Darfs ein bisschen weniger sein? Oder: Neues zum Niedergang des Qualitätsjournalismus
Dr. Alexander von Paleske ---- 21.6. 2009 --- In Wolf Schneiders Buch „Die Gruner und Jahr Story“ aus dem Jahr 2000 findet sich eine Begebenheit aus dem Jahre 1993.
Der Weltkonzern Unilever verhängte 1993 einen Anzeigenboykott gegen den STERN, weil er sich über eine Geschichte in der Zeitschrift GEO, auch aus dem Hause Gruner und Jahr, wie der STERN, geärgert hatte. Titel :“Du darfst nicht alles glauben“
Viermal hatte der GEO-Autor den Namen UNILEVER genannt. In einem fürchterlichen Verriss der „Light Food Mode“ der „grandiosen Erfindung das Sattwerden teurer zu machen“.
Der damalige Chefredakteur der GEO, Funk, wurde zu dem Gruner und Jahr Vorstand Schulte- Hillen gerufen, der nach einer kurzen Diskussion „Stimmt die Geschichte?“ und neuerlichem Lesen des Artikels in meckerndes Lachen ausbrach „Wenn wir uns solche Geschichten nicht mehr leisten können, dann macht das Geschäft keinen Spass mehr“.
Zunehmende Abhängigkeiten
Man muss sich ernsthaft fragen, ob ein Verleger heute auch in vergleichbarer Lage in ein meckerndes Lachen ausbrechen würde. Man muss das vielmehr ernsthaft bezweifeln. Denn die Abhängigkeit der Printmedien ist nicht nur grösser geworden, sondern die Printmedien sind offenbar bereit, von den hehren Prinzipien des Journalismus gewaltige Abstriche zu machen, nur um den Anzeigenkunden zu Diensten zu sein. Das kann nicht gutgehen.
In mehreren Artikeln haben wir uns bereits mit dem Niedergang des Journalismus in den Printmedien beschäftigt.
- Weniger Journalisten pro Printmedium die Stück für Stück zu Contentmanagern werden
- Investigativer Journalismus die Ausnahme, zu zeitaufwändig und zu kostspielig
- Schliessung von Auslandsbüros und Rückgriff auf Nachrichtenagenturen und das Internet
- Vermeidung der Verprellung von Anzeigenkunden durch Artikelabschwächung oder Fallenlassen von Artikeln, die Anzeigenkunden missfallen könnten.
Der letzte Hit: Sonderwerbeformen
Zu dieser langen Liste des Abschieds vom Qualitätsjournalismus kommt jetzt ein weiterer Kniefall vor den Anzeigenkunden hinzu: Sonderwerbeformen, Anzeigen, die wie journalistische Artikel aufgemacht sind.
In einem Artikel hat sich nunmehr auch die „ZEIT“ des Themas angenommen,“Nichts ist unmöglich“, ZEIT 24 vom 4. Juni , S.27 von Goetz Hamann und Anna Marohn.
SPIEGEL, ZEIT, FOCUS und andere Printmedien druckten Anzeigen, die journalistischen Artikeln zum Verwechseln ähnlich und nicht sofort klar als Anzeigen zu erkennen waren bzw. fügten „Dossiers“ bei, die erst auf den dritten Blick als Anzeigen zu identifizieren waren
Ganz abgesehen von den Artikeln, die Objektivität im Hinblick auf Anzeigenkunden vermissen lassen.
Anzeigen und Märchen
Anzeigen in den Medien lenken die Aufmerksamkeit auf ein Produkt, die dazu gelieferte Information wird von den Lesern in der Regel als das angesehen, was sie ist: Marktschreierei ohne substantiellen Informationswert, eben eine Produktpromotion.
Dem soll jetzt Abhilfe geschaffen werden, durch Anzeigen, die wie Artikel aussehen, aber keine sind. Scheinbare Objektivität durch Täuschung.
Offenbar reichte es den inserierenden Firmen nicht mehr, bloss in bunten Farmen präsent zu sein, die Sauce der Scheinobjektivität musste noch darüber gegossen werden. Offenbar sehen viele Medien darin den einzigen Ausweg, Anzeigenkunden, die reihenweise in das Internet abwandern, bei der Stange zu halten.
Der Niedergang des Qualitätsjournalismus und der Niedergang der Printmedien wird dadurch nicht aufgehalten, sondern vielmehr beschleunigt.
Printmedien verkommen tendenziell zu Anzeigenblättern.
Dass selbst Medien wie SPIEGEL und ZEIT sich nicht scheuen, zu „Sonderwerbeformen“ zu greifen, ist ein Skandal.
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Der damalige Chefredakteur der GEO, Funk, wurde zu dem Gruner und Jahr Vorstand Schulte- Hillen gerufen, der nach einer kurzen Diskussion „Stimmt die Geschichte?“ und neuerlichem Lesen des Artikels in meckerndes Lachen ausbrach „Wenn wir uns solche Geschichten nicht mehr leisten können, dann macht das Geschäft keinen Spass mehr“.
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Man muss sich ernsthaft fragen, ob ein Verleger heute auch in vergleichbarer Lage in ein meckerndes Lachen ausbrechen würde. Man muss das vielmehr ernsthaft bezweifeln. Denn die Abhängigkeit der Printmedien ist nicht nur grösser geworden, sondern die Printmedien sind offenbar bereit, von den hehren Prinzipien des Journalismus gewaltige Abstriche zu machen, nur um den Anzeigenkunden zu Diensten zu sein. Das kann nicht gutgehen.
In mehreren Artikeln haben wir uns bereits mit dem Niedergang des Journalismus in den Printmedien beschäftigt.
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Dem soll jetzt Abhilfe geschaffen werden, durch Anzeigen, die wie Artikel aussehen, aber keine sind. Scheinbare Objektivität durch Täuschung.
Offenbar reichte es den inserierenden Firmen nicht mehr, bloss in bunten Farmen präsent zu sein, die Sauce der Scheinobjektivität musste noch darüber gegossen werden. Offenbar sehen viele Medien darin den einzigen Ausweg, Anzeigenkunden, die reihenweise in das Internet abwandern, bei der Stange zu halten.
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onlinedienst - 21. Jun, 15:44 Article 5345x read