SPIEGEL-Chefredaktion: der nächste bitte?
Dr. Alexander von Paleske ----- 21.8. 2014 ---- Vor einem Jahr, nach dem erzwungenen Abtritt des querelenfreudigen Chefredakteur-Duos Müller-von Blumencron / Mascolo aus der SPIEGEL-Chefetage, sollte endlich der Neuanfang gelingen: Frischer Wind im „Palazzo Prozzi“ in der Hamburger Hafencity wehen, statt ständigem Gezänk und SPIEGEL-Titeln über Schlaflosigkeit und die BILD-Zeitung.
Qualitätsjournalismus statt Gezänk
Qualitätsjournalismus sollte angesagt sein, und angeknüpft werden an die goldenen SPIEGEL-Tage, als Rudolf Augstein noch auf der Kommandobrücke stand, und das Nachrichtenmagazin prall gefüllt war mit Interessanten Reportagen und Enthüllungen, und selbst gute Artikel in den Papierkorb wanderten, weil man einen Überfluss davon hatte.
Gründlich in die Hose
Heute lässt sich bilanzieren: das Experiment „frischer Wind“ ging gründlich in die Hose, und zwar ziemlich schnell.
Der neue Chefredakteur Wolfgang Büchner hatte nichts besseres zu tun, als die “BILD-Zeitung in den SPIEGEL zu holen“ mit der Berufung des BILD –Hauptstadt-Schreibers Nikolaus Blome.
Nikolaus Blome .......vom Revolverblättchen zum SPIEGEL.
Wir schrieben damals:
Zweifel bestehen, ob derartige Widerwärtigkeiten abfassende „Qualitätsjournalisten“ dieses Hetz- Kampf– und Revolverblättchens (gemeint war die BILD-Zeitung) die Stelle eines stellvertretenden Chefredakteurs beim SPIEGEL übernehmen sollten, um nicht nur Ruhe beim SPIEGEL einkehren zu lassen, sondern dieses Nachrichtenmagazin zu den alten investigativen Glanzzeiten auch nur ansatzweise zurückzulotsen.
Statt Ruhe: Aufruhr
Heute lässt sich feststellen: nicht einmal Ruhe ist eingekehrt, sondern die Redaktion ist wieder einmal in Aufruhr.
Nachdem die SPIEGEL-Redakteure diese "Entscheidungs-Kröte" für Blome schluckten – notgedrungen, weil Chef Büchner das zu einer Machtfrage hochstilisierte - und die Redakteure endlich wieder ihrer Arbeit nachgehen wollten, hat der Chefredakteur Büchner nun richtig seine Krallen gezeigt: Er will alle Ressortleiter-Stellen neu ausschreiben.
Wolfgang Büchner .......Krallen gezeigt.
Im Klartext: ihm unbequeme Ressortleiter loswerden. Sprich: den SPIEGEL unter seine vollständige Kontrolle bringen. Gerade von den Ressortleitern hatte es heftige Kritik an Büchner gegeben. Das sollte endgültig der Vergangenheit angehören
Machtspielchen statt zündende Ideen
Dass der Chef Büchner, abgesehen von diesen Machtspielchen, irgendwelche neuen zündenden Ideen losgelassen hätte, mit denen er auch die Redakteure motivieren, ja begeistern , und dem altersmüden SPIEGEL neuen Schwung hätte verleihen können, das lässt sich wohl kaum behaupten.
Erbärmliche Geschichten
Parallel dazu kamen erbärmliche Titelgeschichten wie letztlich „Stoppt Putin" - offenbar hatte man Putin mit der Terrorfront Islamischer Staat verwechselt. Aber auch „Enthüllungsartikel“ über den führenden deutschen Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff, die wir hier kräftig kritisierten.
Zensur von Leserbeiträgen
Ausserdem musste sich SPIEGEL–online massive Kritik an seiner Zensurpolitik gegenüber Leserbeiträgen gefallen lassen: Dort dürfen Hilfskräfte – so sieht es jedenfalls aus - nach Belieben sich zensurmässig austoben. Begründunglose, und oftmals kaum nachvollziehbare Unterdrückung von Beiträgen, was verständliche Verbitterung auslöste.
Entscheidung anstehend
Die Mitarbeiter KG, die 50,1% der Anteile am SPIEGEL besitzt, das Resultat von Augsteins seinerzeitiger Schenkung der Hälfte des SPIEGEL an seine Mitarbeiter, wird demnächst zu entscheiden haben, ob für Büchner, Blome & Co der nächste 1. der letzte ist.
Keine Überraschung
Überraschend ist diese Entwicklung angesichts des Umbruchs in der Medienlandschaft kaum.
Der SPIEGEL ist da allerdings in guter Gesellschaft mit FOCUS und STERN. Der letztere hat auch gerade wieder mal den Chefredakteur gewechselt, nachdem der bisherige, Dominik Wichmann, nur etwas mehr als ein Jahr im Amt, den STERN offenbar zu einer „Schreibtischillustrierten“ machen wollte, ein Kultur-Stern sozusagen, und er sich auch noch den Spitznamen Dr.W. Ichmannn einhandelte, angesichts seines offenbar recht ichbezogenen Auftretens.
Qualitätsjournalismus gefragt
Der SPIEGEL war einst nicht nur das „Sturmgeschütz der Demokratie“, wie Gründer, jahrzehntelanger Herausgeber und Journalist des Jahrhunderts, Rudolf Augstein, es nannte, sondern eben auch ein Nachrichtenmagazin.
Diese Nachrichten müssen angesichts des Internets notwendigerweise vom Print in den Online-Auftritt abwandern, weil im Print das alles, angesichts der Schnelle der Verbreitung, nur der Schnee von gestern ist.
SPIEGEL-Print müsste insbesondere mit brillianten Analysen, der substantiierten Vorhersage von politischen Entwicklungen, und der Aufdeckung von Skandalen glänzen.
Davon ist in der Printausgabe immer weniger zu finden. Solange hier nicht ein durchgreifender Richtungswechsel stattfindet, wird es mit der Printauflage, der Cash-Cow, weiter bergab gehen.
Büchner und Blome verwechselten offenbar Machtpolitik mit Innovation. Das scheint mittlerweile der Mehrheit der Redakteure nicht länger zu gefallen.
Bitte umblättern, oder „der Nächste bitte“ könnte es alsbald wieder mal heissen.
NACHTRAG 23.8. 2014
Die Mitarbeiter KG hat gestern das Konzept Büchners abgesegnet, ihm damit das Vertrauen ausgesprochen.
Nachdem 80% der Redakteure von SPIEGEL-print sich indirekt gegen Büchner ausgesprochen hatten, kann diese Entscheidung kaum "Ruhe in den Laden" bringen. Und schon gar nicht die Redakteure motivieren, die Qualitätsstandards zu heben. Die SPIEGEL-Krise droht zur Dauerkrise, das Blatt zum Krisen-SPIEGEL zu werden
Ober-Grüner und "Steuerspar-Fachmann" Anton Hofreiter, Blackwater (Academi)-Söldner in der Ukraine, Günter Wallraff und ein Nachrichtenmagazin namens SPIEGEL
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Qualitätsjournalismus sollte angesagt sein, und angeknüpft werden an die goldenen SPIEGEL-Tage, als Rudolf Augstein noch auf der Kommandobrücke stand, und das Nachrichtenmagazin prall gefüllt war mit Interessanten Reportagen und Enthüllungen, und selbst gute Artikel in den Papierkorb wanderten, weil man einen Überfluss davon hatte.
Gründlich in die Hose
Heute lässt sich bilanzieren: das Experiment „frischer Wind“ ging gründlich in die Hose, und zwar ziemlich schnell.
Der neue Chefredakteur Wolfgang Büchner hatte nichts besseres zu tun, als die “BILD-Zeitung in den SPIEGEL zu holen“ mit der Berufung des BILD –Hauptstadt-Schreibers Nikolaus Blome.
Nikolaus Blome .......vom Revolverblättchen zum SPIEGEL.
Wir schrieben damals:
Zweifel bestehen, ob derartige Widerwärtigkeiten abfassende „Qualitätsjournalisten“ dieses Hetz- Kampf– und Revolverblättchens (gemeint war die BILD-Zeitung) die Stelle eines stellvertretenden Chefredakteurs beim SPIEGEL übernehmen sollten, um nicht nur Ruhe beim SPIEGEL einkehren zu lassen, sondern dieses Nachrichtenmagazin zu den alten investigativen Glanzzeiten auch nur ansatzweise zurückzulotsen.
Statt Ruhe: Aufruhr
Heute lässt sich feststellen: nicht einmal Ruhe ist eingekehrt, sondern die Redaktion ist wieder einmal in Aufruhr.
Nachdem die SPIEGEL-Redakteure diese "Entscheidungs-Kröte" für Blome schluckten – notgedrungen, weil Chef Büchner das zu einer Machtfrage hochstilisierte - und die Redakteure endlich wieder ihrer Arbeit nachgehen wollten, hat der Chefredakteur Büchner nun richtig seine Krallen gezeigt: Er will alle Ressortleiter-Stellen neu ausschreiben.
Wolfgang Büchner .......Krallen gezeigt.
Im Klartext: ihm unbequeme Ressortleiter loswerden. Sprich: den SPIEGEL unter seine vollständige Kontrolle bringen. Gerade von den Ressortleitern hatte es heftige Kritik an Büchner gegeben. Das sollte endgültig der Vergangenheit angehören
Machtspielchen statt zündende Ideen
Dass der Chef Büchner, abgesehen von diesen Machtspielchen, irgendwelche neuen zündenden Ideen losgelassen hätte, mit denen er auch die Redakteure motivieren, ja begeistern , und dem altersmüden SPIEGEL neuen Schwung hätte verleihen können, das lässt sich wohl kaum behaupten.
Erbärmliche Geschichten
Parallel dazu kamen erbärmliche Titelgeschichten wie letztlich „Stoppt Putin" - offenbar hatte man Putin mit der Terrorfront Islamischer Staat verwechselt. Aber auch „Enthüllungsartikel“ über den führenden deutschen Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff, die wir hier kräftig kritisierten.
Zensur von Leserbeiträgen
Ausserdem musste sich SPIEGEL–online massive Kritik an seiner Zensurpolitik gegenüber Leserbeiträgen gefallen lassen: Dort dürfen Hilfskräfte – so sieht es jedenfalls aus - nach Belieben sich zensurmässig austoben. Begründunglose, und oftmals kaum nachvollziehbare Unterdrückung von Beiträgen, was verständliche Verbitterung auslöste.
Entscheidung anstehend
Die Mitarbeiter KG, die 50,1% der Anteile am SPIEGEL besitzt, das Resultat von Augsteins seinerzeitiger Schenkung der Hälfte des SPIEGEL an seine Mitarbeiter, wird demnächst zu entscheiden haben, ob für Büchner, Blome & Co der nächste 1. der letzte ist.
Keine Überraschung
Überraschend ist diese Entwicklung angesichts des Umbruchs in der Medienlandschaft kaum.
Der SPIEGEL ist da allerdings in guter Gesellschaft mit FOCUS und STERN. Der letztere hat auch gerade wieder mal den Chefredakteur gewechselt, nachdem der bisherige, Dominik Wichmann, nur etwas mehr als ein Jahr im Amt, den STERN offenbar zu einer „Schreibtischillustrierten“ machen wollte, ein Kultur-Stern sozusagen, und er sich auch noch den Spitznamen Dr.W. Ichmannn einhandelte, angesichts seines offenbar recht ichbezogenen Auftretens.
Qualitätsjournalismus gefragt
Der SPIEGEL war einst nicht nur das „Sturmgeschütz der Demokratie“, wie Gründer, jahrzehntelanger Herausgeber und Journalist des Jahrhunderts, Rudolf Augstein, es nannte, sondern eben auch ein Nachrichtenmagazin.
Diese Nachrichten müssen angesichts des Internets notwendigerweise vom Print in den Online-Auftritt abwandern, weil im Print das alles, angesichts der Schnelle der Verbreitung, nur der Schnee von gestern ist.
SPIEGEL-Print müsste insbesondere mit brillianten Analysen, der substantiierten Vorhersage von politischen Entwicklungen, und der Aufdeckung von Skandalen glänzen.
Davon ist in der Printausgabe immer weniger zu finden. Solange hier nicht ein durchgreifender Richtungswechsel stattfindet, wird es mit der Printauflage, der Cash-Cow, weiter bergab gehen.
Büchner und Blome verwechselten offenbar Machtpolitik mit Innovation. Das scheint mittlerweile der Mehrheit der Redakteure nicht länger zu gefallen.
Bitte umblättern, oder „der Nächste bitte“ könnte es alsbald wieder mal heissen.
NACHTRAG 23.8. 2014
Die Mitarbeiter KG hat gestern das Konzept Büchners abgesegnet, ihm damit das Vertrauen ausgesprochen.
Nachdem 80% der Redakteure von SPIEGEL-print sich indirekt gegen Büchner ausgesprochen hatten, kann diese Entscheidung kaum "Ruhe in den Laden" bringen. Und schon gar nicht die Redakteure motivieren, die Qualitätsstandards zu heben. Die SPIEGEL-Krise droht zur Dauerkrise, das Blatt zum Krisen-SPIEGEL zu werden
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onlinedienst - 21. Aug, 07:07 Article 6106x read