Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Dr. Alexander von Paleske -- 25.1. 2011 --
Die Probleme der Massentierhaltung bleiben, nicht nur bleiben, sie werden grösser. An vorderster Stelle steht die hier schon mehrfach kritisierte Verabreichung von Antibiotika gefolgt von den Gefahren der Virenmutation und der Tierfutterkontamination, wie jetzt durch Dioxin.
Resistenz steigt
Eine kleine Nachricht in der hochangesehenen internationalen Medizinzeitung Lancet beleuchtet erneut das Problem (Lancet, 11. Dezember 2010, Vol276 p-1987 - ):
Ciprofloxacin-resistant campylobacteriosis in the UK
Forscher der Universität Oxford kommentieren einen früheren Bericht in derselben Zeitschrift, wonach die Durchfallepidemie durch Campylobacter-Bakterien in einer erschreckenden Zunahme begriffen ist.
Sie berichten nun, dass die Resistenz der Campylobacter-Bakterien gegen das Medikament Ciprofloxaxin aus der Gruppe der Chinolone, auch Gyrase-Hemmer genannt, einst hochwirksam gegen derartige Campylobacter-Infektionen, in einer dramatischen Zunahme begriffen ist.
Im Jahre 2008 zeigten nach den Untersuchungen der Forscher bereits 31% aller eingesandten Proben komplette Resistenz gegen Ciprofloxacin, im Jahre 1995 waren es erst 7%, aber bereits im Jahre 2004 waren es schon 25,1%.
Mit anderen Worten: Bei einer derart hohen Resistenz ist der Einsatz dieses Antibiotikums gegen eine derartige Infektion nicht mehr zu verantworten.
Das Gleiche hatten wir bereits vor einiger Zeit über die Gonorrhoe berichtet. Auch hier Resistenz gegen die Chinolone.
Die Forscher aus Oxford machen für die Resistenzentwicklung eindeutig den ungezügelten Einsatz in der Geflügel-Mast-Industrie verantwortlich.
Ein Blick zurück
Die Chinolone (Gyrase-Hemmer) kamen erst MItte der 80er Jahre zum Einsatz und hatten ein ganz ausgezeichnetes Wirkungsspektrum, ganz besonders auch im Bereich der Problemkeime, also solchen Erregern im sogenannten gramnegativen Spektrum, die mittlerweile multiresistent gegen Standard-Antibiotika geworden waren.
Darüber hinaus war der Gyrase-Hemmer Ciprofloxacin gegen Typhus wirksam, und - sehr wichtig - auch gegen Tuberkulose, so dass es als Reservemedikament bei der immer häufiger zu beobachtenden Multidrug-Resistant Tuberkulose (MDR-TB) mit Erfolg in der Kombinationstherapie eingesetzt werden konnte.
Ciprofloxacin, das seinerzeit wirksamste Chinolon, hatte noch den Vorteil, oral eingenommen werden zu können. Bis dato mussten bei derartigen Probleminfektionen Breitbandantibiotika parenteral verabreicht werden, was oftmals eine Klinikaufnahme bzw. täglichen Klinik- Arztbesuch erforderlich machte.
Das ist nun Geschichte, denn Ciprofloxacin wurde missbraucht: bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, bei Infektionen im Nasen-Rachenraum und sonstigen banalen Infektionen.
.
Noch schlimmer: Die Gyrase-Hemmer wurden und werden bei der Geflügelmast eingesetzt und zwar in großen Mengen.
.
Zwar ist es mittlerweile verboten, Antibiotika dem Tierfutter beizumischen, aber der Antibiotikaverbrauch in der Tiermast steigt trotzdem weiter an, weil z.B. kein Huhn in der Massentierhaltung es ohne Antibiotika bis zur Schlachtbank schafft, wir berichteten darüber.
Damit aber werden wir es - über kurz oder lang - mit einer weitverbreiteten Antibiotikaresistenz zu tun haben, eine Katastrophe. Wie der Lancet in einem Editorial vom 8.1. 2011 „Where will new drugs come from? berichtet, (Lancet 2011 Vol 377 p. 97) sind Neuentwicklungen im Antibiotikabereich vorerst nicht zu erwarten.
Dazu trägt auch bei, dass die Neuentwicklung eines Medikaments rund 1 Milliarde US Dollar kostet, und nur eines von 10 neuentwickelten Medikamenten es letztlich bis zur Marktreife schafft.
Es gibt daher nur einen Ausweg: Abschaffung der Industrie- (Massen) Tierhaltung und dem damit verbundenen Antibiotika-Einsatz.
Antibiotika als Verunreinigung
Nun tauchen auch, wie Dioxin, Antibiotika als Verunreinigung im Tierfutter auf.
Gestern berichtete die Zeitung Heilpraxisnet über das Auftauchen des Antibiotikums Chloramphenicol im Tierfutter .
Gemessen an der Konzentration handelt es sich nicht um eine Beimischung, sondern um eine Verunreinigung.
Die Verunreinigung stammt vermutlich aus Produkten von Fischfarmen, wo dieses Medikament mittlerweile massenhaft zum Einsatz kommt, ein enormes, aber bisher eher vernachlässigtes Problem.
Chloramphenicol war einst als Breitspektrumantibiotikum im Einsatz, bevor es durch bessere und nebenwirkungsärmere Medikamente verdrängt wurde. Gleichwohl wird es wegen seines niedrigen Preises insbesondere in der 3. Welt weiterhin eingesetzt.
Chloramphenicol hemmt das Wachstum der Bakterien, ist also bakteriostatisch tötet sie aber nicht ab, ist also nicht bakterizid.
Chlormaphenicol kam in Verruf, weil es das Knochemark, also die Blutbildung massiv schädigen kann, bis hin zu aplastischen Anämie.
Ohne Knochenmarktransplantation liegt die mittlere Überlebenszeit der Patienten mit aplastischer Anämie bei etwas über einem Jahr.
Die Häufigkeit dieser potentiell tödlichen Nebenwirkung liegt bei 1:10.000 bis 1:40.000. Sie ist dosisunabhängig, also quasi-allergisch bedingt. Es ist unklar, wo die Schwellendosis liegt, um ein derartiges Ereignis auszulösen. Ob die im Tierfutter nachgewiesene Dosis ausreichend ist, um später bei den Tierprodukten die für den Menschen erforderliche Schwellendosis erreichen, ist unklar, aber wer möchte sich schon gerne auf ein derartiges potentiell tödliches Experiment einlassen?
Die Abschaffung der Massentierhaltung steht dringender denn je auf der Tagesordnung.
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Resistenz steigt
Eine kleine Nachricht in der hochangesehenen internationalen Medizinzeitung Lancet beleuchtet erneut das Problem (Lancet, 11. Dezember 2010, Vol276 p-1987 - ):
Ciprofloxacin-resistant campylobacteriosis in the UK
Forscher der Universität Oxford kommentieren einen früheren Bericht in derselben Zeitschrift, wonach die Durchfallepidemie durch Campylobacter-Bakterien in einer erschreckenden Zunahme begriffen ist.
Sie berichten nun, dass die Resistenz der Campylobacter-Bakterien gegen das Medikament Ciprofloxaxin aus der Gruppe der Chinolone, auch Gyrase-Hemmer genannt, einst hochwirksam gegen derartige Campylobacter-Infektionen, in einer dramatischen Zunahme begriffen ist.
Im Jahre 2008 zeigten nach den Untersuchungen der Forscher bereits 31% aller eingesandten Proben komplette Resistenz gegen Ciprofloxacin, im Jahre 1995 waren es erst 7%, aber bereits im Jahre 2004 waren es schon 25,1%.
Mit anderen Worten: Bei einer derart hohen Resistenz ist der Einsatz dieses Antibiotikums gegen eine derartige Infektion nicht mehr zu verantworten.
Das Gleiche hatten wir bereits vor einiger Zeit über die Gonorrhoe berichtet. Auch hier Resistenz gegen die Chinolone.
Die Forscher aus Oxford machen für die Resistenzentwicklung eindeutig den ungezügelten Einsatz in der Geflügel-Mast-Industrie verantwortlich.
Ein Blick zurück
Die Chinolone (Gyrase-Hemmer) kamen erst MItte der 80er Jahre zum Einsatz und hatten ein ganz ausgezeichnetes Wirkungsspektrum, ganz besonders auch im Bereich der Problemkeime, also solchen Erregern im sogenannten gramnegativen Spektrum, die mittlerweile multiresistent gegen Standard-Antibiotika geworden waren.
Darüber hinaus war der Gyrase-Hemmer Ciprofloxacin gegen Typhus wirksam, und - sehr wichtig - auch gegen Tuberkulose, so dass es als Reservemedikament bei der immer häufiger zu beobachtenden Multidrug-Resistant Tuberkulose (MDR-TB) mit Erfolg in der Kombinationstherapie eingesetzt werden konnte.
Ciprofloxacin, das seinerzeit wirksamste Chinolon, hatte noch den Vorteil, oral eingenommen werden zu können. Bis dato mussten bei derartigen Probleminfektionen Breitbandantibiotika parenteral verabreicht werden, was oftmals eine Klinikaufnahme bzw. täglichen Klinik- Arztbesuch erforderlich machte.
Das ist nun Geschichte, denn Ciprofloxacin wurde missbraucht: bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, bei Infektionen im Nasen-Rachenraum und sonstigen banalen Infektionen.
.
Noch schlimmer: Die Gyrase-Hemmer wurden und werden bei der Geflügelmast eingesetzt und zwar in großen Mengen.
.
Zwar ist es mittlerweile verboten, Antibiotika dem Tierfutter beizumischen, aber der Antibiotikaverbrauch in der Tiermast steigt trotzdem weiter an, weil z.B. kein Huhn in der Massentierhaltung es ohne Antibiotika bis zur Schlachtbank schafft, wir berichteten darüber.
Damit aber werden wir es - über kurz oder lang - mit einer weitverbreiteten Antibiotikaresistenz zu tun haben, eine Katastrophe. Wie der Lancet in einem Editorial vom 8.1. 2011 „Where will new drugs come from? berichtet, (Lancet 2011 Vol 377 p. 97) sind Neuentwicklungen im Antibiotikabereich vorerst nicht zu erwarten.
Dazu trägt auch bei, dass die Neuentwicklung eines Medikaments rund 1 Milliarde US Dollar kostet, und nur eines von 10 neuentwickelten Medikamenten es letztlich bis zur Marktreife schafft.
Es gibt daher nur einen Ausweg: Abschaffung der Industrie- (Massen) Tierhaltung und dem damit verbundenen Antibiotika-Einsatz.
Antibiotika als Verunreinigung
Nun tauchen auch, wie Dioxin, Antibiotika als Verunreinigung im Tierfutter auf.
Gestern berichtete die Zeitung Heilpraxisnet über das Auftauchen des Antibiotikums Chloramphenicol im Tierfutter .
Gemessen an der Konzentration handelt es sich nicht um eine Beimischung, sondern um eine Verunreinigung.
Die Verunreinigung stammt vermutlich aus Produkten von Fischfarmen, wo dieses Medikament mittlerweile massenhaft zum Einsatz kommt, ein enormes, aber bisher eher vernachlässigtes Problem.
Chloramphenicol war einst als Breitspektrumantibiotikum im Einsatz, bevor es durch bessere und nebenwirkungsärmere Medikamente verdrängt wurde. Gleichwohl wird es wegen seines niedrigen Preises insbesondere in der 3. Welt weiterhin eingesetzt.
Chloramphenicol hemmt das Wachstum der Bakterien, ist also bakteriostatisch tötet sie aber nicht ab, ist also nicht bakterizid.
Chlormaphenicol kam in Verruf, weil es das Knochemark, also die Blutbildung massiv schädigen kann, bis hin zu aplastischen Anämie.
Ohne Knochenmarktransplantation liegt die mittlere Überlebenszeit der Patienten mit aplastischer Anämie bei etwas über einem Jahr.
Die Häufigkeit dieser potentiell tödlichen Nebenwirkung liegt bei 1:10.000 bis 1:40.000. Sie ist dosisunabhängig, also quasi-allergisch bedingt. Es ist unklar, wo die Schwellendosis liegt, um ein derartiges Ereignis auszulösen. Ob die im Tierfutter nachgewiesene Dosis ausreichend ist, um später bei den Tierprodukten die für den Menschen erforderliche Schwellendosis erreichen, ist unklar, aber wer möchte sich schon gerne auf ein derartiges potentiell tödliches Experiment einlassen?
Die Abschaffung der Massentierhaltung steht dringender denn je auf der Tagesordnung.
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onlinedienst - 25. Jan, 14:57 Article 5072x read