Schweizer Neutralität geopfert?
Stephan Fuchs – Darauf waren wir stolz, darauf haben Länder in Krisenzeiten vertraut: Die Schweizer Neutralität. Verhandlungen auf sicherem Boden. Offensichtlich war die Neutralität nicht erst jetzt an der Nordwand durch den tragischen Unfall einem deutschen Tornado geopfert worden, sondern sie wurde, wie ein Schweizer Käse, schon lange ausgehöhlt. Wäre der deutsche Jet nicht abgestürzt, es hätte niemand gewusst, dass in der Schweiz überhaupt ausländische Jets Übungsflüge absolvieren – im Gegenzug trainieren Schweizer Jets im Ausland.
Man muss sich schon fragen, was teutonische Kampfflugzeuge im Lauterbrunnental zu suchen haben.
Simulation des Tornado-Flug bei den Trümmelbach-Wasserfällen im Lauterbrunnental.
Simulation des Tornado-Flugs bei Stechelsberg an der Schilthorn-Seilbahn im Lauterbrunnental.
3D-modeling: Peter Bratt (UK)
Szenerie, 3D-rendering und Montage: Harald Haack (D
Die Armee hat ungenügend Informiert
Die große Mehrheit der Bevölkerung wusste es nicht, war erstaunt ob der partnerschaftlichen Verträge. Die Reaktionen sind klar:
„Offenbar hat der Bundesrat neben dem Überflugsrecht über unser Land, das er längstens den verschiedensten Fluggesellschaften zugestanden hat, einigen NATO-Ländern die Erlaubnis gegeben, in unseren Alpentälern Übungsflüge mit Hochleistungsflugzeugen durchzuführen, obwohl er wissen mußte, wie allergisch ein großer Teil unserer Bevölkerung auf den Gehör zerstörenden Kampfjetfluglärm ist (Franz-Weber-Initiative mit weit über hunderttausend Unterschriften). Und das, ohne dass die Mitglieder der sicherheitspolitischen Kommissionen des National- und des Ständerats orientiert waren! Unglaublich!“ *
Eidgenossen wittern den Landesverrat selbst auf höchster militärischer Ebene:
„Haben wir unsere Souveränität de facto bereits an die NATO abgetreten? Man muss sich schon fragen, was teutonische Kampfflugzeuge im Lauterbrunnental zu suchen haben. Offensichtlich hat der für seinen mangelnden Respekt gegenüber dem Volkswillen berüchtigte Generalissimus Keckeis den Anschluss an die NATO bereits vollzogen.“ *
und
„Persönlich glaube ich immer mehr, dass unsere Militärflugplätze früher oder später in NATO-Hand sein werden, auch wenn man dies heute noch dementiert. Man kann das Ganze nämlich auch verwässern und mittels «Freundschaftspakten» so aushöhlen, dass am Schluss eben ausländische Bündnisse das Sagen haben. Warten wir’s ab.“ *
Das Volk zürnt
Als ein Schlag ins Gesicht empfinden die sich von der eigenen Armee verschaukelten Schweizer etwa, dass nicht der Drei-Sterne-General und Chef der Armee, Christophe Keckeis, oder SVP Verteidigungsminister Samuel Schmid an die „Front erzürnter Eidgenossen“ geschickt wurde, sondern nur der Pressesprecher Jürg Nussbaum. Gerade Keckeis, hätte dazu einiges zu sagen: Er kommandiert die beiden Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe, er wurde 1966 Pilot im Überwachungsgeschwader (UeG) und war danach ab 1968 über lange Jahre Berufsmilitärpilot mit bisher über 5.000 Flugstunden. 1974 wurde er Hauptmann und pilotierte eine Mirage IIIS. Ein Flieger-Profi, der den verwirrten Eidgenossen vieles klar und vielleicht richtig stellen konnte. Er tat es nicht.
Süffisant schreibt die rechts-konservative Zeitung Schweizerzeit von SVP Nationalrat Ulrich Schlüer:
„Dass Kampfpiloten, vorgesehen für politisch hoch brisanten Einsatz in einem äußerst gefährlichen internationalen Konflikt, in der neutralen Schweiz trainieren - das ist für Herrn Keckeis offensichtlich quantité negligeable. Neutralität? Unwert, darüber von hoher Armee-Warte noch Worte zu verlieren. Man erinnert sich: Schon vor Jahren wurde von der Armee-Spitze die Ansicht verbreitet, Neutralität sei etwas, das man getrost stillem Absterben überlassen könne.“
Laut Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), die als Bewilligungsbehörde auch dafür verantwortlich wäre, dass topografische Verhältnisse gebrieft werden, war es dem Piloten erlaubt gewesen mit einer Maximalgeschwindigkeit von 450 Stundenkilometer bis auf 300 Meter über Grund zu fliegen. Die Talbewohner protestierten mit außergewöhnlicher Schärfe gegen diese „gemeingefährliche Aussage“ eines Bundesamtes und die Berner Zeitung zitiert:
„Die Breite unseres Talbodens beträgt meistens weniger als 500 Meter, und an einigen Stellen ist bei einer Flughöhe von 300 Metern die Distanz zwischen den Felswänden weniger als 800 Meter. Zum Zeitpunkt des Tieffluges waren etliche Gleitschirme im Landeanflug, und die Helikopter der Basis Lauterbrunnen sind auch häufig im Einsatz. Hätte der tief fliegende Tornado plötzlich nach rechts (Westen) ausweichen müssen, wäre eine Kollision mit den Tragseilen der Schilthornbahn vorprogrammiert gewesen. Falls unsere Politiker die Notlage erkennen können, ist es jetzt allerhöchste Zeit, dass bei bestimmten Stellen des Verkehrsdepartementes mit größter Schärfe für Ordnung gesorgt wird. Zudem sind die Amtsträger und Behörden aller Gebirgstäler aufgefordert, eine sofortige Verschärfung der Gesetze für den Luftraum in unseren Tälern durchzusetzen, das heißt also ein völliges Verbot von Tiefflügen!“
Politiker wussten nichts
“Von Übungsflügen in dieser Art habe ich noch nicht gehört“, erklärt Nationalrat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) Paul Günter (SP) aus Därligen. „Übungen von ausländischen Jets wurden früher angekündigt“, meint Nationalrat Boris Banga, Sicherheitsexperte der SP. Banga findet solche Übungsflüge bedenklich, der Schweizer Luftraum sei schon so zu klein und beengt.
Die Tornado 46/47 kurz vor dem Take-off in Emmen
Das einzige, was für die Bundeswehr in der Schweiz wohl Trainingswert habe, seien die Berge. „Das riecht ein bisschen nach Ausbildung für Einsätze in Afghanistan.“ „Das ist der offizielle Beweis, dass die Schweiz kein neutrales Land ist“, erklärte Franz Weber, der die Initiative „Gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten“ lanciert hatte. „Wenn die Initiative angenommen wäre, hätte der Flug nicht stattgefunden.“ Weber will mit einem offenen Brief an VBS-Vorsteher Samuel Schmid gelangen und eine Erklärung des Vorfalls verlangen.
Der Bundesrat und der Armeeschef Keckeis täten vielleicht gut daran, ihr Volk darüber aufzuklären, wer hier für was trainiert. Aber vermutlich sind die NATO und „geheime Abkommen“ wichtiger als das Recht der Eidgenossen, sich nicht in kriegerische Konflikte einlassen zu müssen. Mit der Opferung des Status Neutralität wird auch die Schweiz zur Kriegszone. Dann, mit Recht.
* Die Zitate stammen aus Leserbriefen, die Namen sind der Redaktion bekannt
Flugdatenschreiber des deutschen Tornado gefunden
Schweizer Behörden schuld am Tornado-Absturz?
Verkommt die Schweiz zum Kriegstrainingslager für Afghanistan?
Deutscher Tornado – Mal schnell über den Gletscher ziehen
Kein Witz - Bundeswehr-Tornado bei Lauterbrunnen abgestürzt
Man muss sich schon fragen, was teutonische Kampfflugzeuge im Lauterbrunnental zu suchen haben.
Simulation des Tornado-Flug bei den Trümmelbach-Wasserfällen im Lauterbrunnental.
Simulation des Tornado-Flugs bei Stechelsberg an der Schilthorn-Seilbahn im Lauterbrunnental.
3D-modeling: Peter Bratt (UK)
Szenerie, 3D-rendering und Montage: Harald Haack (D
Die Armee hat ungenügend Informiert
Die große Mehrheit der Bevölkerung wusste es nicht, war erstaunt ob der partnerschaftlichen Verträge. Die Reaktionen sind klar:
„Offenbar hat der Bundesrat neben dem Überflugsrecht über unser Land, das er längstens den verschiedensten Fluggesellschaften zugestanden hat, einigen NATO-Ländern die Erlaubnis gegeben, in unseren Alpentälern Übungsflüge mit Hochleistungsflugzeugen durchzuführen, obwohl er wissen mußte, wie allergisch ein großer Teil unserer Bevölkerung auf den Gehör zerstörenden Kampfjetfluglärm ist (Franz-Weber-Initiative mit weit über hunderttausend Unterschriften). Und das, ohne dass die Mitglieder der sicherheitspolitischen Kommissionen des National- und des Ständerats orientiert waren! Unglaublich!“ *
Eidgenossen wittern den Landesverrat selbst auf höchster militärischer Ebene:
„Haben wir unsere Souveränität de facto bereits an die NATO abgetreten? Man muss sich schon fragen, was teutonische Kampfflugzeuge im Lauterbrunnental zu suchen haben. Offensichtlich hat der für seinen mangelnden Respekt gegenüber dem Volkswillen berüchtigte Generalissimus Keckeis den Anschluss an die NATO bereits vollzogen.“ *
und
„Persönlich glaube ich immer mehr, dass unsere Militärflugplätze früher oder später in NATO-Hand sein werden, auch wenn man dies heute noch dementiert. Man kann das Ganze nämlich auch verwässern und mittels «Freundschaftspakten» so aushöhlen, dass am Schluss eben ausländische Bündnisse das Sagen haben. Warten wir’s ab.“ *
Das Volk zürnt
Als ein Schlag ins Gesicht empfinden die sich von der eigenen Armee verschaukelten Schweizer etwa, dass nicht der Drei-Sterne-General und Chef der Armee, Christophe Keckeis, oder SVP Verteidigungsminister Samuel Schmid an die „Front erzürnter Eidgenossen“ geschickt wurde, sondern nur der Pressesprecher Jürg Nussbaum. Gerade Keckeis, hätte dazu einiges zu sagen: Er kommandiert die beiden Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe, er wurde 1966 Pilot im Überwachungsgeschwader (UeG) und war danach ab 1968 über lange Jahre Berufsmilitärpilot mit bisher über 5.000 Flugstunden. 1974 wurde er Hauptmann und pilotierte eine Mirage IIIS. Ein Flieger-Profi, der den verwirrten Eidgenossen vieles klar und vielleicht richtig stellen konnte. Er tat es nicht.
Süffisant schreibt die rechts-konservative Zeitung Schweizerzeit von SVP Nationalrat Ulrich Schlüer:
„Dass Kampfpiloten, vorgesehen für politisch hoch brisanten Einsatz in einem äußerst gefährlichen internationalen Konflikt, in der neutralen Schweiz trainieren - das ist für Herrn Keckeis offensichtlich quantité negligeable. Neutralität? Unwert, darüber von hoher Armee-Warte noch Worte zu verlieren. Man erinnert sich: Schon vor Jahren wurde von der Armee-Spitze die Ansicht verbreitet, Neutralität sei etwas, das man getrost stillem Absterben überlassen könne.“
Laut Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), die als Bewilligungsbehörde auch dafür verantwortlich wäre, dass topografische Verhältnisse gebrieft werden, war es dem Piloten erlaubt gewesen mit einer Maximalgeschwindigkeit von 450 Stundenkilometer bis auf 300 Meter über Grund zu fliegen. Die Talbewohner protestierten mit außergewöhnlicher Schärfe gegen diese „gemeingefährliche Aussage“ eines Bundesamtes und die Berner Zeitung zitiert:
„Die Breite unseres Talbodens beträgt meistens weniger als 500 Meter, und an einigen Stellen ist bei einer Flughöhe von 300 Metern die Distanz zwischen den Felswänden weniger als 800 Meter. Zum Zeitpunkt des Tieffluges waren etliche Gleitschirme im Landeanflug, und die Helikopter der Basis Lauterbrunnen sind auch häufig im Einsatz. Hätte der tief fliegende Tornado plötzlich nach rechts (Westen) ausweichen müssen, wäre eine Kollision mit den Tragseilen der Schilthornbahn vorprogrammiert gewesen. Falls unsere Politiker die Notlage erkennen können, ist es jetzt allerhöchste Zeit, dass bei bestimmten Stellen des Verkehrsdepartementes mit größter Schärfe für Ordnung gesorgt wird. Zudem sind die Amtsträger und Behörden aller Gebirgstäler aufgefordert, eine sofortige Verschärfung der Gesetze für den Luftraum in unseren Tälern durchzusetzen, das heißt also ein völliges Verbot von Tiefflügen!“
Politiker wussten nichts
“Von Übungsflügen in dieser Art habe ich noch nicht gehört“, erklärt Nationalrat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) Paul Günter (SP) aus Därligen. „Übungen von ausländischen Jets wurden früher angekündigt“, meint Nationalrat Boris Banga, Sicherheitsexperte der SP. Banga findet solche Übungsflüge bedenklich, der Schweizer Luftraum sei schon so zu klein und beengt.
Die Tornado 46/47 kurz vor dem Take-off in Emmen
Das einzige, was für die Bundeswehr in der Schweiz wohl Trainingswert habe, seien die Berge. „Das riecht ein bisschen nach Ausbildung für Einsätze in Afghanistan.“ „Das ist der offizielle Beweis, dass die Schweiz kein neutrales Land ist“, erklärte Franz Weber, der die Initiative „Gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten“ lanciert hatte. „Wenn die Initiative angenommen wäre, hätte der Flug nicht stattgefunden.“ Weber will mit einem offenen Brief an VBS-Vorsteher Samuel Schmid gelangen und eine Erklärung des Vorfalls verlangen.
Der Bundesrat und der Armeeschef Keckeis täten vielleicht gut daran, ihr Volk darüber aufzuklären, wer hier für was trainiert. Aber vermutlich sind die NATO und „geheime Abkommen“ wichtiger als das Recht der Eidgenossen, sich nicht in kriegerische Konflikte einlassen zu müssen. Mit der Opferung des Status Neutralität wird auch die Schweiz zur Kriegszone. Dann, mit Recht.
* Die Zitate stammen aus Leserbriefen, die Namen sind der Redaktion bekannt
Flugdatenschreiber des deutschen Tornado gefunden
Schweizer Behörden schuld am Tornado-Absturz?
Verkommt die Schweiz zum Kriegstrainingslager für Afghanistan?
Deutscher Tornado – Mal schnell über den Gletscher ziehen
Kein Witz - Bundeswehr-Tornado bei Lauterbrunnen abgestürzt
sfux - 19. Apr, 08:24 Article 5611x read