Untergang des Qualitätsjournalismus? - oder: Josef Joffe und seine Albträume
Dr. Alexander von Paleske - Der ZEIT- Mitherausgeber Josef Joffe leidet offenbar an Schlafstörungen. Schuld sind die Albträume die ihn quälen, die Albträume vom Untergang der Tageszeitungen und mit ihnen der angebliche Untergang des Qualitätsjournalismus (ZEIT 18 vom 23.4.2009 Seite 12).
Es ist nicht das erste Mal, dass Josef Joffe uns über diese, seine Albträume, berichtet. Der Aufhänger ist diesmal die New York Times (NYT), das Flaggschiff des Qualitätsjournalismus in den USA, die in Schwierigkeiten steckt.
Zum Teil sind die Probleme bei der NYT hausgemacht, wie der Kauf der Herald Tribune, zum Teil aber sind sie strukturell bedingt, also Probleme, welche allen Printmedien gegenwärtig zu schaffen machen, darüber hatten wir mehrfach berichtet.
Joffes Ausweg: „ Den Netznomaden“, wie er die Internetsurfer nennt, „muss irgendwie Geld abgenommen werden“. In der gleichen Ausgabe der ZEIT auf Seite 1 schreibt Susanne Gaschke wieder einmal über die Internet Piraterie und sieht den professionellen Journalismus durch den „Jedermann-Journalismus“ wie sie den Bürgerjournalismus abfällig nennt, bedroht.
Die Zukunft einer Illusion?
Den Gegegenpol zu diesem Gejammere vertritt Clay Shirky in seinem Essay „Newspapers and thinking the unthinkable“
Sein Credo ist „Wir brauchen Journalismus“ – und meint damit guten Journalismus – „nicht Zeitungen“. Den Zeitungen und ihren Verlegern wirft er illusionäre Träume vor, eine Revolution sei im Gange, und das Alte gehe zugrunde, bevor etwas Neues enstanden sei.
Wer hat recht?
Tasache ist, dass es richtig unabhängigen Journalismus, also wirklichen Qualitätsjournalismus, der Rücksicht auf nichts anderes als die Wahrheit nimmt, nur in der Minderzahl gibt. Tendenz: weiter fallend.
Die Masse der Journalisten sitzt eingepfercht zwichen ihrem Ethos einerseits und den Vorgaben der Herausgeber andererseits. Qualvoller Journalismus, nicht Qualitätsjournalismus ist das, was sich dann abspielt. Noch dazu schlechter und schlechter bezahlt.
Zu den Vorgaben der Veleger und deren Chefredakteuren gehört: Bringt, was die Auflage hochtreibt, und das ist oftmals mehr Sensation als Qualität und achtet darauf, dass uns die Werbekunden nicht weglaufen. Ausserdem folgt der politischen Linie des Blattes (Meinungsjournalismus). Besonders schlimme Beispiele hierfür sind Rupert Murdoch mit seinen Apparatschicks und seinerzeit Axel Springer, auch wenn Joffe uns zu suggerieren versucht, Murdochs Wall Street Journal recherchiere tiefer und sei besser redigiert.
Unabhängigen Qualitätsjournalismus hat es bei Murdoch noch nie gegeben und wird es wohl - nach den bisher gemachten Erfahrungen - auch in derZukunft nicht geben. Dieser Murdoch-Journalismus verdient es nicht, aufrechterhalten zu werden.
Druckerpresse unter Druck
Es besteht kein Zweifel, dass die Printmedien unter Druck stehen, wir haben uns mehrfach damit beschäftigt, die Tagespresse mehr als die Wochenpresse die –vorerst – jedenfalls weitgehend verschont ist . Aber sind die Tageszeitungen denn wirklich eine absolute Notwendigkeit, anders: Kann es guten Journalismus nur mit den Printmedien geben?
Die Printmedien waren seinerzeit eine Notwendigkeit, weil anders der Transport der Ware Nachricht gar nicht möglich war. Das änderte sich erst teilweise mit der Einführung von Rundfunk und Fernsehen, weil nun andere Transportmedien der Nachricht neben die Printmedien traten.
Aber die Printmedien hatten, bevor das Internet auf den Plan trat, wie auch Fernsehen und Radio exklusiven Zugang zu den Nachrichtenagenturen wie DPA, UPI, AP, AFP, XINHUA, TASS etc.
Wer also Zugang zu ausführlicheren Informationen haben wollte, war auf die Printmedien absolut angewiesen.
Damit ist es nun vorbei
Bei den Printmedien ist die gedruckte Ausgabe der Transporteur. Die Nachricht bzw. Info ist die eigentliche Ware, das wird leider zu oft vergessen und stattdessen das Printmedium mit der Ware gleichgesetzt.
Die Nachricht und selbst die gut recherchierte Reportage kosten nur einen Bruchteil dessen, was die die Printmedien letztlich verschlingen. Angefangen mit der Baumfällerei, Herstellung des Papiers, dem Druck und schliesslich noch dem Transport der Printmedien zum Kiosk oder Endverbraucher.
Es kann aber doch nicht angehen, dass mit der Verpackung das Geld verdient wird, nicht aber mit der Ware. Das hat noch nie auf Dauer funktioniert in der Massengesellschaft. Das ändert sich sofort, wenn es billigere und einfachere vor allem aber auch schnellere Verpackungs-und Transportmöglichkeiten gibt.
Die hat nun das Internet geschaffen.
Also, statt der von Joffe zitierten Kutschen nun die Automobile.
Umgekehrt konnte sich der Bürger nur über Leserbriefe - oder am Hyde Park Corner – Gehör, sehr begrenztes Gehör, verschaffen.
Auch das ist vorbei
Der Hyde Park Corner ist ins Internet gewandert. Jeder kann sich Gehör verschaffen. Mit Relevantem und mit Blödsinn. Das Internet hat die Kosten der Veröffentlichung ins Bodenlose fallen lassen.
Nun haben fast alle Zeitungen mittlerweile ebenfalls den Gang ins Internet angetreten, kostenfrei für den Besucher,weil sich nur bei Kostenfreiheit anständige Besucherzahlen herstellen lassen.
Die Hoffnung: Eines Tages auch dort – durch Werbung - Geld zu verdienen.
Ausserdem kann man Artikel, die es nicht schafften, in die Printausgabe "gehoben" zu werden - und in Spitzenmedien wie z.B. dem Spiegel landeten viele, selbst gute Artikel im Papierkorb - on-line abladen. Weniger Frustration für den oder die RedakteurIn, da wenigstens eine begrenzte Oeffentlichkeit den Artikel lesen wird.
Die Hoffnung auf grossartige Werbeeinnahmen ist eine Täuschung. Mit dem drastischen Fall der Kosten für die Herstellung fallen ebenfalls auch die Einnahmen durch die Werbung ins Bodenlose. Nur durch exzessive Massen an Besuchern (siehe Google) lässt sich im Internet richtig Geld verdienen. Nicht aber durch die an Zahlen vergleichbar bescheidenen Besucher von On-Line Präsentationen der Printmedien.
Auch die zweite Hoffnung, dass sich nämlich über den Online-Auftritt die Besucher animieren lassen, nun auch die jeweiligen Printmedien zu kaufen, ist eine grobe Täuschung. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Viele ehemals regelmässige Käufer von Printmedien surfen stattdessen – kostenfrei und schneller. Und sie lesen auch nur das, was sie interessiert.
Im Internet gibt es keine Treue, genausowenig wie es die im Fernsehen gibt. Surfing Internet ist angesagt. Und wo ein interessanter Kiosk steht, wird angehalten, heute hier und morgen da.
Wie wird es weitergehen?
Nach dem Absturz wird es sicherlich eine Neuorientierung geben.
Es wird drastisch weniger Printmedien geben, aber es wird sie wohl weiter geben. Aber nur dann kann mit ihnen Geld verdient werden, wenn sie über die tägliche Nachricht hinaus spannende Reportagen und gute Essays bringen, die sich nicht im Internet finden. Bei den reinen Nachrichten wird das Internet nicht zu schlagen sein, – abgesehen von den exklusiven Lokalnachrichten - . Zeitungen, die bloss noch aus Contentmanagern bestehen, denen dürfte alsbald die Stunde schlagen.
Josef Joffe mag träumen vom „Geld den Nomaden abnehmen“. Bis auf weiteres kann davon keine Rede sein. Und er muss selbst aufpassen. Der Abzug von kostenträchtigen stationären Korrespondenten, wie beispielsweise Bartholomäus Grill aus Südafrika und der Ersatz durch preiswertere sogenannte „Brennpunktreporter“, die von Brennpunkt zu Brennpunkt tingeln, könnte sein Blatt DIE ZEIT auf die Dauer erheblich unattraktiver machen.
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Es ist nicht das erste Mal, dass Josef Joffe uns über diese, seine Albträume, berichtet. Der Aufhänger ist diesmal die New York Times (NYT), das Flaggschiff des Qualitätsjournalismus in den USA, die in Schwierigkeiten steckt.
Zum Teil sind die Probleme bei der NYT hausgemacht, wie der Kauf der Herald Tribune, zum Teil aber sind sie strukturell bedingt, also Probleme, welche allen Printmedien gegenwärtig zu schaffen machen, darüber hatten wir mehrfach berichtet.
Joffes Ausweg: „ Den Netznomaden“, wie er die Internetsurfer nennt, „muss irgendwie Geld abgenommen werden“. In der gleichen Ausgabe der ZEIT auf Seite 1 schreibt Susanne Gaschke wieder einmal über die Internet Piraterie und sieht den professionellen Journalismus durch den „Jedermann-Journalismus“ wie sie den Bürgerjournalismus abfällig nennt, bedroht.
Die Zukunft einer Illusion?
Den Gegegenpol zu diesem Gejammere vertritt Clay Shirky in seinem Essay „Newspapers and thinking the unthinkable“
Sein Credo ist „Wir brauchen Journalismus“ – und meint damit guten Journalismus – „nicht Zeitungen“. Den Zeitungen und ihren Verlegern wirft er illusionäre Träume vor, eine Revolution sei im Gange, und das Alte gehe zugrunde, bevor etwas Neues enstanden sei.
Wer hat recht?
Tasache ist, dass es richtig unabhängigen Journalismus, also wirklichen Qualitätsjournalismus, der Rücksicht auf nichts anderes als die Wahrheit nimmt, nur in der Minderzahl gibt. Tendenz: weiter fallend.
Die Masse der Journalisten sitzt eingepfercht zwichen ihrem Ethos einerseits und den Vorgaben der Herausgeber andererseits. Qualvoller Journalismus, nicht Qualitätsjournalismus ist das, was sich dann abspielt. Noch dazu schlechter und schlechter bezahlt.
Zu den Vorgaben der Veleger und deren Chefredakteuren gehört: Bringt, was die Auflage hochtreibt, und das ist oftmals mehr Sensation als Qualität und achtet darauf, dass uns die Werbekunden nicht weglaufen. Ausserdem folgt der politischen Linie des Blattes (Meinungsjournalismus). Besonders schlimme Beispiele hierfür sind Rupert Murdoch mit seinen Apparatschicks und seinerzeit Axel Springer, auch wenn Joffe uns zu suggerieren versucht, Murdochs Wall Street Journal recherchiere tiefer und sei besser redigiert.
Unabhängigen Qualitätsjournalismus hat es bei Murdoch noch nie gegeben und wird es wohl - nach den bisher gemachten Erfahrungen - auch in derZukunft nicht geben. Dieser Murdoch-Journalismus verdient es nicht, aufrechterhalten zu werden.
Druckerpresse unter Druck
Es besteht kein Zweifel, dass die Printmedien unter Druck stehen, wir haben uns mehrfach damit beschäftigt, die Tagespresse mehr als die Wochenpresse die –vorerst – jedenfalls weitgehend verschont ist . Aber sind die Tageszeitungen denn wirklich eine absolute Notwendigkeit, anders: Kann es guten Journalismus nur mit den Printmedien geben?
Die Printmedien waren seinerzeit eine Notwendigkeit, weil anders der Transport der Ware Nachricht gar nicht möglich war. Das änderte sich erst teilweise mit der Einführung von Rundfunk und Fernsehen, weil nun andere Transportmedien der Nachricht neben die Printmedien traten.
Aber die Printmedien hatten, bevor das Internet auf den Plan trat, wie auch Fernsehen und Radio exklusiven Zugang zu den Nachrichtenagenturen wie DPA, UPI, AP, AFP, XINHUA, TASS etc.
Wer also Zugang zu ausführlicheren Informationen haben wollte, war auf die Printmedien absolut angewiesen.
Damit ist es nun vorbei
Bei den Printmedien ist die gedruckte Ausgabe der Transporteur. Die Nachricht bzw. Info ist die eigentliche Ware, das wird leider zu oft vergessen und stattdessen das Printmedium mit der Ware gleichgesetzt.
Die Nachricht und selbst die gut recherchierte Reportage kosten nur einen Bruchteil dessen, was die die Printmedien letztlich verschlingen. Angefangen mit der Baumfällerei, Herstellung des Papiers, dem Druck und schliesslich noch dem Transport der Printmedien zum Kiosk oder Endverbraucher.
Es kann aber doch nicht angehen, dass mit der Verpackung das Geld verdient wird, nicht aber mit der Ware. Das hat noch nie auf Dauer funktioniert in der Massengesellschaft. Das ändert sich sofort, wenn es billigere und einfachere vor allem aber auch schnellere Verpackungs-und Transportmöglichkeiten gibt.
Die hat nun das Internet geschaffen.
Also, statt der von Joffe zitierten Kutschen nun die Automobile.
Umgekehrt konnte sich der Bürger nur über Leserbriefe - oder am Hyde Park Corner – Gehör, sehr begrenztes Gehör, verschaffen.
Auch das ist vorbei
Der Hyde Park Corner ist ins Internet gewandert. Jeder kann sich Gehör verschaffen. Mit Relevantem und mit Blödsinn. Das Internet hat die Kosten der Veröffentlichung ins Bodenlose fallen lassen.
Nun haben fast alle Zeitungen mittlerweile ebenfalls den Gang ins Internet angetreten, kostenfrei für den Besucher,weil sich nur bei Kostenfreiheit anständige Besucherzahlen herstellen lassen.
Die Hoffnung: Eines Tages auch dort – durch Werbung - Geld zu verdienen.
Ausserdem kann man Artikel, die es nicht schafften, in die Printausgabe "gehoben" zu werden - und in Spitzenmedien wie z.B. dem Spiegel landeten viele, selbst gute Artikel im Papierkorb - on-line abladen. Weniger Frustration für den oder die RedakteurIn, da wenigstens eine begrenzte Oeffentlichkeit den Artikel lesen wird.
Die Hoffnung auf grossartige Werbeeinnahmen ist eine Täuschung. Mit dem drastischen Fall der Kosten für die Herstellung fallen ebenfalls auch die Einnahmen durch die Werbung ins Bodenlose. Nur durch exzessive Massen an Besuchern (siehe Google) lässt sich im Internet richtig Geld verdienen. Nicht aber durch die an Zahlen vergleichbar bescheidenen Besucher von On-Line Präsentationen der Printmedien.
Auch die zweite Hoffnung, dass sich nämlich über den Online-Auftritt die Besucher animieren lassen, nun auch die jeweiligen Printmedien zu kaufen, ist eine grobe Täuschung. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Viele ehemals regelmässige Käufer von Printmedien surfen stattdessen – kostenfrei und schneller. Und sie lesen auch nur das, was sie interessiert.
Im Internet gibt es keine Treue, genausowenig wie es die im Fernsehen gibt. Surfing Internet ist angesagt. Und wo ein interessanter Kiosk steht, wird angehalten, heute hier und morgen da.
Wie wird es weitergehen?
Nach dem Absturz wird es sicherlich eine Neuorientierung geben.
Es wird drastisch weniger Printmedien geben, aber es wird sie wohl weiter geben. Aber nur dann kann mit ihnen Geld verdient werden, wenn sie über die tägliche Nachricht hinaus spannende Reportagen und gute Essays bringen, die sich nicht im Internet finden. Bei den reinen Nachrichten wird das Internet nicht zu schlagen sein, – abgesehen von den exklusiven Lokalnachrichten - . Zeitungen, die bloss noch aus Contentmanagern bestehen, denen dürfte alsbald die Stunde schlagen.
Josef Joffe mag träumen vom „Geld den Nomaden abnehmen“. Bis auf weiteres kann davon keine Rede sein. Und er muss selbst aufpassen. Der Abzug von kostenträchtigen stationären Korrespondenten, wie beispielsweise Bartholomäus Grill aus Südafrika und der Ersatz durch preiswertere sogenannte „Brennpunktreporter“, die von Brennpunkt zu Brennpunkt tingeln, könnte sein Blatt DIE ZEIT auf die Dauer erheblich unattraktiver machen.
Josef Joffe und das Gespenst des drohenden Todes der Tageszeitungen
Rettet Rupert Murdoch den guten Journalismus?
Rupert Murdoch - Citizen Kane in der Aera der Globalisierung
Alles frei?– oder: Der Streit um das Urheberrecht und seine Vergütung
Der Fall Susanne Klatten und die Presse</
Der Fall Susanne Klatten-eine Nachlese
onlinedienst - 10. Mai, 15:58 Article 4926x read