bereits im Jahre 2005, auf dem eingeschlagenen Wege verloren zu gehen, denn die fremden Truppen wurden dann als Besatzungsarmee angesehen, der Präsident in Kabul als durch und durch korruptes westliches Implantat empfunden.,
Im Jahre 2005 waren es immerhin schon 11 Provinzen, die wieder einen de facto Taliban-Gouverneur hatten, im Jahre 2009 aber bereits 33 der 34 Provinzen (Peter L. Bergen: „The longest war“ 2011}. Die afghanische Armee, an deren Aufbau auch die Bundeswehr – erfolglos – mitarbeitete war schlecht bezahlt, schlecht versorgt, und die Bereitschaft, für dieses korrupte Regime den Kopf hinzuhalten, verständlicherweise gering.
Schlimmer noch: Dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist, das hatten führende Militärs und Frontkämpfer der US-Regierung längst mitgeteilt, wie in den Afghanistan Papers dokumentiert .
Diese ergeben ein erschreckendes Bild über einen nicht zu gewinnenden Krieg, berichten, wie Korruption der Regierung, und wachsende Unzufriedenheit in der afghanischen Bevölkerung Platz griffen.
In Bericht über Bericht, Jahr für Jahr, beginnend 2005, zeichnen Einsatzkräfte vor Ort ein düsteres Bild über die afghanische Regierung und die Ausssichten des Krieges.
Ein derartiger Bericht seitens des Bundesnachrichtendienstes ist jedoch nicht bekannt. Erst 2020, als es offensichtlich war, warnte auch der BND die Bundesregierung vor einem drohenden Sieg der Taliban und einem Zusammenbruch der korrupten Regierung in Kabul. Dabei war der Krieg für deutsche Kenner der Materie schon lange verloren, wie auch der ehemalige deutsche Botschafter in Afghanistan Dr. Werner Kilian in einem Interview mir 2011 darlegte
So verwundert es dann auch kaum, dass der Bundesnachrichtendienst offenbar von dem Einmarsch der Taliban in Kabul im September 2021 völlig überrascht wurde, und der Rückzug des Botschaftspersonals und die Rettung der bedrohten Hilfskräfte im Chaos endeten. Die BND Schlapphüte vor Ort hatten sich darauf verlssen, die Taliban würden Wort halten und nicht, wie sie in dem Abkommen von Doha mit den USA gelobt hatten, Kabul einnehmen, und dies, obgleich sich die afghanische Armee bereits in totaler Auflösung befand.
Wie sagte doch schon der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt über den BND:
“Dielettantenverein. Ich lese lieber gleich die „Neue Zürcher Zeitung als mich vom BND informieren zu lassen”.
Skandal an Skandal
So reiht sich beim BND Skandal an Skandal, gute Uebersicht siehe hier, wobei davon auszugehen ist, dass einige Skandale gar nicht das Licht der Oeffentlichkeit erblickten.
Daran ändert auch das neue Buch des BND- Mannes Gerhard Conrad nichts, der an zwei spektakulären Austauschmissionen zwischen Israel und Hisbollah bzw Israel und Hamas erfolgreich beteiligt war.
Conrad, Orientalist, fliessend in Arabisch, dürfte eher eine Ausnahmeerscheinung im BND gewesen sein. Wie Conrad zu Recht darlegt, werden heute die Geheimdienste mit Milliarden von Daten aus dem Internet und durch Abhöraktionen “versorgt” Eine Sichtung der Daten kann ein Nachrichtendienst aber nur durchführen, wenn er die Daten zu ordnen in der Lage ist, und dann die richtigen Fragen an die Datensammlung stellt.. Wie Conrad selbst zugibt, fehlt es daran im BND.
Fazit:
Ein von Skandalen gebeutelter Nachrichtendienst, der oft genug ausserhalb seines Aufgabengebietes tätig wurde, gegen die Verfassung verstiess, der bei seiner ihm übertragenen Aufgabe der Auslandsaufklärung oft genug versagte, der Spione im eigenen Hause nicht rechtzeitig enttarnte und mit 6500 Mitarbeitern offenbar nicht einmal so etwas wie Schwarmintelligenz produziert. Es bestehen ernsthafte Zweifel, ob dieser BND überhaupt reformierbar ist.
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