Pentagons „Blutgrenzen“ in Nahost (Teil 1) - Proteste gegen US-Pläne für Neuordnung der Krisenregion
Malte Olschewski - Das Pentagon verrät der Welt ein „schmutziges Geheimnis aus 5000 Jahren Geschichte“: Dass nämlich ethnische Säuberung funktioniert. Wörtlich schreibt der US-Militärtheoretiker Ralph Peters in seiner Grenzfantasie im „Armed Forces Journal“: „Oh, and one other dirty secret from 5000 years of history: Ethnic cleansing works.“ Seit Amtsantritt von Präsident Bush berauschen sich neokonservative Kreise an Planspielen für ein neues „Empire“. Doch der Artikel von Ralph Peters im „Armed Forces Journal“ vom Juni 2006 hat bisherige Allmachtsfantasien bei weitem übertroffen und zu heftigen Protesten geführt. Unter dem nach NS-Ideologie klingenden Titel „Blood Borders“ (Blutgrenzen) schlägt Peters eine radikale Neuordnung des Mittleren Ostens nach ethnischen und religiösen Grenzen vor.
„How a Better Middle East Would Look“ glaubt er im Untertitel zu wissen. Wie Nahost im scharfen Blick der pentagonischen Falken wohl besser aussehen könnte?
Zwei Landkarten („Vorher“ und „Nachher“) ergänzen die Abhandlung, die dem moslemischen Terror die besten Argumente zu liefern vermag. Die Kurzfassung des alle Grenzen der Vernunft überschreitenden Papiers: Saudiarabien und Pakistan würden etwa die Hälfte ihres Territoriums verlieren. Mit Belutschistan, Kurdistan und dem Schiitenirak würden drei neue Staaten entstehen. Jordanien, Jemen, Afghanistan und Libanon sollen vergrössert, die Region um Mekka und Medina würde zu einem moslemischen Vatikan werden. Das US-Aussenministerium stellt das „Blutpapier“ als Werk eines Zivilisten dar. US-Botschafter in moslemischen Staaten suchen zu beruhigen.
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Die Abhandlung erschien im „Armed Forces Journal“, das von der „Army Times Publishing Company“ im Rahmen der Gannett-Mediengruppe mit Sitz in Virginia herausgegeben wird. Das „Journal“ ist kein Verlautbarungsblatt des Pentagons, hat aber in der Vergangenheit immer wieder das strategische Denken militärischer Falken in den USA enthüllt. Die Gannett-Gruppe ist ein Medienkonzern, der in den USA etwa fünfzig lokale Tageszeitungen und das überregionale Blatt „USA Today“ herausgibt. Neben zwanzig Tageszeitungen in Grossbritannien ist Gannett der führende Verlag in Militär-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Die Veröffentlichung ist kein Unfall und kein Zufall. Peters ist ein pensionierter Oberst mit Geheimdiensthintergrund, der solche Papiere kaum ohne Deckung von oben schreiben würde. Er hat sich im Frühjahr 2006 längere Zeit zu Studien im Irak aufgehalten. Die „Blutgrenzen“ werden von mehreren Motiven bestimmt:
1. Die Erfolgslosigkeit bei der Bekämpfung des Terrors.
2. Die wachsenden Forderungen nach einem US-Truppenrückzug aus dem Irak.
3. Die Notwendigkeit, auf das arabische Erdöl zu verzichten.
4. Unzufriedenheit mit der Politik Israels.
Kritiker in den USA und in den betroffenen Staaten sehen in dem Papier eine Art Masterplan, um den schwindenden Einfluss der USA in dieser Region durch eine „Balkanisierung“ aufzuhalten. Als Muster können Jugoslawien und die UdSSR gelten. Hatten die USA in beiden Zentralstaaten wenig Einfluss, so konnten sie in deren Zerfall Teile wie Bosnien, Kosovo, Georgien oder Tadschikistan an sich binden und dort Militärbasen errichten.
Das zentrale Problem in Nahost -Israel und die Palästinenser- wird von Peters nur gestreift: Israel müsse in die Grenzen von 1967 zurück und für Jerusalem gebe es schon Dutzende Lösungsvorschläge. Jerusalem scheint für Peters „peanuts“ zu sein. Der Herr der neuen Grenzen lässt den Blick in die Ferne schweifen. Er will die Grenzen vom Berg Ararat bis zum Indus und vom Kaspischen Meer bis zum Tor der Tränen neu ziehen. Die Überraschung dabei ist die Zerstückelung Saudiarabiens und Pakistans als bisher verbündeter Staaten, sowie die Abtrennung kurdischer Gebiete vom NATO-Staat Türkei. Hierbei könnten Entwicklungen der letzten Jahre eine Rolle gespielt haben. Saudiarabien hat den USA nach 1991 aus religiösen Gründen jede weitere Truppenstationierung auf seinem Territorium untersagt. Ausserdem wird Ryadh von den USA verdächtigt, den religiösen Terror inklusive der Al Kaida weiterhin heimlich zu unterstützen.
Peters bezeichnet die Saudis als „das bigotteste und repressivste Regime“ der Region, dessen Ölreichtum „gänzlich unverdient“ sei. Daher soll dieser Staat von allen Seiten beschnitten werden. Im Südwesten gehen Erdöl-Gebiete an einen vergrösserten Jemen, dessen Stämme seit je den wahabitischen Sektierern der Saud-Familie jede Legitimität absprechen. Im Nordosten werden die saudischen Ölgebiete einem neu zu schaffenden, schiitischen Irak-Staat angegliedert. Und im Nord-westen verliert Saudien viel Land an Jordanien, dass als Dank für Gefügigkeit zu „Gross-Jordanien“ werden darf. Das Gebiet um Mekka und Medina soll von Ryadh abgetrennt und von einem Rat verwaltet werden, der von allen moslemischen Richtungen und Schulen beschickt wird: Das Heiligtum der Kaaba soll moslemisch internationalisiert werden. Ein islamischer Super-Vatikan soll entstehen, auf den die Saudis keinen Einfluss mehr haben. Was dann übrig bleibt, ist meist Wüste. Schon einmal hatte die Familie Saud nur ein Stück Wüste regiert, bis dann Abdel Aziz nach blutigen Feldzügen der Sturz der Haschemiten und 1932 die Staatsgründung gelang. Kuwait und die Golfemirate dürfen, so zeigt sich Peters gnädig, als bisher schon treue Diener der USA bestehen bleiben,
Wer brav ist, darf gross werden
Teil 2: Pentagons „Blutgrenzen“ in Nahost - Umstrittene US-Pläne
„How a Better Middle East Would Look“ glaubt er im Untertitel zu wissen. Wie Nahost im scharfen Blick der pentagonischen Falken wohl besser aussehen könnte?
Zwei Landkarten („Vorher“ und „Nachher“) ergänzen die Abhandlung, die dem moslemischen Terror die besten Argumente zu liefern vermag. Die Kurzfassung des alle Grenzen der Vernunft überschreitenden Papiers: Saudiarabien und Pakistan würden etwa die Hälfte ihres Territoriums verlieren. Mit Belutschistan, Kurdistan und dem Schiitenirak würden drei neue Staaten entstehen. Jordanien, Jemen, Afghanistan und Libanon sollen vergrössert, die Region um Mekka und Medina würde zu einem moslemischen Vatikan werden. Das US-Aussenministerium stellt das „Blutpapier“ als Werk eines Zivilisten dar. US-Botschafter in moslemischen Staaten suchen zu beruhigen.
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Die Abhandlung erschien im „Armed Forces Journal“, das von der „Army Times Publishing Company“ im Rahmen der Gannett-Mediengruppe mit Sitz in Virginia herausgegeben wird. Das „Journal“ ist kein Verlautbarungsblatt des Pentagons, hat aber in der Vergangenheit immer wieder das strategische Denken militärischer Falken in den USA enthüllt. Die Gannett-Gruppe ist ein Medienkonzern, der in den USA etwa fünfzig lokale Tageszeitungen und das überregionale Blatt „USA Today“ herausgibt. Neben zwanzig Tageszeitungen in Grossbritannien ist Gannett der führende Verlag in Militär-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Die Veröffentlichung ist kein Unfall und kein Zufall. Peters ist ein pensionierter Oberst mit Geheimdiensthintergrund, der solche Papiere kaum ohne Deckung von oben schreiben würde. Er hat sich im Frühjahr 2006 längere Zeit zu Studien im Irak aufgehalten. Die „Blutgrenzen“ werden von mehreren Motiven bestimmt:
1. Die Erfolgslosigkeit bei der Bekämpfung des Terrors.
2. Die wachsenden Forderungen nach einem US-Truppenrückzug aus dem Irak.
3. Die Notwendigkeit, auf das arabische Erdöl zu verzichten.
4. Unzufriedenheit mit der Politik Israels.
Kritiker in den USA und in den betroffenen Staaten sehen in dem Papier eine Art Masterplan, um den schwindenden Einfluss der USA in dieser Region durch eine „Balkanisierung“ aufzuhalten. Als Muster können Jugoslawien und die UdSSR gelten. Hatten die USA in beiden Zentralstaaten wenig Einfluss, so konnten sie in deren Zerfall Teile wie Bosnien, Kosovo, Georgien oder Tadschikistan an sich binden und dort Militärbasen errichten.
Das zentrale Problem in Nahost -Israel und die Palästinenser- wird von Peters nur gestreift: Israel müsse in die Grenzen von 1967 zurück und für Jerusalem gebe es schon Dutzende Lösungsvorschläge. Jerusalem scheint für Peters „peanuts“ zu sein. Der Herr der neuen Grenzen lässt den Blick in die Ferne schweifen. Er will die Grenzen vom Berg Ararat bis zum Indus und vom Kaspischen Meer bis zum Tor der Tränen neu ziehen. Die Überraschung dabei ist die Zerstückelung Saudiarabiens und Pakistans als bisher verbündeter Staaten, sowie die Abtrennung kurdischer Gebiete vom NATO-Staat Türkei. Hierbei könnten Entwicklungen der letzten Jahre eine Rolle gespielt haben. Saudiarabien hat den USA nach 1991 aus religiösen Gründen jede weitere Truppenstationierung auf seinem Territorium untersagt. Ausserdem wird Ryadh von den USA verdächtigt, den religiösen Terror inklusive der Al Kaida weiterhin heimlich zu unterstützen.
Peters bezeichnet die Saudis als „das bigotteste und repressivste Regime“ der Region, dessen Ölreichtum „gänzlich unverdient“ sei. Daher soll dieser Staat von allen Seiten beschnitten werden. Im Südwesten gehen Erdöl-Gebiete an einen vergrösserten Jemen, dessen Stämme seit je den wahabitischen Sektierern der Saud-Familie jede Legitimität absprechen. Im Nordosten werden die saudischen Ölgebiete einem neu zu schaffenden, schiitischen Irak-Staat angegliedert. Und im Nord-westen verliert Saudien viel Land an Jordanien, dass als Dank für Gefügigkeit zu „Gross-Jordanien“ werden darf. Das Gebiet um Mekka und Medina soll von Ryadh abgetrennt und von einem Rat verwaltet werden, der von allen moslemischen Richtungen und Schulen beschickt wird: Das Heiligtum der Kaaba soll moslemisch internationalisiert werden. Ein islamischer Super-Vatikan soll entstehen, auf den die Saudis keinen Einfluss mehr haben. Was dann übrig bleibt, ist meist Wüste. Schon einmal hatte die Familie Saud nur ein Stück Wüste regiert, bis dann Abdel Aziz nach blutigen Feldzügen der Sturz der Haschemiten und 1932 die Staatsgründung gelang. Kuwait und die Golfemirate dürfen, so zeigt sich Peters gnädig, als bisher schon treue Diener der USA bestehen bleiben,
Wer brav ist, darf gross werden
Teil 2: Pentagons „Blutgrenzen“ in Nahost - Umstrittene US-Pläne
sfux - 2. Okt, 08:03 Article 9463x read