Neuer Uranmülltransport verstrahlt die Umwelt
Michael Schulze von Glaßer - Am vergangenen Donnerstag fuhr ein Güterzug mit Uranmüll durch das Münsterland. Der Müll – abgereichertes Uran (UF6) – entsteht bei der Anreicherung von Uranerz in der einzigen Urananreicherungsanlage (UAA) Deutschlands im nordrhein-westfälischen Gronau.
Nur angereichertes Uran kann in Atomkraftwerken oder Bomben gespalten werden. Einem kleinen – angereicherten - Uranteil steht ein großer Teil von abgereichertem Uran gegenüber. Dieser gefährliche Müll könnte und müsste in Deutschland lagern. Kosten für die UAA-Betreiberfirma Urenco: Rund 200 Millionen Euro und ein schlechtes Image, weil sie die Region mit ihrem Atommüll verseuchen würde. Daher greift Urenco seit den 90er Jahren zu einem Trick: Das Abfallprodukt wird nicht als solches, also nicht als „Müll“ deklariert, sondern als Wertstoff. Für einen „Wertstoff“ gelten nämlich andere Regeln und Gesetze als für atomaren Müll.
Doch wie funktioniert der Trick genau?
UF6 lässt sich immer noch anreichern. Dies ist aber nicht wirtschaftlich. Dennoch „verkauft“ die Urenco den „Wertstoff“ UF6 nach Russland. Wie das Unternehmen behauptet, soll UF6 angereichert und dann wieder zurückgenommen werden - das aber passiert mutmaßlich zu über 90 Prozent nicht. Die Transportkosten bezahlt die Firma Urenco – ein Millionenbetrag, aber immer noch lukrativer als 200 Millionen Euro zur Lagerung in Deutschland zu bezahlen.
Abgereichertes Uran wird wegen seiner hohen Dichte übrigens auch für panzerbrechende Munition,so genannte Uranmunition, verwendet.
Deutscher Uranmüll in russischen Granaten?
Der erste Urantransport im Jahr 2008 wurde durch eine französische Anti-Atom-Aktivistin, die sich zwischen zwei Bäume über die Gleise hing, für rund sieben Stunden gestoppt. Über diesen Zwischenfall wurde bundesweit in den Medien berichtet. Die Sicherheitsvorkehrungen für den Transport am vergangenen Donnerstag waren daher umso größer. Ganze Polizei-Hundertschaften waren im Einsatz. Mit Hilfe zweier Hubschrauber suchte die Polizei die Bahnstrecke nach Blockaden ab.
Eine der größten Protestaktionen fand am Münsteraner Hauptbahnhof statt. Kurzzeitig fanden sich einige Anti-Atom-AktivistInnen am Bahnhof zusammen – der Transport wurde erst 2 Stunden vor Abfahrt aus der UAA-Gronau bekannt.
Protestaktion in Münster gegen Urananreicherung und die gefährlichen Urantransporte. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Mit Flyern machten die Aktivistinnen und Aktivisten auf den gefährlichen Transport aufmerksam; beäugt von einer Horde Polizisten. Neben lokalen Polizeieinheiten kam auch die Bundespolizei zum Zuge. Hinzu kam auch eine Hundestaffel mit zwei Hunden und Zivilpolizisten. Letztere versuchten sich unter PassantInnen zu mischen (sie taten so, als wollen sie in einen Zug einsteigen) und standen dann doch betont unauffällig neben den AtomkraftgegnerInnen. Als von der Protestaktion Fotos gemacht wurden, packte einer der Zivilpolizisten den Fotografen am Arm und drohte, wenn er auf einem der Fotos zu sehen sei „passiert was“. Danach stellten sich die zwei erzürnten Herren in etwas Entfernung hinter einen Pfeiler.
Auch bei Protestaktionen in anderen Städten neben der Bahnlinie kam es zu Repressionen und Schikanen gegen DemonstrantInnen und JournalistInnen.
Vor und während der Durchfahrt des Uranmüllzugs durch den Münsteraner Hauptbahnhof wurde die Strahlung gemessen: 0,12 Mikrosievert zeigte das Gerät an, bevor der Zug durchfuhr – als der Zug in etwa drei Metern Abstand zum Messgerät vorbeirollte, betrug die Strahlung das 13-Fache: 1,64 Mikrosievert.
Mit einem Geigerzähler wurde die Strahlung vor der Durchfahrt des Urantransportes durch den Münsteraner Hauptbahnhof (links) und während der Durchfahrt des Zuges (recht) gemessen – die Strahlung war 13-Mal höher als zuvor! Der Abstand des Messgerätes zum Zug betrug etwa 3 Meter. Die Strahlenbelastung entspricht etwa der von CASTOR-Transporten. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Nicht nur die Strahlung ist bei den Urantransporten gefährlich – kommt es zu einem Unfall, bei dem die mit UF6 gefüllten Fässer beschädigt würden, müsste unverzüglich im Umkreis von 10 Kilometern evakuiert werden. UF6 reagiert mit (Luft-) Feuchtigkeit zu stark ätzender Flusssäure. Schon ein paar Tropfen oder das Einatmen (Flusssäure kommt sowohl flüssig als auch gasförmig vor) führen zum Tod.
Sieht aus wie ein ganz normaler Güterzug – enthält jedoch Atommüll: der Urantransport von Münster nach Russland. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Nur eine kleine Warntafel macht auf die strahlende Fracht aufmerksam. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Der Transport am Donnerstag bestand aus 19 Waggons - also 75 UF6-Fässer à 12,5 Tonnen UF6. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Der Uranmülltransport wird Russland voraussichtlich am 12. März erreichen – weitere Proteste wurden angekündigt.
Weitere Artikel zu dem Thema:
Urantransporte - mit Sicherheit unsicher
Geheime Fracht für Russland
Bombige Urananreicherungsanlage in Gronau
Weiterführende Links:
www.urantransport.de
www.sofa-ms.de
Nur angereichertes Uran kann in Atomkraftwerken oder Bomben gespalten werden. Einem kleinen – angereicherten - Uranteil steht ein großer Teil von abgereichertem Uran gegenüber. Dieser gefährliche Müll könnte und müsste in Deutschland lagern. Kosten für die UAA-Betreiberfirma Urenco: Rund 200 Millionen Euro und ein schlechtes Image, weil sie die Region mit ihrem Atommüll verseuchen würde. Daher greift Urenco seit den 90er Jahren zu einem Trick: Das Abfallprodukt wird nicht als solches, also nicht als „Müll“ deklariert, sondern als Wertstoff. Für einen „Wertstoff“ gelten nämlich andere Regeln und Gesetze als für atomaren Müll.
Doch wie funktioniert der Trick genau?
UF6 lässt sich immer noch anreichern. Dies ist aber nicht wirtschaftlich. Dennoch „verkauft“ die Urenco den „Wertstoff“ UF6 nach Russland. Wie das Unternehmen behauptet, soll UF6 angereichert und dann wieder zurückgenommen werden - das aber passiert mutmaßlich zu über 90 Prozent nicht. Die Transportkosten bezahlt die Firma Urenco – ein Millionenbetrag, aber immer noch lukrativer als 200 Millionen Euro zur Lagerung in Deutschland zu bezahlen.
Abgereichertes Uran wird wegen seiner hohen Dichte übrigens auch für panzerbrechende Munition,so genannte Uranmunition, verwendet.
Deutscher Uranmüll in russischen Granaten?
Der erste Urantransport im Jahr 2008 wurde durch eine französische Anti-Atom-Aktivistin, die sich zwischen zwei Bäume über die Gleise hing, für rund sieben Stunden gestoppt. Über diesen Zwischenfall wurde bundesweit in den Medien berichtet. Die Sicherheitsvorkehrungen für den Transport am vergangenen Donnerstag waren daher umso größer. Ganze Polizei-Hundertschaften waren im Einsatz. Mit Hilfe zweier Hubschrauber suchte die Polizei die Bahnstrecke nach Blockaden ab.
Eine der größten Protestaktionen fand am Münsteraner Hauptbahnhof statt. Kurzzeitig fanden sich einige Anti-Atom-AktivistInnen am Bahnhof zusammen – der Transport wurde erst 2 Stunden vor Abfahrt aus der UAA-Gronau bekannt.
Protestaktion in Münster gegen Urananreicherung und die gefährlichen Urantransporte. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Mit Flyern machten die Aktivistinnen und Aktivisten auf den gefährlichen Transport aufmerksam; beäugt von einer Horde Polizisten. Neben lokalen Polizeieinheiten kam auch die Bundespolizei zum Zuge. Hinzu kam auch eine Hundestaffel mit zwei Hunden und Zivilpolizisten. Letztere versuchten sich unter PassantInnen zu mischen (sie taten so, als wollen sie in einen Zug einsteigen) und standen dann doch betont unauffällig neben den AtomkraftgegnerInnen. Als von der Protestaktion Fotos gemacht wurden, packte einer der Zivilpolizisten den Fotografen am Arm und drohte, wenn er auf einem der Fotos zu sehen sei „passiert was“. Danach stellten sich die zwei erzürnten Herren in etwas Entfernung hinter einen Pfeiler.
Auch bei Protestaktionen in anderen Städten neben der Bahnlinie kam es zu Repressionen und Schikanen gegen DemonstrantInnen und JournalistInnen.
Vor und während der Durchfahrt des Uranmüllzugs durch den Münsteraner Hauptbahnhof wurde die Strahlung gemessen: 0,12 Mikrosievert zeigte das Gerät an, bevor der Zug durchfuhr – als der Zug in etwa drei Metern Abstand zum Messgerät vorbeirollte, betrug die Strahlung das 13-Fache: 1,64 Mikrosievert.
Mit einem Geigerzähler wurde die Strahlung vor der Durchfahrt des Urantransportes durch den Münsteraner Hauptbahnhof (links) und während der Durchfahrt des Zuges (recht) gemessen – die Strahlung war 13-Mal höher als zuvor! Der Abstand des Messgerätes zum Zug betrug etwa 3 Meter. Die Strahlenbelastung entspricht etwa der von CASTOR-Transporten. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Nicht nur die Strahlung ist bei den Urantransporten gefährlich – kommt es zu einem Unfall, bei dem die mit UF6 gefüllten Fässer beschädigt würden, müsste unverzüglich im Umkreis von 10 Kilometern evakuiert werden. UF6 reagiert mit (Luft-) Feuchtigkeit zu stark ätzender Flusssäure. Schon ein paar Tropfen oder das Einatmen (Flusssäure kommt sowohl flüssig als auch gasförmig vor) führen zum Tod.
Sieht aus wie ein ganz normaler Güterzug – enthält jedoch Atommüll: der Urantransport von Münster nach Russland. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Nur eine kleine Warntafel macht auf die strahlende Fracht aufmerksam. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Der Transport am Donnerstag bestand aus 19 Waggons - also 75 UF6-Fässer à 12,5 Tonnen UF6. Foto: © Michael Schulze von Glaßer
Der Uranmülltransport wird Russland voraussichtlich am 12. März erreichen – weitere Proteste wurden angekündigt.
Weitere Artikel zu dem Thema:
Urantransporte - mit Sicherheit unsicher
Geheime Fracht für Russland
Bombige Urananreicherungsanlage in Gronau
Weiterführende Links:
www.urantransport.de
www.sofa-ms.de
sfux - 8. Mär, 16:53 Article 6033x read