Weg mit dem Ballast, oder: Lasst schneller sterben und ihr werdet belohnt – Perverse Finanzanreize für britische Krankenhäuser
Dr. Alexander von Paleske --- 26.10. 2012 ---
Der Bericht, der heute in der britischen Tageszeitung Daily Mail erschien, ist unglaublich, aber wahr:
Britische Krankenhäuser bekommen Prämien und finanzielle Anreize, wenn sie prozentual genügend Patienten, die terminal erkrankt sind, auf den „schnellen Entsorgungsweg“ bringen, auch Liverpool Care Pathway (LCP) genannt.
Fast Track to Death
Treffender müsste es wohl als „Fast track to death“ bezeichnet werden.
Die betreffenden Patienten werden, nachdem der behandelnde Arzt die „Hoffnungslosigkeit des Falles“ festgestellt hat, auf eine „Behandlungsschiene“ gesetzt, die dafür sorgt, dass der Patient innerhalb von durchschnittlich 29 Stunden stirbt.
Die Details
LCP oder besser „Fast Track to death“ bedeutet dabei:
- Sedierung des Patienten
- Stopp jeglicher lebenserhaltender Medikamente wie z. B. Antibiotika
- Abklemmen jeglicher Flüssigkeitszufuhr, nicht nur der Nahrung.
Rund 100.000 Patienten sollen auf diese Weise jährlich schneller „ins Jenseits“ befördert worden sein.
Krankenhäuser, welche die festgesetzte LCP-Quote erreichen, werden mit Millionenbeträgen „belohnt“ .
Vor der Belohnung die Einhaltung der Quoten
Einige Krankenhäuser haben Quoten festgelegt, die irgendwo zwischen 1/3 und 2/3 der im Krankenhaus verstorbenen stationären Patienten liegen sollen.
In den letzten Jahren sind rund 30 Millionen britische Pfund Sterling extra an solche Krankenhäuser geflossen, die sich innerhalb der "gesetzten Ziele“ bewegten.
Festgestellt wird die Belohnung und deren Höhe von Konsortien, aus niedergelassenen Ärzten. Wir berichteten bereits über die Aufgabe der Konsortien bei der „Kostendämpfung“ im britischen Gesundheitswesen.
Keine Palliativmedizin
Es ist selbstverständlich, dass in bestimmten Fällen die Nicht-Fortsetzung lebensverlängernder Massnahmen durchaus gerechtfertigt ist.
Aber Abklemmen von jeglicher Flüssigkeitszufuhr, also nicht nur der Nahrungszufuhr ist schlichtweg unzulässig.
Hier auch noch Zielvorgaben zu machen, und finanzielle Belohnungen auszusetzen, kann nachgerade nur als menschenverachtend und pervers bezeichnet werden.
Das hat alles nichts mehr mit sogenannter Palliativmedizin zu tun, für welche die Ärzte in ihrer Studienzeit ohnehin höchst unzureichend ausgebildet werden.
Nur ein Narr kann glauben, dass diese „Anreize“ angesichts der desolaten Finanzlage in den Krankenhäusern, letztlich ohne Einfluss auf die Entscheidung des behandelnden Arztes bleiben.
.
Nicht in Deutschland?
Wer jedoch glaubt, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt, der dürfte sich täuschen. Zwar gibt es keine direkten „Belohnungen“. Aber unter der Ägide der SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wurde im Jahre 2003 in Deutschland die Tagespauschale abgeschafft, und stattdessen die Fallpauschale eingeführt.
Die „segensreichen“ Wirkungen dieser Massnahme sind:
Kürzere Liegezeiten, auch wenn medizinisch oft nicht vertretbar
Entlassung von halbkranken Patienten, um innerhalb des Kostenrahmens zu bleiben
Schliessung von „nichtrentablen“ Krankenhäusern, also vor allem Krankenhäuser der bürgernahen Grundversorgung, wo oftmals multimorbide Patienten eingewiesen werden, die aber zu "Defizitfällen" wegen der nur geringen Fallpauschale und der oftmals längeren Behandlungsdauer werden . Auch hier wächst dann der Druck, eine „schnelle Lösung“ herbeizuführen – aus Kostengründen und zur Sicherung der Überlebensfähigkeit des Krankenhauses.
Steigerung der Operationen und invasiven Eingriffe, die eine hohe Fallpauschale bei relativ kurzer Verweildauer bieten, also ordentlich Geld in die Kasse der Krankenhäuser spülen, wie z.B. Kniegelenkersatz, auch wenn die Indikationen dazu nicht selten zweifelhaft bzw. höchst zweifelhaft sind. Gleiches gilt für Herzkatheter.
Wann endlich wird dieser „Medizin ohne Menschlichkeit“ ein Ende bereitet?
NACHTRAG
Siehe auch den Folgeartikel über eine "Überlebende" des "Fastracks to death"
http://www.dailymail.co.uk/news/article-2223836/I-survived-death-pathway-Patricia-82-given-days-live-family-defied-doctors-gave-water-straw--shes-planning-world-cruise.html
Zum Gesundheitswesen in Grossbritannien
Die Regierung betreibt die Abschaffung des nationalen Gesundheitsdienstes (NHS)
Gesundheitsreform in Großbritannien – oder: Weil Du reich bist sollst Du länger leben
Grossbritannien: Die Zukunft(slosigkeit) im Gesundheitswesen hat schon begonnen
.....und in Europa
Weiter bergab im europäischen Gesundheitswesen
Sparmassnahmen schicken Europas Gesundheitswesen auf die Krankenstation
Berichte aus Griechenland, die keine Schlagzeilen mehr machen
Griechenland: Aus der Ausweglosigkeit in den Freitod – kein Einzelfall
Strafgesetzbuch und Sterbehilfe - Eine Nachbemerkung zum Fall der Krebsärztin Dr. Mechthild Bach
Zu Ulla Schmidt
SPD-Ulla Schmidt schreibt an SPD-Hoffnungsträger Peer Steinbrück
Schluss mit den Angriffen auf Ulla Schmidt
Ministerin Ulla Schmidt: Nie wieder unter Hartz IV- Bedingungen leben
Siehe auch die informativen ZEIT-Artikel:
Klappe halten und wegsehen ZEIT vom 20.9. 2012 S. 32
und
Das Ende der Schweigepflicht ZEIT vom 15.5. 2012
Der Verfasser ist Internist, Hämatologe und leitender Arzt, ausserdem ehemaliger Rechtsanwalt
Der Bericht, der heute in der britischen Tageszeitung Daily Mail erschien, ist unglaublich, aber wahr:
Britische Krankenhäuser bekommen Prämien und finanzielle Anreize, wenn sie prozentual genügend Patienten, die terminal erkrankt sind, auf den „schnellen Entsorgungsweg“ bringen, auch Liverpool Care Pathway (LCP) genannt.
Fast Track to Death
Treffender müsste es wohl als „Fast track to death“ bezeichnet werden.
Die betreffenden Patienten werden, nachdem der behandelnde Arzt die „Hoffnungslosigkeit des Falles“ festgestellt hat, auf eine „Behandlungsschiene“ gesetzt, die dafür sorgt, dass der Patient innerhalb von durchschnittlich 29 Stunden stirbt.
Die Details
LCP oder besser „Fast Track to death“ bedeutet dabei:
- Sedierung des Patienten
- Stopp jeglicher lebenserhaltender Medikamente wie z. B. Antibiotika
- Abklemmen jeglicher Flüssigkeitszufuhr, nicht nur der Nahrung.
Rund 100.000 Patienten sollen auf diese Weise jährlich schneller „ins Jenseits“ befördert worden sein.
Krankenhäuser, welche die festgesetzte LCP-Quote erreichen, werden mit Millionenbeträgen „belohnt“ .
Vor der Belohnung die Einhaltung der Quoten
Einige Krankenhäuser haben Quoten festgelegt, die irgendwo zwischen 1/3 und 2/3 der im Krankenhaus verstorbenen stationären Patienten liegen sollen.
In den letzten Jahren sind rund 30 Millionen britische Pfund Sterling extra an solche Krankenhäuser geflossen, die sich innerhalb der "gesetzten Ziele“ bewegten.
Festgestellt wird die Belohnung und deren Höhe von Konsortien, aus niedergelassenen Ärzten. Wir berichteten bereits über die Aufgabe der Konsortien bei der „Kostendämpfung“ im britischen Gesundheitswesen.
Keine Palliativmedizin
Es ist selbstverständlich, dass in bestimmten Fällen die Nicht-Fortsetzung lebensverlängernder Massnahmen durchaus gerechtfertigt ist.
Aber Abklemmen von jeglicher Flüssigkeitszufuhr, also nicht nur der Nahrungszufuhr ist schlichtweg unzulässig.
Hier auch noch Zielvorgaben zu machen, und finanzielle Belohnungen auszusetzen, kann nachgerade nur als menschenverachtend und pervers bezeichnet werden.
Das hat alles nichts mehr mit sogenannter Palliativmedizin zu tun, für welche die Ärzte in ihrer Studienzeit ohnehin höchst unzureichend ausgebildet werden.
Nur ein Narr kann glauben, dass diese „Anreize“ angesichts der desolaten Finanzlage in den Krankenhäusern, letztlich ohne Einfluss auf die Entscheidung des behandelnden Arztes bleiben.
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Nicht in Deutschland?
Wer jedoch glaubt, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt, der dürfte sich täuschen. Zwar gibt es keine direkten „Belohnungen“. Aber unter der Ägide der SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wurde im Jahre 2003 in Deutschland die Tagespauschale abgeschafft, und stattdessen die Fallpauschale eingeführt.
Die „segensreichen“ Wirkungen dieser Massnahme sind:
Kürzere Liegezeiten, auch wenn medizinisch oft nicht vertretbar
Entlassung von halbkranken Patienten, um innerhalb des Kostenrahmens zu bleiben
Schliessung von „nichtrentablen“ Krankenhäusern, also vor allem Krankenhäuser der bürgernahen Grundversorgung, wo oftmals multimorbide Patienten eingewiesen werden, die aber zu "Defizitfällen" wegen der nur geringen Fallpauschale und der oftmals längeren Behandlungsdauer werden . Auch hier wächst dann der Druck, eine „schnelle Lösung“ herbeizuführen – aus Kostengründen und zur Sicherung der Überlebensfähigkeit des Krankenhauses.
Steigerung der Operationen und invasiven Eingriffe, die eine hohe Fallpauschale bei relativ kurzer Verweildauer bieten, also ordentlich Geld in die Kasse der Krankenhäuser spülen, wie z.B. Kniegelenkersatz, auch wenn die Indikationen dazu nicht selten zweifelhaft bzw. höchst zweifelhaft sind. Gleiches gilt für Herzkatheter.
Wann endlich wird dieser „Medizin ohne Menschlichkeit“ ein Ende bereitet?
NACHTRAG
Siehe auch den Folgeartikel über eine "Überlebende" des "Fastracks to death"
http://www.dailymail.co.uk/news/article-2223836/I-survived-death-pathway-Patricia-82-given-days-live-family-defied-doctors-gave-water-straw--shes-planning-world-cruise.html
Zum Gesundheitswesen in Grossbritannien
Die Regierung betreibt die Abschaffung des nationalen Gesundheitsdienstes (NHS)
Gesundheitsreform in Großbritannien – oder: Weil Du reich bist sollst Du länger leben
Grossbritannien: Die Zukunft(slosigkeit) im Gesundheitswesen hat schon begonnen
.....und in Europa
Weiter bergab im europäischen Gesundheitswesen
Sparmassnahmen schicken Europas Gesundheitswesen auf die Krankenstation
Berichte aus Griechenland, die keine Schlagzeilen mehr machen
Griechenland: Aus der Ausweglosigkeit in den Freitod – kein Einzelfall
Strafgesetzbuch und Sterbehilfe - Eine Nachbemerkung zum Fall der Krebsärztin Dr. Mechthild Bach
Zu Ulla Schmidt
SPD-Ulla Schmidt schreibt an SPD-Hoffnungsträger Peer Steinbrück
Schluss mit den Angriffen auf Ulla Schmidt
Ministerin Ulla Schmidt: Nie wieder unter Hartz IV- Bedingungen leben
Siehe auch die informativen ZEIT-Artikel:
Klappe halten und wegsehen ZEIT vom 20.9. 2012 S. 32
und
Das Ende der Schweigepflicht ZEIT vom 15.5. 2012
Der Verfasser ist Internist, Hämatologe und leitender Arzt, ausserdem ehemaliger Rechtsanwalt
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