Der IKB-Prozess in Düsseldorf - oder: hat die Staatsanwaltschaft kapituliert ?
Dr. Alexander von Paleske -- Seit heute findet der Strafprozess gegen den ehemaligen Top-Manager der Industriekreditbank (IKB), Stefan Ortseifen vor dem Landgericht Düsseldorf statt.
Die IKB war eine Art Ableger der Staatsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) , die zuletzt mehr als 90% Anteile hielt.
Zweck der Bank war und ist die Gewährung von Krediten an den Mittelstand.
Das lief viele Jahre so, bis die Bank das ganz grosse Rad drehen wollte, an der Spitze der Angeklagte Ortseifen, und zwar mittels Spekulation mit Immobilienderivaten, auch CDO’s (Collateral Debt Obligations) genannt.
Da dies aber mit dem eigentlichen Zweck der IKB-Bank nicht vereinbar war, wurden sogenannte Zweckgesellschaften gegründet, die unter wohlklingenden Namen wie „Rhineland Funding Capital“, „Rhinebridge“, „Conduit Rhineland Funding“ und anderen in grossem Umfang Immobilienschrott in den USA einkauften.
Aber nicht nur in den USA, sondern, als die Deutsche Bank diesen Schrott paketweise in weiser Voraussicht, was da kommen würde, aus den Tresoren warf, da fand sie in der IKB mit ihren Zweckgesellschaften einen guten und dummen Abnehmer.
Um all diese Schrott-Käufe zu ermöglichen räumte die IKB diesen wohlklingenden Töchtern satte Kreditlinien ein. So zum Beispiel für die Conduit Rhineland 8,7 Milliarden Euro.
Das alles hatte mit der Mittelstandsfinanzierung natürlich überhaupt nichts mehr zu tun.
Rien ne va plus - Nichts geht mehr
Im Juli 2007 war es dann vorbei. 10 Milliarden Euro Schulden waren angelaufen, im normalen Geschäftsleben wäre der Konkurs fällig gewesen, oder, wie es modern heisst, die Insolvenz.
Die weitere Geschichte der IKB findet sich hier.
Seit 2007 ist Ortseifen suspendiert. Er selbst hält sich für unrechtmässig verfolgt. Es git die Unschuldsvermutung.
Gegen seine Entlassung hat Ortseifen geklagt. Er wohnt nach wie vor in der Dienstvilla der IKB, zur Zeit läuft die Räumungsklage..
.
Nun würde man erwarten, dass angesichts der Zockerei die Staatsanwaltschaft das "Fallbeil" ausgepackt hätte.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Die Staatsanwaltschaft hat offenbar angesichts der komplizierten Materie und der Vielzahl der Transaktionen das Handtuch geworfen.
Angeklagt sind jetzt lediglich Punkte wie Küchenrenovierung oder Anschaffung von Lautsprecherboxen auf Kosten der IKB.
Man könnte es auch so fassen: Ein Berg geht mit Anschuldigungen schwanger und ein Mäuslein wird geboren.
Vor einem Jahr interviewte ich den ehemaligen Generalstaatsanwalt von Berlin, Dr. Hansjürgen Karge, zu diesem Problembereich. Seine Stellungnahme liest sich wie ein Kommentar zu dem laufenden Strafverfahren.
Frage Dr. von Paleske:
Die Staatsanwaltschaften nennen sich scherzhafterweise manchmal Einstellungsbehörden statt Strafverfolgungsbehörden, weil mehr als 70 Prozent aller Verfahren eingestellt werden.
Ist die Staatsanwaltschaft nicht „Klassenjustiz“ insofern, als Tagediebe, Handtaschenräuber etc., wo der Sachverhalt meistens recht einfach aufzuklären ist, verfolgt, angeklagt und verurteilt werden, hingegegen Wirtschaftkriminelle, wo der Sachverhalt oftmals komplex ist, wo Sachverständige notwendig sind, weil den Staatsanwälten die erforderlichen Kenntnisse fehlen, oftmals frei ausgehen, weil die Staatsanwaltschaft kapituliert?
Antwort Dr. Karge
Ich selbst habe mich nach zwei Jahren allgemeiner Kriminalitätsbekämpfung auf das Wirtschaftsstrafrecht gestürzt, aus genau diesen von Ihnen genannten Gründen. Es gab aus vielen soziologischen Untersuchungen, beispielsweise aus den USA, die Erkenntnis, dass vornehmlich der Kleinkriminelle verfolgt wird. Boshafterweise könnte man sagen: Das entspricht dem, was die Staatsanwälte können.
Wenn es kompliziert wird, wozu die organisierte Kriminalität im allgemeinen aber insbesondere die Wirtschaftskriminalität gehört, war jedoch die Hoffnung, dass wir auch da effektiver werden können.
Man hatte zuerst in Nordrhein-Westfalen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften gegründet, inzwischen gibt es überall schwerpunktmässig arbeitende Wirtschafts-Staatsanwälte.
Jedoch, wir sind, aus meiner Sicht gesehen, letztlich gescheitert. Die Justiz hat nicht die finanziellen Resourcen gehabt, um genügend gute Fachleute einzustellen. Und neben den Fachleuten muss die Justiz Staatsanwälte haben, die den energischen Willen haben, Straftaten zu verfolgen. Das ist nichts Anstössiges, wie manche „fortschrittliche“ Menschen meinen.
Verfolgungswillen zu haben, und sich auch wehzutun beim Arbeiten, und nicht nachzugeben, ohne diesen starken Willen wird man bei schwierigen Komplexen keinen Erfolg haben.
Und daran fehlt es neben der Masse und den Resourcen. Es ist nicht so sehr die fehlende wirtschaftliche Ausbildung der Staatsanwälte, es ist der Wille, zu verfolgen und natürlich die Möglichkeiten der Unterstützung durch die Polizei und durch Wirtschaftsfachleute, die uns nach wie vor weitgehend fehlen.
....je höher man sitzt, und je weiter man agieren kann, und je mehr Geld man hat, umso mehr wird man von der „Eierdieb-Verfolgung“ der Staatsanwaltschaft verschont.
Das komplette Interview hier.
Aber auch die Finanzaufsicht hat jämmerlich versagt. Die BaFin, unter der Regie Jochen Sanios, bezeichnete bis zum bitteren Ende die IKB als unproblematisches Institut...
In Abwandlung eines frommen Spruches:
„Gelobt seien die, die nicht sehen wollen und stattdessen glauben“
Links zur IKB und Bankenaufsicht
Noch mehr Milliarden Euro Bürgschaften oder: Vorwärts mit der IKB
Justiz in der Krise oder Krisenjustiz?
Finanzkrise, Bankenkrisen, Kleinanlegerbetrug – Hat die Finanzaufsicht BaFin versagt?
Finanzgauner, ihre Opfer und die BaFin
Die Grossbanken und der Staatsanwalt
.......und als Satire:
Deutschbanker Ackermann schreibt an CSU-Seehofer
Die IKB war eine Art Ableger der Staatsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) , die zuletzt mehr als 90% Anteile hielt.
Zweck der Bank war und ist die Gewährung von Krediten an den Mittelstand.
Das lief viele Jahre so, bis die Bank das ganz grosse Rad drehen wollte, an der Spitze der Angeklagte Ortseifen, und zwar mittels Spekulation mit Immobilienderivaten, auch CDO’s (Collateral Debt Obligations) genannt.
Da dies aber mit dem eigentlichen Zweck der IKB-Bank nicht vereinbar war, wurden sogenannte Zweckgesellschaften gegründet, die unter wohlklingenden Namen wie „Rhineland Funding Capital“, „Rhinebridge“, „Conduit Rhineland Funding“ und anderen in grossem Umfang Immobilienschrott in den USA einkauften.
Aber nicht nur in den USA, sondern, als die Deutsche Bank diesen Schrott paketweise in weiser Voraussicht, was da kommen würde, aus den Tresoren warf, da fand sie in der IKB mit ihren Zweckgesellschaften einen guten und dummen Abnehmer.
Um all diese Schrott-Käufe zu ermöglichen räumte die IKB diesen wohlklingenden Töchtern satte Kreditlinien ein. So zum Beispiel für die Conduit Rhineland 8,7 Milliarden Euro.
Das alles hatte mit der Mittelstandsfinanzierung natürlich überhaupt nichts mehr zu tun.
Rien ne va plus - Nichts geht mehr
Im Juli 2007 war es dann vorbei. 10 Milliarden Euro Schulden waren angelaufen, im normalen Geschäftsleben wäre der Konkurs fällig gewesen, oder, wie es modern heisst, die Insolvenz.
Die weitere Geschichte der IKB findet sich hier.
Seit 2007 ist Ortseifen suspendiert. Er selbst hält sich für unrechtmässig verfolgt. Es git die Unschuldsvermutung.
Gegen seine Entlassung hat Ortseifen geklagt. Er wohnt nach wie vor in der Dienstvilla der IKB, zur Zeit läuft die Räumungsklage..
.
Nun würde man erwarten, dass angesichts der Zockerei die Staatsanwaltschaft das "Fallbeil" ausgepackt hätte.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Die Staatsanwaltschaft hat offenbar angesichts der komplizierten Materie und der Vielzahl der Transaktionen das Handtuch geworfen.
Angeklagt sind jetzt lediglich Punkte wie Küchenrenovierung oder Anschaffung von Lautsprecherboxen auf Kosten der IKB.
Man könnte es auch so fassen: Ein Berg geht mit Anschuldigungen schwanger und ein Mäuslein wird geboren.
Vor einem Jahr interviewte ich den ehemaligen Generalstaatsanwalt von Berlin, Dr. Hansjürgen Karge, zu diesem Problembereich. Seine Stellungnahme liest sich wie ein Kommentar zu dem laufenden Strafverfahren.
Frage Dr. von Paleske:
Die Staatsanwaltschaften nennen sich scherzhafterweise manchmal Einstellungsbehörden statt Strafverfolgungsbehörden, weil mehr als 70 Prozent aller Verfahren eingestellt werden.
Ist die Staatsanwaltschaft nicht „Klassenjustiz“ insofern, als Tagediebe, Handtaschenräuber etc., wo der Sachverhalt meistens recht einfach aufzuklären ist, verfolgt, angeklagt und verurteilt werden, hingegegen Wirtschaftkriminelle, wo der Sachverhalt oftmals komplex ist, wo Sachverständige notwendig sind, weil den Staatsanwälten die erforderlichen Kenntnisse fehlen, oftmals frei ausgehen, weil die Staatsanwaltschaft kapituliert?
Antwort Dr. Karge
Ich selbst habe mich nach zwei Jahren allgemeiner Kriminalitätsbekämpfung auf das Wirtschaftsstrafrecht gestürzt, aus genau diesen von Ihnen genannten Gründen. Es gab aus vielen soziologischen Untersuchungen, beispielsweise aus den USA, die Erkenntnis, dass vornehmlich der Kleinkriminelle verfolgt wird. Boshafterweise könnte man sagen: Das entspricht dem, was die Staatsanwälte können.
Wenn es kompliziert wird, wozu die organisierte Kriminalität im allgemeinen aber insbesondere die Wirtschaftskriminalität gehört, war jedoch die Hoffnung, dass wir auch da effektiver werden können.
Man hatte zuerst in Nordrhein-Westfalen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften gegründet, inzwischen gibt es überall schwerpunktmässig arbeitende Wirtschafts-Staatsanwälte.
Jedoch, wir sind, aus meiner Sicht gesehen, letztlich gescheitert. Die Justiz hat nicht die finanziellen Resourcen gehabt, um genügend gute Fachleute einzustellen. Und neben den Fachleuten muss die Justiz Staatsanwälte haben, die den energischen Willen haben, Straftaten zu verfolgen. Das ist nichts Anstössiges, wie manche „fortschrittliche“ Menschen meinen.
Verfolgungswillen zu haben, und sich auch wehzutun beim Arbeiten, und nicht nachzugeben, ohne diesen starken Willen wird man bei schwierigen Komplexen keinen Erfolg haben.
Und daran fehlt es neben der Masse und den Resourcen. Es ist nicht so sehr die fehlende wirtschaftliche Ausbildung der Staatsanwälte, es ist der Wille, zu verfolgen und natürlich die Möglichkeiten der Unterstützung durch die Polizei und durch Wirtschaftsfachleute, die uns nach wie vor weitgehend fehlen.
....je höher man sitzt, und je weiter man agieren kann, und je mehr Geld man hat, umso mehr wird man von der „Eierdieb-Verfolgung“ der Staatsanwaltschaft verschont.
Das komplette Interview hier.
Aber auch die Finanzaufsicht hat jämmerlich versagt. Die BaFin, unter der Regie Jochen Sanios, bezeichnete bis zum bitteren Ende die IKB als unproblematisches Institut...
In Abwandlung eines frommen Spruches:
„Gelobt seien die, die nicht sehen wollen und stattdessen glauben“
Links zur IKB und Bankenaufsicht
Noch mehr Milliarden Euro Bürgschaften oder: Vorwärts mit der IKB
Justiz in der Krise oder Krisenjustiz?
Finanzkrise, Bankenkrisen, Kleinanlegerbetrug – Hat die Finanzaufsicht BaFin versagt?
Finanzgauner, ihre Opfer und die BaFin
Die Grossbanken und der Staatsanwalt
.......und als Satire:
Deutschbanker Ackermann schreibt an CSU-Seehofer
onlinedienst - 16. Mär, 13:41 Article 5973x read
Banken-Strafverfolgung findet offenbar nur noch in der juristischen Literatur statt
http://www.gallandi.de/pdf/56StrafAspektAssetBackedSecurities.pdf
Der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ist dieser Artikel bekannt.