Betrug an den Krankenkassen? – Ein Einwurf
Dr. Alexander von Paleske --- 6.11.2012 ---
„Betrugsverdacht in Berliner Kinderklinik“ titelten gestern einige Zeitungen. Die Kinderklinik im Berliner DRK Klinikum Westend hatte offenbar Hochrisiko-Frühchen selbst behandelt, statt sie an die Charite zu überweisen, wie vorgeschrieben.
Ausserdem seien acht Hochrisiko-Schwangerschaften ebenfalls in der Klinik behandelt und nicht überwiesen worden.
DRK-Klinik Westend
Hohe Fallpauschale
Der Grund: Für die derartige Problempatienten zahlen die Krankenkassen eine deutlich erhöhte Fallpauschale an die Krankenhäuser. Und diese wurden den Krankenkassen vom Klinikum Westend offenbar auch in Rechnung gestellt
Aber eben nur bestimmte Krankenhäuser sind in diesem Fällen ausgewählt, die Behandlung durchzuführen.
Dass diese Hochleistungs-Krankenhäuser nicht immer besser sind, beweisen nur allzu deutlich die Infektionsskandale auf den Intensivstationen der Berliner Charite-Kinderklinik und in Bremen.
Schuldige stehen fest
Für die Medien stehen die Schuldigen aber schon fest: Die Chefärzte im Klinikum Westend.
So heisst es z.B.
"Ermittelt wird gegen den Leiter der Kinderklinik und den ehemaligen Chefarzt der Frauenklinik. Sie stehen im Verdacht, Patientinnen behandelt zu haben, die an andere Häuser hätten überwiesen werden müssen. Die Leistungen seien falsch abgerechnet worden.
….. Die Frühchen-Station der DRK-Kliniken Westend und die Geschäftsstelle seien durchsucht worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der angebliche Schaden wird mit 200.000 Euro beziffert".
Komplizierte Sachlage
Doch die Sachlage ist etwas komplizierter, als die Medien glauben machen wollen, und das hat sehr mit den fehlgeleiteten Reformen im Gesundheitswesen zu tun, die in den nächsten 12 – 24 Monaten etliche Krankenhäuser in die Insolvenz treiben werden.
Vor Einführung der Fallpauschale – eingeführt im Jahre 2003 unter der sozialdemokratischen Gesundheits- (und Dienstwagen-Skandal-)Ministerin Ulla Schmidt - gab es die Tagespauschale, die keinerlei Anreiz darstellte, derartige Problem-Patienten selbst zu behandeln statt sie zu überweisen.
Im Gegenteil: Die Kliniken der Grund- und Regelversorgung hatten ein grosses Interesse daran, derartige Hochrisikopatienten an Zentren wie die Charite abzugeben, weil diese Problem-Patienten mit deutlich erhöhten Behandlungs-und Pflegekosten ansonsten negativ auf das Budget schlugen.
Änderung nicht zum Besseren
Das hat sich jetzt alles geändert, keineswegs zum Besseren wie wir kürzlich aufgezeigt haben:
- Einerseits werden immer mehr, keineswegs unbedingt indizierte, aber mit hohen Fallpauschalen honorierte Eingriffe durchgeführt.
- Andererseits kann bei Routineerkrankungen und Routine-Schwangerschaften nur eine relativ geringe Fallpauschale abgerechnet werden, die oftmals die Kosten nicht deckt, und zu rascher Entlassung aus reinen Kostengründen führt, selbst wenn Patienten aus medizinischen Gründen noch gar nicht entlassen werden sollten.
Verwaltung im Nacken
Den Klinikärzten sitzen die Klinik-Verwaltungen im Nacken, deren Einflussmöglichkeiten und Druckmittel in den vergangenen Jahren exponentiell gewachsen sind. Dieser Zustand hat sich durch die Privatisierung vieler einst staatlicher bzw. kommunaler Krankenhäuser eher noch verschlimmert.
Ständig wird auf angeblich vorhandene oder drohende rote Zahlen verwiesen, und das Schreckgespenst des Klinkbankrotts an die Wand gemalt. Regelmässig knöpft sich die Krankenhaus-Verwaltung die leitenden Ärrzte vor. Mit Hilfe einer Dia-Ampel-Show wird ihnen gezeigt, ob sie sich noch im grünen Bereich, in der gelben Gefahrenzone oder bereits im Desaterbereich befinden. Hier geht es nicht um Patienten, sondern einzig und allein um Kosten.
Unter solchen Verhältnissen besteht die Gefahr, dass schliesslich – kaum überraschend - falsche Entscheidungen getroffen werden.
An den Nagel gehängt
Viele jüngere Ärzte, die zunächst mit Freude in ihren Beruf eingestiegen sind, haben – konfrontiert mit diesen Zuständen - frustriert das Handtuch geworfen, und dem Krankenhausbetrieb den Rücken gekehrt. Nicht zuletzt, weil sie ausserdem auch noch die Hälfte der Zeit damit beschäftigt waren, die Krankenhauscomputer mit Daten zu füttern, welche nicht zuletzt dann die Grundlage für die Ampel-Diashow darstellen.
Und so ist es keine Überraschung, wenn die Medien heute melden:
"Der Anteil ausländischer Ärzte auf Assistenzebene ist stark gestiegen», sagte Verbandspräsident Josef Düllings in Berlin." In vielen Häusern in Ost und West liege der Anteil bei über 50 Prozent.
Die Kliniken stellten die Ärzte aber oft bereits ein, wenn sie noch keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse besitzen. Das wird zum Sicherheitsproblem».
Der Klinik-Ärztemangel ist die logische Konsequenz der unerträglichen Zustände in den Kliniken, der wiederum dann zur Einstellung von teilweise sprachunkundigen ausländischen Kollegen führt.
Zurück zum „Betrugsfall Westend-Klinikum“
Für die Medien ist der angebliche Betrugsskandal ein Fressen. Sensationshasche, statt erst einmal die Hintergründe auszuleuchten. Und so wird dieser dann gleich zusammen mit einem Betrugsskandal von niedergelassenen Gynäkologen berichtet, die illegal empfängisverhütende Medikamente importiert hatten.
Dass weder Politiker, die den Boden für diese Zustände im Klinikum Westend und anderswo bereitet haben, noch die jeweiligen Krankenhausverwaltungen mit ihrer Druckmacherei an den Pranger gestellt werden, versteht sich dabei von selbst.
Weg mit dem Ballast, oder: Lasst schneller sterben und ihr werdet belohnt – Perverse Finanzanreize für britische Krankenhäuser
Zu Ulla Schmidt (Satire)
SPD-Ulla Schmidt schreibt an SPD-Hoffnungsträger Peer Steinbrück
Danksagung an Event-Manager Manfred Schmidt für die Ulla-Schmidt-Geburtstagsparty
Schluss mit den Angriffen auf Ulla Schmidt
Ministerin Ulla Schmidt: Nie wieder unter Hartz IV- Bedingungen leben
Siehe auch die informativen ZEIT-Artikel:
Klappe halten und wegsehen ZEIT vom 20.9. 2012 S. 32
und
Das Ende der Schweigepflicht ZEIT vom 15.5. 2012
Der Verfasser ist Internist, Hämatologe und leitender Arzt, ausserdem ehemaliger Rechtsanwalt
„Betrugsverdacht in Berliner Kinderklinik“ titelten gestern einige Zeitungen. Die Kinderklinik im Berliner DRK Klinikum Westend hatte offenbar Hochrisiko-Frühchen selbst behandelt, statt sie an die Charite zu überweisen, wie vorgeschrieben.
Ausserdem seien acht Hochrisiko-Schwangerschaften ebenfalls in der Klinik behandelt und nicht überwiesen worden.
DRK-Klinik Westend
Hohe Fallpauschale
Der Grund: Für die derartige Problempatienten zahlen die Krankenkassen eine deutlich erhöhte Fallpauschale an die Krankenhäuser. Und diese wurden den Krankenkassen vom Klinikum Westend offenbar auch in Rechnung gestellt
Aber eben nur bestimmte Krankenhäuser sind in diesem Fällen ausgewählt, die Behandlung durchzuführen.
Dass diese Hochleistungs-Krankenhäuser nicht immer besser sind, beweisen nur allzu deutlich die Infektionsskandale auf den Intensivstationen der Berliner Charite-Kinderklinik und in Bremen.
Schuldige stehen fest
Für die Medien stehen die Schuldigen aber schon fest: Die Chefärzte im Klinikum Westend.
So heisst es z.B.
"Ermittelt wird gegen den Leiter der Kinderklinik und den ehemaligen Chefarzt der Frauenklinik. Sie stehen im Verdacht, Patientinnen behandelt zu haben, die an andere Häuser hätten überwiesen werden müssen. Die Leistungen seien falsch abgerechnet worden.
….. Die Frühchen-Station der DRK-Kliniken Westend und die Geschäftsstelle seien durchsucht worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der angebliche Schaden wird mit 200.000 Euro beziffert".
Komplizierte Sachlage
Doch die Sachlage ist etwas komplizierter, als die Medien glauben machen wollen, und das hat sehr mit den fehlgeleiteten Reformen im Gesundheitswesen zu tun, die in den nächsten 12 – 24 Monaten etliche Krankenhäuser in die Insolvenz treiben werden.
Vor Einführung der Fallpauschale – eingeführt im Jahre 2003 unter der sozialdemokratischen Gesundheits- (und Dienstwagen-Skandal-)Ministerin Ulla Schmidt - gab es die Tagespauschale, die keinerlei Anreiz darstellte, derartige Problem-Patienten selbst zu behandeln statt sie zu überweisen.
Im Gegenteil: Die Kliniken der Grund- und Regelversorgung hatten ein grosses Interesse daran, derartige Hochrisikopatienten an Zentren wie die Charite abzugeben, weil diese Problem-Patienten mit deutlich erhöhten Behandlungs-und Pflegekosten ansonsten negativ auf das Budget schlugen.
Änderung nicht zum Besseren
Das hat sich jetzt alles geändert, keineswegs zum Besseren wie wir kürzlich aufgezeigt haben:
- Einerseits werden immer mehr, keineswegs unbedingt indizierte, aber mit hohen Fallpauschalen honorierte Eingriffe durchgeführt.
- Andererseits kann bei Routineerkrankungen und Routine-Schwangerschaften nur eine relativ geringe Fallpauschale abgerechnet werden, die oftmals die Kosten nicht deckt, und zu rascher Entlassung aus reinen Kostengründen führt, selbst wenn Patienten aus medizinischen Gründen noch gar nicht entlassen werden sollten.
Verwaltung im Nacken
Den Klinikärzten sitzen die Klinik-Verwaltungen im Nacken, deren Einflussmöglichkeiten und Druckmittel in den vergangenen Jahren exponentiell gewachsen sind. Dieser Zustand hat sich durch die Privatisierung vieler einst staatlicher bzw. kommunaler Krankenhäuser eher noch verschlimmert.
Ständig wird auf angeblich vorhandene oder drohende rote Zahlen verwiesen, und das Schreckgespenst des Klinkbankrotts an die Wand gemalt. Regelmässig knöpft sich die Krankenhaus-Verwaltung die leitenden Ärrzte vor. Mit Hilfe einer Dia-Ampel-Show wird ihnen gezeigt, ob sie sich noch im grünen Bereich, in der gelben Gefahrenzone oder bereits im Desaterbereich befinden. Hier geht es nicht um Patienten, sondern einzig und allein um Kosten.
Unter solchen Verhältnissen besteht die Gefahr, dass schliesslich – kaum überraschend - falsche Entscheidungen getroffen werden.
An den Nagel gehängt
Viele jüngere Ärzte, die zunächst mit Freude in ihren Beruf eingestiegen sind, haben – konfrontiert mit diesen Zuständen - frustriert das Handtuch geworfen, und dem Krankenhausbetrieb den Rücken gekehrt. Nicht zuletzt, weil sie ausserdem auch noch die Hälfte der Zeit damit beschäftigt waren, die Krankenhauscomputer mit Daten zu füttern, welche nicht zuletzt dann die Grundlage für die Ampel-Diashow darstellen.
Und so ist es keine Überraschung, wenn die Medien heute melden:
"Der Anteil ausländischer Ärzte auf Assistenzebene ist stark gestiegen», sagte Verbandspräsident Josef Düllings in Berlin." In vielen Häusern in Ost und West liege der Anteil bei über 50 Prozent.
Die Kliniken stellten die Ärzte aber oft bereits ein, wenn sie noch keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse besitzen. Das wird zum Sicherheitsproblem».
Der Klinik-Ärztemangel ist die logische Konsequenz der unerträglichen Zustände in den Kliniken, der wiederum dann zur Einstellung von teilweise sprachunkundigen ausländischen Kollegen führt.
Zurück zum „Betrugsfall Westend-Klinikum“
Für die Medien ist der angebliche Betrugsskandal ein Fressen. Sensationshasche, statt erst einmal die Hintergründe auszuleuchten. Und so wird dieser dann gleich zusammen mit einem Betrugsskandal von niedergelassenen Gynäkologen berichtet, die illegal empfängisverhütende Medikamente importiert hatten.
Dass weder Politiker, die den Boden für diese Zustände im Klinikum Westend und anderswo bereitet haben, noch die jeweiligen Krankenhausverwaltungen mit ihrer Druckmacherei an den Pranger gestellt werden, versteht sich dabei von selbst.
Weg mit dem Ballast, oder: Lasst schneller sterben und ihr werdet belohnt – Perverse Finanzanreize für britische Krankenhäuser
Zu Ulla Schmidt (Satire)
SPD-Ulla Schmidt schreibt an SPD-Hoffnungsträger Peer Steinbrück
Danksagung an Event-Manager Manfred Schmidt für die Ulla-Schmidt-Geburtstagsparty
Schluss mit den Angriffen auf Ulla Schmidt
Ministerin Ulla Schmidt: Nie wieder unter Hartz IV- Bedingungen leben
Siehe auch die informativen ZEIT-Artikel:
Klappe halten und wegsehen ZEIT vom 20.9. 2012 S. 32
und
Das Ende der Schweigepflicht ZEIT vom 15.5. 2012
Der Verfasser ist Internist, Hämatologe und leitender Arzt, ausserdem ehemaliger Rechtsanwalt
onlinedienst - 6. Nov, 18:25 Article 3043x read