Rückblick: Hans Müller - Arzt im kommunistischen China
Dr. Alexander von Paleske ---- 23.8. 2008 --- China hat einen langen Weg hinter sich von einem der ärmsten Lander der Welt ohne nennenswerte Infrastruktur im Jahre 1949, als die kommunistische Partei unter Mao die Macht übernahm, bis zu einer der grössten Industrienationen und der Ausrichtung der olympischen Spiele jetzt.
Der nachfolgende Artikel berichtet über eine aussergewöhnliche Persönlichkeit, die an der Entwicklung des Gesundheitswesens in China entscheidend mitgewirkt hat, den deutschen Arzt Hans Müller und der Artikel hat meinerseits eine Vorgeschichte.
Letztes Jahr berichtete ich in einem Artikel ueber die deutliche Zunahme der sexuell übertragbaren Erkrankungen in der Volksrepublik China, die nach 1949 nahezu ausgerottet worden waren. Diesen ausserordentlich erfolgreichen „Ausrottungsfeldzug“ leitete seinerzeit George Hatem, ein US-amerikanischer Arzt libanesischer Abstammung, der sich nach Abschluss seines Medizinstudiums in den USA, Beirut und Genf Maos Kommunisten angeschlossen hatte.
George Hatem war jedoch nicht alleine. Vielmehr hatte auch der deutsche Arzt Hans Müller einen grossen Anteil an der Entwicklung des Gesundheitswesens in China und der Ausbildung chinesischer Ärzte.
Dabei spiegeln sich in dem Schicksal des Arztes Müller all die Katastrophen und Krisen des vergangenen Jahrhunderts wieder, nämlich die Judenverfolgung mit dem Holocaust, der Kampf Chinas gegen die japanischen Truppen, der chinesische Bürgerkrieg, die Kulturrevolution, und schliesslich die Oeffnung Chinas.
Aber über Hans Müller ist – zumindest in Deutschland –so gut wie nichts bekannt. Dabei war Hans Müller, der von 1915 bis 1994 lebte und den grössten Teil seines Lebens als Internist in China verbrachte, in China eine weithin bekannte und hochgeachtete Persönlichkeit. Erst jüngst wurde ein Bildband über ihn herausgebracht, in welchem sein Leben dargestellt und seine Arbeit in China gewürdigt wird.
Hans Müller, Foto: Archiv Familie Müller
Ich versuchte mehr über Hans Müller zu erfahren und begab mich auf Spurensuche, die mich zunächst in das Internet und dann in die Schweiz führte, dort lebt mittlerweile seine Tochter Mimi als Computer-Software Spezialistin. Vergangene Woche traf ich sie in Zürich.
Mimi Müller - Foto: Dr. v. Paleske
Eine Reise nach Yenan
Hans Müllers Vater, Simon Müller war jüdischer Grosskaufmann in Düsseldorf. Seine Frau Henriette war die Nichte des jüdischen Hamburger Reeders Albert Ballin, seinerzeit Generaldirektor der HAPAG.Der Ballindamm an der Innenalster in Hamburg ist nach ihm benannt.
Simon und Henriette Müllers einziger Sohn, Hans Müller, am 13.1.1915 in Düsseldorf geboren, ging nach dem Schulbesuch 1933 zum Studium der Medizin nach Basel..
Simon Müller wurde in das KZ Theresienstadt deportiert, seine Frau liess man als „Mischling ersten Grades“ und engem Verwandten von Albert Ballin, dem seinerzeitigen engen Freund und Berater des letzten deutschen Kaisers unbehelligt.
Hans Müller schloss sein Studium 1939 ab und promovierte mit Auszeichnung zum Dr. med. mit einer Arbeit über den plötzlichen Herztod nach Stromunfällen..
Eine Rückkehr nach Nazi-Deutschland kam für ihn nach Abschluss des Studiums wegen der drohenden Deportation in ein Konzentrationslager nicht in Frage. Ein Kommilitone aus China berichtete ihm über den Krieg gegen die japanischen Truppen in China, den langen Marsch von Maos Armee nach Yenan sowie dem dramatischen Mangel an Ärzten dort.
Hans Müller beschloss daraufhin, als Arzt nach China zu gehen und schiffte sich ein.
In Hong Kong traf er auf Madame Sung Ching-ling (die Witwe des buergerlichen Revolutionaers Sun Yat Sen), die ihn an Maos Verbindungsleute weiterempfahl. Im Herbst 1939 traf er in Yenan ein, wo sich Maos Truppen verschanzt hatten.
Er wurde auf eigenen Wunsch an die Front zur 8. RouteArmee zugeteilt, die unter dem Oberbefehl von Tsu Teh (Zhu De) stand, der selbst in Deutschland studiert hatte und sich mit Vorliebe mit Hans Müller in Deutsch unterhielt.
Weit ist der Weg nach Deutschland
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wollte Hans Müller in seine deutsche Heimat zurückkehren. Die Dixie Mission der US Armee (United States Army Observation Group), die als eine Art Verbindungsbüro nach Yenan im Jahre 1944 gekommen war, wurde 1947 abgezogen. Aber für ihn war in deren Flugzeugen angeblich kein Platz und so machte er sich, mit einem Empfehlungsschreiben Tsu Tehs versehen, zu Fuss auf den Weg nach Deutschland -soweit die Füsse tragen-.
Er beabsichtigte Deutschland über die Sowjetunion zu erreichen.
Weit kam er allerdings nicht, vielmehr traf er auf seine ehemaligen chinesischen Armeevorgesetzten, die ihn überzeugten in China zu bleiben und im chinesischen Bürgerkrieg (zwischen Mao und Chiang Kai-shek) als Arzt weiterhin zu helfen. Nach einiger Ueberlegung fasste Hans Müller den Entschluss, sein weiteres Leben in China zu verbringen.
China forever
Die Nachricht vom Tode seines Vaters, der das KZ Theresienstadt überlebt hatte und 1953 in Hamburg starb erreichte ihn ebensowenig wie die Nachricht, dass seine Mutter bis nach Schanghai gekommen war (besetzt von Chiang Kai-shek), ihm aber nicht nach Yenan folgen konnte (besetzt von Mao) und 1945 nach Deutschland zurückkehrte.
Hans Müller heiratete 1949 die japanische Krankenschwester Nakamura Kyoko. Sie war von den japanischen Truppen weggelaufen und hatte sich ebenfalls der 8. Route Armee angeschlossen.
Foto: Archiv Familie Müller
Nach der Machtübernahme Maos im Jahre 1949 wurde er im August 1949 Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium und im Mai 1950 Präsident und Professor der Universität in Changchun. 1951 wurde Hans Müller chinesischer Staatsbürger. Schliesslich wurde er im Jahre 1962 nach einer schweren Herzerkrankung Professor am Pekinger Jishuitan Hospital und im Jahre 1972 Vizepräsident der medizinischen Universität von Peking.
Foto: Archiv Familie Müller
Professor Müllers Hauptinteresse galt der Gastroeneterologie und hier vor allem den Lebererkrankungen. Er trieb die chinesische Entwicklung von Impfstoffen gegen die Hepatitis B voran und kooperierte nach der Öffnung Chinas mit dem japanischen Professor Nishioka Kusuya und mehreren US-amerikanischen Universitäten.
Während der Kulturrevolution liess man Professor Müller weitgehend unbehelligt, er machte allerdings aus seiner Ablehnung dieser Entwicklung kein Hehl, hielt sich aber mit jedweden öffentlichen Stellungnahmen politischer Art zurück. Er setzte sich aber beispielsweise für den Sohn eines Freundes, der politisch verfolgt wurde, mit einem persönlichen Schreiben an Mao ein.
Reisen ins Ausland
Im Jahre 1971 beantragte Hans Müller erstmals für sich ein Visum für einen Besuch der Schwiegereltern in Japan, was damals aber von der japanischen Regierung abgelehnt wurde.
Erst ein Jahr später konnte er dorthin reisen. Auf der Rückreise durch Hongkong versuchte der britische Geheimdienst ihn zu überreden, nicht nach China zurückzukehren. Dieses Ansinnen wies er empört zurück.
1974 besuchte Prof. Müller erstmals nach fast 40 Jahren wieder Deutschland und traf in Hamburg mit den Ballin-Nachfahren zusammen. In den darauffolgenden Jahren war er mehrfach zu Besuch in Deutschland und in der Schweiz, seine Tochter Mimi hatte 1976 einen Schweizer geheiratet.
Keine Ehrung aus Deutschland
George Hatem wurde in den USA für seine Arbeit in China mit dem hochangesehenen Lasker Preis ausgezeichnet. Von einer wie auch immer gearteten Ehrung Prof. Müllers seitens seiner Heimatstadt Düsseldorf, der Bundesregierung oder der deutschen Ärzteschaft– trotz seiner chinesischen Staatsangehörigkeit wurde er in China immer als Deutscher angesehen – ist diesseits nichts bekannt.
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Der nachfolgende Artikel berichtet über eine aussergewöhnliche Persönlichkeit, die an der Entwicklung des Gesundheitswesens in China entscheidend mitgewirkt hat, den deutschen Arzt Hans Müller und der Artikel hat meinerseits eine Vorgeschichte.
Letztes Jahr berichtete ich in einem Artikel ueber die deutliche Zunahme der sexuell übertragbaren Erkrankungen in der Volksrepublik China, die nach 1949 nahezu ausgerottet worden waren. Diesen ausserordentlich erfolgreichen „Ausrottungsfeldzug“ leitete seinerzeit George Hatem, ein US-amerikanischer Arzt libanesischer Abstammung, der sich nach Abschluss seines Medizinstudiums in den USA, Beirut und Genf Maos Kommunisten angeschlossen hatte.
George Hatem war jedoch nicht alleine. Vielmehr hatte auch der deutsche Arzt Hans Müller einen grossen Anteil an der Entwicklung des Gesundheitswesens in China und der Ausbildung chinesischer Ärzte.
Dabei spiegeln sich in dem Schicksal des Arztes Müller all die Katastrophen und Krisen des vergangenen Jahrhunderts wieder, nämlich die Judenverfolgung mit dem Holocaust, der Kampf Chinas gegen die japanischen Truppen, der chinesische Bürgerkrieg, die Kulturrevolution, und schliesslich die Oeffnung Chinas.
Aber über Hans Müller ist – zumindest in Deutschland –so gut wie nichts bekannt. Dabei war Hans Müller, der von 1915 bis 1994 lebte und den grössten Teil seines Lebens als Internist in China verbrachte, in China eine weithin bekannte und hochgeachtete Persönlichkeit. Erst jüngst wurde ein Bildband über ihn herausgebracht, in welchem sein Leben dargestellt und seine Arbeit in China gewürdigt wird.
Hans Müller, Foto: Archiv Familie Müller
Ich versuchte mehr über Hans Müller zu erfahren und begab mich auf Spurensuche, die mich zunächst in das Internet und dann in die Schweiz führte, dort lebt mittlerweile seine Tochter Mimi als Computer-Software Spezialistin. Vergangene Woche traf ich sie in Zürich.
Mimi Müller - Foto: Dr. v. Paleske
Eine Reise nach Yenan
Hans Müllers Vater, Simon Müller war jüdischer Grosskaufmann in Düsseldorf. Seine Frau Henriette war die Nichte des jüdischen Hamburger Reeders Albert Ballin, seinerzeit Generaldirektor der HAPAG.Der Ballindamm an der Innenalster in Hamburg ist nach ihm benannt.
Simon und Henriette Müllers einziger Sohn, Hans Müller, am 13.1.1915 in Düsseldorf geboren, ging nach dem Schulbesuch 1933 zum Studium der Medizin nach Basel..
Simon Müller wurde in das KZ Theresienstadt deportiert, seine Frau liess man als „Mischling ersten Grades“ und engem Verwandten von Albert Ballin, dem seinerzeitigen engen Freund und Berater des letzten deutschen Kaisers unbehelligt.
Hans Müller schloss sein Studium 1939 ab und promovierte mit Auszeichnung zum Dr. med. mit einer Arbeit über den plötzlichen Herztod nach Stromunfällen..
Eine Rückkehr nach Nazi-Deutschland kam für ihn nach Abschluss des Studiums wegen der drohenden Deportation in ein Konzentrationslager nicht in Frage. Ein Kommilitone aus China berichtete ihm über den Krieg gegen die japanischen Truppen in China, den langen Marsch von Maos Armee nach Yenan sowie dem dramatischen Mangel an Ärzten dort.
Hans Müller beschloss daraufhin, als Arzt nach China zu gehen und schiffte sich ein.
In Hong Kong traf er auf Madame Sung Ching-ling (die Witwe des buergerlichen Revolutionaers Sun Yat Sen), die ihn an Maos Verbindungsleute weiterempfahl. Im Herbst 1939 traf er in Yenan ein, wo sich Maos Truppen verschanzt hatten.
Er wurde auf eigenen Wunsch an die Front zur 8. RouteArmee zugeteilt, die unter dem Oberbefehl von Tsu Teh (Zhu De) stand, der selbst in Deutschland studiert hatte und sich mit Vorliebe mit Hans Müller in Deutsch unterhielt.
Weit ist der Weg nach Deutschland
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wollte Hans Müller in seine deutsche Heimat zurückkehren. Die Dixie Mission der US Armee (United States Army Observation Group), die als eine Art Verbindungsbüro nach Yenan im Jahre 1944 gekommen war, wurde 1947 abgezogen. Aber für ihn war in deren Flugzeugen angeblich kein Platz und so machte er sich, mit einem Empfehlungsschreiben Tsu Tehs versehen, zu Fuss auf den Weg nach Deutschland -soweit die Füsse tragen-.
Er beabsichtigte Deutschland über die Sowjetunion zu erreichen.
Weit kam er allerdings nicht, vielmehr traf er auf seine ehemaligen chinesischen Armeevorgesetzten, die ihn überzeugten in China zu bleiben und im chinesischen Bürgerkrieg (zwischen Mao und Chiang Kai-shek) als Arzt weiterhin zu helfen. Nach einiger Ueberlegung fasste Hans Müller den Entschluss, sein weiteres Leben in China zu verbringen.
China forever
Die Nachricht vom Tode seines Vaters, der das KZ Theresienstadt überlebt hatte und 1953 in Hamburg starb erreichte ihn ebensowenig wie die Nachricht, dass seine Mutter bis nach Schanghai gekommen war (besetzt von Chiang Kai-shek), ihm aber nicht nach Yenan folgen konnte (besetzt von Mao) und 1945 nach Deutschland zurückkehrte.
Hans Müller heiratete 1949 die japanische Krankenschwester Nakamura Kyoko. Sie war von den japanischen Truppen weggelaufen und hatte sich ebenfalls der 8. Route Armee angeschlossen.
Foto: Archiv Familie Müller
Nach der Machtübernahme Maos im Jahre 1949 wurde er im August 1949 Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium und im Mai 1950 Präsident und Professor der Universität in Changchun. 1951 wurde Hans Müller chinesischer Staatsbürger. Schliesslich wurde er im Jahre 1962 nach einer schweren Herzerkrankung Professor am Pekinger Jishuitan Hospital und im Jahre 1972 Vizepräsident der medizinischen Universität von Peking.
Foto: Archiv Familie Müller
Professor Müllers Hauptinteresse galt der Gastroeneterologie und hier vor allem den Lebererkrankungen. Er trieb die chinesische Entwicklung von Impfstoffen gegen die Hepatitis B voran und kooperierte nach der Öffnung Chinas mit dem japanischen Professor Nishioka Kusuya und mehreren US-amerikanischen Universitäten.
Während der Kulturrevolution liess man Professor Müller weitgehend unbehelligt, er machte allerdings aus seiner Ablehnung dieser Entwicklung kein Hehl, hielt sich aber mit jedweden öffentlichen Stellungnahmen politischer Art zurück. Er setzte sich aber beispielsweise für den Sohn eines Freundes, der politisch verfolgt wurde, mit einem persönlichen Schreiben an Mao ein.
Reisen ins Ausland
Im Jahre 1971 beantragte Hans Müller erstmals für sich ein Visum für einen Besuch der Schwiegereltern in Japan, was damals aber von der japanischen Regierung abgelehnt wurde.
Erst ein Jahr später konnte er dorthin reisen. Auf der Rückreise durch Hongkong versuchte der britische Geheimdienst ihn zu überreden, nicht nach China zurückzukehren. Dieses Ansinnen wies er empört zurück.
1974 besuchte Prof. Müller erstmals nach fast 40 Jahren wieder Deutschland und traf in Hamburg mit den Ballin-Nachfahren zusammen. In den darauffolgenden Jahren war er mehrfach zu Besuch in Deutschland und in der Schweiz, seine Tochter Mimi hatte 1976 einen Schweizer geheiratet.
Keine Ehrung aus Deutschland
George Hatem wurde in den USA für seine Arbeit in China mit dem hochangesehenen Lasker Preis ausgezeichnet. Von einer wie auch immer gearteten Ehrung Prof. Müllers seitens seiner Heimatstadt Düsseldorf, der Bundesregierung oder der deutschen Ärzteschaft– trotz seiner chinesischen Staatsangehörigkeit wurde er in China immer als Deutscher angesehen – ist diesseits nichts bekannt.
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
onlinedienst - 23. Aug, 07:10 Article 19695x read