Dumela Ngaka - 8 Jahre als Krebsarzt in Botswana - Ein persönlicher Erfahrungsbericht
Dr. Alexander von Paleske --- 3.11. 2009 ---
Dumela Ngaka, was etwas frei übersetzt so viel heisst wie „Hallo Doktor“ mit diesen Worten begrüssete mich am 8. Oktober 2001 die leitende Stationsschwester Motshegwa auf der leeren 20-Betten Station, die nun alsbald als Krebsstation eröffnet werden sollte.
Das Gesundheitsministerium Botswanas hatte mir den Aufbau einer Abteilung fuer Onkologie übertragen. Bis dato gab es keine eigene Onkologie-Abteilung im Princess Marina Hospital. dem Zentralkrankenhaus des Landes Botswana in der Hauptstadt Gaborone.
Botswana , ein Land grösser als die Bundesrepublik Deutschland aber mit einer Einwohnerzahl von knapp 1,8 Millionen.
Eröffnung ohne Zeremonie
Die Eröffnung fand ohne jeden Pomp in der darauffolgenden Woche statt.
Eingang zur Abteilung Onkologie, wartende Patienten. Foto: Dr. v. Paleske
Der damalige ärztliche Direktor, Dr. Howard Moffat, eine Seele von Mensch, nebenher auch noch Pfarrer und Leibarzt des damaligen Präsidenten Festus Mogae, sicherte mir jede mögliche Unterstützung zu, und so starteten wir die die Abteilung bestehend aus der Station und einer Onkologie Ambulanz.
Stellenplan: Zwei Aerzte, zwölf Schwestern.
Verfasser und einige der Mitarbeiter. Foto: MMEGI
Pflegepersonal der Krebsstation. Foto: Dr. v. Paleske
Dramatischer Anstieg der Krebserkrankungen
Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte: Bereits nach 4 Jahren verdreifachte sich die Zahl der Ambulanzbesuche. Der Grund: Die HIV-Epidemie.
Das Kaposi-Sarkom, ein Hautkrebs, der auch innere Organe befallen kann, wurde zum häufigsten Krebs bei Männern und Frauen. Eine Katastrophe.
Kaposi-Sarkom, Hautbefall
Kaposi-Sarkom - exzessiver tumoröser Befall des linken Beins
Kaposi-Sarkom, Lungenbefall im Röntgenbild dargestellt
Kaposi-Sarkom, Befall des harten Gaumens
Mittlerweile sind mehr als 60% der Krebspatienten HIV-infiziert, mehr als die Hälfte davon leidet an Krebserkrankungen, die eindeutig HIV-assoziiert sind, also neben dem Kaposi-Sarkom vor allem das hochgradig maligne Non Hodgkin-Lymphom.
Hochgradig malignes Lymphom, Halsbefall
Hochgradig malignes Lymphom mit Befall des harten Gaumens
Aber auch der Krebs der Augen-Bindehaut, vor der HIV-Epidemie nahezu unbekannt, wird jetzt häufiger gesehen. Die Patienten sind jung, zwischen 20 und 40 Jahren alt.
Krebs der Bindehaut
Fotos: Dr. v. Paleske
Mit einer Durchseuchungsrate von etwa 17% müssen wir daher mit weiterer Zunahme der Krebserkrankungen rechnen. Denn durch das Programm der Regierung, alle HIV-infizierten mit antiretroviralen Medikamenten zu versorgen, wenn die HIV verursachte Immunsuppression ein bestimtes Stadium unterschritten hat, werden die Patienten wesentlich länger leben, und deshalb ein nicht zu unterschätzendes Risiko haben, an Krebs zu erkranken.
Dies gilt insbesondere für das Kaposi-Sarkom, das in jedem Stadium der HIV-Krankheit auftreten kann, während hingegen das hochgradig maligne Non-Hodgkin Lymphom fast ganz überwiegend erst im Stadium der sehr ausgeprägten Immunsuppression auftritt.
Aber auch Patienten, die mit dem HIV-Virus infiziert sind, haben bei nicht-HIV- assoziierten Krebserkrankungen einen wesentlich aggressiveren Verlauf und eine deutlich schlechtere Prognose. Das sahen wir vor allem beim Brustkrebs.
In den darauffolgenden Jahren gelang es meinen Mitarbeitern und mir, die Krebsabteilung zu einem zentralen Bestandteil der Krankenversorgung zu machen und die Feinnadelpunktionen als diagnostische Massnahme fest zu etablieren. Oft genug konnten wir so nichtinvasiv rasche Diagnosen stellen und die Pathologen, die leider, bedingt durch den Arbeitsanfall, oftmals Wochen benötigen, nicht nur zeitlich schlagen, sondern gelegentlich auch deren Diagnosen korrigieren.
In Afrika gelernt
Während die im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf unter dem damaligen Leiter der Abteilung Hämatologie/Onkologie, Prof. Dieter K. Hossfeld, erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten mir eine deutliche Verbesserung der bisherigen Krankenversorgung ermöglichten, habe ich selbst sowohl in Simbabwe als auch gerade in Botswana in in Sachen „Human Relationships“ dazulernen können.
Respekt, der nicht durch irgendwelche Leistungen, wie in Europa, erst „verdient“ werden muss und gerade auch Respekt vor älteren und alten Menschen.
Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Ein alter Mensch sieht im Sitzen mehr als ein junger im Stehen.
Und in Sachen Familienzusammenhalt: Ohne die Fürsorge der Angehörigen, die in grosser Zahl zu den Besuchszeiten kamen und den Patienten nicht nur emotional intererstützten, sondern auch wuschen und fütterten, wäre die adäquate Krankenversorgung gar nicht möglich gewesen.
Auch bestehen die Angehörigen auf „Counselling“ also genaue Erklärung, wie es um den Zustand des Patienten steht. Respekt ja, aber Demut oder Unterwürfigkeit habe ich kaum feststellen können. Hier macht sich bemerkbar, dass Botswana niemals Kolonie im eigentlichen Sinne war, sondern Protektorat und dank seiner Diamantenfunde kurz nach der Unabhängigkeit im Jahre 1966 zu Wohlstand gelangte, ein Wohlstand, der dazu diente, vor allem die Infrastruktur zu entwickeln.
Der Stolz ueber die Errungenschaften war in vielen Gesprächen festzustellen.
Rassismus, schwarzen oder weissen Rassismus, habe ich, anders als in Südafrika, ebenfalls kaum feststellen können, bestenfalls weissen Rassismus bei denjenigen, die in Südafrika aufgewachsen sind.
Dazu trug sicher bei, dass der erste Präsident, Sir Seretse Khama, mit einer weissen Engländerin verheiratet war, ein Umstand, der die britische Regierung veranlasste, auf Druck von Apartheid -Südafrika Seretse Khama für 5 Jahre von 1951 bis 1956 in Grossbritannien mit seiner Familie zu internieren.
Abschied: Verfasser und Gesundheitsministerin Lesego Motsumi
Diagnose: Krebs
Cancer surge overwhelms AIDS-struck Botswana
Bittere Pillen für die Dritte Welt
Dumela Ngaka, was etwas frei übersetzt so viel heisst wie „Hallo Doktor“ mit diesen Worten begrüssete mich am 8. Oktober 2001 die leitende Stationsschwester Motshegwa auf der leeren 20-Betten Station, die nun alsbald als Krebsstation eröffnet werden sollte.
Das Gesundheitsministerium Botswanas hatte mir den Aufbau einer Abteilung fuer Onkologie übertragen. Bis dato gab es keine eigene Onkologie-Abteilung im Princess Marina Hospital. dem Zentralkrankenhaus des Landes Botswana in der Hauptstadt Gaborone.
Botswana , ein Land grösser als die Bundesrepublik Deutschland aber mit einer Einwohnerzahl von knapp 1,8 Millionen.
Eröffnung ohne Zeremonie
Die Eröffnung fand ohne jeden Pomp in der darauffolgenden Woche statt.
Eingang zur Abteilung Onkologie, wartende Patienten. Foto: Dr. v. Paleske
Der damalige ärztliche Direktor, Dr. Howard Moffat, eine Seele von Mensch, nebenher auch noch Pfarrer und Leibarzt des damaligen Präsidenten Festus Mogae, sicherte mir jede mögliche Unterstützung zu, und so starteten wir die die Abteilung bestehend aus der Station und einer Onkologie Ambulanz.
Stellenplan: Zwei Aerzte, zwölf Schwestern.
Verfasser und einige der Mitarbeiter. Foto: MMEGI
Pflegepersonal der Krebsstation. Foto: Dr. v. Paleske
Dramatischer Anstieg der Krebserkrankungen
Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte: Bereits nach 4 Jahren verdreifachte sich die Zahl der Ambulanzbesuche. Der Grund: Die HIV-Epidemie.
Das Kaposi-Sarkom, ein Hautkrebs, der auch innere Organe befallen kann, wurde zum häufigsten Krebs bei Männern und Frauen. Eine Katastrophe.
Kaposi-Sarkom, Hautbefall
Kaposi-Sarkom - exzessiver tumoröser Befall des linken Beins
Kaposi-Sarkom, Lungenbefall im Röntgenbild dargestellt
Kaposi-Sarkom, Befall des harten Gaumens
Mittlerweile sind mehr als 60% der Krebspatienten HIV-infiziert, mehr als die Hälfte davon leidet an Krebserkrankungen, die eindeutig HIV-assoziiert sind, also neben dem Kaposi-Sarkom vor allem das hochgradig maligne Non Hodgkin-Lymphom.
Hochgradig malignes Lymphom, Halsbefall
Hochgradig malignes Lymphom mit Befall des harten Gaumens
Aber auch der Krebs der Augen-Bindehaut, vor der HIV-Epidemie nahezu unbekannt, wird jetzt häufiger gesehen. Die Patienten sind jung, zwischen 20 und 40 Jahren alt.
Krebs der Bindehaut
Fotos: Dr. v. Paleske
Mit einer Durchseuchungsrate von etwa 17% müssen wir daher mit weiterer Zunahme der Krebserkrankungen rechnen. Denn durch das Programm der Regierung, alle HIV-infizierten mit antiretroviralen Medikamenten zu versorgen, wenn die HIV verursachte Immunsuppression ein bestimtes Stadium unterschritten hat, werden die Patienten wesentlich länger leben, und deshalb ein nicht zu unterschätzendes Risiko haben, an Krebs zu erkranken.
Dies gilt insbesondere für das Kaposi-Sarkom, das in jedem Stadium der HIV-Krankheit auftreten kann, während hingegen das hochgradig maligne Non-Hodgkin Lymphom fast ganz überwiegend erst im Stadium der sehr ausgeprägten Immunsuppression auftritt.
Aber auch Patienten, die mit dem HIV-Virus infiziert sind, haben bei nicht-HIV- assoziierten Krebserkrankungen einen wesentlich aggressiveren Verlauf und eine deutlich schlechtere Prognose. Das sahen wir vor allem beim Brustkrebs.
In den darauffolgenden Jahren gelang es meinen Mitarbeitern und mir, die Krebsabteilung zu einem zentralen Bestandteil der Krankenversorgung zu machen und die Feinnadelpunktionen als diagnostische Massnahme fest zu etablieren. Oft genug konnten wir so nichtinvasiv rasche Diagnosen stellen und die Pathologen, die leider, bedingt durch den Arbeitsanfall, oftmals Wochen benötigen, nicht nur zeitlich schlagen, sondern gelegentlich auch deren Diagnosen korrigieren.
In Afrika gelernt
Während die im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf unter dem damaligen Leiter der Abteilung Hämatologie/Onkologie, Prof. Dieter K. Hossfeld, erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten mir eine deutliche Verbesserung der bisherigen Krankenversorgung ermöglichten, habe ich selbst sowohl in Simbabwe als auch gerade in Botswana in in Sachen „Human Relationships“ dazulernen können.
Respekt, der nicht durch irgendwelche Leistungen, wie in Europa, erst „verdient“ werden muss und gerade auch Respekt vor älteren und alten Menschen.
Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Ein alter Mensch sieht im Sitzen mehr als ein junger im Stehen.
Und in Sachen Familienzusammenhalt: Ohne die Fürsorge der Angehörigen, die in grosser Zahl zu den Besuchszeiten kamen und den Patienten nicht nur emotional intererstützten, sondern auch wuschen und fütterten, wäre die adäquate Krankenversorgung gar nicht möglich gewesen.
Auch bestehen die Angehörigen auf „Counselling“ also genaue Erklärung, wie es um den Zustand des Patienten steht. Respekt ja, aber Demut oder Unterwürfigkeit habe ich kaum feststellen können. Hier macht sich bemerkbar, dass Botswana niemals Kolonie im eigentlichen Sinne war, sondern Protektorat und dank seiner Diamantenfunde kurz nach der Unabhängigkeit im Jahre 1966 zu Wohlstand gelangte, ein Wohlstand, der dazu diente, vor allem die Infrastruktur zu entwickeln.
Der Stolz ueber die Errungenschaften war in vielen Gesprächen festzustellen.
Rassismus, schwarzen oder weissen Rassismus, habe ich, anders als in Südafrika, ebenfalls kaum feststellen können, bestenfalls weissen Rassismus bei denjenigen, die in Südafrika aufgewachsen sind.
Dazu trug sicher bei, dass der erste Präsident, Sir Seretse Khama, mit einer weissen Engländerin verheiratet war, ein Umstand, der die britische Regierung veranlasste, auf Druck von Apartheid -Südafrika Seretse Khama für 5 Jahre von 1951 bis 1956 in Grossbritannien mit seiner Familie zu internieren.
Abschied: Verfasser und Gesundheitsministerin Lesego Motsumi
Diagnose: Krebs
Cancer surge overwhelms AIDS-struck Botswana
Bittere Pillen für die Dritte Welt
onlinedienst - 3. Nov, 16:36 Article 19600x read