Boko Haram – Al Qaida in Nigeria?
Dr. Alexander von Paleske --- 12.6. 2012 ---
Fast täglich kommen Meldungen über Anschläge im Norden Nigerias über die Nachrichtenagenturen.
Nigeria
Berichte über Bombenanschläge gegen christliche Kirchen, gegen staatliche Einrichtungen wie Polizeistationen, oder aber internationale Organisationen. Und immer wieder fällt der Name. Boko Haram..
Mail and Guardian (Südafrika) vom 5.4. 2012
Was steckt dahinter und wer ist Boko Haram?
Boko Haram, heisst übersetzt soviel wie „Westliche Erziehung (Unterrichtung) ist Sünde“ Es handelt sich letztlich um eine soziale Bewegung, die vor dem sozialen Hintergrund Nigerias verstanden werden muss.
Anders als das Terrornetzwerk Al Qaida, das sich von Anfang an als Vorhut einer weltweiten moslemischen Organisation zum Kampf gegen den „grossen Satan“ USA und die „Kreuzritter“ ansah, war Boko Haram eine lokale, auf Nigeria, genauer gesagt auf den Norden Nigerias beschränkte Bewegung, die sich aus den krassen sozialen Gegensätzen herleitete..
Bettelarmer Norden
Der überwiegend moslemische Norden Nigerias ist - anders als die Mitte mit der Hauptstadt Abuja, und der westliche Süden, mit der Wirtschaftsmetropole Lagos - von einer extremem Armut gekennzeichnet; von nicht eingehaltenen Menschenrechten durch die Zentralregierung; von grassierender Korruption der öffentlichen Bediensteten, und das alles seit Jahrzehnten. Dies vor dem Hintergrund enormen Ölreichtums: Nigeria ist der grösste Ölexporteur Afrikas.
Provinzen Nigerias mit überwiegend moslemischer Bevölkerung
Die Aufteilung des Geldes aus dem Ölreichtum, nährt zuallererst eine Schicht von Politikern, die sich ihre Taschen damit vollstopft , dann kommt die Mitte und der Südwesten Nigerias an die Reihe , und zuallerletzt sind der arme Norden und das südöstliche Nigerdelta dran. die sozial etwa auf einer Stufe mit den ärmsten Ländern der Dritten Welt stehen.
Bericht aus Lagos
Ein im März 2012 veröffentlichter Bericht aus Lagos im britischen Guardian wirft ein bezeichnendes Licht darauf:
On the right Saturday you can bump into Africa’a richest billionaire, commodity trader Aliko Dangote, having a beach party at Ilhasa, playground of the riches….Welcome to the charmed lives of a tiny elite, who make up the super-rich across Africa. While millions live in crushing poverty, breakneck growth across the continent has expanded wealth beyond the traditional circle of government workers – but only for a lucky minority.
This is the market, Porsche hopes to tap in, choosing Nigeria for its latest showroom on the continent - the first was in South Africa. In an ultramodern glass and steel building, the auto maker unveiled its latest Carrera and 911 models.
Bis zu 180.000 US Dollar
200 Nigerianer haben schon zugelangt und bis zu 180.000 Dollar auf den Tisch dafür geblättert.
Ein Manager erklärt:“ Ich besitze bereits einen Bentley, einen Porsche und einen Ferrari“, um gleich hinzuzufügen: “aber ich benutze für grössere Entfernungen natürlich ein Flugzeug“.
Der Tacho des Ferrari zählt rund 800 gefahrene Kilometer – pro Jahr. Verständlich bei den mit Schlaglöchern übersäten Strassen.
Beginn im Jahre 2002
Vor diesem sozialen Hintergrund startete Boko Haram im Jahre 2002 in Maiduguri. Die Basis wurde jedoch kurz darauf durch die nigerianische Armee zerstört.
Die Gruppe reorganisierte sich jedoch als eine militante und soziale Bewegung die auch Unterricht organisierte und Jobs für Menschen verteilte, die als marginalsiert bezeichnet werden müssen; die keinerlei soziale Aufstiegschancen besassen..
Boko Haram bot ihnen ein „Zukunftsmodell“ an, wo anderweitig keine Zukunft greifbar war. .
Die wirklich heisse Phase der Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung begann im Jahre 2009 mit der gezielten Tötung der Boko-Haram-Anführer durch die nigerianische Armee.
Die dann folgenden gewaltsamen Auseinandersetzungen spielten sich vor allem im moslemischen Nordosten und Norden Nigerias ab. Insbesondere die Millionenstadt Kano war davon betroffen.
Ziel der Bombenanschläge waren neben staatlichen Einrichtungen vor allem christliche Kirchen.
Überfälle auf Banken zur Beschaffung von Barmitteln kamen hinzu.
1200 Tote und viele Flüchtlinge
Bombenanschläge wurden aber auch in der Hauptstadt Abuja verübt, darunter auf das Gebäude der Vereinten Nationen.
Hinzu kommen Angriffe auf Polizeistationen und gezielte Tötungen von Staatsbediensteten. Aber auch Journalisten, die es wagen, Kritik an Boko Haram zu üben, müssen um ihr Leben fürchten.
Rund 1200 Menschen sind in den gewaltsamen Auseinandersetzungen und Anschlägen bisher ums Leben gekommen.
Hinzu kommen Flüchtlingsströme. Hunderttausende Christen flohen und fliehen aus dem vorwiegend muslimischen Norden in den vorwiegend christlichen Süden, und Muslime fliehen aus Angst vor Vergeltung in den Norden.
Hierarchie und Struktur
Die Boko Haram-Zellen stehen unter dem Schirm einer Konsultativ-Versammlung, die wiederum von dem auf der Flucht befindlichen Imam Abubakar Shekau angeführt wird.
Kontakte bestehen offenbar zu Al Qaida, zu den Al Shabab-Milizen in Somalia, und zu den Al Qaida-Zellen im Maghreb (Süd-Algerien, Niger,Mauretanien). .
Die Gruppe definiert sich wie folgt als:
- Salafisten
- Jihadisten (heilige Krieger).
Angeführt wurden sie zunächst von einem Mohammed Yusuf, der unter anderem behauptete (wie die Radikalchristen in den USA), dass Darwins Evolutionstheorie falsch sei.
Ausserdem, so Yusuf, sei die Erde eine Scheibe
Nach Yussuf's Ermordung trat Abubakar Shekau an seine Stelle.
Wesentliche Forderungen
Die Forderungen der Boko-Haram Islamisten lauten:
- Raus mit den Christen aus dem muslimischen Norden
- Abschaffung der Republik und Einführung eines muslimischen Gottesstaates
- Sofortige Einstellung der Militäraktionen gegen Boko-Haram
- Freilassung der inhaftierten Boko Haram Mitglieder.
Der (christliche) Präsident Goodluck Jonathan wurde aufgefordert, zum Islam überzutreten.
Es ist leicht, darüber den Kopf zu schütteln. Aber solange der soziale Sprengstoff in Nigeria fortbesteht, wird Boko Haram weiter Anhänger und Selbstmordattentäter finden.
Und dafür, dass die nigerianische Regierung einen sozialen Rechtsstaat aufbauen will, gibt es zur Zeit keine Anhaltspunkte. Vielmehr soll das Militär Boko-Haram den Garaus machen. Die Rechnung dürfte kaum aufgehen.
Nur USA? - Die tägliche Umweltkatastrophe in Nigeria
Fast täglich kommen Meldungen über Anschläge im Norden Nigerias über die Nachrichtenagenturen.
Nigeria
Berichte über Bombenanschläge gegen christliche Kirchen, gegen staatliche Einrichtungen wie Polizeistationen, oder aber internationale Organisationen. Und immer wieder fällt der Name. Boko Haram..
Mail and Guardian (Südafrika) vom 5.4. 2012
Was steckt dahinter und wer ist Boko Haram?
Boko Haram, heisst übersetzt soviel wie „Westliche Erziehung (Unterrichtung) ist Sünde“ Es handelt sich letztlich um eine soziale Bewegung, die vor dem sozialen Hintergrund Nigerias verstanden werden muss.
Anders als das Terrornetzwerk Al Qaida, das sich von Anfang an als Vorhut einer weltweiten moslemischen Organisation zum Kampf gegen den „grossen Satan“ USA und die „Kreuzritter“ ansah, war Boko Haram eine lokale, auf Nigeria, genauer gesagt auf den Norden Nigerias beschränkte Bewegung, die sich aus den krassen sozialen Gegensätzen herleitete..
Bettelarmer Norden
Der überwiegend moslemische Norden Nigerias ist - anders als die Mitte mit der Hauptstadt Abuja, und der westliche Süden, mit der Wirtschaftsmetropole Lagos - von einer extremem Armut gekennzeichnet; von nicht eingehaltenen Menschenrechten durch die Zentralregierung; von grassierender Korruption der öffentlichen Bediensteten, und das alles seit Jahrzehnten. Dies vor dem Hintergrund enormen Ölreichtums: Nigeria ist der grösste Ölexporteur Afrikas.
Provinzen Nigerias mit überwiegend moslemischer Bevölkerung
Die Aufteilung des Geldes aus dem Ölreichtum, nährt zuallererst eine Schicht von Politikern, die sich ihre Taschen damit vollstopft , dann kommt die Mitte und der Südwesten Nigerias an die Reihe , und zuallerletzt sind der arme Norden und das südöstliche Nigerdelta dran. die sozial etwa auf einer Stufe mit den ärmsten Ländern der Dritten Welt stehen.
Bericht aus Lagos
Ein im März 2012 veröffentlichter Bericht aus Lagos im britischen Guardian wirft ein bezeichnendes Licht darauf:
On the right Saturday you can bump into Africa’a richest billionaire, commodity trader Aliko Dangote, having a beach party at Ilhasa, playground of the riches….Welcome to the charmed lives of a tiny elite, who make up the super-rich across Africa. While millions live in crushing poverty, breakneck growth across the continent has expanded wealth beyond the traditional circle of government workers – but only for a lucky minority.
This is the market, Porsche hopes to tap in, choosing Nigeria for its latest showroom on the continent - the first was in South Africa. In an ultramodern glass and steel building, the auto maker unveiled its latest Carrera and 911 models.
Bis zu 180.000 US Dollar
200 Nigerianer haben schon zugelangt und bis zu 180.000 Dollar auf den Tisch dafür geblättert.
Ein Manager erklärt:“ Ich besitze bereits einen Bentley, einen Porsche und einen Ferrari“, um gleich hinzuzufügen: “aber ich benutze für grössere Entfernungen natürlich ein Flugzeug“.
Der Tacho des Ferrari zählt rund 800 gefahrene Kilometer – pro Jahr. Verständlich bei den mit Schlaglöchern übersäten Strassen.
Beginn im Jahre 2002
Vor diesem sozialen Hintergrund startete Boko Haram im Jahre 2002 in Maiduguri. Die Basis wurde jedoch kurz darauf durch die nigerianische Armee zerstört.
Die Gruppe reorganisierte sich jedoch als eine militante und soziale Bewegung die auch Unterricht organisierte und Jobs für Menschen verteilte, die als marginalsiert bezeichnet werden müssen; die keinerlei soziale Aufstiegschancen besassen..
Boko Haram bot ihnen ein „Zukunftsmodell“ an, wo anderweitig keine Zukunft greifbar war. .
Die wirklich heisse Phase der Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung begann im Jahre 2009 mit der gezielten Tötung der Boko-Haram-Anführer durch die nigerianische Armee.
Die dann folgenden gewaltsamen Auseinandersetzungen spielten sich vor allem im moslemischen Nordosten und Norden Nigerias ab. Insbesondere die Millionenstadt Kano war davon betroffen.
Ziel der Bombenanschläge waren neben staatlichen Einrichtungen vor allem christliche Kirchen.
Überfälle auf Banken zur Beschaffung von Barmitteln kamen hinzu.
1200 Tote und viele Flüchtlinge
Bombenanschläge wurden aber auch in der Hauptstadt Abuja verübt, darunter auf das Gebäude der Vereinten Nationen.
Hinzu kommen Angriffe auf Polizeistationen und gezielte Tötungen von Staatsbediensteten. Aber auch Journalisten, die es wagen, Kritik an Boko Haram zu üben, müssen um ihr Leben fürchten.
Rund 1200 Menschen sind in den gewaltsamen Auseinandersetzungen und Anschlägen bisher ums Leben gekommen.
Hinzu kommen Flüchtlingsströme. Hunderttausende Christen flohen und fliehen aus dem vorwiegend muslimischen Norden in den vorwiegend christlichen Süden, und Muslime fliehen aus Angst vor Vergeltung in den Norden.
Hierarchie und Struktur
Die Boko Haram-Zellen stehen unter dem Schirm einer Konsultativ-Versammlung, die wiederum von dem auf der Flucht befindlichen Imam Abubakar Shekau angeführt wird.
Kontakte bestehen offenbar zu Al Qaida, zu den Al Shabab-Milizen in Somalia, und zu den Al Qaida-Zellen im Maghreb (Süd-Algerien, Niger,Mauretanien). .
Die Gruppe definiert sich wie folgt als:
- Salafisten
- Jihadisten (heilige Krieger).
Angeführt wurden sie zunächst von einem Mohammed Yusuf, der unter anderem behauptete (wie die Radikalchristen in den USA), dass Darwins Evolutionstheorie falsch sei.
Ausserdem, so Yusuf, sei die Erde eine Scheibe
Nach Yussuf's Ermordung trat Abubakar Shekau an seine Stelle.
Wesentliche Forderungen
Die Forderungen der Boko-Haram Islamisten lauten:
- Raus mit den Christen aus dem muslimischen Norden
- Abschaffung der Republik und Einführung eines muslimischen Gottesstaates
- Sofortige Einstellung der Militäraktionen gegen Boko-Haram
- Freilassung der inhaftierten Boko Haram Mitglieder.
Der (christliche) Präsident Goodluck Jonathan wurde aufgefordert, zum Islam überzutreten.
Es ist leicht, darüber den Kopf zu schütteln. Aber solange der soziale Sprengstoff in Nigeria fortbesteht, wird Boko Haram weiter Anhänger und Selbstmordattentäter finden.
Und dafür, dass die nigerianische Regierung einen sozialen Rechtsstaat aufbauen will, gibt es zur Zeit keine Anhaltspunkte. Vielmehr soll das Militär Boko-Haram den Garaus machen. Die Rechnung dürfte kaum aufgehen.
Nur USA? - Die tägliche Umweltkatastrophe in Nigeria
onlinedienst - 12. Jun, 16:28 Article 5643x read