Ein Tag wie jeder andere - In einem Krankenhaus in Simbabwe
Dr. Alexander von Paleske ---21.5. 2010 -- Ein Wintertag in Simbabwe, in einem Winter der kein wirklicher Winter mehr ist, denn nachts wird es seit ein paar Jahren nicht mehr richtig kalt, Klimaveränderung auch hier.
Konsil auf der internistischen Frauenstation C3 des Mpilo-Krankenhauses in Bulawayo. Es geht um eine 23 jährige Patientin, Endstadium der HIV -Krankheit, bisher nicht behandelt mit antiretroviralen Medikamenten. Ihr Zustand würde selbst den Hartgesottensten rühren.
Tuberkulose und HIV
Ich wurde gebeten, eine Knochenmarkspuktion vorzunehmen, die Vermutungsdiagnose: Tuberkulose, eine Krankheit, die längst hier zur Epidemie geworden ist.
Der Zusammenbruch des Immunsystems im fortgeschrittenen Stadium der HIV- Krankheit ist ein Brandbeschleuniger für eine Krankheit, die vor dem Ausbruch der HIV-Epidemie Jahr für Jahr an Zahl abnahm - das war bis 1985 - seither geht es immer schneller bergauf mit den Krankheitsfällen.
Die Tuberkulose war seinerzeit in Europa vorwiegend eine Erkrankung der Armen, der Schlechternährten, der in engen Behausungen Zusammengepferchten. Hier in Afrika kann sie jeden treffen, ob arm oder reich, dessen Immunsystem durch die HIV-Krankheit schwer geschädigt ist.
Meine Patientin auf der Station C3 kann sich kaum bewegen, hat starke Schmerzen , und so nehme ich die Punktion am Bustbein vor, ein Ort, der fuer Knochenmarkpunktionen zu Recht nicht als am besten geeignet angesehen wird, weil die grossen Gefässe bzw. der Herzbeutel direkt dahinter liegen, und beim versehentlichen Durchstechen des Brustbeins leicht verletzt werden können. Aber der Zustand der Patientin lässt mir keine andere Wahl.
Ich nehme den Eingriff mit einer einfachen Injektionsnadel vor, eigentliche Knochenmark-Punktionsnadeln, die normalerweise Verwendung finden, sind nicht vorhanden, und als sie vor Jahren noch vorhanden waren, da reichten sie für die bis zu 7 Punktionen pro Tag nicht aus, also muss ich mir sich mit dem behelfen, was vorhanden ist, eine 18er Nadel.
Die Patientin lässt den schmerzhaften Eingriff klaglos über sich ergehen, er dauert glücklicherweise weniger als als 2 Minuten.
CDC weiss es besser - oder?
Knochenmarkpunktate werden von mir seit 1990 routinemässig auf Tuberkelbakterien untersucht. Als ich damit anfing, und die ersten positiven Befunde hatte, musste ich mir von einer Abgesandten des Centers for Disease Control (CDC) Atlanta, USA anhören, das würde nichts bringen, sie hätten damit genügend negative Erfahrungen gemacht. Ein Blick durch das Mikroskop konnte sie eines besseren belehren
Am Nachmittag, nach Färbung der Präparate, die Diagnose: Miliare Tuberkulose, also eine Tuberkulose, die von der Lunge ausgehend sich in entfernt liegende Organe ausgebreitet hatte.
Fortgeschrittene TB, fortgeschrittene HIV-Krankheit, ein zu oft zu tödlicher Cocktail, und so hat auch meine Patientin eine extrem schlechte Prognose.
Tuberkelbazillen (rot) im Knochenmarkausstrich der Patientin
Zurückgekehrt in mein Behandlungszimmer warten drei weitere Patienten auf Punktionen, diesmal Lymphknotenpunktionen , zwei haben Tuberkulose, der dritte leidet an einem hochgradig malignen Non-Hodgkin Lymphom. Alle leiden auch an der HIV-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium.
Die Behandlung der HIV-Infizierten mit antiretroviralen Medikamenten ist nötiger denn je, damit es gar nicht erst zum Zusammenbruch des Immunsystems kommt.
Lymphknotentuberkulose. Zusammengebrochene Immunabwehr. Statt käsigem Material werden grosse Mengen an Eiter aspiriert, unter dem Mikroskop übersät mit Tuberkelbakterien (rot)
Fotos: Dr. v. Paleske
Nicht besser, sondern schlechter
Aber die Behandlungslage für die HIV-Kranke wird sich in den nächsten Jahren nicht verbessern, dank der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, und der Milliarden, die zur Stützung des Euro jetzt in den Finanzmarkt gepumpt werden.
Die Administration des US-Präsidenten Funds PEPFAR (President’s Emeregency Plan for HIV/Aids Relief) ), eine der wichtigsten Geldquellen zur Behandlung dieser Menschenplagen, hat bereits einige Länder aufgefordert, die Zahl der Neuzugänge zur Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten (ARV’s) gegen die HIV-Krankheit zu begrenzen, da es im Jahre 2011 nur eine Erhöhung der Zahlungen von 2% geben werde. Zieht man die Inflation ab, beibt es beim Vorjahresstand.
Um den Global Fund zur Behandlung und Bekämpfung von AIDS, TB und Malaria sieht es noch schlechter aus. Dem Fund, zu dem eine Reihe von Industrieländern beisteuert, fehlen zur Finanzierung seiner beschlossenen und laufenden Programme 10 Milliarden US-Dollar. Ein vergleichsweise niedriger Betrag, verglichen mit dem, was jetzt zur Stützung des Euro lockergemacht wird, aber hier, bei der sogenannten Entwicklungshilfe, lässt es sich eben am „problemslosesten“ sparen, da der Widerstand am geringsten ist.
Beide Programme , Global Fund und PEPFAR, haben bisher dafür gesorgt, dass täglich 5000 Menschenleben gerettet werden konnten.,
Der ehrgeizige Plan, statt jetzt 42%, in der Zukunft 80% aller Patienten, die ARV’s benötigen, zu behandeln, wird unter diesen Umständen Makulatur werden.
Uganda: Patienten werden weggeschickt
In Uganda werden bereits jetzt 800 neue behandlungsbedürftige Patienten monatlich von den Kliniken weggeschickt, weil nicht genügend ARV’s verfügbar sind, wie die südafrikanische Zeitung Mail and Guardian vor einer Woche berichtete.
70% der ugandischen Patienten haben entweder nur ein Minimaleinkommen, oder gar keins, und bekommen die ARV’s deshalb kostenfrei, finanziert durch PEPFAR. Nur wenn ein Patient stirbt, oder aus der Therapie aussteigt, kann ein neuer Patient in das Behandlungsprogramm aufgenommen werden.
Und so kann sich, angesichts der Nchtbehandlung der HIV-Krankheit auch die Tuberkulose ungehindert weiter ausbreiten. Und damit auch die Multidrug-Resistant -TB (MDR) und die völlig medikamentenresistente Tuberkulose (XDR).
In Südafrika wird bereits jetzt 60 % desTuberkulose- Behandlungs-Budgets zur Behandlung der MDR-TB, verbraucht, obgleich bisher „nur“ 8000 der insgesamt 460.000 neu diagnostizierten TB-Patienten daran leiden.
72 US Dollar kostet die Normalbehandlung der TB, bei der MDR-TB sind es dagegen schon 1200 US Dollar und bei der XDR 7200 US Dollar, jeweils pro Patient und Jahr.
Damit wird bereits die MDR in den meisten Ländern Afrikas unbehandelbar, von der XDR ganz zu schweigen.
Medizinisches Personal gefährdet
Das medizinisches Personal ist ausserdem einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich nicht nur mit TB, sondern gleich mit MDR-TB bzw. XDR-TB zu infizieren, da sie mit diesen Patienten täglich umgehen und geeignete Schutzmassnahmen (Laminar Flow etc.) in den meisten Krankenhäusern, selbst in Südafrika, nicht vorhanden sind.
So ist es dann kaum eine Ueberraschung, dass die Häufigkeit von MDR-TB in dieser Personengruppe sechs mal höher liegt, als in der Normalbevölkerung.
Trotz all dieser enormen und wachsenden Probleme, werden sich die Länder Afrikas auf weitere Kürzungen einstellen müssen.
Keine guten Aussichten.
Welt-Tuberkulose Tag - eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Dumela Ngaka - 8 Jahre als Krebsarzt in Botswana - Ein persönlicher Erfahrungsbericht
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Cancer surge overwhelms AIDS-struck Botswana
Bittere Pillen für die Dritte Welt
Konsil auf der internistischen Frauenstation C3 des Mpilo-Krankenhauses in Bulawayo. Es geht um eine 23 jährige Patientin, Endstadium der HIV -Krankheit, bisher nicht behandelt mit antiretroviralen Medikamenten. Ihr Zustand würde selbst den Hartgesottensten rühren.
Tuberkulose und HIV
Ich wurde gebeten, eine Knochenmarkspuktion vorzunehmen, die Vermutungsdiagnose: Tuberkulose, eine Krankheit, die längst hier zur Epidemie geworden ist.
Der Zusammenbruch des Immunsystems im fortgeschrittenen Stadium der HIV- Krankheit ist ein Brandbeschleuniger für eine Krankheit, die vor dem Ausbruch der HIV-Epidemie Jahr für Jahr an Zahl abnahm - das war bis 1985 - seither geht es immer schneller bergauf mit den Krankheitsfällen.
Die Tuberkulose war seinerzeit in Europa vorwiegend eine Erkrankung der Armen, der Schlechternährten, der in engen Behausungen Zusammengepferchten. Hier in Afrika kann sie jeden treffen, ob arm oder reich, dessen Immunsystem durch die HIV-Krankheit schwer geschädigt ist.
Meine Patientin auf der Station C3 kann sich kaum bewegen, hat starke Schmerzen , und so nehme ich die Punktion am Bustbein vor, ein Ort, der fuer Knochenmarkpunktionen zu Recht nicht als am besten geeignet angesehen wird, weil die grossen Gefässe bzw. der Herzbeutel direkt dahinter liegen, und beim versehentlichen Durchstechen des Brustbeins leicht verletzt werden können. Aber der Zustand der Patientin lässt mir keine andere Wahl.
Ich nehme den Eingriff mit einer einfachen Injektionsnadel vor, eigentliche Knochenmark-Punktionsnadeln, die normalerweise Verwendung finden, sind nicht vorhanden, und als sie vor Jahren noch vorhanden waren, da reichten sie für die bis zu 7 Punktionen pro Tag nicht aus, also muss ich mir sich mit dem behelfen, was vorhanden ist, eine 18er Nadel.
Die Patientin lässt den schmerzhaften Eingriff klaglos über sich ergehen, er dauert glücklicherweise weniger als als 2 Minuten.
CDC weiss es besser - oder?
Knochenmarkpunktate werden von mir seit 1990 routinemässig auf Tuberkelbakterien untersucht. Als ich damit anfing, und die ersten positiven Befunde hatte, musste ich mir von einer Abgesandten des Centers for Disease Control (CDC) Atlanta, USA anhören, das würde nichts bringen, sie hätten damit genügend negative Erfahrungen gemacht. Ein Blick durch das Mikroskop konnte sie eines besseren belehren
Am Nachmittag, nach Färbung der Präparate, die Diagnose: Miliare Tuberkulose, also eine Tuberkulose, die von der Lunge ausgehend sich in entfernt liegende Organe ausgebreitet hatte.
Fortgeschrittene TB, fortgeschrittene HIV-Krankheit, ein zu oft zu tödlicher Cocktail, und so hat auch meine Patientin eine extrem schlechte Prognose.
Tuberkelbazillen (rot) im Knochenmarkausstrich der Patientin
Zurückgekehrt in mein Behandlungszimmer warten drei weitere Patienten auf Punktionen, diesmal Lymphknotenpunktionen , zwei haben Tuberkulose, der dritte leidet an einem hochgradig malignen Non-Hodgkin Lymphom. Alle leiden auch an der HIV-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium.
Die Behandlung der HIV-Infizierten mit antiretroviralen Medikamenten ist nötiger denn je, damit es gar nicht erst zum Zusammenbruch des Immunsystems kommt.
Lymphknotentuberkulose. Zusammengebrochene Immunabwehr. Statt käsigem Material werden grosse Mengen an Eiter aspiriert, unter dem Mikroskop übersät mit Tuberkelbakterien (rot)
Fotos: Dr. v. Paleske
Nicht besser, sondern schlechter
Aber die Behandlungslage für die HIV-Kranke wird sich in den nächsten Jahren nicht verbessern, dank der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, und der Milliarden, die zur Stützung des Euro jetzt in den Finanzmarkt gepumpt werden.
Die Administration des US-Präsidenten Funds PEPFAR (President’s Emeregency Plan for HIV/Aids Relief) ), eine der wichtigsten Geldquellen zur Behandlung dieser Menschenplagen, hat bereits einige Länder aufgefordert, die Zahl der Neuzugänge zur Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten (ARV’s) gegen die HIV-Krankheit zu begrenzen, da es im Jahre 2011 nur eine Erhöhung der Zahlungen von 2% geben werde. Zieht man die Inflation ab, beibt es beim Vorjahresstand.
Um den Global Fund zur Behandlung und Bekämpfung von AIDS, TB und Malaria sieht es noch schlechter aus. Dem Fund, zu dem eine Reihe von Industrieländern beisteuert, fehlen zur Finanzierung seiner beschlossenen und laufenden Programme 10 Milliarden US-Dollar. Ein vergleichsweise niedriger Betrag, verglichen mit dem, was jetzt zur Stützung des Euro lockergemacht wird, aber hier, bei der sogenannten Entwicklungshilfe, lässt es sich eben am „problemslosesten“ sparen, da der Widerstand am geringsten ist.
Beide Programme , Global Fund und PEPFAR, haben bisher dafür gesorgt, dass täglich 5000 Menschenleben gerettet werden konnten.,
Der ehrgeizige Plan, statt jetzt 42%, in der Zukunft 80% aller Patienten, die ARV’s benötigen, zu behandeln, wird unter diesen Umständen Makulatur werden.
Uganda: Patienten werden weggeschickt
In Uganda werden bereits jetzt 800 neue behandlungsbedürftige Patienten monatlich von den Kliniken weggeschickt, weil nicht genügend ARV’s verfügbar sind, wie die südafrikanische Zeitung Mail and Guardian vor einer Woche berichtete.
70% der ugandischen Patienten haben entweder nur ein Minimaleinkommen, oder gar keins, und bekommen die ARV’s deshalb kostenfrei, finanziert durch PEPFAR. Nur wenn ein Patient stirbt, oder aus der Therapie aussteigt, kann ein neuer Patient in das Behandlungsprogramm aufgenommen werden.
Und so kann sich, angesichts der Nchtbehandlung der HIV-Krankheit auch die Tuberkulose ungehindert weiter ausbreiten. Und damit auch die Multidrug-Resistant -TB (MDR) und die völlig medikamentenresistente Tuberkulose (XDR).
In Südafrika wird bereits jetzt 60 % desTuberkulose- Behandlungs-Budgets zur Behandlung der MDR-TB, verbraucht, obgleich bisher „nur“ 8000 der insgesamt 460.000 neu diagnostizierten TB-Patienten daran leiden.
72 US Dollar kostet die Normalbehandlung der TB, bei der MDR-TB sind es dagegen schon 1200 US Dollar und bei der XDR 7200 US Dollar, jeweils pro Patient und Jahr.
Damit wird bereits die MDR in den meisten Ländern Afrikas unbehandelbar, von der XDR ganz zu schweigen.
Medizinisches Personal gefährdet
Das medizinisches Personal ist ausserdem einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich nicht nur mit TB, sondern gleich mit MDR-TB bzw. XDR-TB zu infizieren, da sie mit diesen Patienten täglich umgehen und geeignete Schutzmassnahmen (Laminar Flow etc.) in den meisten Krankenhäusern, selbst in Südafrika, nicht vorhanden sind.
So ist es dann kaum eine Ueberraschung, dass die Häufigkeit von MDR-TB in dieser Personengruppe sechs mal höher liegt, als in der Normalbevölkerung.
Trotz all dieser enormen und wachsenden Probleme, werden sich die Länder Afrikas auf weitere Kürzungen einstellen müssen.
Keine guten Aussichten.
Welt-Tuberkulose Tag - eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Dumela Ngaka - 8 Jahre als Krebsarzt in Botswana - Ein persönlicher Erfahrungsbericht
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Cancer surge overwhelms AIDS-struck Botswana
Bittere Pillen für die Dritte Welt
onlinedienst - 21. Mai, 16:31 Article 6758x read