Stadt Bern: Unsinnige Verhältnisse
Lukas Vogelsang – Stolz hat die Stadt Bern, Abteilung Kulturelles, Anfang Jahr veröffentlicht, dass sie wieder 50’000 Franken für den Bereich «Musik der Jungen» (so definiert die Stadt Bern noch immer alle Musikstile zwischen Rock, Pop, Hip Hop, Techno, Folk usw.) zur Verfügung stellt. Dieses Geld wird für Datenträger-Produktionen reserviert – und erst noch in zwei «Halbjahrestranchen » aufgeteilt. Dass die Gesuche zusätzlich in fünf Exemplaren eingereicht werden müssen zeigt, wie modern diese Strukturen sind.
Ein Blick auf die gesprochenen Beiträge aus dem Jahre 2010 zeigt, dass sich diese Beiträge zwischen 1’000 und 3’000 Franken bewegen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei GesuchstellerInnen um DJs mit Plattenspieler oder eine 15-köpfige Band handelt, und Studiomiete und wöchige Aufnahmesessions sind ebenfalls egal. Wer mit diesen Beiträgen eine einigermassen professionelle Produktion machen will, würde den Druck und die Grafik vom Booklet bezahlen können – nicht aber die Musik.
Hier werden keine Löhne gerechnet, keine Proberaummieten, keine Studiomieten, keine Arrangeure, geschweige denn ein anständiger Toningenieur, der die Technik einigermassen so hinkriegt, dass eine CD-Produktion die Chance erhält, von einem nationalen Radiosender gespielt zu werden. Das ist ein trauriger Fakt und zeugt nicht von viel Förderwillen. Zum Schluss: Es erhalten so etwa 20 Gesuchsteller zu wenig, um etwas Anständiges zu machen.
Anders sieht es bei Theater- und Tanzschaffenden aus. Diese erhalten doch meistens etwas mehr Geld. Obwohl nicht ersichtlich ist, warum Theaterschaffende wesentlich mehr Geld aus dem Förderungskässeli erhalten, als Tanzschaffende. Das Spektrum bewegt sich hier von 1’000 Franken (Gastspiele) bis zu 40’000 Franken (hauptsächlich Theaterproduktionen).
Eine Tanzkompanie wird zum Beispiel mit 15’000 Franken für zwei Jahre unterstützt, ein Performance- Festival erhält gleich viel für ein sechstägiges Festival. Eine Theaterkompanie – egal wie viele Leute mitspielen – erhält im Schnitt ca. 20’000 Franken für eine einzige Produktion. Zuzüglich Geldern vom Kanton Bern, der in etwa gleich viel beisteuert, wird ein Theater sicher realisierbarer, da die Technik, Requisiten und Proberäume nicht so teuer sind.
MusikerInnen sind also fast um das 10-fache weniger unterstützt und gefördert, als SchauspielerInnen. Eine unverschämte Wertung. Im direkten Vergleich des Bereiches Tanz mit Zürich muss sich Bern verstecken: Dort erhält eine Tanzkompanie für eine Produktion gute 20 – 25’000 Franken, oft mehr, und mindestens drei Kompanien erhalten Dreijahresverträge zu 150’000 Franken. Das sind paradiesische Zustände. Übertroffen werden diese nur noch vom Kanton Bern: Anna Huber erhielt 360’000 Franken für das Produktionsjahr 2010 ausbezahlt (Anmerk: Das war ein Fehler auf den Listen vom Kanton Bern und das haben wir in der Märzausgabe richtig gestellt: Anna Huber hat für total 3 Jahre vom Kanton Bern, der Stadt Bern und der Pro Helvetia 930’000 Franken erhalten, plus Zusätzlich den Choreografiepreis von 30’000 Franken im Jahr 2010 – Die Zahlen stammen von der Anna Huber Compangnie.
Eine interessante Rechnung ergab sich, als ich den Namen und Produktionen auf den Listen von Stadt und Kanton Bern gefolgt bin, und bei einer kleinen Kinder-Theater-Produktion auf einen Förderbeitrag von mindestens 210’000 Franken gestossen bin. Meine Güte, was ist hier geschehen? Es hat sich herausgestellt, dass die betreffende «Fördergeld-Beschafferin» eine professionelle Marketing- und Fundrising-Frau ist. Alle Ihre Projekte werden mit den maximal möglichen Geldern gefördert.
Das ist insbesondere unfair, da nicht jede Gruppe, jede(r) MusikerIn, jede Tanzkompanie über diese Fachkompetenz verfügen kann. Wer also ein «professionelles» Budget vorweist, erhält mehr Geld. Dazu kommt, dass bei Budgets immer versucht wird, ca. 15 Prozent mehr anzugeben, als wirklich benötigt wird, damit der schlussendlich gesprochene Beitrag einigermassen erträglich ist, und man die FundriserInnen auch noch bezahlen kann. Das ist ein unsinniges System und deklassiert jegliches Kulturschaffen – vor allem aber deklassiert es die Fachkompetenz der jeweiligen Jury.
Natürlich werden jetzt viele sagen, man könne Kulturelles nicht miteinander vergleichen. Stimmt: Es gibt in der Tat keine vernünftigen oder logischen Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien Fördergelder verteilt werden, und der Vergleich wird unmöglich. Das betrifft die subventionierten Häuser wie die freie Szene. Das Fazit: Die heutige Kulturförderungspraxis ist unfair, ungerecht, unlogisch, politisch motiviert, und wird sicher nicht inhaltlich und fachkundig geführt.
So wird in jeder Stadt eine andere Praxis angewandt, macht jede Kultursubventionsinstitution, was ihr beliebt. Die Intransparenz, wie und warum Gelder verteilt werden, macht den Erklärungsnotstand noch grösser. Die SteuerzahlerInnen werden nicht informiert, die Politik wird instrumentalisiert. Es erstaunt, dass es im Jahr 2011 keine Gewerkschaft oder Vereinigung gibt, die auf solche Missstände hinweist.
Lukas Vogelsang ist Chefredaktor de Berner Kult- und Kulturmagazins ensuite
Ein Blick auf die gesprochenen Beiträge aus dem Jahre 2010 zeigt, dass sich diese Beiträge zwischen 1’000 und 3’000 Franken bewegen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei GesuchstellerInnen um DJs mit Plattenspieler oder eine 15-köpfige Band handelt, und Studiomiete und wöchige Aufnahmesessions sind ebenfalls egal. Wer mit diesen Beiträgen eine einigermassen professionelle Produktion machen will, würde den Druck und die Grafik vom Booklet bezahlen können – nicht aber die Musik.
Hier werden keine Löhne gerechnet, keine Proberaummieten, keine Studiomieten, keine Arrangeure, geschweige denn ein anständiger Toningenieur, der die Technik einigermassen so hinkriegt, dass eine CD-Produktion die Chance erhält, von einem nationalen Radiosender gespielt zu werden. Das ist ein trauriger Fakt und zeugt nicht von viel Förderwillen. Zum Schluss: Es erhalten so etwa 20 Gesuchsteller zu wenig, um etwas Anständiges zu machen.
Anders sieht es bei Theater- und Tanzschaffenden aus. Diese erhalten doch meistens etwas mehr Geld. Obwohl nicht ersichtlich ist, warum Theaterschaffende wesentlich mehr Geld aus dem Förderungskässeli erhalten, als Tanzschaffende. Das Spektrum bewegt sich hier von 1’000 Franken (Gastspiele) bis zu 40’000 Franken (hauptsächlich Theaterproduktionen).
Eine Tanzkompanie wird zum Beispiel mit 15’000 Franken für zwei Jahre unterstützt, ein Performance- Festival erhält gleich viel für ein sechstägiges Festival. Eine Theaterkompanie – egal wie viele Leute mitspielen – erhält im Schnitt ca. 20’000 Franken für eine einzige Produktion. Zuzüglich Geldern vom Kanton Bern, der in etwa gleich viel beisteuert, wird ein Theater sicher realisierbarer, da die Technik, Requisiten und Proberäume nicht so teuer sind.
MusikerInnen sind also fast um das 10-fache weniger unterstützt und gefördert, als SchauspielerInnen. Eine unverschämte Wertung. Im direkten Vergleich des Bereiches Tanz mit Zürich muss sich Bern verstecken: Dort erhält eine Tanzkompanie für eine Produktion gute 20 – 25’000 Franken, oft mehr, und mindestens drei Kompanien erhalten Dreijahresverträge zu 150’000 Franken. Das sind paradiesische Zustände. Übertroffen werden diese nur noch vom Kanton Bern: Anna Huber erhielt 360’000 Franken für das Produktionsjahr 2010 ausbezahlt (Anmerk: Das war ein Fehler auf den Listen vom Kanton Bern und das haben wir in der Märzausgabe richtig gestellt: Anna Huber hat für total 3 Jahre vom Kanton Bern, der Stadt Bern und der Pro Helvetia 930’000 Franken erhalten, plus Zusätzlich den Choreografiepreis von 30’000 Franken im Jahr 2010 – Die Zahlen stammen von der Anna Huber Compangnie.
Eine interessante Rechnung ergab sich, als ich den Namen und Produktionen auf den Listen von Stadt und Kanton Bern gefolgt bin, und bei einer kleinen Kinder-Theater-Produktion auf einen Förderbeitrag von mindestens 210’000 Franken gestossen bin. Meine Güte, was ist hier geschehen? Es hat sich herausgestellt, dass die betreffende «Fördergeld-Beschafferin» eine professionelle Marketing- und Fundrising-Frau ist. Alle Ihre Projekte werden mit den maximal möglichen Geldern gefördert.
Das ist insbesondere unfair, da nicht jede Gruppe, jede(r) MusikerIn, jede Tanzkompanie über diese Fachkompetenz verfügen kann. Wer also ein «professionelles» Budget vorweist, erhält mehr Geld. Dazu kommt, dass bei Budgets immer versucht wird, ca. 15 Prozent mehr anzugeben, als wirklich benötigt wird, damit der schlussendlich gesprochene Beitrag einigermassen erträglich ist, und man die FundriserInnen auch noch bezahlen kann. Das ist ein unsinniges System und deklassiert jegliches Kulturschaffen – vor allem aber deklassiert es die Fachkompetenz der jeweiligen Jury.
Natürlich werden jetzt viele sagen, man könne Kulturelles nicht miteinander vergleichen. Stimmt: Es gibt in der Tat keine vernünftigen oder logischen Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien Fördergelder verteilt werden, und der Vergleich wird unmöglich. Das betrifft die subventionierten Häuser wie die freie Szene. Das Fazit: Die heutige Kulturförderungspraxis ist unfair, ungerecht, unlogisch, politisch motiviert, und wird sicher nicht inhaltlich und fachkundig geführt.
So wird in jeder Stadt eine andere Praxis angewandt, macht jede Kultursubventionsinstitution, was ihr beliebt. Die Intransparenz, wie und warum Gelder verteilt werden, macht den Erklärungsnotstand noch grösser. Die SteuerzahlerInnen werden nicht informiert, die Politik wird instrumentalisiert. Es erstaunt, dass es im Jahr 2011 keine Gewerkschaft oder Vereinigung gibt, die auf solche Missstände hinweist.
Lukas Vogelsang ist Chefredaktor de Berner Kult- und Kulturmagazins ensuite
sfux - 4. Apr, 20:08 Article 4341x read