Ukrainekrieg, verlorener Afghanistankrieg und zwei neue Bücher
Dr. Alexander von Paleske —- 17.5. 2022 —–
Wer in der von führenden Politikern proklamierten Zeitenwende durch Ukrainekrieg – und verlorenen Afghanistankrieg – nach Orientierung sucht, also nach Hintergrundanalysen, und wie der Krieg beendet werden kann, wie eine neuer Sicherheitsarchitektur in Europa auszusehen hätte, vor allem: welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden, die es gilt in der Zukunft zu vermeiden, dem können zwei Bücher empfohlen werden.
Klaus von Dohnanyi “Nationale Interessen, Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche”, Siedler Verlag 2022
Michael Lüders, Hybris am Hindukusch, Wie der Westen in Afghanistan scheiterte C.H. Beck Verlag 2022
Zur Einleitung:
Die Einflussphären in Europa waren während des Kalten Krieges 1947-1990 klar definiert. So konnte die ehemalige UdSSR in ihrem Herrschaftsgebiet Unterdrückung exerzieren, und Aufstände niederschlagen, (DDR 1953, Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, ausserdem der Bau der Berliner Mauer 1961) ohne dass daraus ein Krieg in Europa erwachsen wäre und konnte. Das Gleichgewicht des Schreckens der Atomwaffen verhinderte es.
Die Atommächte USA und Russland bekämpften sich vielmehr bei der Neuaufteilung der Interessenspähren nach dem Ende des Kolonialismus in Afrika und Asien, aber auch nicht direkt, sondern mit Stellvertretern, (z.B. Angola 1974-2002, Vietnam 1961-1975), oder organisierten mit Hilfe ihrer Geheimdienste, insbesondere dem CIA, Putsche (Kongo, Chile, Ghana, Indonesien).
Die Kubakrise 1962, die beinahe zum einem Weltkrieg geführt hätte, wurde schliesslich diplomatisch gelöst: die Sowjetunion demontierte die Raketenbasen auf Kuba und die USA ihre Raktenbasen in der Türkei.
Nach dem Fall der Mauer
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1990 entstand mit dem Ende des Warschauer Paktes,dem Zerfall der Sowjetunion, der Unabhängigkeit der baltischen Staaten und der Ukraine, ein Machtvakuum, das von den USA und der EU durch die NATO-Osterweiterung und Erweiterung der EU bedenkenlos – und in Widerspruch zu den vor der Wiedervereinigung gegenüber der UdSSR gemachten Versprechungen – ausgefüllt wurde – ausgenommen die Ukraine. Dabei wurde die wirtschaftliche Krise Russlands -und die Führungsschwäche des russischen Staatspräsidentenund Trunkenboldes Boris Jelzin – man muss schon sagen: schamlos ausgenutzt.
MIt dem Maidan—Umsturz in der Ukraine 2014 , vom Westen gerne als “Revolution”: bezeichnet – und doch keine war, denn an der Herrschaft der Klepto-Oligarchen in der Ukraine änderte sich nichts – und mit der folgenden Westorientierung wäre die Sache komplett gewesen, aber nun griff Russland ein, annektierte due Krim, und unterstützte russische Separatisten in der Ostukraine.
Der Westen antwortete mit Sanktionen, die der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt als dummes Zeug bezeichnete, worauf von Grüner Seite die Urteilskraft von Helmut Schmidt in Zweifel gezogen wurde.
In der Ukraine änderte sich innenpolitich nichts, was als Revolution bezeichnet werden könnte: die Korruption lief weiter auf Autopilot, die Klepto-Oliogarchen, die sich an geraubtem Staatsvermoegen nach dem Zerfall der UdSSR schamlos bereichert hatten, kontrollierten weiter die Wirtschaft und die Medien. Dazu ein Parlament voll von gekauften Interessenvertretern der Klepto-Oligarchen.
Aber die Aussennpolitik änderte sich mit Orientierung nach Westen und angestrebter EU- und NATO- Mitgliedschaft, letzteres von den USA unter George W. Bush unterstützt, von Frankreich und Deutschland aber blockiert, wohl wissend, dass dies zu einem schweren Konflikt mit Russland führen würde.
Der Konflikt in der Ostukraine ging auf kleiner Flamme weiter, mit täglichen Todesopfern, und ohne endgültige Friedenslösung.
Die Ausweitung des Konflikts durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine zerfetzte die alte Sicherheitsstruktur in Europa, und hat das Potential, zu einem grossen europäischen Krieg zu werden.
Die Gewissheiten von gestern, während und nach dem Ende des kalten Krieges, sind vorbei. Es ist Krieg in Europa. Inmitten des Geschrei nach schweren Waffen für die Ukraine stellt sich die Frage: wie soll es weitergehen?
Dohnanyi und Nationale Interessen
Klaus von Dohnanyi beschäftigt sich ein seinem Buch Nationale Interessen, das vor dem Ukrainekrieg geschrieben, aber den Konflikt bereits thematisiert, mit der Frage: Welche Interessen hat Deutschland politisch zu vertreten, zunächst gegenüber nden USA und dann aber auch innerhalb der EU.
Unter Verweis auf viele Quellen weist Dohnanyi nach, dass Deutschlands Interessen keineswegs immer mit denen der USA deckungsgleich waren und sind. Das entwickelt er am Verhältnis zu Russland und zu China.
Die USA sind daran interessiert, Russland und China ziu schwächen, um ihre Position als führende Weltmacht zu behaupten. Schon der ehemalige US-Präsident Obama redete Russland als Grossmacht klein, verhängte Sanktionen nach der Annektion der Krim, und warf Putin aus der Gruppe der acht führenden Industrienationen (G8) heraus, die nun wieder G7 wurde.
Weit weg
Ein Grosser Wassergraben trennt die USA von Europa – und von Russland. Für Europa ist Russland aber Nachbar, wenn auch zur Zeit ein ungeliebter.
Deutschland – und auch die EU – müssen, so Dohnanyi, daher ein natürliches Intersse an geregeltem friedlichen Nebeneinander haben, denn sie wären im Falle eines Krieges direkt und unmittelbar – im Gegensatz zu den USA – involviert.
Die USA haben immer ihre Interessen durchgesetzt: wenn die denen der NATO-Mitgliedsländer entsprachen: Prima,- wenn nicht: Pech gehabt, denn letztlich zählen für die USA nur die eigenen Interessen.
An Hand der Militärstrategie der USA zeigt Dohnanyi auf, dass wir uns nicht nur sehr begrenzt in einem konventionellen Krieg gegen Russland auf die USA hinsichtlich des militärischen Eingreifens verlassen könnten.
Mehr noch: im Gegensatz zu eigenen Interessen in Kriegen involviert zu werden. Das zeigte sich bereits an dem Einmarsch in den Irak 2003 mit seinen desaströsen Folgen, an dem mehrere NATO-Länder teilnahmen – nicht aber Deutschland – dank der Politk des nun verfemten ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder.
Gleiches zeigte sich auch im Afghanistankrieg, an dem Deutschland teilnahm.
Folgerungen
Dohnanyi folgert daraus, dass Deutschland und die EU ihre eigenen Interessen innerhalb und ausserhalb der NATO vertreten müssen, das würde im Prinzip auf eine “Parallelveranstaltung” als Europäsche Verteidigungsgemeinschaft hinauslaufen.
Dohnanyi fordert insbesondere auch, die Interessen Russlands zu berücksichtigen, sich auch in die Lage Russlands unter Berücksichtigung seiner geschichtlichen Entwicklung hineinzuversetzen, woran es gerade bei der Osterweiterung der NATO ja völlig gefehlt habe.
Und Dohnanyi bezweifelt, dass das Interesse der USA, sich gegenüber China als Weltmacht Nr. 1 zu behaupten – notfall mit allen Mitteln – den wohlverstandenen Interessen Deutschlands entspricht: China ist unser grösster Handelspartner. Ein nicht geringer Teil unseres Wohlstandes verdanken wir auch den Exporten nach – und den Handelsbeziehungen mit China.
Dohnanyi schrieb sein Buch vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, seine Ueberlegungen sind gleichwohl bedeutend für eine Neue Friedensordnung in Europa nach einem Ende des Ukrainekriegs.
Hybris am Hindukusch
Das Buch von Michael Lüders, Hybris am Hindikusch, führt diesen Gedanken bezogen auf Afghanistan fort: wie die USA ihre verfehlten Ziele in Afghanistan – ohne Rücksicht auf die Verbündeten, zu denen auch Deutschland gehörte – durchgesetzt hatten.
Die USA bestimmten die (verfehlte) Strategie bis schliesslich zu den Verhandlungen mit den Taliban, zu denen Deutschland erst gar nicht eingeladen war, auch nicht die afghanische Marionettenregierung, die – trotz massiv gefälschter Wahlen – bis dato als legitime Vertretung des afghanischen Volkes bezeichnet wurde. Selbst die Abzugsmodalitäten legten die USA einseitig fest, ohne auf die Verbündeten Rücksicht zu nehmen, geschweige sie in die Planungen mit eizubeziehen.
Michael Lüders beschreibt das Fiasko des Afghanistaneinsatzes der von den USA dominierten ISAF Truppe. Er erklärt, warum er scheitern musste, trotz der zwischenzeitlich mehr als 100.000 ISAF-Soldaten, und den in den Krieg hineingepumpten 2 Billionen (!) US-Doallar.
Ignoranz gewachsener Strukturen
Anhand der Geschichte Afghanistans zeigt er auf, dass diese multinationale Truppe in einen Krieg geschickt wurde,
- bei dem die Geschichte des Landes und die gewachsenen sozialen Strukturen völlig ignoriert wurden.
- Ein westliches demokratisches Modell dem Land übergestülpt wurde, mit einer Regierung, die sich mit gefälschten Wahlen legitimierte.
- wo westliche Gelder in einem Sumpf von Korruption verschwanden.
- eine Elite regierte, die im Wesentlichen auf die Hauptstadt Kabul beschränkt war,
- wo auch die Mär von Frauenrechten und liberaler Demokratie verbreitet wurde, was keinerlei Entsprechung in den ländlichen Gebieten hatte.
- Darüberhinaus blieb Afghanistan grösster Opiumexporteur der Welt, woran die Taliban kräftig mitverdienten.
Ein Feldzug, der mit Kriegsverbrechen gepflastert war mit
– Folterungen,
– nächtlichen Erschiessungen durch eine US-Terrortruppe mit dem Kürzel 01
– Bombardierung eines Tanklasters mit rund 150 Toten auf Wunsch eines Deutschen Bundeswehr-Obersten,
– unzähligen Bombardierungen von Hochzeitsgesellschaften mit hohen zivilen Opfern.
– einem Feldzug mit Zehntausenden getöteter Zivilisten, Hunderttausenden von internen und externen Flüchtlingen.
In der Tat: Eine Schreckensbilanz hat, die sich sehen lassen kann.
Zum Schluss dann die Rückkehr der Taliban, die doch eigentlich schon längst besiegt waren, an die Macht in Kabul.
Begleitende Propagandalügen
Begleitet wurde, auch das zeigt Lüders, dieser Krieg von einer Kriegspropaganda und klaren Falschinformationen, die sicher auch einem NS-Propagandaminister Goebbels zur Ehre gereicht hätten.
Dert Krieg, der ja ursprünglich als eine „Stabilisierungsmission“ verkauft wurde, war, das zeigen auch die durchgestochenen Afghanistan Papers, bereits im Jahre 2006 verloren, 15 Jahre vor seinem Ende, als es den Taliban gelang, sich neu zu gruppieren, und eine Parallelverwaltung aufzubauen.
Das Buch von Lüders lässt noch einmal das ganze Kriegsdrama, seine Opfer – und seine Nutzniesser – an uns vorbeiziehen.
Lüders beklagt, dass es in Deutschland keine Friedenspartei mehr gebe. In der Tat: Nachdem die Grünen längst zu einer Kriegspartei mit dem von ihnen mitbefohlenen Einsatz der Bundeswehr auf dem Balkan mutierten, waren es nur die Linke – abgesehen von dem Grünen Abgeordneten Stroebele – die gegen den Afghanistaneinsatz stimmten, während die einstigen Friedensbewegten ihn bis zum bitteren Ende immer wieder abnickten.
Eine Friedenspartei, welche die Grünen in den 80er Jahren waren, gibt es seitdem in Deutschland nicht mehr.
Lüders Ausblick
Sein Ausblick ist nicht weniger alarmierend – und sehr wahrscheinlich:
"Künftige Kriege werden nicht mehr in “Shithole Countries” (Donald Trump) geführt werden, es sei denn als Stellvertreterkrieg, wie in Syrien "
.Das zeigt sich bereits im Ukrainekrieg: auf Seiten der Ukraine auch ein Stellvertreterkrieg (Die Freiheit Europas wird in der Ukraine verteidigt, Afghanistan lässt grüssen), und auf Seiten Russslands direkte Konfrontation.
Das hatte es bisher so noch nicht gegeben, und könnte bereits Vorstufe eines Krieges zwischen der NATO und Russland sein.
und weiter Lüders:
"stattdessen wächst die Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation der USA mit Russland und China. Hiesige Mandatsträger sehen offenbar keinen Anlass klare Signale in Richtung Washington zu senden:
da machen wir nicht mit”
Wer in der von führenden Politikern proklamierten Zeitenwende durch Ukrainekrieg – und verlorenen Afghanistankrieg – nach Orientierung sucht, also nach Hintergrundanalysen, und wie der Krieg beendet werden kann, wie eine neuer Sicherheitsarchitektur in Europa auszusehen hätte, vor allem: welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden, die es gilt in der Zukunft zu vermeiden, dem können zwei Bücher empfohlen werden.
Klaus von Dohnanyi “Nationale Interessen, Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche”, Siedler Verlag 2022
Michael Lüders, Hybris am Hindukusch, Wie der Westen in Afghanistan scheiterte C.H. Beck Verlag 2022
Zur Einleitung:
Die Einflussphären in Europa waren während des Kalten Krieges 1947-1990 klar definiert. So konnte die ehemalige UdSSR in ihrem Herrschaftsgebiet Unterdrückung exerzieren, und Aufstände niederschlagen, (DDR 1953, Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, ausserdem der Bau der Berliner Mauer 1961) ohne dass daraus ein Krieg in Europa erwachsen wäre und konnte. Das Gleichgewicht des Schreckens der Atomwaffen verhinderte es.
Die Atommächte USA und Russland bekämpften sich vielmehr bei der Neuaufteilung der Interessenspähren nach dem Ende des Kolonialismus in Afrika und Asien, aber auch nicht direkt, sondern mit Stellvertretern, (z.B. Angola 1974-2002, Vietnam 1961-1975), oder organisierten mit Hilfe ihrer Geheimdienste, insbesondere dem CIA, Putsche (Kongo, Chile, Ghana, Indonesien).
Die Kubakrise 1962, die beinahe zum einem Weltkrieg geführt hätte, wurde schliesslich diplomatisch gelöst: die Sowjetunion demontierte die Raketenbasen auf Kuba und die USA ihre Raktenbasen in der Türkei.
Nach dem Fall der Mauer
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1990 entstand mit dem Ende des Warschauer Paktes,dem Zerfall der Sowjetunion, der Unabhängigkeit der baltischen Staaten und der Ukraine, ein Machtvakuum, das von den USA und der EU durch die NATO-Osterweiterung und Erweiterung der EU bedenkenlos – und in Widerspruch zu den vor der Wiedervereinigung gegenüber der UdSSR gemachten Versprechungen – ausgefüllt wurde – ausgenommen die Ukraine. Dabei wurde die wirtschaftliche Krise Russlands -und die Führungsschwäche des russischen Staatspräsidentenund Trunkenboldes Boris Jelzin – man muss schon sagen: schamlos ausgenutzt.
MIt dem Maidan—Umsturz in der Ukraine 2014 , vom Westen gerne als “Revolution”: bezeichnet – und doch keine war, denn an der Herrschaft der Klepto-Oligarchen in der Ukraine änderte sich nichts – und mit der folgenden Westorientierung wäre die Sache komplett gewesen, aber nun griff Russland ein, annektierte due Krim, und unterstützte russische Separatisten in der Ostukraine.
Der Westen antwortete mit Sanktionen, die der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt als dummes Zeug bezeichnete, worauf von Grüner Seite die Urteilskraft von Helmut Schmidt in Zweifel gezogen wurde.
In der Ukraine änderte sich innenpolitich nichts, was als Revolution bezeichnet werden könnte: die Korruption lief weiter auf Autopilot, die Klepto-Oliogarchen, die sich an geraubtem Staatsvermoegen nach dem Zerfall der UdSSR schamlos bereichert hatten, kontrollierten weiter die Wirtschaft und die Medien. Dazu ein Parlament voll von gekauften Interessenvertretern der Klepto-Oligarchen.
Aber die Aussennpolitik änderte sich mit Orientierung nach Westen und angestrebter EU- und NATO- Mitgliedschaft, letzteres von den USA unter George W. Bush unterstützt, von Frankreich und Deutschland aber blockiert, wohl wissend, dass dies zu einem schweren Konflikt mit Russland führen würde.
Der Konflikt in der Ostukraine ging auf kleiner Flamme weiter, mit täglichen Todesopfern, und ohne endgültige Friedenslösung.
Die Ausweitung des Konflikts durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine zerfetzte die alte Sicherheitsstruktur in Europa, und hat das Potential, zu einem grossen europäischen Krieg zu werden.
Die Gewissheiten von gestern, während und nach dem Ende des kalten Krieges, sind vorbei. Es ist Krieg in Europa. Inmitten des Geschrei nach schweren Waffen für die Ukraine stellt sich die Frage: wie soll es weitergehen?
Dohnanyi und Nationale Interessen
Klaus von Dohnanyi beschäftigt sich ein seinem Buch Nationale Interessen, das vor dem Ukrainekrieg geschrieben, aber den Konflikt bereits thematisiert, mit der Frage: Welche Interessen hat Deutschland politisch zu vertreten, zunächst gegenüber nden USA und dann aber auch innerhalb der EU.
Unter Verweis auf viele Quellen weist Dohnanyi nach, dass Deutschlands Interessen keineswegs immer mit denen der USA deckungsgleich waren und sind. Das entwickelt er am Verhältnis zu Russland und zu China.
Die USA sind daran interessiert, Russland und China ziu schwächen, um ihre Position als führende Weltmacht zu behaupten. Schon der ehemalige US-Präsident Obama redete Russland als Grossmacht klein, verhängte Sanktionen nach der Annektion der Krim, und warf Putin aus der Gruppe der acht führenden Industrienationen (G8) heraus, die nun wieder G7 wurde.
Weit weg
Ein Grosser Wassergraben trennt die USA von Europa – und von Russland. Für Europa ist Russland aber Nachbar, wenn auch zur Zeit ein ungeliebter.
Deutschland – und auch die EU – müssen, so Dohnanyi, daher ein natürliches Intersse an geregeltem friedlichen Nebeneinander haben, denn sie wären im Falle eines Krieges direkt und unmittelbar – im Gegensatz zu den USA – involviert.
Die USA haben immer ihre Interessen durchgesetzt: wenn die denen der NATO-Mitgliedsländer entsprachen: Prima,- wenn nicht: Pech gehabt, denn letztlich zählen für die USA nur die eigenen Interessen.
An Hand der Militärstrategie der USA zeigt Dohnanyi auf, dass wir uns nicht nur sehr begrenzt in einem konventionellen Krieg gegen Russland auf die USA hinsichtlich des militärischen Eingreifens verlassen könnten.
Mehr noch: im Gegensatz zu eigenen Interessen in Kriegen involviert zu werden. Das zeigte sich bereits an dem Einmarsch in den Irak 2003 mit seinen desaströsen Folgen, an dem mehrere NATO-Länder teilnahmen – nicht aber Deutschland – dank der Politk des nun verfemten ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder.
Gleiches zeigte sich auch im Afghanistankrieg, an dem Deutschland teilnahm.
Folgerungen
Dohnanyi folgert daraus, dass Deutschland und die EU ihre eigenen Interessen innerhalb und ausserhalb der NATO vertreten müssen, das würde im Prinzip auf eine “Parallelveranstaltung” als Europäsche Verteidigungsgemeinschaft hinauslaufen.
Dohnanyi fordert insbesondere auch, die Interessen Russlands zu berücksichtigen, sich auch in die Lage Russlands unter Berücksichtigung seiner geschichtlichen Entwicklung hineinzuversetzen, woran es gerade bei der Osterweiterung der NATO ja völlig gefehlt habe.
Und Dohnanyi bezweifelt, dass das Interesse der USA, sich gegenüber China als Weltmacht Nr. 1 zu behaupten – notfall mit allen Mitteln – den wohlverstandenen Interessen Deutschlands entspricht: China ist unser grösster Handelspartner. Ein nicht geringer Teil unseres Wohlstandes verdanken wir auch den Exporten nach – und den Handelsbeziehungen mit China.
Dohnanyi schrieb sein Buch vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, seine Ueberlegungen sind gleichwohl bedeutend für eine Neue Friedensordnung in Europa nach einem Ende des Ukrainekriegs.
Hybris am Hindukusch
Das Buch von Michael Lüders, Hybris am Hindikusch, führt diesen Gedanken bezogen auf Afghanistan fort: wie die USA ihre verfehlten Ziele in Afghanistan – ohne Rücksicht auf die Verbündeten, zu denen auch Deutschland gehörte – durchgesetzt hatten.
Die USA bestimmten die (verfehlte) Strategie bis schliesslich zu den Verhandlungen mit den Taliban, zu denen Deutschland erst gar nicht eingeladen war, auch nicht die afghanische Marionettenregierung, die – trotz massiv gefälschter Wahlen – bis dato als legitime Vertretung des afghanischen Volkes bezeichnet wurde. Selbst die Abzugsmodalitäten legten die USA einseitig fest, ohne auf die Verbündeten Rücksicht zu nehmen, geschweige sie in die Planungen mit eizubeziehen.
Michael Lüders beschreibt das Fiasko des Afghanistaneinsatzes der von den USA dominierten ISAF Truppe. Er erklärt, warum er scheitern musste, trotz der zwischenzeitlich mehr als 100.000 ISAF-Soldaten, und den in den Krieg hineingepumpten 2 Billionen (!) US-Doallar.
Ignoranz gewachsener Strukturen
Anhand der Geschichte Afghanistans zeigt er auf, dass diese multinationale Truppe in einen Krieg geschickt wurde,
- bei dem die Geschichte des Landes und die gewachsenen sozialen Strukturen völlig ignoriert wurden.
- Ein westliches demokratisches Modell dem Land übergestülpt wurde, mit einer Regierung, die sich mit gefälschten Wahlen legitimierte.
- wo westliche Gelder in einem Sumpf von Korruption verschwanden.
- eine Elite regierte, die im Wesentlichen auf die Hauptstadt Kabul beschränkt war,
- wo auch die Mär von Frauenrechten und liberaler Demokratie verbreitet wurde, was keinerlei Entsprechung in den ländlichen Gebieten hatte.
- Darüberhinaus blieb Afghanistan grösster Opiumexporteur der Welt, woran die Taliban kräftig mitverdienten.
Ein Feldzug, der mit Kriegsverbrechen gepflastert war mit
– Folterungen,
– nächtlichen Erschiessungen durch eine US-Terrortruppe mit dem Kürzel 01
– Bombardierung eines Tanklasters mit rund 150 Toten auf Wunsch eines Deutschen Bundeswehr-Obersten,
– unzähligen Bombardierungen von Hochzeitsgesellschaften mit hohen zivilen Opfern.
– einem Feldzug mit Zehntausenden getöteter Zivilisten, Hunderttausenden von internen und externen Flüchtlingen.
In der Tat: Eine Schreckensbilanz hat, die sich sehen lassen kann.
Zum Schluss dann die Rückkehr der Taliban, die doch eigentlich schon längst besiegt waren, an die Macht in Kabul.
Begleitende Propagandalügen
Begleitet wurde, auch das zeigt Lüders, dieser Krieg von einer Kriegspropaganda und klaren Falschinformationen, die sicher auch einem NS-Propagandaminister Goebbels zur Ehre gereicht hätten.
Dert Krieg, der ja ursprünglich als eine „Stabilisierungsmission“ verkauft wurde, war, das zeigen auch die durchgestochenen Afghanistan Papers, bereits im Jahre 2006 verloren, 15 Jahre vor seinem Ende, als es den Taliban gelang, sich neu zu gruppieren, und eine Parallelverwaltung aufzubauen.
Das Buch von Lüders lässt noch einmal das ganze Kriegsdrama, seine Opfer – und seine Nutzniesser – an uns vorbeiziehen.
Lüders beklagt, dass es in Deutschland keine Friedenspartei mehr gebe. In der Tat: Nachdem die Grünen längst zu einer Kriegspartei mit dem von ihnen mitbefohlenen Einsatz der Bundeswehr auf dem Balkan mutierten, waren es nur die Linke – abgesehen von dem Grünen Abgeordneten Stroebele – die gegen den Afghanistaneinsatz stimmten, während die einstigen Friedensbewegten ihn bis zum bitteren Ende immer wieder abnickten.
Eine Friedenspartei, welche die Grünen in den 80er Jahren waren, gibt es seitdem in Deutschland nicht mehr.
Lüders Ausblick
Sein Ausblick ist nicht weniger alarmierend – und sehr wahrscheinlich:
"Künftige Kriege werden nicht mehr in “Shithole Countries” (Donald Trump) geführt werden, es sei denn als Stellvertreterkrieg, wie in Syrien "
.Das zeigt sich bereits im Ukrainekrieg: auf Seiten der Ukraine auch ein Stellvertreterkrieg (Die Freiheit Europas wird in der Ukraine verteidigt, Afghanistan lässt grüssen), und auf Seiten Russslands direkte Konfrontation.
Das hatte es bisher so noch nicht gegeben, und könnte bereits Vorstufe eines Krieges zwischen der NATO und Russland sein.
und weiter Lüders:
"stattdessen wächst die Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation der USA mit Russland und China. Hiesige Mandatsträger sehen offenbar keinen Anlass klare Signale in Richtung Washington zu senden:
da machen wir nicht mit”
onlinedienst - 18. Mai, 06:23 Article 710x read