Claudia Pechstein, ein Indizienbeweis und die Wochenzeitung DIE ZEIT
Dr. Alexander von Paleske  --1.4. 2010  ---     In der vorletzten  Ausgabe der Wochenzeitung  DIE ZEIT vom 18.3. 2010 findet sich ein Kommentar des Wissens-Reporters Ulrich Bahnsen unter dem Titel „Pechsteins Erbe“.
Er nimmt zu den neuesten medizinischen Gutachten in dem angeblichen Doping-Fall Claudia Pechstein Stellung, erstellt von Professor Gerhard Ehninger. Ehninger ist renommierter Hämatologe und zur Zeit Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). Der wies nach, dass Frau Pechstein an einer Bluterkrankung namens Sphärozytose leidet, welche die bei Frau Pechstein festgestellten abnormalen Blutbefunde zwanglos erklärt.
Ein Artikel mit Mängeln
Der Fall der Sportlerin Claudia Pechstein hat genügend Aufmerksamkeit in den Medien gefunden, er wäre hier also keiner weiteren Stellungnahme wert, wenn der Artikel nicht eklatante handwerkliche Mängel hätte und erneut die Frage nach dem Qualitätsjournalismus in den Printmedien aufwirft.
Der Artikel beginnt so:
Gewissheit kann ein Indizienprozess nicht liefern, sonst wäre es ja keiner. Das gilt auch im Fall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein.
Ein Indizienbeweis ohne Gewissheit?
Weiss der Schreiber Bahnsen wirklich nicht, worum es sich bei einem Indizienbeweis handelt? Dann hätte er sich zumindest leicht diese Kenntnisse verschaffen können.
Der Indizienbeweis ist ein mittelbarer Beweis, bei dem Tatsachen bewiesen werden von denen mit Hilfe von Erfahrungssätzen das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals geschlossen werden kann.
Der mittelbare Indizienbeweis führt daher letztlich genau so zur Gewissheit, die ein Richter zu seinem Urteil benötigt, wie der unmittelbare Beweis, vorausgesetzt, die Indizienkette ist lückenlos und lässt keinen alternativen Geschehensablauf zu.
In der Kommentierung von Thomas/ Putzo, Kommentar zur ZPO, Vorbemerkungen zu Paragraph 284 heisst es dazu:
Der Indizienbeweis ist überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus den Indizientatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen
unter Verweis auf Urteile des Bundesgerichtshofs abgedruckt in BGHZ 53, 245, bzw. NJW 93, 1391
Im Falle von Frau Pechstein war aber durch ihre erbliche Blutkrankheit Sphärozytose ein alternativer Geschehensablauf gegeben, der die erhöhte Anzahl von jungen roten Blutkörperchen, auch Retikolozyten genannt, erklären konnte.
Eine Krankheit namens Sphärozytose
Die Sphärozytose ist eine Erkrankung, bei der das Gerüst der roten Blutkörperchen fehlproduziert und damit minderwertig ist, die roten Blutkörperchen werden daher vermehrt in der Milz zerstört.
Eine derartige vermehrte Zerstörung, die sich mit simplen Tests im Blut nachweisen lässt (Erhöhung der Laktatdehydrogenase (LDH), ggf. des indirekten Bilirubins, Abfall des Haptoglobins)), was bei der Applikation des Medikaments und Dopingmittels Erythropoetin (EPO) eben nicht beobachtet wird, hätte von Anfang an Zweifel ausgelöst und dann nach weiteren Tests auf die richtige Spur geführt .
Auch hier will der Wissens-Reporter Bahnsen glauben machen, der Nachweis könne nur mit einer aufwändigen Genanalyse geführt werden.
Eine Vielzahl von Defekten in drei bekannten Genen löst die erbliche Blutanomalie aus. Eine individuelle Genanalyse wäre aufwendig und sehr teuer. Sie könnte weitere und besser belegte (Unschulds-)Indizien liefern, aber auch dann noch – bei einem positiven Gendefekt-Befund – wäre Doping nicht vollständig ausgeschlossen.
Die genannten Suchtests sind jedoch wesentlich weniger aufwändig und sie hätten die Indizienkette bereits lückenhaft gemacht, mit der Folge des misslungenen Indizienbeweises.
Kein Wort verwendet der Autor auf den psychischen Schaden, den dieses offensichtliche sportgerichtliche Fehlurteil angerichtet hat. Im Gegenteil, er handelt nach dem Prinzip der umgekehrten Unschuldsvermutung.
Genau deren Einsatz (von Epo) schließen Pechsteins Fürsprecher aus – wiederum aufgrund von Messwerten. »Aus medizinischer Sicht ist der Dopingvorwurf haltlos«, sagen sie. Das klingt wie: Der Fall ist gelöst, die Medizin hat Claudia Pechsteins Unschuld bewiesen.
Hat sie nicht. Und kann sie auch nicht.
Was hätte wohl der ZEIT Gründer Gerd Bucerius dazu gesagt? Bucerius, selbst Jurist, hätte wohl nicht nur etwas gesagt, er hätte vermutlich getobt. Und das zu Recht
Aber Bucerius starb im September 1995.
Mit der Osterausgabe gibt es ja nun in der ZEIT eine Seite, auf der Leser auch Kritzeleien und anderen Schrott abladen dürfen. Statt Hochhalten der Qualität, Mitmachjournalismus der billigsten Sorte.
Wie heisst es doch auf Lateinisch: Sic transit gloria mundi“
- Genau.
Der Verfasser ist leitender Arzt, Hämatologe und ehemaliger Rechtsanwalt
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Ein Artikel mit Mängeln
Der Fall der Sportlerin Claudia Pechstein hat genügend Aufmerksamkeit in den Medien gefunden, er wäre hier also keiner weiteren Stellungnahme wert, wenn der Artikel nicht eklatante handwerkliche Mängel hätte und erneut die Frage nach dem Qualitätsjournalismus in den Printmedien aufwirft.
Der Artikel beginnt so:
Gewissheit kann ein Indizienprozess nicht liefern, sonst wäre es ja keiner. Das gilt auch im Fall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein.
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Die Sphärozytose ist eine Erkrankung, bei der das Gerüst der roten Blutkörperchen fehlproduziert und damit minderwertig ist, die roten Blutkörperchen werden daher vermehrt in der Milz zerstört.
Eine derartige vermehrte Zerstörung, die sich mit simplen Tests im Blut nachweisen lässt (Erhöhung der Laktatdehydrogenase (LDH), ggf. des indirekten Bilirubins, Abfall des Haptoglobins)), was bei der Applikation des Medikaments und Dopingmittels Erythropoetin (EPO) eben nicht beobachtet wird, hätte von Anfang an Zweifel ausgelöst und dann nach weiteren Tests auf die richtige Spur geführt .
Auch hier will der Wissens-Reporter Bahnsen glauben machen, der Nachweis könne nur mit einer aufwändigen Genanalyse geführt werden.
Eine Vielzahl von Defekten in drei bekannten Genen löst die erbliche Blutanomalie aus. Eine individuelle Genanalyse wäre aufwendig und sehr teuer. Sie könnte weitere und besser belegte (Unschulds-)Indizien liefern, aber auch dann noch – bei einem positiven Gendefekt-Befund – wäre Doping nicht vollständig ausgeschlossen.
Die genannten Suchtests sind jedoch wesentlich weniger aufwändig und sie hätten die Indizienkette bereits lückenhaft gemacht, mit der Folge des misslungenen Indizienbeweises.
Kein Wort verwendet der Autor auf den psychischen Schaden, den dieses offensichtliche sportgerichtliche Fehlurteil angerichtet hat. Im Gegenteil, er handelt nach dem Prinzip der umgekehrten Unschuldsvermutung.
Genau deren Einsatz (von Epo) schließen Pechsteins Fürsprecher aus – wiederum aufgrund von Messwerten. »Aus medizinischer Sicht ist der Dopingvorwurf haltlos«, sagen sie. Das klingt wie: Der Fall ist gelöst, die Medizin hat Claudia Pechsteins Unschuld bewiesen.
Hat sie nicht. Und kann sie auch nicht.
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