Professor Christoph Broelsch – Die lange Reise eines Starchirurgen auf die Anklagebank
Dr. Alexander von Paleske -- 23.9. 2009 --- Der Transplantationschirurg Professor Broelsch steht nicht mehr im Operationssaal, zumindest nicht in Deutschland. Nicht weil er mit 65 Jahren ohnehin ausscheidet, sondern weil er bereits vor 2 Jahren wegen gegen ihn erhobener massiver Vorwürfe suspendiert wurde.Jetzt steht er vor Gericht.
Ihm wird von der Staatsanwaltschaft Steuerhinterziehung, Betrug und Bestechlichkeit vorgeworfen. Wenn man die Reportagen in der Presse liest, dann kommen sie oftmals einer de facto Vorverurteilung nahe.
Es kann einfach nicht mehr zugewartet werden, bis die Zeugen nicht nur gehört, sondern sie auch auf ihre Glaubwürdigkeit abgeklopft werden.
Auch Professor Broelsch hat aber das Recht als unschuldig zu gelten, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist. Gleichwohl muss die Frage gestellt werden: Wie kommt es, dass ein Chirurg mit derartiger Reputation überhaupt auf der Anklagebank landet?
Ein Ruf nach Hamburg
Broelsch hat einen erheblichen Teil seiner Karriere in den USA verbracht, und zwar nicht irgendwo, sondern an einer der renommiertesten Universitäten in den USA, der Universität von Chicago (UoC).
Im Universitätskrankenhaus Hamburg- Eppendorf gab es seinerzeit eine Transplantation von Leber und Pankreas bestenfalls in rudimentärer Form.
Der dortige transplantierende Oberarzt war in erster Linie Abdominalchirurg, der auch gelegentlich mal eine Lebertransplantation vornahm.
Mit der Emeritierung des damaligen Leiters der Abdominalchirurgie, Prof. H.W. Schreiber, sollte nun, neben der Knochenmarktransplatation, die sich damals im Aufbau befand, auch die Transplantation von Leber und Bauchspeicheldrüse auf Weltstandard gehoben werden.
Dafür kam aber aus Deutschland kaum jemand in Frage, der mit der Erfahrung von Broelsch und den von ihm initiierten Fortschritten im Bereich der Transplantationsmedizin mithalten konnte. Broelsch erhielt folgerichtig den Ruf und legte in Hamburg, später dann in Essen, los.
Grenzgänger und Tabubrecher
Allerdings muss man Broelsch wohl auch als Grenzgänger und gleichzeitig als Tabubrecher bezeichnen. Grenzgänger insoweit, als er dort weitermachte, wo andere längst aufgegeben hätten.
Tabubrecher insoweit, als er einstmals die Pfortader in einer intraoperativ festgestellten terminalen Situation bei einer Patientin öffnete, woran die Patientin verblutete. Im nachfolgenden Strafverfahren konnte eine signifikante Kausalität des Eingriffs als letztliche Todesursache jedoch nicht festgestellt werden.
Wem er helfen konnte, der wurde zu seinem Bewunderer. Wer starb, dessen Angehörige wurden enttäuscht und nicht gerade zu seinem Freunden. Die Enttäuschung ist umso grösser, je mehr die mit solchen Operationen verbundenen Risiken vor der Operation heruntergespielt werden. Wie weit das für Broelsch zutraf, wird möglicherweise im Prozess zur Sprache kommen.
Broelsch war – auch hier steht er nicht allein – offenbar ein „Besessener“, gerade dort, wo andere keine Chance mehr sahen, da sah er seine Herausforderungen.
Und dass Broelsch nicht nur ein guter Chirug, sondern ein Starchirurg war, einer der absolut Besten seines Faches, auch daran gibt es wenig Zweifel.
Masslosigkeit als Resultat einer Erwartungshaltung
Ohne dem Ergebnis des Prozesses vorgreifen zu wollen, so lässt sich aber wohl zweierlei sagen: ein gewisses Mass an Masslosigkeit und ein Environment, dass diese Masslosigkeit nicht zurechtstutzte, sondern offenbar förderte. Denn jemand wie Broelsch mit seinem ausgezeichneten Ruf motivierte weltweit Patienten, so sie es sich leisten konnten, nach Hamburg und später dann nach Essen zu kommen. Auch der verstorbene ehemalige Bundespräsident Johannes Rau liess sich von Broelsch eine von Krebs befallene Niere herausoperieren.
Die Macht der Krankenhausverwaltung
Anders als noch vor 20 Jahren, müssen Chefärzte heute aber mehr als die Hälfte ihrer Privatliquidationen an die Krankenhausverwaltung abführen, und jemand wie Broelsch brachte die Ladenkasse der Universitätsklinik wohl ordentlich zum Klingeln.
Ansonsten sind die Krankenhaus-Verwaltungen gegenüber den leitenden Aerzten in den letzten Jahren immer mächtiger, man möchte fast sagen dreister, geworden, machen ihnen Vorschriften, kürzen Budgets, jedenfalls dann, wenn sie nicht von der Statur eines Broelsch waren. Bei ihm war das wohl etwas anders.
Weiter gilt: Je höher man in der Medizinerhierarchie aufsteigt, und so hoch wie Broelsch kommen nur sehr, sehr wenige, je unangreifbarer werden sie, komme was da wolle. Und das hat in Deutschland eine lange Tradition. Das schlimmste Beispiel dafür ist das berufliche Ende des wohl bedeutendsten Chirurgen Deutschland, des Professors Ferdinand Sauerbruch, in Buchform glänzend beschrieben durch Jürgen Thorwald „Die Entlassung. Das Ende des Chirurgen Ferdinand Sauerbruch“
Heute gibt es eigentlich genügend Sicherungen, die in den Krankenhäusern, anders als zu Sauerbruchs Zeiten, eingebaut sind, und die gerade das verhindern sollen: Ethik-Kommission, Mortality Meetings, pathologische Konferenzen, wo die Klinik-Todesfälle besprochen werden um dann daraus die nötigen Konsequenzen zu ziehen.
Wenn ein Chef sich darüber hinwegsetzt?
Da gibt es doch Oberärzte und Assistenzärzte?.
Wer mit dem Alltag in den Krankenhäusern, insbesondere in den Universitätskrankenhäusern vertraut ist, der weiss, dass dies eine Sicherung ist, die überhaupt nur funktioniert, wenn der Klinikchef nicht mit Furchtverbreitung sondern mit Überzeugung agiert, wenn er Kritik nicht nur zulässt sondern dazu einlädt.
Ich hatte das Glück, mit meinem Eppendorfer Chef, Professor Dieter K. Hossfeld, ehemaliger Leiter der Abteilung Hämatologie/Onkologie, so jemanden gehabt zu haben, der Kritik austeilte, aber auch dazu einlud und eigene Fehlentscheidungen freimütig und vor allem selbstkritisch einräumte. Diese Art der intellektuellen Bescheidenheit ist an Universitätskliniken allerdings keineswegs immer vorhanden.
Wer eine Krankenhaus- oder gar Universitätskarriere anstrebt, der muss sich habilitieren. Selbst kleinere Krankenhäuser verlangen heute für Chefärzte diese Qualifikation, die nichts über die praktischen Fähigkeiten und klinischen Erfahrungen aussagt, also gerade das was in diesen kleineren Krankenhäusern am meisten gebraucht wird. Der Titel „Professor“ soll Patienten anlocken.
Wer das Pech hat, unter einem autoritären Chef zu arbeiten und sich mit ihm anlegt, der kann seine Karriere an den Nagel hängen. Diese Karriereabhängigkeit, die auch Einstellungen bei anderen Kliniken oftmals unmöglich macht, führt dann zu dem was in Zeitungsartikeln als „Duckmäuserei „ bezeichnet wurde, eine höchst ungerechte Betrachtungsweise. „Halbgott in Weiss“, Dr. Mausbach und Professor Ungeheuer in Frankfurt, wer erinnert sich noch an die Auseinandersetzung in den 70er Jahren?
Politiker auf die Anklagebank
Der vor Gericht verhandelte Fall steht aber nicht nur stellvertretend für Machtstrukturen an Krankenhäusern, sondern auch für das Versagen der staatlichen Gesundheitspolitik unter der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, eine Ministerin, die ohnehin kaum eine Gelegenheit auslässt, die Aerzteschaft anzugreifen.
Der Fall Broelsch kommt da vermutlich wie gerufen. Aber dieser Fall hat auch damit zu tun, dass die Krankenhäuser finanziell unterversorgt sind, dass die Abkehr vom Tagessatz zur Fallpauschale die Kliniken nicht nur zwingt, Patienten möglichst schnell zu entlassen, aber auch damit, dass eine geordnete Gesundheitspolitik die auch den Ärzten längerfristiges Planen ermöglicht, überhaupt nicht mehr erkennbar ist.
Der Fall hat auch damit zu tun, dass, um vernünftige Forschung zu betreiben, die Einwerbung von sogenannten Drittmitteln nicht nur wünschenswert sondern zwingend erforderlich ist.
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Ärzten wird mittlerweile über Drittmittel finanziert, obgleich sie, zumindest teilweise, an der Patientenversorgung teilnehmen, also eigentlich insoweit von den Universitätskliniken bezahlt werden müssten, aber selbst dafür fehlen die Gelder. Von Forschungsgeldern ganz zu schweigen.
In dieser Situation hat offenbar Prof. Broelsch zu einem Mittel gegriffen, das angreifbar ist, und das ich persönlich für moralisch inakzeptabel halte. Nicht notwendigerweise strafrechtlich relevant, da kommt es auf die weiteren Umstände an, die jetzt im Prozess aufgeklärt werden sollen: Die Zahlung vor der Operation oder die Spende oder wie immer man das bezeichnen will, auch wenn sie nicht in der Privatschatulle des Professors Broelsch landete.
.
Der Patient ist verzweifelt und möchte natürlich die beste Behandlung bekommen, also versucht er irgendwie die Mittel aufzutreiben, nachdem er erkannt hat, dass offenbar nur dies den Zugang zum Starchirurgen erleichtert bzw. ermöglicht.
Spenden als Selbstverständlichkeit
In den USA, wo Professor Broelsch seine Weiterbildung hinter sich brachte, gehört es für viele vermögende Patienten als Ausdruck der Dankbarkeit,oder als Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit dazu, z.T. grosse Summen bereitzustellen.
Es wäre sicherlich erfreulich, wenn eine derartige Einstellung sich auch hier durchsetzen würde.
Bessere Wege
Es hätte wohl kaum jemand etwas einzuwenden gehabt, wenn nach der Operation die Patienten um Zuwendungen gebeten worden wären, aber da wären erstens einmal alle diejenigen weggefallen, bei denen die Operation erfolglos geblieben wäre, zum anderen löst Dankbarkeit leider oftmals eine weniger starke Spendenbereitschaft aus, sofern man das überhaupt so nennen will , wie Verzweiflung. Aber Verzweiflung sollte niemals ausgenutzt werden. Gerade deshalb die Einstufung als „inakzeptabel“.
Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zeigt die seinerzeitige Initiative der Krebskinderklinik Eppendorf damals noch unter Professor Landbeck, wo die Aerzteschaft in der Innenstadt Geld für eine Krebskinderklinik sammelte. Das Echo war enorm. Das Geld kam zusammen. Oder Prof. Hossfeld mit der Errichtung der Abteilung für Knochenmarkstransplantation in Eppendorf – aus Spendengeldern - und zwar nicht von verzweifelten Patienten..
Es gibt also bessere Wege, die von Prof. Broelsch verfolgten Ziele zu erreichen. Und gerade in der Medizin gilt nicht uneingeschränkt der Satz, dass der gute Zweck automatisch die Mittel heiligt.
Wenn man dann die Gesamtsumme allerdings betrachtet, um die es hier geht, weniger als 200.000 Euro, und sie in Relation setzt zu dem, was die Banker – straflos – verzockt haben, nämlich Milliardenbeträge, Zehntausende der Arbeitslosigkeit ausgeliefert haben, einige aus Verzweiflung in den Selbstmord getrieben, dann ist man doch geneigt, Fragen zu stellen, unangenehme Fragen...
Der Verfasser ist leitender Arzt in Gaborone/Botswana und ehemaliger Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
Satire zu Ulla Schmidt
Schluss mit den Angriffen auf Ulla Schmidt
Ministerin Ulla Schmidt: Nie wieder unter Hartz IV- Bedingungen leben
Ihm wird von der Staatsanwaltschaft Steuerhinterziehung, Betrug und Bestechlichkeit vorgeworfen. Wenn man die Reportagen in der Presse liest, dann kommen sie oftmals einer de facto Vorverurteilung nahe.
Es kann einfach nicht mehr zugewartet werden, bis die Zeugen nicht nur gehört, sondern sie auch auf ihre Glaubwürdigkeit abgeklopft werden.
Auch Professor Broelsch hat aber das Recht als unschuldig zu gelten, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist. Gleichwohl muss die Frage gestellt werden: Wie kommt es, dass ein Chirurg mit derartiger Reputation überhaupt auf der Anklagebank landet?
Ein Ruf nach Hamburg
Broelsch hat einen erheblichen Teil seiner Karriere in den USA verbracht, und zwar nicht irgendwo, sondern an einer der renommiertesten Universitäten in den USA, der Universität von Chicago (UoC).
Im Universitätskrankenhaus Hamburg- Eppendorf gab es seinerzeit eine Transplantation von Leber und Pankreas bestenfalls in rudimentärer Form.
Der dortige transplantierende Oberarzt war in erster Linie Abdominalchirurg, der auch gelegentlich mal eine Lebertransplantation vornahm.
Mit der Emeritierung des damaligen Leiters der Abdominalchirurgie, Prof. H.W. Schreiber, sollte nun, neben der Knochenmarktransplatation, die sich damals im Aufbau befand, auch die Transplantation von Leber und Bauchspeicheldrüse auf Weltstandard gehoben werden.
Dafür kam aber aus Deutschland kaum jemand in Frage, der mit der Erfahrung von Broelsch und den von ihm initiierten Fortschritten im Bereich der Transplantationsmedizin mithalten konnte. Broelsch erhielt folgerichtig den Ruf und legte in Hamburg, später dann in Essen, los.
Grenzgänger und Tabubrecher
Allerdings muss man Broelsch wohl auch als Grenzgänger und gleichzeitig als Tabubrecher bezeichnen. Grenzgänger insoweit, als er dort weitermachte, wo andere längst aufgegeben hätten.
Tabubrecher insoweit, als er einstmals die Pfortader in einer intraoperativ festgestellten terminalen Situation bei einer Patientin öffnete, woran die Patientin verblutete. Im nachfolgenden Strafverfahren konnte eine signifikante Kausalität des Eingriffs als letztliche Todesursache jedoch nicht festgestellt werden.
Wem er helfen konnte, der wurde zu seinem Bewunderer. Wer starb, dessen Angehörige wurden enttäuscht und nicht gerade zu seinem Freunden. Die Enttäuschung ist umso grösser, je mehr die mit solchen Operationen verbundenen Risiken vor der Operation heruntergespielt werden. Wie weit das für Broelsch zutraf, wird möglicherweise im Prozess zur Sprache kommen.
Broelsch war – auch hier steht er nicht allein – offenbar ein „Besessener“, gerade dort, wo andere keine Chance mehr sahen, da sah er seine Herausforderungen.
Und dass Broelsch nicht nur ein guter Chirug, sondern ein Starchirurg war, einer der absolut Besten seines Faches, auch daran gibt es wenig Zweifel.
Masslosigkeit als Resultat einer Erwartungshaltung
Ohne dem Ergebnis des Prozesses vorgreifen zu wollen, so lässt sich aber wohl zweierlei sagen: ein gewisses Mass an Masslosigkeit und ein Environment, dass diese Masslosigkeit nicht zurechtstutzte, sondern offenbar förderte. Denn jemand wie Broelsch mit seinem ausgezeichneten Ruf motivierte weltweit Patienten, so sie es sich leisten konnten, nach Hamburg und später dann nach Essen zu kommen. Auch der verstorbene ehemalige Bundespräsident Johannes Rau liess sich von Broelsch eine von Krebs befallene Niere herausoperieren.
Die Macht der Krankenhausverwaltung
Anders als noch vor 20 Jahren, müssen Chefärzte heute aber mehr als die Hälfte ihrer Privatliquidationen an die Krankenhausverwaltung abführen, und jemand wie Broelsch brachte die Ladenkasse der Universitätsklinik wohl ordentlich zum Klingeln.
Ansonsten sind die Krankenhaus-Verwaltungen gegenüber den leitenden Aerzten in den letzten Jahren immer mächtiger, man möchte fast sagen dreister, geworden, machen ihnen Vorschriften, kürzen Budgets, jedenfalls dann, wenn sie nicht von der Statur eines Broelsch waren. Bei ihm war das wohl etwas anders.
Weiter gilt: Je höher man in der Medizinerhierarchie aufsteigt, und so hoch wie Broelsch kommen nur sehr, sehr wenige, je unangreifbarer werden sie, komme was da wolle. Und das hat in Deutschland eine lange Tradition. Das schlimmste Beispiel dafür ist das berufliche Ende des wohl bedeutendsten Chirurgen Deutschland, des Professors Ferdinand Sauerbruch, in Buchform glänzend beschrieben durch Jürgen Thorwald „Die Entlassung. Das Ende des Chirurgen Ferdinand Sauerbruch“
Heute gibt es eigentlich genügend Sicherungen, die in den Krankenhäusern, anders als zu Sauerbruchs Zeiten, eingebaut sind, und die gerade das verhindern sollen: Ethik-Kommission, Mortality Meetings, pathologische Konferenzen, wo die Klinik-Todesfälle besprochen werden um dann daraus die nötigen Konsequenzen zu ziehen.
Wenn ein Chef sich darüber hinwegsetzt?
Da gibt es doch Oberärzte und Assistenzärzte?.
Wer mit dem Alltag in den Krankenhäusern, insbesondere in den Universitätskrankenhäusern vertraut ist, der weiss, dass dies eine Sicherung ist, die überhaupt nur funktioniert, wenn der Klinikchef nicht mit Furchtverbreitung sondern mit Überzeugung agiert, wenn er Kritik nicht nur zulässt sondern dazu einlädt.
Ich hatte das Glück, mit meinem Eppendorfer Chef, Professor Dieter K. Hossfeld, ehemaliger Leiter der Abteilung Hämatologie/Onkologie, so jemanden gehabt zu haben, der Kritik austeilte, aber auch dazu einlud und eigene Fehlentscheidungen freimütig und vor allem selbstkritisch einräumte. Diese Art der intellektuellen Bescheidenheit ist an Universitätskliniken allerdings keineswegs immer vorhanden.
Wer eine Krankenhaus- oder gar Universitätskarriere anstrebt, der muss sich habilitieren. Selbst kleinere Krankenhäuser verlangen heute für Chefärzte diese Qualifikation, die nichts über die praktischen Fähigkeiten und klinischen Erfahrungen aussagt, also gerade das was in diesen kleineren Krankenhäusern am meisten gebraucht wird. Der Titel „Professor“ soll Patienten anlocken.
Wer das Pech hat, unter einem autoritären Chef zu arbeiten und sich mit ihm anlegt, der kann seine Karriere an den Nagel hängen. Diese Karriereabhängigkeit, die auch Einstellungen bei anderen Kliniken oftmals unmöglich macht, führt dann zu dem was in Zeitungsartikeln als „Duckmäuserei „ bezeichnet wurde, eine höchst ungerechte Betrachtungsweise. „Halbgott in Weiss“, Dr. Mausbach und Professor Ungeheuer in Frankfurt, wer erinnert sich noch an die Auseinandersetzung in den 70er Jahren?
Politiker auf die Anklagebank
Der vor Gericht verhandelte Fall steht aber nicht nur stellvertretend für Machtstrukturen an Krankenhäusern, sondern auch für das Versagen der staatlichen Gesundheitspolitik unter der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, eine Ministerin, die ohnehin kaum eine Gelegenheit auslässt, die Aerzteschaft anzugreifen.
Der Fall Broelsch kommt da vermutlich wie gerufen. Aber dieser Fall hat auch damit zu tun, dass die Krankenhäuser finanziell unterversorgt sind, dass die Abkehr vom Tagessatz zur Fallpauschale die Kliniken nicht nur zwingt, Patienten möglichst schnell zu entlassen, aber auch damit, dass eine geordnete Gesundheitspolitik die auch den Ärzten längerfristiges Planen ermöglicht, überhaupt nicht mehr erkennbar ist.
Der Fall hat auch damit zu tun, dass, um vernünftige Forschung zu betreiben, die Einwerbung von sogenannten Drittmitteln nicht nur wünschenswert sondern zwingend erforderlich ist.
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Ärzten wird mittlerweile über Drittmittel finanziert, obgleich sie, zumindest teilweise, an der Patientenversorgung teilnehmen, also eigentlich insoweit von den Universitätskliniken bezahlt werden müssten, aber selbst dafür fehlen die Gelder. Von Forschungsgeldern ganz zu schweigen.
In dieser Situation hat offenbar Prof. Broelsch zu einem Mittel gegriffen, das angreifbar ist, und das ich persönlich für moralisch inakzeptabel halte. Nicht notwendigerweise strafrechtlich relevant, da kommt es auf die weiteren Umstände an, die jetzt im Prozess aufgeklärt werden sollen: Die Zahlung vor der Operation oder die Spende oder wie immer man das bezeichnen will, auch wenn sie nicht in der Privatschatulle des Professors Broelsch landete.
.
Der Patient ist verzweifelt und möchte natürlich die beste Behandlung bekommen, also versucht er irgendwie die Mittel aufzutreiben, nachdem er erkannt hat, dass offenbar nur dies den Zugang zum Starchirurgen erleichtert bzw. ermöglicht.
Spenden als Selbstverständlichkeit
In den USA, wo Professor Broelsch seine Weiterbildung hinter sich brachte, gehört es für viele vermögende Patienten als Ausdruck der Dankbarkeit,oder als Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit dazu, z.T. grosse Summen bereitzustellen.
Es wäre sicherlich erfreulich, wenn eine derartige Einstellung sich auch hier durchsetzen würde.
Bessere Wege
Es hätte wohl kaum jemand etwas einzuwenden gehabt, wenn nach der Operation die Patienten um Zuwendungen gebeten worden wären, aber da wären erstens einmal alle diejenigen weggefallen, bei denen die Operation erfolglos geblieben wäre, zum anderen löst Dankbarkeit leider oftmals eine weniger starke Spendenbereitschaft aus, sofern man das überhaupt so nennen will , wie Verzweiflung. Aber Verzweiflung sollte niemals ausgenutzt werden. Gerade deshalb die Einstufung als „inakzeptabel“.
Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zeigt die seinerzeitige Initiative der Krebskinderklinik Eppendorf damals noch unter Professor Landbeck, wo die Aerzteschaft in der Innenstadt Geld für eine Krebskinderklinik sammelte. Das Echo war enorm. Das Geld kam zusammen. Oder Prof. Hossfeld mit der Errichtung der Abteilung für Knochenmarkstransplantation in Eppendorf – aus Spendengeldern - und zwar nicht von verzweifelten Patienten..
Es gibt also bessere Wege, die von Prof. Broelsch verfolgten Ziele zu erreichen. Und gerade in der Medizin gilt nicht uneingeschränkt der Satz, dass der gute Zweck automatisch die Mittel heiligt.
Wenn man dann die Gesamtsumme allerdings betrachtet, um die es hier geht, weniger als 200.000 Euro, und sie in Relation setzt zu dem, was die Banker – straflos – verzockt haben, nämlich Milliardenbeträge, Zehntausende der Arbeitslosigkeit ausgeliefert haben, einige aus Verzweiflung in den Selbstmord getrieben, dann ist man doch geneigt, Fragen zu stellen, unangenehme Fragen...
Der Verfasser ist leitender Arzt in Gaborone/Botswana und ehemaliger Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
Satire zu Ulla Schmidt
Schluss mit den Angriffen auf Ulla Schmidt
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onlinedienst - 23. Sep, 22:46 Article 4771x read